DAS GESCHENK - Christiane Weller - E-Book

DAS GESCHENK E-Book

Christiane Weller

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Beschreibung

"Das Geschenk" Band 1 der "silent sea"-Mystery-Trilogie. Eigentlich hätte Lana gar nicht mehr in Port Grimaud Urlaub machen wollen, aber ihre Eltern hatten sie überredet, doch noch einmal mitzukommen. Was tut man in so einem Fall? Man versucht trotzdem Spaß zu haben. Das gelingt auch, und Lana lernt bei einer Misswahl am Strand sogar Diego, ihren Traummann, kennen. Kurz darauf verschwindet plötzlich Lanas Freundin spurlos. Bald schon taucht sie wieder auf, ist aber in einem so erschreckenden Zustand, dass man von ihr keinen Hinweis auf die Täter bekommen kann. Lana ist zutiefst erschüttert. Sie macht sich mit Diegos Hilfe daran, der Sache auf die Spur zu kommen; allerdings verdichtet sich immer mehr der Verdacht, dass ausgerechnet er etwas mit der Sache zu tun hat. Und dann ist da noch etwas: Warum ist er so sehr auf die Nähe des Meeres angewiesen? All-age-Mystery at its best! Qindie steht für qualitativ hochwertige Indie-Publikationen. Achten Sie künftig bitte auf das Qindie-Siegel.

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Seitenzahl: 541

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Christiane Weller, Michael Stuhr

DAS GESCHENK

silent sea-Trilogie, Band 1

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

SILENT SEA

PROLOG

01 CAMPING NEPTUNE

02 DIE ALTE SCHULD

03 IN DER STRANDBAR

04 DER WÄCHTER

05 SIEG

06 SILBERPERLEN

07 OLDIES UND NAGELLACK

08 DOLORES

09 AUF DEM CATWALK

10 DER TEST

11 PANIK

12 DER BACKFLIP

13 DER FELS

14 HIGH HEELS

15 JAGDVORBEREITUNGEN

16 LES SABLES

17 TEEN-MISS-PORT-GRIMAUD

18 FLUCHT

19 FELIX FEHLT

20 DER IDIOT

21 DIE VERNEHMUNG

22 LOKALNACHRICHTEN

23 SOCHON

24 GENESUNG

25 COMMISSAIRE RENO

26 DER LASTWAGEN

27 Der Hirte

28 PASCALS PLAN

29 DER INQUISITOR

30 MONS

31 Ärger

32 DER TURM

33 SWEETWATER

34 Port Grimaud

35 GLATTE WOGEN

36 DIEGO

37 DER WASSERPLANET

38 ATLANTIS

39 PASCAL

40 DAS TRIBUNAL

41 AM STRAND

42 ENTFÜHRT

43 ABSCHIED

Impressum neobooks

SILENT SEA

MYSTERY-TRILOGIE

ERSTES BUCH

Alle Rechte bei

Christiane Weller

und Michael Stuhr

www.christianeweller.de

www.michaelstuhr.de

Coverfoto:

Christiane Weller

Covergestaltung:

Michael Stuhr

Herausgeber:

WELLER UND STUHR

Gießen und Lemgo

Liste lieferbarer eBooks:

www.thriller-fantasy-leseproben.de

PROLOG

Wie immer wusste er, dass es ein Traum war, aber schon das erste Bild erzeugte eine solche Panik in ihm, dass er verzweifelt versuchte, aufzuwachen.

Es würde nicht gelingen. Es konnte nicht gelingen, weil es nie gelang. Die Bilder würden an ihm vorbeirasen, wie ein Schnellzug in voller Fahrt, und es war sinnlos, erwachen zu wollen, bevor der letzte Waggon vorbeigerauscht war.

Er war den Bildern völlig ausgeliefert. Er kannte sie alle, aber das machte es nicht besser. Er wusste, wie der Traum zu Ende gehen würde. Er kannte das letzte Bild, das er fürchtete, wie nichts sonst auf der Welt: Das Bild, auf dem er sich in Adrianos Griff wand und zurückschaute in den sonnendurchfluteten Garten, wo sich die Strahlen der Sonne vieltausendfach in der leicht gekräuselten Wasserfläche des Pools brachen.

Es begann wie immer ganz friedlich: Er schwamm allein im Pool. Obwohl er erst fünf Jahre alt war, war er ein ausgezeichneter Schwimmer und durfte schon lange allein ins Wasser. Eigentlich war das immer schon so gewesen. Er konnte sich jedenfalls nicht erinnern, dass seine Eltern ihm je das Schwimmen verboten hätten – außer in Gesellschaft natürlich.

Waren Fremde in der Nähe, durfte er nicht ins Wasser. Seine Eltern hatten ihm erklärt, dass er so gut schwamm, dass die Fremden neidisch und ärgerlich werden könnten, wenn sie ihn im Wasser sahen, aber auch da gab es Ausnahmen. Es gab nämlich einerseits die Fremden, vor denen man nicht angeben durfte, und dann gab es da auch noch die Menschen vom Alten Bund. Mit deren Kindern durfte man im Wasser spielen, und das machte dann auch richtig Spaß.

Was die Fremden so unter Schwimmen verstanden, war für den Jungen sowieso uninteressant. Das war kaum mehr als ein müdes Geplansche, und sie waren auch viel zu schnell erschöpft. Die vom Alten Bund dagegen waren stark und es machte Spaß, sich mit ihnen im Wettkampf zu messen.

In seinem Traum war das Wetter immer schön, und unter all seiner Panik spürte er den Frieden des Augenblicks, das Salzwasser des Pools, die Sonne auf der Haut, die Ruhe ringsum.

Die bis zum Boden reichenden Terrassenfenster waren geöffnet, und leise Musik drang aus dem Haus. Es war ein Augenblick ungetrübten Glücks, ein unvergesslicher Moment, besonders hervorgehoben durch die Katastrophe, die gleich unausweichlich folgen musste.

Mit kraftvollen Bewegungen durchschnitt er das Wasser wie ein Delfin, tauchte ab, umrundete das Becken unter Wasser, und als er auftauchte, war sie da.

Er hatte es vorher gewusst, dass dieses kleine Mädchen am Beckenrand stehen würde, aber er erschreckte sich trotzdem jedes Mal. Sie hatte ihn beobachtet, als er getaucht war und das durfte eigentlich nicht sein. Hoffentlich hatte sie nicht bemerkt, dass er viel zu lange unter Wasser geblieben war. So lange, wie sie selbst es niemals auch nur ansatzweise schaffen würde.

Hatte sie es bemerkt? Es schien nicht so. Sie stand nur am Beckenrand und sah ihn mit tränenfeuchtem Gesicht an. Sie hatte irgendeinen Kummer. Er kannte das Mädchen vom Sehen. Der schwarze Haarschopf, die gebräunte Haut und das winzige, orangerote Bikinihöschen waren unverkennbar. Es war die Tochter der Nachbarn, die er hin und wieder aus dem Fenster seines Zimmers im ersten Stock gesehen hatte. Sie hatte in etwa sein Alter, aber sie hatten noch nie ein Wort miteinander gesprochen.

Betont langsam schwamm er auf die Leiter zu, aber trotzdem bildete sich vor seiner Brust eine Welle, die sich teilte und als hoch aufgewölbtes Dreieck aus Wasser und Lichtreflexen den ganzen Pool durchzog. Das Mädchen bemerkte es nicht. Die Kleine war ganz in ihrem Kummer gefangen und starrte mit leeren Augen über die Wasserfläche.

Der Erwachsene in ihm wollte ihr zurufen, dass sie weggehen sollte, ihm nicht zu nahe kommen, sich in Sicherheit bringen; aber er musste hilflos zusehen, wie der Junge in seinem Traum den Griff der Leiter erfasste und sich aus dem Wasser zog.

Das Mädchen sprach nicht. Das tat es nie, aber trotzdem wusste er, warum es hergekommen war: Der neue Hund der Kleinen war plötzlich gestorben und es waren nur die Dienstboten im Haus. Mürrische, ungeduldige Leute die sich weder für den Welpen noch für das Kind interessierten. Ihre Eltern waren unterwegs und sie hatte dort keinen Trost finden können, darum war sie über die Mauer geklettert, hin zu dem Nachbarjungen, den sie hier entdeckt hatte.

Unschlüssig stand der Junge am Rand des Pools und sah das Mädchen an. Er war so erzogen worden, sich nicht zu sehr mit Fremden einzulassen, und dieses hübsche, kleine Mädchen war ganz ohne Zweifel eine Fremde, das konnte er sofort erkennen. Aber sie war doch ungefährlich, so klein, wie sie war. Sie musste ungefährlich sein, denn sie war vor der Gleichgültigkeit im eigenen Haus in seinen Garten geflohen, um seinen Trost und seinen Schutz zu suchen. Und sie war sehr traurig. Stand einfach nur da und sah ihn mit ihren großen, dunklen Augen an, die immer noch in Tränen schwammen.

Der Junge spürte, wie allein und hilflos sie war. Sie wollte sich bloß bei einem menschlichen Wesen ausweinen. Sie suchte seine Nähe und sein Mitgefühl, und auf einmal war alles ganz einfach: Mit einem raschen Blick zum Haus vergewisserte er sich, dass niemand sie beobachtete, machte einen Schritt auf sie zu und legte ihr einen Arm um die Schultern.

Die Kleine atmete mit zitternden Lippen ein und legte scheu ihren Kopf an seinen Brustkorb. Sie war wirklich klein. Ihr Kopf reichte ihm gerade mal bis zum Kinn.

