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Eine Sammlung von 108 inspirierenden Zitaten und Versen aus hinduistischen und buddhistischen Tantras. Ein wichtiges Hilfsmittel zum Verständnis des Tantra durch seine Quellen. Jeder Vers wird ausführlich kommentiert, um die verschlüsselte alte tantrische Zwielichtsprache zu verstehen. 66 tantrische Originalquellen (Schriften und Verfasser) werden vorgestellt und beschrieben, teilweise mit Abbildungen der Sanskrit-Manuskripte. Ergänzt werden die tantrischen Weisheiten durch ein umfangreiches Glossar tantrischer Begriffe.
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Seitenzahl: 218
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Für die mutigen Seelen, die den Pfad des Tantra beschreiten – für jene Tantriker und Suchenden, die sich tapfer den Tiefen ihrer eigenen Existenz stellen, um die Einheit von Körper, Geist und Seele zu erforschen.
Dieses Buch ist euch gewidmet, die ihr die Grenzen des Bekannten überschreitet, um in den unermesslichen Ozean des Bewusstseins einzutauchen. Ihr, die ihr nicht vor den Schatten zurückschreckt, sondern sie als Pforten zur Erleuchtung begreift.
Möge diese Sammlung von tantrischen Weisheiten ein Leuchtturm auf eurer Reise sein, ein Spiegel der Wahrheiten, die ihr in euch selbst entdeckt, und ein Zeugnis der unendlichen Möglichkeiten, die sich entfalten, wenn das Göttliche in jedem Atemzug, jeder Berührung und jedem Moment erlebt wird.
Warum dieses Buch das Licht der Welt erblickte
Die Welt der Tantras: Hinduistische und buddhistische Ursprungstexte
TEIL 1: WAS IST TANTRA?
TEIL 2: DIE WELTSICHT DES TANTRA
TEIL 3: SADHANA - DIE TANTRISCHE PRAXIS
TEIL 4: POLARITÄT - SHIVA, SHAKTI & SEXUALITÄT
TEIL 5: SAMADHI - EINHEIT UND INNERER FRIEDEN
Die Tantras - Tantrische Werke und Verfasser
Glossar mit Sanskrit- und Tantra-Begriffen, die in diesem Buch Verwendung finden
Quellenverzeichnis
Mein Weg in die Welt des Tantra begann in den frühen 2000er Jahren und öffnete mir die Türen zu einer umfassenden, das Leben bejahenden Perspektive auf Mensch, Welt und Kosmos. Anfangs war es vor allem die spirituelle Sexualität (Tantramassage, Slow Sex & Co.), die hier im Westen eine prominente Rolle spielt, die meine Neugier weckte. Doch mit der Zeit gewannen die spirituellen Aspekte des traditionellen Tantra zunehmend an Bedeutung für mich. Die tiefe Verbundenheit, die ich in diesem tantrischen Feld auf geistiger, spiritueller und körperlicher Ebene mit anderen Menschen erleben durfte, veränderte meine Sichtweise grundlegend.
Mein Interesse an den Ursprüngen des Tantra wuchs, ich vertiefte mich in die verfügbare Literatur, besuchte Seminare und begegnete auf Bali einem Meister des weißen Tantra.
Die Faszination für die Originaltexte führte mich jedoch auch zu einer großen Herausforderung: Die Entschlüsselung der alten tantrischen Zwielichtsprache, Sandhyābhāṣya, gestaltet sich als äußerst anspruchsvoll. Zusätzlich erfordert die Übertragung von Texten, die vor etwa 1000 Jahren verfasst wurden, eine sorgfältige Anpassung an die heutige Zeit. Dennoch entdeckte ich immer wieder Zitate, die auch für uns im Westen tiefgreifende Bedeutung hatten und begann, diese zu sammeln.
Die positive Resonanz auf das Rezitieren ausgewählter tantrischer Verse bei unseren Seminaren bestärkte mich in dem Gedanken, diese Schätze in Buchform zu veröffentlichen. Die Suche nach tantrischen Quellen entpuppte sich als faszinierende Reise, die mich mit der beeindruckenden Vielfalt des Tantra vertraut machte. Ich stieß auf Texte, die mir zuvor unbekannt waren und meine Sammlung wuchs stetig.
Es war mir ein besonderes Anliegen, Tantra-Texte zu finden, die auch in unserer heutigen westlichen Kultur ansprechend und verständlich sind. Schnell wurde mir klar, dass eine bloße Aneinanderreihung von Versen ohne Erläuterungen zu Unklarheiten führen könnte. Also begann ich, zu jedem Zitat einen Kommentar zu verfassen und diese mit passenden Bildern zu ergänzen.