Er spürte ihr tränenfeuchtes Gesicht auf seiner Haut und wie ihr schmaler Körper unter kleinen Schluchzern vibrierte. Er zog sie ein wenig dichter an sich heran, weil sie ihm unendlich Leid tat, wie sie sich so an ihn lehnte und leise weinte. Irgendetwas in ihm gab nach und wurde plötzlich ganz weich. In einer schützenden Geste legte er auch noch den anderen Arm um sie und hielt sie fest.

Jetzt kam der Traum zu der Stelle, wo der Geist des Jungen den Körper kurz verließ. Er erhob sich ein Stück weit über die Szene und sah die beiden Kinder eng umschlungen auf dem Rasen an der Kante des Pools stehen. Für einen Moment war das hier der Mittelpunkt der Welt. Eine Oase der Ruhe, des Trostes und der unschuldigen Zuneigung. Kurz schwebte er über dem friedlichen Bild und sank wieder in den Körper des Jungen zurück.

Etwas hatte sich verändert.

Das tröstende Gefühl, das er ihr hatte geben wollen, war weit in den Hintergrund getreten und er spürte, dass die innige Berührung ihm selbst genauso gut tat wie ihr.

Er gab nicht nur, er konnte auch nehmen. Diesem völlig unerwarteten Überfluss an Wohlgefühl konnte er nicht widerstehen. Es war so, als würde er ein Geschenk erhalten, als würde das Mädchen ihm ihre ganze Kraft und Energie schenken, und er begann zu nehmen. Er spürte, wie ihre nackte, sonnenwarme Haut mit seiner zu verschmelzen schien. Er spürte wie die Energie, die sie ihm gab, in seinen Körper überströmte. Eigentlich hatte er sie nur trösten wollen, und jetzt das! War das die Belohnung dafür, wenn man sich gütig zeigte, und warum gab es dann das Verbot, sich mit Fremden abzugeben? Es war so ein gutes, übermächtiges Gefühl. Was konnte daran schlecht sein?

Er wollte mehr davon. Seine Arme umschlangen das Mädchen fester. Es gab nach und es war, als würde der Fluss der Energie zu einem gewaltigen Strom anschwellen. Er schloss die Augen. Machtvoll und unaufhaltsam ergoss sich dieses neue, unglaubliche Gefühl in seinen Körper, und er wollte mehr davon, immer mehr. Um nichts in der Welt wollte er dieses Mädchen je wieder loslassen.

Langsam ebbte der gewaltige Strom ab, wurde zu einem Fluss, einem Bach, einem Rinnsal, aber es war immer noch erregend und schön.

Er verstand es nicht, als er plötzlich Hände auf seinen Schultern spürte, die versuchten, ihn gewaltsam von dem Mädchen zu trennen. Er wehrte sich und hielt weiter fest. Er wollte auch noch den letzten Tropfen aus dieser wunderbaren Quelle genießen. Er spürte, wie etwas in seinen Armen zerbrach. Es fühlte sich an, als habe er ein dürres Bündel Holz zu stark an sich gepresst. Er öffnete die Augen und ließ los. Das Mädchen glitt zu Boden. Eine kräftige Hand schloss sich um seinen Oberarm und riss ihn von der Kleinen fort, bevor er sie noch einmal hatte ansehen können.

Es war sein Cousin Adriano, und er ging alles andere als sanft mit ihm um. Schnell und gewaltsam wurde er zum Haus geschleift, so sehr er sich auch wehrte, aber auf der Schwelle zum Salon gelang es ihm doch, sich noch einmal kurz umzudrehen.

Seine Mutter hatte sich auf den Rasen gekniet und die Hände vor das Gesicht gelegt, während sein Vater sich auf ein Knie herabgelassen hatte und fassungslos auf das aschgraue Bündel starrte, das zwischen ihm und seiner Frau lag.

Was konnte das sein, und wo war nur das Mädchen geblieben? Es war fort, und da war nur dieses kleine, dürre Etwas auf dem Rasen, das eine entfernte Ähnlichkeit mit einer menschlichen Gestalt hatte.

Der Vater sah zum Haus herüber. Rasch stand er auf und versuchte das, was da auf dem Rasen lag, vor dem Blick des Jungen zu verbergen, aber der hatte schon genug gesehen. Es war der völlig ausgedörrt wirkende Körper des kleinen Mädchens, der in seiner grotesk verrenkten Stellung wie eine zerbrochene Mumie wirkte. Das orangerote Bikinihöschen spannte sich immer noch um die grau und faltig gewordenen Hüften. Es leuchtete in der Sonne und sandte ihm ein letztes, höhnisches Signal der Lebensfreude und der Unbeschwertheit hinterher; aber das Letzte, was er mit seinem kurzen Blick wahrnahm, war der kleine, graugesichtige Schädel, um den herum ganze Büschel ausgefallener, schwarzer Haare lagen. Das Gesicht war nach oben gewandt, und es war die Maske des Todes, die da mit blicklosen Augen in den makellos blauen Himmel starrte.

Keuchend wachte er auf.

Früher war er oft schreiend aus seinem Bett hochgefahren, wenn der Traum ihn wieder mal ereilt hatte. aber mittlerweile war er älter und hatte sich fast an den Schrecken gewöhnt. Trotzdem raste sein Herz wie wahnsinnig und er merkte, dass seine Hand zitterte, als er das Deckbett zur Seite schlug und aufstand. Die grünen Leuchtziffern auf dem Wecker zeigten drei Uhr an.

Einige Minuten stand er am offenen Fenster und sah über die Küstenstraße auf das Meer hinaus. Weit draußen konnte er einige Lichter erkennen. Dort, weit vor Port Grimaud, lagen die wirklich großen Yachten auf Reede, die im Hafen niemals Platz gefunden hätten. Wie immer waren auch einige dabei, die Mitgliedern des Alten Bundes gehörten.

Die Unruhe in ihm hatte sich noch nicht gelegt. Er wandte sich vom Fenster ab und zog sich an, um das Hotel zu verlassen. Er musste hinab zum Strand. Nur das Meer konnte die alte Schuld von ihm abwaschen. – Für eine Weile wenigstens.

01 CAMPING NEPTUNE

Wir haben Aix en Provence gerade verlassen und alles klebt an mir, das Top, meine Bikinihose, die Hotpants. Schweißtropfen laufen kitzelnd in meinen Ausschnitt. Das Buch, mit dem ich bei unserer Abfahrt angefangen habe, steckt in dem Netz hinter dem Beifahrersitz. Paris liegt mittlerweile gut 700 Kilometer hinter uns und in spätestens einer Stunde werden wir in Port Grimaud sein.

Eigentlich lohnt es sich kaum noch; trotzdem versuche ich irgendwie zu schlafen. Schwierig, denn ich bin zwischen Gepäckstücken und einer Kühlbox zusammengequetscht, die zwischen mir und meinem Bruder steht. Ich könnte Didier verfluchen. Das meiste von dem Zeug, das den Fußraum hinten in unserem Kombi blockiert, gehört meinem Bruder. Nur wegen seinem dämlichen, aufblasbaren Kinderkanuboot hab ich die Knie fast am Kinn, wenn ich mich mal gerade hinsetzten will.

„Der Wohnwagen braucht ein Gegengewicht“, hat mein Vater mir wie jedes Jahr erklärt, als ich wieder mal protestierte. „Der Wagen muss auch was wiegen, sonst schlingerts.“

- Klar, so nen großen Peugeot kann man ja auch auf einer Hand wegtragen, wenn kein Kanu drin ist. - Bullshit!

Mein Vater hat wohl mitgekriegt, dass ich mich bewegt habe. „Ihr Lieben, den größten Teil der Fahrt haben wir geschafft“, erklärt er gut gelaunt. Kein Wunder. Sein Sitzplatz ist ja auch bequem.

Leise fluchend verlagere ich mein Gewicht auf die rechte Pobacke und ziehe meine Knie in Richtung Seitenfenster. Zwar sind wir wirklich bald da, aber dafür hab ich jetzt von Aix an bis zur Abfahrt in Richtung Meer das zweifelhafte Vergnügen, die knallheiße Nachmittagssonne auf meiner Haut zu spüren. Verzweifelt versuche ich, mir mein Handtuch zum Schutz über Kopf und Schultern zu ziehen. Da ich das Seitenfenster bis zum Anschlag runtergekurbelt habe, um nicht komplett zu ersticken, flattert mir das Handtuch aber immer wieder davon und ich muss kämpfen, damit es sich nicht vollends aus dem Staub macht. - Warum haben wir eigentlich immer noch kein Auto mit Klimaanlage?

Schließlich gebe ich auf und setze mich wieder gerade hin, so sind wenigstens ein Teil meiner Schultern und mein Kopf im Schatten. Der warme Fahrtwind streift meine zu einem Pferdeschwanz hochgebundenen Haare und lässt sie mir um die Ohren wehen. Ich schaue zum Fenster hinaus auf die an mir vorbeiziehende Landschaft. Die Häuser, die Bäume, die hier und dort aufblitzenden Pools in den Gärten flirren und glitzern im heißen Sonnenlicht. Ein Haus ohne Pool ist hier einfach nicht komplett. Ich liebe diese Gegend!

„Lana, Chérie, gibst zu mir bitte die Limonade aus der Kühlbox? Hier vorne das Wasser ist total warm.“

Mühsam mache ich mich ans Werk, die Kühlbox von Didiers Schmusekissen und seinem Dickschädel zu befreien, um sie öffnen zu können. „Was ist denn? Lass mich doch!“ murrt mein Bruder verschlafen, „Oder sind wir schon da?“

„Nein, sind wir noch nicht!“ fauche ich ihn an, während ich Maman die Limonade nach vorne reiche. „Penn du ruhig weiter, du hast ja Platz genug, während ich mich hier mit deinem blöden Boot abquäle!“

„Was kann ich denn dafür, dass du so ein Storch bist“, mault mein Bruder zurück, „außerdem liegt bei mir auch Zeug rum.“

„Ja klar“, gebe ich genervt zurück, „Dein aufblasbarer Riesenschwimmreifen, deine Luftmatratze, dein ganzes blödes Sandspielzeug. Soll ich weiter aufzählen?“

„Nun sei aber mal nicht ungerecht“, mischt sich meine Mutter ein, „Was blockiert denn unseren kompletten Wohnwagen? Deine Blaue Elise!“

„Weil ich damit immer alle Einkäufe machen muss!“, halte ich dagegen. „Chérie, hol doch mal drei rote Paprika, Chérie, ich brauche Zwiebeln, Chérie, das Wasser geht zur Neige.“

„Na, ja ...“ Mehr fällt meiner Mutter dazu nicht ein. – Treffer! Versenkt!

Bevor ich den Punkt verschenke, ziehe mich lieber in eine schweigende Schmollphase zurück.

Didier fängt es diesmal richtig listig an. „Wenn du es nicht gerne machst“, beginnt er, „könnte ja auch ich die Einkäufe ...“

„Nein!“, wird ihm gleich aus drei Kehlen das Wort abgeschnitten. Das könnte der kleinen Ratte so passen, den ganzen Tag mit meinem Roller rumzugurken, aber zum Glück ist er noch zu jung, und das wird auch noch eine ganze Zeit so bleiben. Pech gehabt!

„Ihr seid gemein!“, quengelt Didier. „Nur bis zum Supermarkt. Da würde doch keiner was sagen.“

Ich überlege, ob ich antworten soll, aber es ist mir einfach zu heiß dazu. Ich bin froh, dass wir bald da sind, auch wenn ich mich auf diese Ferien gar nicht freue. Eigentlich wollte ich dieses Jahr das erste Mal mit meinen Freundinnen zusammen in Urlaub fahren. Aber meine Eltern meinten, ich solle doch noch ein Mal mit ihnen mitkommen, damit Didier nicht ganz allein im Zelt schlafen muss. Er sei doch noch so klein und hätte doch noch Angst so ganz allein im Dunkeln. Nächstes Jahr hätte sich das dann ganz bestimmt ausgewachsen. Toll! Und wenn nicht? Was soll es wohl ausmachen, ob er elf oder zwölf Jahre alt ist?

In Gedanken fasse ich die Aussichten auf diesen Urlaub zusammen: Ich würde mit meinen siebzehn Jahren mit meinem kleinen Bruder im Kinderzelt schlafen, den größten Teil der Zeit das machen müssen, was meine Eltern wollen und mich ansonsten tödlich langweilen. Mein einziger Trost ist, dass wenigstens ein paar meiner Freunde aus den vergangenen Jahren dieses Jahr auch noch mal mit ihren Eltern mitfahren. Schön, dass es facebook gibt. Manchmal kann es die Laune echt verbessern.

Fleur ist schon seit einer Woche hier und Pauline sogar schon seit vierzehn Tagen. Na, dann ist es wenigstens nur die letzte Woche, in der ich allein bin. Was für ein Glück, sonst würden die ganzen drei Wochen in endloser Langeweile und Eintönigkeit dahin ziehen.

So sitze ich da, schmelze in der Hitze vor mich hin und starre geist- und sinnfrei aus dem Fenster. Ich bin froh, als wir endlich die Abfahrt Richtung St. Maxime und Port Grimaud erreichen.

„Da hinten ist schon das Meer!“, ruft meine Mutter.

Ja, Maman, so wie jedes Jahr an dieser Stelle! Aber ich sage natürlich nichts. Jetzt dauert es wirklich nicht mehr lange. Ich versuche meine zusammen gequetschten Gliedmaßen ein wenig zu strecken.

Die Straße von St. Maxime nach St. Tropez ist, wie immer um diese Nachmittagszeit, komplett verstopft. Mühsam schleichen wir Zentimeter um Zentimeter, Stoßstange an Stoßstange voran in Richtung Campingplatz. Es riecht nach Abgasen und heißem Asphalt und nach den sich zwischen den Autos hindurchmogelnden Motorrollern. ‚Die kommen schneller voran als wir’, stelle ich neidisch fest und mir wird immer klarer, dass meine Eltern mir die blaue Elise wohl nicht ganz uneigennützig geschenkt haben. Ich bin es nämlich, die jeden Morgen durch diese stinkende Blechlawine im Slalom in den Ort fahren wird, um Baguette und frische Croissants zu holen. Oh Mann, die Aussichten werden wirklich immer toller.

Endlich erreichen wir unseren Campingplatz und finden auch einen netten Autofahrer, der uns eine Lücke lässt, um nach links abzubiegen. Wir verlassen die Küstenstraße und den Verkehrslärm.

Das erstaunt mich jedes mal wieder. Die Einfahrt zum Campingplatz ist mit hohen Pinien und Oleanderbüschen gesäumt und hinter dem Eingangstor beginnt eine andere Welt: Schattige Bäume, Büsche, Blüten, Rasenflächen und sandige Wege. Der Lärm der Zikaden verschlingt den Verkehrlärm fast vollständig.

Wie jedes Jahr haben wir rechtzeitig unseren Platz nahe am Wasser reservieren lassen.

Nachdem Papa an der Rezeption die alljährliche Begrüßungszeremonie hinter sich gebracht hat, kommt er mit unserer Chipkarte zurück, mit der man das Eingangstor Tag und Nacht öffnen kann. Nur noch ein paar Meter, dann sind wir endlich da.

Langsam fahren wir die schmalen Wege entlang zu unserem Platz. Es ist derselbe wie jedes Jahr, deswegen finden wir ihn auch problemlos. Trotzdem ist Didier ausgestiegen und macht den Führer. Er winkt nach hier und zeigt nach da und freut sich, so ein wichtiges Amt bekleiden zu können. Soll er, ich will nur noch eins: ins Wasser! Und zwar so schnell wie möglich.

Verdammt! Ich ducke mich unwillkürlich auf meinem Sitz zusammen, denn etwas hat uns erkannt und verfolgt uns, etwas, das sofort, nachdem wir das Auto verlassen haben, erbarmungslos über uns herfallen wird, etwas Grausames, schrecklich Unerbittliches, das uns nicht so schnell aus seinen Fängen lassen wird: Monsieur Bardane!

Wir sind da. Zögernd öffne ich die Tür und sehe mich vorsichtig um. Natürlich! Er kommt uns nach und ist keine zehn Meter mehr entfernt. Meine Eltern haben ihn auch gesehen und gehen schnell ein paar Schritte, um den Stellplatz zu begutachten. Oh bitte nein! Jetzt wendet er sich natürlich mir zu! An Flucht ist nicht zu denken!

„Hallo Lana!“ Ein grünes Sonnenhütchen mit spindeldürren O-Beinen, die in Sandalen mit weißen Sportsocken stecken, kommt auf mich zugewackelt. Die blaugeblümten, langen Badeshorts und den faltigen Bauch darüber übersehe ich, denn was mich bannt, ist sein Gesicht. Beschattet von seinem Hütchen leuchtet mir als erstes der goldene Eckzahn entgegen, der mich als kleines Mädchen immer so sehr erschreckt hat. Ich hatte immer Angst gehabt, er wolle mich damit beißen.

In Wirklichkeit ist Monsieur Bardane gar nicht bösartig, sondern eigentlich sogar recht freundlich und hilfsbereit. Nur, er ist einfach wie eine Klette. Deswegen nennen wir ihn untereinander auch so – Bardane. Sein wirklicher Name lautet Georges Irgendwas. Er ist Rentner und kommt eigentlich aus Orleans. Den ganzen Sommer lang lebt er aber hier auf dem Campingplatz. Alle hier nennen ihn Georges. Er ist die wandelnde Platzzeitung, gewissermaßen die Paris Match des Camping Neptune. Er weiß alles und wenn er etwas nicht weiß, kriegt er es raus. Und er ist ein Geiselnehmer! Erwischt er dich, bist du verloren! Unter einer Stunde Smalltalk, in der man mit allen Neuigkeiten, ob man sie wissen will oder nicht, bombardiert wird, kommt man bei ihm nicht weg. Und das ist genau mein Problem! Ich – will – ins – Wasser!

„Lana, hast du schon gesehen?“ Speichelfeuchte Küsschen rechts – links –rechts, leider auf die Wange und nicht in die Luft. „Das Plakat an der Rezeption? Die machen morgen am Strand einen Schönheitswettbewerb. Eine Miss-Teen-Beach-Wahl!

„Ach ja? Da geh ich doch gleich mal gucken.“ Ich will mich wegdrehen.

„Warte mal!“, stoppt die Klette mich. „ Alle Campingplätze beteiligen sich. Die ersten drei von jedem Campingplatz hier werden dann abends ins Les Sables eingeladen.“

„Wow!“ Das beeindruckt mich nun wirklich. Das LS ist die größte, bekannteste und teuerste Disco hier in der Gegend. Ich war noch nie dort.