Das Projekt nahm immer größere Ausmaße an und bereitete mir zunehmend Freude. Ich vertiefte mich wochenlang in die tantrischen Quellen und bin stolz auf das entstandene Werk, das traditionelle Tantras für unsere Zeit zugänglich macht. Mir ist klar, dass die 66 Tantras, aus denen ich Zitate und Weisheiten zusammengetragen habe, eine breite Vielfalt des tantrischen Kosmos widerspiegeln. Diese umfassende Perspektive ist durchaus gewollt. Denn Tantra lässt sich nicht auf eine dogmatische Lehre reduzieren, die nur auf einem einzigen Text basiert. Es ist vielmehr ein facettenreiches Gefüge, geprägt von einer Fülle an Werken und Autoren.
Die bewusste Auswahl von exakt 108 Zitaten reflektiert die tiefe symbolische Bedeutung dieser Zahl in verschiedenen spirituellen Traditionen, von ihrer astronomischen und astrologischen Relevanz bis hin zu ihrer Bedeutung in der meditativen Praxis.
Astronomische Bedeutung: Die Distanz von der Erde zur Sonne ist ungefähr das 108-fache des Durchmessers der Sonne ebenso wie die Entfernung von der Erde zum Mond etwa das 108-fache des Monddurchmessers beträgt. Diese himmlischen Maßverhältnisse verleihen der Zahl 108 eine universelle Wichtigkeit.
Astrologische Bedeutung: Im traditionellen indischen Astrologiesystem werden 12 Tierkreiszeichen (Rashis) und 9 Planeten (Navagrahas) kombiniert, was 108 (12 x 9) unterschiedliche Konstellationen oder Aspekte ergibt.
Yogische Bedeutung: Es heißt, es gäbe 108 Wege zur Gottheit oder zur Erkenntnis des Selbst. Zudem wird in der yogischen Lehre von 108 Energiekanälen oder Nadis gesprochen, die zum Herzchakra führen.
Bedeutung in heiligen Schriften: Eine Vielzahl hinduistischer und buddhistischer Texte verweisen auf die Zahl 108. So wird beispielsweise erwähnt, dass es 108 Upanishaden gibt, zentrale philosophische Schriften des Hinduismus.
Bedeutung in der meditativen Praxis: Die Nutzung einer Mala mit 108 Perlen unterstützt die Konzentrationsfähigkeit während der Meditation, da sie hilft, Mantras 108 Mal zu wiederholen. Dies wird als besonders wirksam betrachtet, um den Geist zu beruhigen und sich auf spirituelle Ziele auszurichten.
Dieses Buch ist ein Zeugnis meines tantrischen Weges und der Weisheiten, die ich dabei sammeln durfte. Ich hoffe, es macht dir, liebe(r) Leser(in), beim Lesen dieselbe Freude und Neugier, die mich beim Schreiben begleitet haben. Ich lade dich herzlich ein, deine Erfahrungen und Interpretationen mit mir zu teilen ([email protected]). Möge dieses Buch ein Fenster zu den tiefen und vielfältigen Einsichten des Tantra sein.
Viel Freude beim Lesen und auf deiner eigenen Entdeckungsreise durch die tantrischen Weisheiten!
Während meiner Reise auf dem tantrischen Pfad wurden mir von zahlreichen Lehrern und Begleitern Inspiration und Unterstützung zuteil, denen ich an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank aussprechen möchte.
Tilke Plateel-Deur und Hans Mensink haben mir in ihrem dreijährigen Ausbildungsprogramm "Ganzheitlich Integrative Atemtherapie" eine völlig neue Welt eröffnet. Von der Überzeugung "Religion ist Opium für das Volk" hin zu der Erkenntnis "Es existiert etwas, das größer ist als ich selbst". Bei ihnen konnte ich auch meine ersten Erfahrungen mit tantrischen Übungen machen.
Ketut Arsana - Sri Jaya Shakti - ein balinesischer Heiler, Tantra- und Yogameister sowie Guru des tantrisch-shivaistischen Ashrams Munivara in Junjungan/Bali, vermochte es, meine Vorurteile gegenüber Gurus und dem Lehrer-Schüler-Verhältnis zu mildern.
Margo Anand, die Grande Dame des Tantra, ist mir ein lebendiges Vorbild darin, Tantra in seiner ganzen Tiefe zu leben und zu erfahren.
Durch Veit Lindau erlangte ich ein umfassendes Verständnis über die Welt, den Menschen und mich selbst. Er lehrte mich, wie ich dieses Wissen effektiv in meiner Arbeit mit anderen Menschen einbringen kann.
Ich danke meiner Frau Gabriele Jungbluth für ihre Unterstützung bei der Erstellung dieses Buches. Ihre Geduld, ihre intuitive Weisheit als langjährige Yogini und ihr Einsatz haben meine Leidenschaft für dieses Projekt immer wieder befeuert. Als Lektorin hat sie dieses Buchprojekt kompetent und liebevoll betreut.