„Pass auf!“, fordert die Klette. „Da wird dann die Teen-Miss-Port-Grimaud gewählt. Bei Champagner und Kaviar!“ Er jubelt fast und sein Mund macht schmatzende Geräusche. „Das wäre doch was für dich, so wie du aussiehst!“

Bei diesen Worten mustert Monsieur Bardane meinen Körper auf eine Art, die mir ein seltsames Gefühl verursacht. Nichts gegen neue Verehrer, aber dieses grüne Hütchen macht wirklich alles kaputt.

„Ach ja? Interessant“, stottere ich verlegen.

„Ja, nicht wahr?“, grinst die Klette. „Da fällt mir ein, dass vor vier Jahren ...“

„Monsieur Bar... äh Georges, setzten sie meiner Tochter keine Flausen in den Kopf“, mischt sich meine Mutter ein und erlöst mich damit aus meiner Geiselhaft. Arme Maman! Aber sie hat sich freiwillig in seine Fänge begeben, und er schnappt prompt zu: „Madame Rouvier! Schön, dass Sie da sind!“ Wieder wird er seine spuckenden Küsschen los. „Haben Sie schon gehört, dass im letzten Jahr, kaum dass Sie weg waren, ein Holländer einen Unfall hatte? Armer Kerl, er ...“

Nun muss Papa wohl mit Didier alles alleine aufbauen. Mir egal! Ich schnappe mir mein Badehandtuch, winke Maman kurz zu und verschwinde in Richtung Strand.

Auf dem Weg hinunter zum Wasser begleitet mich das Schrillen der Zikaden und vermischt sich mit dem Duft nach Pinien, Oleanderblüten und heißem Sand zu einem einzigen, guten Gefühl: Urlaub!

Neugierig schaue ich nach allen Seiten, um zu sehen, ob ich jemand Bekanntes entdecke. Bis jetzt sieht es nicht gut aus, aber ich bin einfach zu schlapp, jetzt den ganzen Platz abzulaufen, um meine Freundinnen zu suchen. Ein wenig betrübt schlendere ich weiter zum Meer.

Es ist immer wieder schön, auf den freien Strand hinauszutreten. Der nach Salzwasser duftende warme Wind umspielt meinen verschwitzten Körper und lässt ihn frösteln. Obwohl mir von der Fahrt noch ganz heiß ist, schaudere ich einen Moment und überlege, ob ich wirklich ins Wasser gehen soll. Aber schließlich löse ich mein Haargummi, ziehe mein Top und die Hotpants aus, lasse sie beim Handtuch und den Badelatschen liegen, renne los und stürze mich nach einer kurzen Abkühlung mit einem Kopfsprung ins Meer.

Das warme Wasser umfängt mich wie eine gute alte Freundin, gleitet an meiner Haut entlang und lässt sie in einer leichten Gänsehaut erstarren, während ich tauche. Prustend komme ich wieder hoch, streife meine nassen Haare nach hinten und schaue mich um.

Es sind nicht mehr viele Leute am Strand. Die meisten duschen wohl schon und machen sich fertig für das Abendessen. Ein älteres Ehepaar hockt auf seiner Decke und unterhält sich. Zwei Jungen spielen noch bei den Felsen rechts von mir. Ich erkenne Paul, Didiers Freund vom letzten Jahr. Also ist seine Schwester Celine wohl auch da, denke ich. Ich kann sie zwar nicht wirklich leiden, aber vielleicht bin ich in der letzten Woche ja doch nicht ganz alleine hier.

Im Wasser ist außer mir niemand mehr. In schnellen Zügen schwimme ich zurück zum Strand und nehme meine Sachen mit zu der Dusche am Eingang zum Campingplatz.

Natürlich steht Monsieur Bardane noch bei unserem Platz und redet auf meine Eltern ein, die sich abschuften, um das Vorzelt mit ein paar Spannleinen in eine einigermaßen akzeptable Form zu zwingen. „... lauter Turnschuhe in der Waschmaschine“, höre ich ihn sagen. „Und dann musste die Platzleitung die Maschine auch noch ...“

Ich schalte meine Ohren auf Durchzug und helfe Didier, das alte Zweikabinenzelt aufzubauen, das jedes Jahr für ein paar Wochen unser Zuhause ist. Unser Auto ist schon mit einer großen, weißen Plane abgedeckt, damit die Sonne es tagsüber nicht allzu sehr aufheizt. Eingemottet! Dafür steht die Blaue Elise jetzt neben dem Wohnwagen. Wahrscheinlich freut sie sich schon auf die belustigten Blicke der Passanten, wenn wir unterwegs sind. Ich freue mich jedenfalls nicht darauf.

Elise ist ein Geschenk meines Vaters, und ich hasse sie! Sie ist veraltet, hässlich und lächerlich! Keine Ahnung mit welchem Schrotthändler mein Vater da in Kontakt gekommen war, aber mehr als hundert Euro hat er für diese Ausgeburt einer kranken Fantasie niemals ausgegeben. Eher weniger. Viel weniger!

Elise ist so etwas wie eine Kreuzung aus Moped, Roller und Supermarkt-Einkaufswagen. Sie ist kaum größer als ein Kinderfahrrad und sah immer schon so aus, als wäre jemand damit voll gegen die Wand gefahren. Die Räder sind winzig, aber dafür sind die Schutzbleche so breit wie Kohlenschaufeln. Als Krönung kommt das Ganze auch noch in einem verwaschenen, sehr hellen Babyschlüpferblau daher. Es ist grausam!

In gewissem Sinn ist Elise allerdings erstaunlich: Der kleinste Dreh am Gasgriff lässt sie nach vorne schießen, dass es einem die Arme lang zieht, und die Kurvenlage ist so hervorragend, als würde sie auf klebrigen Walzen laufen, und nicht auf diesen lächerlich kleinen Schubkarrenrädern. - Jedenfalls ist sie das schärfste Stück Metall von ganz Paris. Soweit ich weiß, hat mein Vater das Ding nie gefahren, und ich denke, er würde ziemlich blass werden bei dem Gedanken, mit was für einer Rakete seine Tochter da unterwegs ist. Das ist ein Geheimnis, das ich mit Elise teile, und das soll es auch bleiben.

Trotzdem kann ich sie nicht leiden. Besonders toll findet mein Vater es übrigens, dass Elise mit ihrem grotesk schmalen Lenker sogar durch die Tür unseres Wohnwagens passt, sodass ich selbst in den Ferien nicht darauf verzichten muss. Mit anderen Worten: Das Ding klebt an mir wie Hundekacke am Absatz und ich fürchte, ich werde es niemals loswerden, wenn ich nicht auswandere oder es mal versehentlich in die Seine plumpsen lasse.

„Gehen wir nachher noch zu Barnabé?“, will Didier wissen, als unser Zelt endlich steht.

„Klar doch!“, antwortet mein Vater.

Barnabé ist der Wirt des Strandrestaurants und unser Haupternährer im Urlaub. Wir kochen nur selten im Wohnwagen. Tagsüber gibt es immer nur irgendwelche Häppchen, aber am Abend wird dann im Restaurant richtig getafelt. Wenigstens etwas, auf das ich mich freuen kann in diesem verkorksten Urlaub.

„Ich gehe schon mal vor!“, gebe ich bekannt, nachdem ich schnell meine Schlafkabine eingeräumt und mich abendfein gemacht habe. Vielleicht treffe ich ja Fleur und Pauline, oder sonst irgendjemanden den ich kenne. - Bitte!

02 DIE ALTE SCHULD

Eigentlich hätte er mal wieder seine Eltern besuchen sollen, oder vielleicht wenigstens an seinem Aufsatz über präkolumbianische Kunst weiterschreiben. Eine Internetrecherche über die verschiedenen Szenarien der Golfstromentwicklung für seine Aufnahmeprüfung wäre auch eine Möglichkeit gewesen, die Zeit sinnvoll zu verbringen, aber stattdessen hatte er sich in seinen Wagen gesetzt und war einfach losgefahren. Er war sich völlig im Klaren darüber, dass es eine Flucht war. Eine Flucht vor dem Leben, das er zu führen gezwungen war, und das ihm schon lange nicht mehr behagte.

Er war nicht besonders religiös erzogen worden. Zwar hatten seine Eltern darauf bestanden, dass er an einigen wichtigen Ritualen des Alten Bundes teilnahm, aber da war es mehr um die Einhaltung gesellschaftlicher Normen gegangen, als um echten Glauben.

Es hatte ihm nichts ausgemacht, die alten Geschichten zu hören, nach deren Regeln sein Volk lebte. Sie waren voller Geheimnisse und eine zeitlang hatte er sogar mit dem Gedanken gespielt, sich selbst zum Prediger ausbilden zu lassen, um noch mehr über die Geschichte seines Volks zu erfahren, aber jetzt, kurz vor seinem zwanzigsten Geburtstag, dachte er anders darüber. Zwar waren die alten Berichte und Legenden immer noch faszinierend, aber heute war er mehr an der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Vergangenheit interessiert, als am einfachen Weitertragen von Dogmen und Vorschriften.

Er lenkte den Porsche von der Schnellstraße auf eine Nebenstrecke durch das hüglige Hinterland von Grimaud. Die Villa seiner Eltern lag keine zwanzig Kilometer von hier, aber er verwarf den Gedanken an einen spontanen Besuch sofort wieder. Zu lange waren sie seine Wächter gewesen und die Scheu, die er ihnen gegenüber empfand, war zu groß. Die Prediger hatten damals gesagt, dass er etwas von der Alten Schuld auf sich geladen habe, und so sah er sich selbst auch heute noch als den ewig Schuldigen, dem alle nur mit Misstrauen begegnen konnten.

„Schuldig!“, stieß er zwischen den Zähnen hervor und rammte das Gaspedal in einer plötzlichen Wutwallung bis zum Anschlag. Der Wagen schoss nach vorne und in den nächsten drei Kurven brauchte er die volle Straßenbreite für sich. Der Porsche krallte sich mit wimmernden Reifen auf dem Asphalt fest und das Heck fing an, zur Außenkante zu drängen. Zum Glück war die Strecke nur wenig befahren, denn bei Gegenverkehr hätte er den Wagen sofort von der Straße reißen müssen, um nicht schon wieder zu töten. Er war dazu bereit. Seine Schuld und seine Träume fraßen so sehr an ihm, dass er ohne zu zögern zwischen die Bäume gerast wäre, die die Straße säumten; und wenn er ehrlich mit sich selbst war, legte er es sogar darauf an.

Einen Kilometer weiter hatte er sich wieder etwas beruhigt und ließ den Wagen mit mäßiger Geschwindigkeit durch das Hügelland rollen. Die Schuld war immer noch spürbar, unauslöschlich in Geist und Seele eingebrannt, aber das Schicksal hatte seine Chance mal wieder gehabt, und es hatte nicht zugeschlagen. Er kniff die Lippen zusammen und wendete den Wagen, um zurück nach Port Grimaud zu fahren.

Auf der Schnellstraße fuhr er betont langsam. Was war das bloß für ein Leben, in dem jeder Baum am Straßenrand und jeder Brückenpfeiler zur Verlockung wurden?

03 IN DER STRANDBAR

Die im Moment fast leere Bar des Neptune sieht aus wie immer, als ich durch den Sand herangeschlendert komme. Die große Terrasse ist mit einem riesigen Sonnensegel überdacht und die Grünpflanzen in den Kübeln ringsum sind kümmerlich wie eh und je. Schon von weitem sehe ich Fleur und Pauline an einem der Tische sitzen.

„Hallo Lana!“ Fleur springt von ihrem Stuhl auf, kommt mir entgegen gerannt und nimmt mich zur Begrüßung in den Arm. „Der Urlaub ist gerettet!“, meint sie. „Pauline ist schon ganz trübsinnig, weil du nicht da warst.“

„Äh, ja, hm ...“ Da weiß ich nun auch nicht, was ich sagen soll. Ich neige ein wenig dazu, mich für nicht so wichtig zu halten und reagiere immer etwas verlegen und trottelhaft auf so etwas.

„Lana!“ Auch Pauline steht auf und nimmt mich in den Arm. Sie sieht wirklich etwas gestresst aus. Kein Wunder, bei den Eltern! Besonders von ihrer Mutter kriegt sie immer so viel Druck, dass ich mich schon lange frage, wie sie das auf Dauer aushält.

„Jetzt ist das Team wieder komplett!“, freut Fleur sich, und als Pauline mich loslässt, ist ein Lächeln auf ihrem Gesicht, dass ich sie knuddeln könnte.

Wir setzen uns an den Tisch und erzählen uns, was wir im vergangenen Jahr so gemacht haben, und vor allem, was unsere Pläne für diese Ferien gewesen wären. Wir stellen fest, dass wir alle eigentlich gar nicht hier sein wollten, aber jetzt, wo es anders gekommen ist, ist es auch gut.

Die Frau von Barnabé kommt aus der Küche und fängt zusammen mit zwei Angestellten an, die Tische neu einzudecken, weil bald der Restaurantbetrieb beginnt. „Hallo, Lana“, grüßt sie mich und ich wünsche ihr auch einen guten Abend.

Höflich räumen wir unseren Tisch, damit wir nicht im Weg sind und setzen uns auf die Kante der Terrasse. Ich ziehe mir die Ballerinas aus und bohre die nackten Füße in den warmen Sand. Was für ein tolles Gefühl. Endlich Urlaub.

„Hast du eigentlich Pascal und Alain schon gesehen?“, will Fleur wissen.

„Nö“, sage ich so beiläufig wie möglich und tue ganz uninteressiert. - So, Alain ist also auch da.

„Da kommen sie nämlich gerade.“ Fleur zeigt mit dem Kinn die Richtung an.

Mein Kopf ruckt herum, und tatsächlich, da stiefeln sie durch den Sand auf uns zu.

Pascal und Alain sind alte Stammgäste auf Neptune, genau wie wir. Der schlanke Alain ist, wie ich auch, Siebzehn. Er wird von Jahr zu Jahr hübscher. Sein Bruder Pascal entwickelt sich mehr und mehr in Richtung Wasserbüffel - so stark und auch genauso stupide. Er ist der Ältere und Langweiligere und sieht immer ein wenig verdrießlich aus. Alles an ihm ist Muskel und Kraft. Ob er wohl Bodybuilding macht? Ich vermute es fast.

Alain winkt uns zu und macht ein paar kleine Hopser, als er mich entdeckt. Er ist lustig wie eh und je, während Pascal mal wieder die Spaßbremse macht und mit finsterem Gesicht grüßend die Hand hebt.

„Schön, dass du da bist, Lana“, strahlt Alain mich an und setzt sich neben Fleur auf den Rand der Terrasse, während Pascal irgendetwas grunzt und sich neben Pauline hockt. „Du hast uns allen echt gefehlt!“

Trottelmodus aktivieren, „Ja, äh!“ stammeln und geistlos grinsen, das geht alles vollautomatisch. Ich hasse mich dafür. Warum kann ich nicht auch mal flinkzüngig, schlagfertig und charmant sein?

Während meine Farbe wieder von rot zu normal wechselt, erzählt Fleur irgendwas von einem Paar Schuhe, das sie in der Stadt gesehen hat. Alain wirft mir dabei Blicke zu, die mir nicht unangenehm sind. Dieses Jahr wirkt er irgendwie viel erwachsener, als ich ihn in Erinnerung hatte. Ein wirklich ansehenswerter Kerl, der Alain. In mir steigt die Hoffnung auf, dass dieser Urlaub vielleicht doch noch ganz lustig werden könnte.

Die Tische sind mittlerweile hergerichtet und wir ziehen wieder in die Bar um. Ein Tisch ganz am Rand ist uns gerade recht. Hier lässt es sich bis zum Abendessen aushalten, und weil man uns kennt, kommt auch niemand daher, um uns teure Getränke aufzuschwatzen.

Während wir uns unterhalten und das Lokal sich langsam mit Gästen füllt, kommt ein dunkelhaariges Mädchen herangeschlendert.

„He, wer bist du denn?“, ruft Alain ihr zu, und seine Stimme klingt dabei genauso herzlich wie eben bei mir. Ich fühle mich ein wenig angepiekt. Muss er denn wirklich jedes halbwegs hübsche Mädchen ansprechen? Muss er wohl, sonst wäre er nicht Alain. Pascal dagegen zieht die Augenbrauen ein wenig zusammen und es sieht fast so aus, als fürchte er sich davor, eine neue Bekanntschaft zu machen.

„Ich bin Felix.“ Freundlich lächelnd bleibt das Mädchen stehen. „Kann ich hier runtersitzen?“ Der englische Akzent ist unüberhörbar und die Wortwahl auch.

Bevor wir etwas erwidern können, zieht sie sich auch schon einen von diesen unbequemen Sesseln aus Rohrgeflecht heran, die auf jeder nackten Stelle der Haut unweigerlich hässliche, juckende Muster hinterlassen.

„Felix?“, vergewissert sich Pauline. „Hast du Felix gesagt? Heißt man so in England? Als Mädchen, meine ich.“

„No!“ Das Mädchen grinst uns alle der Reihe nach an „Meine Name ist aber doch Felix“ erklärt sie und setzt sich ganz selbstverständlich zu uns.

Fragend zieht Pauline eine Augenbraue hoch. „Das ist doch ein Jungenname“, stellt sie fest.

„Ist mich egal!“ erwidert Felix eifrig, „Hauptsache nicht einen Namen haben wie eine jämmerliche Heulsuse!“ Wieder grinst sie uns an. „Mein wirklich Name ist Felicitas. Wie kann man einer Mädchen nur so was antun?“ fügt sie kopfschüttelnd hinzu. „Crazy!“

Wir müssen lachen über ihre kleinen, sprachlichen Ausrutscher. „Also, du sprichst wirklich gut Französisch, fast perfekt. Von wo kommst du? Wo wohnst du in England?“ Fleur beugt sich neugierig in ihrem Sessel vor, und auch ich betrachte dieses Mädchen interessiert. Felix ist mir auf Anhieb sympathisch.

„Ja, ich komme von Great Britain, also Cardiff“, erklärt sie uns bereitwillig. „Wir tun einer Tour über der Kontinent. France, Italy, Austria und so. Mit einer big Wohnmobil.“ Bei diesen Worten hebt sie die Arme, um die Größe des Wohnmobils anzuzeigen und macht dabei auch ganz große Augen.

Wieder müssen wir lachen, denn diese Geste wirkt irgendwie kindlich komisch.

„Ach euch gehört der Riesenkasten“, platzt Alain heraus.

„Kasten?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen schaut Felix ihn fragend an. „Ich verstehe nicht. Er ist ein Auto und kann fahren“, fügt sie ernsthaft nickend hinzu.

„Ja, ja, ich weiß, ist nur so eine Redewendung“ erklärt er und muss ein Grinsen unterdrücken. „Wirklich ein schönes Wohnmobil“, fügt er noch bekräftigend hinzu, wohl um nicht den Eindruck zu erwecken, als wolle er sie veralbern.

„Ja nicht?“ erwidert Felix begeistert. „Und alles drin, was einer brauchen kann. Wir haben ihn in Calais gemietet.“ Sie wird mir mit ihrer offenen, arglosen Art immer sympathischer.

„Wie lange bleibt ihr hier auf Neptune?“ fragt Pauline interessiert.

„Ich weiß nicht sehr genau. A few days? Möglicherweise a week vielleicht. Und ihr?“ Felix blickt gespannt in die Runde.

„Zwei, drei Wochen“, antwortet Fleur für uns alle.

„Ah, nice!“ Wieder nickt Felix vor sich hin. „Und? Was geht so ab hier?“ fragt sie uns schließlich. Das ist wohl die wörtliche Übersetzung von ‚What’s going on?’ und wieder müssen wir uns ein Grinsen verkneifen, weil Felix dabei so fröhlich in die Runde guckt.

„Morgen findet am Strand eine Miss-Teen-Beach-Wahl statt“, ertönt da plötzlich eine zuckersüße Stimme hinter mir. Mein Kopf ruckt herum und ich stelle fest, dass ich tief im Schatten von Celines Busen sitze. Da ist sie ja, meine gute, alte Lieblingsfeindin.

„Ein Schönheitswettbewerb“, fährt Celine überflüssigerweise fort und ihre Stimme klingt, als würde sie gerade ein besonders köstliches Bonbon lutschen. „Ich werde natürlich daran teilnehmen“, fügt sie noch hinzu, während sie sich ihr gelocktes Haar nach hinten streicht wie eine Diva.

„Ach?“ sagen Fleur und Pauline wie aus einem Mund und drehen sich zu Celine um.

Die grinst triumphierend mit hochgezogenen Augenbrauen und leicht schräg gelegtem Kopf. „Neidisch?“

Ich stelle fest, dass Celine noch blöder ist, als ich sie in Erinnerung hatte.

Felix mustert Celine kritisch und schaut uns dann der Reihe nach an. Schließlich hat sie wohl ihr Urteil gefällt, denn sie verkündet frohgemut: „Na, if du meinst, dass du da einer Chance hast, dann habe ich ganz bestimmt auch einer und dieser Mädchen hier auch!“ Mit diesen Worten grinst sie mich an und fragt mich direkt: „Oder, was denkst du?“

Alain schaltet sich entschlossen ein: „Klar macht Lana mit! Wenn nicht sie, wer dann?“ verschmitzt lächelnd zwinkert er mir zu. Auch Pascal nickt mit ernstem Gesicht. Das ist das Erste, was er zur Unterhaltung beiträgt und ich hatte schon gedacht, er sei mit offenen Augen eingeschlafen.

Alain ist auf meiner Seite. Er findet mich hübsch. Mir wird ganz warm ums Herz und um die Ohren, aber Celine schnaubt verächtlich „Lana? Die wird über ihre großen Füße stolpern.“

„Und du wirst beim Intelligenztest versagen“, kontert Fleur schlagfertig.

Mir schießt nur eins durch den Kopf: ‚Was zum Henker verbreitet mein Bruder, die kleine Ratte, über mich, wenn er bei Celines Bruder Paul zum Spielen ist? Was weiß Celine über meine Schuhgröße? Verdammt noch mal!

„Verliert die Hoffnung nicht!“ Celine schüttelt mit verzogenen Lippen den Kopf, streicht sich noch mal über die Haare und rauscht davon.

Felix schaut ihr mit vorgeschobenen Lippen hinterher und meint dann zu uns gewandt kopfschüttelnd: „Das ist nicht wirklich ein nettes Mädchen, oder?“ Wir prusten los und sehen, wie sich Celine wegen unserem Gelächter noch einmal zu uns umdreht. Dabei rennt sie fast gegen einen dunkelhaarigen Typen, der gerade die Bar betritt. Der schiebt sie achtlos wie eine Puppe beiseite und geht zielstrebig weiter ins eigentliche Restaurant.

Celine schaut ihm einen Moment lang fassungslos nach und geht dann mit hochrotem Kopf weiter. Ich muss uns sehr loben, denn niemand von uns lacht. Jedenfalls nicht laut.

Pauline streicht sich übertrieben affektiert ihre sowieso immer strubbeligen Haare nach hinten und meint mit hochgerecktem Kinn in gekünsteltem Tonfall „Also Mädels, üch mache auch mit!“

„Na dann bin ich auch dabei“ sagt Fleur kichernd und reibt sich die Hände. Plötzlich seufzt sie betrübt und stützt ihr Kinn in die Hand. „Mmh“, verzieht sie den Mund, „jetzt bleibt nur noch ein Problem!“ Sie schaut uns alle ernst an „Wie überzeugen wir unsere Eltern?“

„Oh“, flüstert Pauline, „die gibt es ja auch noch.“

Zusammengesunken und etwas entmutigt starren wir eine Weile schweigend vor uns hin. Das wird wohl ein hartes Stück Arbeit werden, zumindest für mich und Pauline. Die Aussichten sind wirklich nicht gut.

„Hey!“, meint Felix, die uns erstaunt beobachtet, „Was ist das Problem? Wir werden gehen und reden und peng, es wird klappen! Ich sag’s euch!“

„Hähä!“ Pauline stößt ein kurzes, verzweifeltes Kichern aus, etwa wie das Eichhörnchen in Ice Age, „Du kennst meine Mutter nicht!“

„Und meinen Vater auch nicht“, brummen Fleur und ich im Chor.

Fleur seufzt, während sie aufsteht. Ihre Eltern signalisieren ihr gerade mit heftigen Gesten, dass das Essen serviert wurde.

Pauline und ich folgen Fleur mit schweren Schritten, wie Gefangene an einer Kugelkette. Wie sollen wir dieses Wunder nur bewerkstelligen? Nur Felix tänzelt um uns herum als gäbe es überhaupt keine Probleme. Gibt es für sie ja vielleicht auch nicht. Mit bleischweren Gedanken gehe ich an den Tisch meiner Eltern, wo gerade für alle das Abendmenu zwei serviert wird. Woher ich das weiß? Weil wir immer das Abendmenü zwei nehmen – und wir nehmen auch nie an Schönheitswettbewerben teil!

04 DER WÄCHTER

Das Strandrestaurant des Neptune war wie jeden Abend gut besucht, aber in der letzten Reihe gab es auf einer Empore ein paar Tische, die über die ganze Terrasse hinweg einen guten Ausblick auf den Strand und das Wasser boten. Wem es nicht darum ging, gesehen zu werden, sondern selbst zu beobachten, der war hier bestens platziert, deswegen hatte er sich auch heute Abend wieder diesen Tisch reservieren lassen.

Weit draußen auf Reede lagen ein paar große Yachten, die auf dem schimmernden Meer eine imposante Kulisse für den nahenden Sonnenuntergang abgaben. Er wusste nicht von allen die Namen, aber einige der Luxuskreuzer waren ihm so vertraut, dass er sie selbst aus dieser Entfernung mit Leichtigkeit erkennen konnte: Da war die Medusa, die mit ihrem hohen Aufbau fast alle Schiffe in ihrer Umgebung überragte, die gestreckte Silhouette der Habanera, einem der schnellsten Schiffe auf den Weltmeeren, und die gigantische Masse der Recife, die unter brasilianischer Flagge lief.

All das waren Yachten, die den mächtigen Familien des Alten Bundes gehörten, einschließlich des 140-Meter-Kreuzers seiner Eltern, auf dem er praktisch aufgewachsen war. Die anthrazitfarbene Manhattan mit den silbergrauen Aufbauten war jahrelang seine Heimat gewesen, der einzig feste Punkt in einer ständig wechselnden Umgebung. Auf ihren Planken hatte er an der Seite seiner Eltern sämtliche Kontinente bereist, immer auf der Flucht vor den eigenen Erinnerungen.

Erst vor zwei Jahren, kurz nach seinem achtzehnten Geburtstag, hatten seine Eltern es wieder über sich gebracht, eine Villa im Hinterland von Grimaud anzumieten. Er selbst zog es zum Ärger seiner Familie vor, in einem der besseren Hotels in der Nähe des Wassers zu wohnen.

„Bonsoir, Monsieur Montenaux!“ Der Kellner war herangekommen und stand nun mit gezücktem Bestellblock neben dem Tisch. „Was darf ich Ihnen bringen?“

Der Mann riss sich aus seiner Nachdenklichkeit heraus und sah den Kellner kurz an. „Drei kleine Medallions vom Loup de Mer mit etwas Salat“, bestellte er. „Und Wasser bitte.“

„Sehr wohl!“ Der Kellner deutete eine Verbeugung an und wandte sich dem nächsten Tisch zu.

Für so eine extrem teure Gegend wie die Côte d’ Azur war die Strandbar des Neptune-Campingplatzes eine erstaunlich gute Adresse. Wenn es auch tagsüber nur das übliche Einerlei von Beignets, Pommes frites und Panini zu den Getränken gab, so wurde die einfache Bar am Abend zu einem Restaurant, dessen Angebot sich sehen lassen konnte. Außerdem waren die Preise nicht besonders hoch und die Außenterrasse lag direkt zwischen einem hübschen, kleinen Pinienwäldchen und dem Strand. Entsprechend gut war das Lokal besucht. Sämtliche Tische waren besetzt und die Angestellten hatten alle Hände voll zu tun.

All das interessierte den jungen dunkelhaarigen Mann auf der Empore aber erst in zweiter Linie. Ihm ging es nicht nur um das vorzügliche Essen, und auf die Preise brauchte er nun wirklich nicht zu achten. Ihm war es vor allem wichtig, unauffällig unter Menschen zu sein, ohne ihnen allzu nahe zu kommen. Fast sein ganzes, bisheriges Leben hatte er isoliert auf der Yacht seiner Eltern verbracht, und er hatte sich noch nicht wirklich daran gewöhnen können, jetzt ein halbwegs normales Leben zu führen.

Normal, das war das Wort, um das seit jenem unseligen Nachmittag am Pool seiner Eltern all seine Gedanken kreisten. Wie oft hatte er sich gewünscht, wie ein ganz normaler Junge in irgendeiner Vorstadtsiedlung leben zu dürfen, mit Eltern, die einer normalen Arbeit nachgingen und einem ganz normalen Schulalltag. Warum hatte er nicht normal aufwachsen können: mit schlechten Schulnoten, Krach zuhause und vielleicht mit ersten, zaghaften Erfahrungen mit Mädchen, mit vierzehn oder fünfzehn? Warum klebte dieser Fluch an ihm, etwas Besonderes zu sein, sodass er bis jetzt fast wie ein Mönch oder wie ein Gefangener hatte aufwachsen müssen?

Er hatte nie eine Antwort auf diese Fragen gefunden, weil es keine Antwort gab. Er war in dieses Leben hineingeboren worden, ohne gefragt worden zu sein und jetzt musste er sehen, dass er irgendwie damit zurechtkam.

Andererseits gibt es aber kaum einen Schmerz, den man mit ein paar Millionen Dollar nicht erträglicher machen kann. Manchmal dachte er ernsthaft darüber nach, ob er wirklich bereit war, den Lebensstil, der ihm in die Wiege gelegt worden war, aufzugeben. Die Antwort war nein, denn sonst hätte er es ja spätestens jetzt tun können. Zudem hätte sich die Normalität ja auch nur auf gewisse Äußerlichkeiten beschränkt. Die Gabe, die er erhalten hatte, wäre doch geblieben. Sie war zum Fluch geworden und die Bedürfnisse, die sich daraus ergaben, hätte er nicht abstreifen können. Er war völlig davon durchdrungen und es gab nicht den Schatten einer Chance, diesen Aspekt aus seinem Leben auszuklammern.

Viel zu ernste Gedanken für einen so schönen Sommerabend! Fast gewaltsam riss er sich aus seinen düsteren Betrachtungen heraus und schaute auf das bunte Treiben, das im Restaurant herrschte: Die große Terrasse des Lokals war voll besetzt, nur hier und da waren Paare allein am Tisch. Teenies lehnten sich weit auf ihren Stühlen zurück und alberten mit ihren Freunden und Freundinnen an den Nachbartischen herum, während ihre kleineren Geschwister durch die Gänge flitzten und sich die Zeit vertrieben, bis das Essen serviert wurde.

Etwas störte das friedliche Bild: Der gutaussehende, sportliche Mann, der sich vom Strand her der Terrasse näherte, wäre für das abendliche Panorama durchaus verzichtbar gewesen. Noch war er recht weit entfernt, aber die kraftvollen Bewegungen und die für den Zeitgeschmack etwas zu langen, schwarzen Haare ließen keinen Zweifel zu.

Der Mann auf der Empore kniff die Lippen zusammen und bereitete sich auf den üblichen Schlagabtausch mit Adriano, seinem Cousin vor.

Adriano war es gewesen, der den Jungen an jenem Nachmittag, an dem das Mädchen hatte sterben müssen, ins Haus gezerrt hatte, und er war es auch gewesen, den die Familie als Wächter eingesetzt hatte, damit so etwas nie wieder vorkam. Es hatte Adriano zwar keinen Spaß gemacht, aber er hatte seine Aufgabe ernst genommen. Über zehn Jahre lang hatte der Junge kaum einen Schritt tun können, ohne von Adrianos Leuten beobachtet zu werden.

Mittlerweile hatte die Überwachung nachgelassen. Die Familie traute es ihm jetzt wohl zu, sich zu beherrschen, oder die Probleme selbst zu regeln, falls es wieder zu einem Zwischenfall kommen sollte. Trotzdem kam Adriano ab und zu vorbei, um nach dem rechten zu sehen. Er tat das bestimmt nicht freiwillig, und diese ständige Überwachung hatte im Lauf der Jahre auf beiden Seiten einen schwelenden Hass herangezüchtet. Bewachter und Wächter vertrugen sich nicht. Sie kamen einfach nicht miteinander aus.

Adriano hatte die Terrasse erreicht. Ein blondes Mädchen von etwa sechzehn oder siebzehn Jahren lief zwischen den Tischen hindurch, war etwas unachtsam und hätte ihn um ein Haar angerempelt. Ohne seinen Schritt auch nur für einen Sekundenbruchteil zu verlangsamen, nahm er das Mädchen blitzschnell bei den Schultern und stellte es einfach zur Seite. In diesem winzigen Moment hätte man sehen können, welch enorme Kraft und Reaktionsfähigkeit in diesem schlanken Körper wohnten, aber an den umliegenden Tischen bemerkte niemand etwas davon.

Das Mädchen sah Adriano einen Moment lang verwundert nach und ging dann langsam weiter.

„Diego! Was für ein Zufall!“ Adriano hatte den Tisch erreicht und schaute mit gespielter Freude auf seinen Cousin hinab. Sein Grinsen glich eher den hochgezogenen Lefzen eines angriffslustigen Hundes.

„Ja, die Welt ist ein Dorf“, grüßte Diego lahm. Er machte gar nicht erst den Versuch, Freude zu heucheln.

„Und das Dorf heißt Port Grimaud“, stellte Adriano fest und setzte sich. „Wie geht’s denn so, Kleiner?“

„Alles gut, bis eben.“

„Na, na!“, rügte Adriano. „Wer wird denn gleich?“

„Was willst du?“

„Nur mal sehen, wie es dir so geht.“

„Und? Wie geht’s mir so?“

„Wie üblich. Du kommst mir ein wenig vereinsamt vor. Du solltest dich enger an die Familien anschließen. Ein wenig Spaß haben, ein wenig Jugend genießen, du weißt schon.“

„Spaß!“ Diego spuckte das Wort aus wie eine angefaulte Traube. „Spaß im Hamsterrad! Jeden Tag, jeden Monat, jedes Jahr dasselbe. Ist nicht mein Ding, tut mir Leid.“

„Es ist ein wenig öde“, gab Adriano zu. „Aber du weißt, dass es sein muss, wenn man jung bleiben will.“

„Ich weiß nur, dass es nicht sein muss“, widersprach Diego. „Ihr habt alle die Wahl!“

„Richtig!“ Adriano nickte bestätigend. „Ich habe gewählt und es gefällt mir gut so. Wenn es mir mal nicht mehr gefällt, dann höre ich einfach auf damit.“

„Das sagen alle Junkies“, meinte Diego, und obwohl er sah, dass sich eine steile Falte auf der Stirn seines Cousins bildete, schob er noch nach: „Was wurde denn heute so geboten im Hamsterrad?“

„Eine Poolparty an Bord der Recife. Hernandez hatte uns eingeladen. War okay!“

„Mal wieder eine Poolparty. Wie aufregend.“ Diego hielt sich die Hand vor den Mund und täuschte ein Gähnen vor. „Und die Gäste? Alle gesund?“

„Sie werden niemals erfahren, was mit ihnen passiert ist. Danke der Nachfrage. Wir sind ja schließlich nicht so unbeherrscht, wie ein gewisser Fünfjähriger, der sich nicht unter Kontrolle hatte“, gab Adriano ärgerlich zurück.

Die Spitze glitt an Diego ab. „Du bist vielleicht nicht so gierig“, meinte er nur, „aber ...“

Adrianos Kopf ruckte herum. „Dolores hat sich im Griff!“, behauptete er mit einem grimmigen Lächeln. Er wusste genau, wohin Diego zielte. „Außerdem hat sie noch nie jemanden umgebracht.“

Diego wusste, dass das Thema seinem Cousin nicht behagte. Es hatte da mal eine Affäre gegeben. Einen Fall von plötzlicher Vergreisung im Freundeskreis der Geschwister. Ein junger Mann, der damalige Freund von Dolores, war im wörtlichen Sinn über Nacht um Jahrzehnte gealtert. Im Gegensatz zu Diego hatte sie die Sache aber erstaunlich gut weggesteckt. Nun ja, schließlich war sie auch schon ein wenig älter und viel erfahrener.

Ein etwa elfjähriger Junge kam heran und versuchte vergeblich, einen Hund anzulocken, der unter einem der Tische hastig etwas in sich hineinschlang.

„Dolores“, sagte Diego nachdenklich. „Hat sie nicht morgen Geburtstag?“

„Ja!“ Adriano sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an.

„Und was wünscht sie sich?“

„Was alle sich wünschen: Jugend, Schönheit, Reichtum, was weiß ich.“

„Hat sie alles! Was wünscht sie sich wirklich?“

„Du hörst jetzt besser auf!“ In Adrianos Stimme war plötzlich ein drohender Unterton.

Sie kämpften mit Waffen, die im Lauf der Jahre stumpf geworden waren. Stumpf zwar, aber immer noch schwer und mächtig genug, alte Wunden wieder aufbrechen zu lassen. Es gab Geheimnisse in den alten Familien, über Jahrhunderte hinweg gesponnene Intrigen und Gerüchte, die man besser nicht erwähnte.

„Na, egal was es ist. Du wirst es schon möglich machen. Bis auf das Eine ...“

„Oh, es wird ja schon dunkel. War nett, mit dir zu plaudern.“ Adriano lehnte sich zurück und schaute demonstrativ auf die Breitling an seinem Handgelenk. Mit einer eleganten Bewegung stand er auf und legte Diego die Hand auf die Schulter. „Ich verschwinde jetzt besser“, sagte er leise mit einem Lächeln, „bevor ich dir deinen verdammten Schädel von den Schultern reiße.“

„Stimmt!“, grinste Diego zurück. „Das würde auffallen. Ein andermal vielleicht.“

„Ein andermal bestimmt!“, meinte Adriano, hob zum Abschied grüßend die Hand und ging zwischen den Tischen hindurch in Richtung Parkplatz. Dabei kam ihm der kleine Hund in die Quere. Er schaute Adriano erschrocken an, kniff den Schwanz ein und rannte jaulend davon, ohne dass Adriano irgendetwas getan hätte. Er hatte das Tier noch nicht einmal richtig angeschaut.

Diego sah seinem Cousin nach, wie er in der Dunkelheit unter den Bäumen verschwand. Adriano war wirklich verärgert, und vielleicht hatte er jetzt die ganze Woche Ruhe vor ihm. Zufrieden wandte er sich wieder dem Treiben auf der Terrasse zu und sein Blick blieb an einer Gestalt hängen, die er zuvor nicht bemerkt hatte: Ein hübsches Mädchen mit langen, hellblonden Haaren saß mit seinen Eltern und dem Jungen von eben an einem Tisch in der Nähe. Sie schien in irgendwelchen Schwierigkeiten zu sein, denn sie diskutierte mit ihrem Vater und ging mit ihrem Besteck auf das Essen los, als gelte es, einen Feind niederzumachen. Trotzdem machte sie keinen wütenden, sondern eher einen verzagten Eindruck. Sie wollte irgendetwas erreichen, hatte aber schon halb aufgegeben.

Der Kellner kam und servierte die Seewolffilets. Dabei nahm er Diego einige Sekunden lang die Sicht, und als er wieder ging, saß das Mädchen nicht mehr am Tisch. Diegos Augen suchten das Restaurant ab, und da war sie: Sie stand am Tisch einer Freundin, die ähnliche Probleme zu haben schien, wie sie selbst. Das blonde Mädchen war ziemlich groß und sehr schlank und Diego merkte, dass sein Herzschlag sich um eine Winzigkeit beschleunigte.

Das Essen war unwichtig geworden. Er war wie hypnotisiert und sah zu, wie sie sich mit einer fließenden Bewegung auf einen Stuhl gleiten ließ. Sie sprach ein paar Worte mit dem Vater der Freundin, wobei sie mit sparsamen Gesten die Dringlichkeit ihres Anliegens unterstrich. Hier wirkte sie viel überzeugender und lockerer, als im Gespräch mit ihren Eltern, und wirklich: Der Vater der Freundin nickte schließlich, woraufhin seine Tochter aufsprang und ihm eine ganze Serie von Küssen auf die Wange gab.

Auch das hellblonde Mädchen stand auf und gemeinsam gingen die beiden zu einem dritten Tisch, wo es wohl nicht so gut lief. Diego ließ die schöne Unbekannte nicht mehr aus den Augen. Sie war einfach perfekt. Eine Frau, wie sie bislang nur in seinen schönsten und geheimsten Träumen vorgekommen war.

Schließlich verließen alle drei Mädchen und die Terrasse. Ein viertes Mädchen sprang von einem Nachbartisch auf, rief etwas, und schloss sich ihnen an.

Diego presste die Lippen zusammen. Die Nachzüglerin war schwarzhaarig und klein. Sie mochte das netteste Wesen der Welt sein, aber Diego stand sofort wieder das Mädchen aus seinem Traum vor Augen, dessen Körper sich in seinen Armen auf so unbegreifliche und schreckliche Weise verändert hatte. Warum konnte man solche Erinnerungen nicht einfach löschen, wenn sie einem doch nur das Leben vergifteten?

Die vier Mädchen verschwanden in der Dunkelheit, aber für Diego waren sie noch schemenhaft sichtbar, als sie nahe der Wasserlinie stehen blieben, sich umwandten und gebannt in den Nachthimmel schauten. Die nahe Diskothek hatte gerade mit einem Samstagabendfeuerwerk begonnen.

Was für ein Mädchen, was für eine Frau! Versonnen zerteilte Diego eines der Filets und schob sich den Bissen in den Mund. Er musste sie unbedingt kennen lernen! Vergessen war der Ärger mit Adriano. Er sah nur noch das Bild dieses Mädchens vor sich, und als die letzten Raketen ihre Ornamente an den Himmel gemalt hatten, stand sein Entschluss fest: Morgen würde er ihre Nähe suchen und sie ansprechen.

05 SIEG

„Warum denn nicht, Papa?“ begehre ich auf, als ich schließlich bei meinen Eltern am Tisch sitze, wo unser Abendessen serviert wird. „Fleur und Pauline machen schließlich auch mit und Felix auch!“

„Felix?“ Mein Vater schaut mich etwas irritiert an. „Jungen machen da auch mit?“

„Felix ist ein Mädchen“, kläre ich ihn auf. „Also, darf ich?“

„Nein!“

„Oh, Mann, warum denn nicht?“

„Weil du dich nicht zur Schau stellen sollst. Das macht man nicht!“ erwidert mein Vater bestimmt. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Eltern von Fleur und Pauline das erlaubt haben.“

„Doch haben sie“, lüge ich und hoffe inständig, das es so sein würde. „Die sind nicht so spießig!“ füge ich noch giftig hinzu, während ich mit wütenden Bewegungen an meinem Filet herum schneide und es dabei halb zerquetsche.

„Na, na!“ tadelt mich meine Mutter mit strafendem Blick. „Nun sei mal nicht so frech zu deinem Vater. Er meint es doch nicht böse mit dir. Er hat nur Angst um dich, weil er nicht weiß, wie so eine Misswahl abläuft“, fügt sie noch lächelnd hinzu und blinzelt mir dabei verschwörerisch zu. Das gibt mir ein wenig Hoffnung.

Mein blöder Bruder muss in diesem Moment natürlich dazwischen plärren: „Lana auf dem Laufsteg.“ Er lacht, hebt im Sitzen ein wenig die Arme und wackelt mit dem Oberkörper. „Sie wird bestimmt stolpern und sich total blamieren. Dann kenne ich dich nicht mehr!“

„Halt die Klappe Didier, du weißt ja gar nicht, wovon du redest!“ fauche ich ihn an. „Außerdem macht Celine auch mit, die Schwester von deinem Paul! Willst du, dass ich hinter der zurückstehe?“

Didier sieht mich mit offenem Mund an, in dem sich noch Reste von zermatschten Pommes befinden. Ich merke, wie er zu kämpfen hat. Schließlich siegt seine Familienloyalität. Er schließt seinen Mund und murmelt. „Na, besser als die blöde Celine bist du auf jeden Fall.“

„Wer ist überhaupt diese Felix, von der du da geredet hast?“ will mein Vater mit einem Mal wissen.

„Eigentlich heißt sie Felicitas. Sie ist Engländerin“, erwidere ich seufzend und glaube schon nicht mehr an den Erfolg meiner Bemühungen.

Mein Vater vergisst das Stück Filet und erstarrt mitten in der Bewegung. „Eine Engländerin“, wiederholt er ungläubig mit großen Augen. „Ist sie allein hier?“

„Nee, mit ihren Eltern.“ Diese Ausfragerei geht mir mittlerweile ganz gewaltig auf den Geist

„Engländer? Und die lassen ihre Tochter da mitmachen?“

„Ja“, sage ich lahm und trinke den Rest meiner Cola.

„Na, das kann man ja eigentlich nicht zulassen“, meint Papa und schiebt sich endlich das Fleischstück in den Mund, „dass hier Engländer über die Franzosen siegen“ Mit vollen Backen kauend schaut er mich an und grinst.

„Heißt das ‚Ja’ Papa?“, frage ich ihn atemlos und etwas ungläubig. Papa nickt und meine Mutter lacht.

Ich springe auf und gehe mit schnellen Schritten zum Tisch von Fleurs Eltern. Die schauen nicht gerade begeistert und Fleur ist kurz davor loszuheulen. Offenbar hat sie nicht so viel Glück wie ich. „Ich darf“, platze ich deshalb schnell in die Unterhaltung.

Fleurs Vater, den ich wohl gerade bei einem Vortrag über Moral unterbrochen habe, blinzelt mich irritiert an.

„Siehst du!“ flüstert seine Frau, „dass ist doch alles nur harmloser Spaß. Komm Chérie, gib dir einen Ruck! Celine darf ja auch“

„Celine ist kein Maßstab für mich, deren Eltern sind in meinen Augen ...“ Er schaut mich an und bricht ab. „Aber dass du da mitmachen darfst Lana, das erstaunt mich! Setz dich doch einen Moment zu uns“

Ich rücke mir einen Stuhl zurecht, nehme Platz und warte auf das was nun kommen soll.