Bedanken möchte ich mich auch bei den Menschen, die unmittelbar bei der Entstehung diese Buches beteiligt waren, entweder als Lektoren und Korrektoren, als fachliche Berater oder kompetente Gesprächspartner.
Klaus Sadādāsa Burmeister hat mir als fachlicher Berater durch sein tiefgreifendes Wissen über die Tantras und das Sanskrit wertvolle Hinweise geliefert, die die Kommentare zu den Versen noch zugänglicher gemacht haben.
Bettina Neuroth danke ich für ihre bemerkenswerte Fähigkeit für Details und Orthografie, die wesentlich zur Qualität und Lesbarkeit des Werkes beigetragen haben. Ihr scharfer Blick hat alle Schreibfehler entdeckt und korrigiert, die ich trotz mehrmaligem Lesen übersehen habe.
Wichtig für die Entstehung dieses Buches waren auch langjährige Begleiter auf meinem tantrischen Weg. Ihre Unterstützung, gemeinsame Erfahrungen und Einsichten haben dazu beigetragen, die Authentizität des Werkes zu bereichern: Iris, Fabian, Christian, Felice, Andreas, Patricia, Angela, Cuc und viele Menschen mehr.
Euch allen gilt meine tiefe Dankbarkeit für eure Weisheit, eure Liebe und eure unermüdliche Unterstützung auf meinem Weg.
Mit dem Schreiben meines ersten tantrischen Buches gründete ich den Verlag "Edition Samhita", inspiriert von meiner Erfahrung als Buchhändler und in Verlagshäusern. "Samhita", abgeleitet aus dem Sanskrit, bedeutet "zusammengestellt" und bezieht sich auf die in den vedischen Schriften gesammelten Mantras und Hymnen für rituelle Praktiken. Unser Verlag folgt dieser Tradition und veröffentlicht Bücher, die tantrische Prinzipien mit westlicher Kultur und modernen Therapieformen verbinden.
Tantra ist eine spirituelle Tradition, die ihren Ursprung auf dem indischen Subkontinent hat und deren Wurzeln bis ins erste Jahrtausend n. Chr. zurückreichen. Es definiert sich nicht als eigenständige Religion, sondern vielmehr als eine tiefgreifende spirituelle Strömung, die sowohl im Hinduismus, Buddhismus als auch im Jainismus prägenden Einfluss gefunden hat. Tantra lässt sich am ehesten als ein Weg der spirituellen Lebensführung oder als eine Sammlung von Lehren und Techniken begreifen, die die persönliche spirituelle Entwicklung fördern.
Die tantrischen Schriften, bekannt als Tantras, umfassen eine Vielzahl von Ritualen, Anweisungen und philosophischen Konzepten. Sie gründen auf der Vorstellung, dass die gesamte Schöpfung eine Manifestation einer einzigen, untrennbaren Wirklichkeit ist, die oft in Form verschiedener Gottheiten verehrt wird. Das vorrangige Ziel des Tantra ist es, diese allumfassende Wirklichkeit unmittelbar zu erfahren und in das eigene Sein zu integrieren. Dabei soll das Bewusstsein erweitert, entwickelt und entfaltet werden.
Das Sanskritwort “Tantra”, das unter anderem „Gewebe“ oder „System“ bedeutet, leitet sich von der Wurzel „tan“ ab, was „ausdehnen“ (im Sinne von Bewusstseinserweiterung) oder „weben“ bedeutet. In Zeiten vor dem Buddhismus nutzte man das Bild des Webens metaphorisch für das Verfassen heiliger Texte. Tantra bezieht sich zudem auf die Ausführung komplexer Rituale, die ähnlich einzelner Fäden zu umfassenden Zeremonien verknüpft werden.
Der Tantrismus versteht sich als ein Pfad der Erkenntnis, der darauf abzielt, die in jedem Wesen innewohnende Erleuchtung freizulegen und innerhalb eines einzigen Lebens zur vollen Entfaltung zu bringen. Er vertritt die Ansicht, dass selbst Energien, die normalerweise als negativ betrachtet werden, wie Aggression oder Gier, auf dem tantrischen Pfad genutzt und in positive Kräfte transformiert werden können, um auf eine höhere Ebene zu gelangen.
In der tantrischen Praxis wird der direkten Erfahrung (Vijnana) eine größere Bedeutung beigemessen als theoretischem Wissen (Jnana). Diese unmittelbare Erfahrung – das Eintauchen in die Kraft, die Rituale, die Liebe, die Weisheit und das körperlich wahrgenommene Verständnis jeder Form von Realität – steht im Mittelpunkt. Rituale dienen dem Tantriker nicht nur dazu, temporäre oder spirituelle Ziele zu erreichen, sondern bieten die Chance, die eigene innere Tiefe und das Wesen der Natur direkt zu erfahren.
Im Tantra kann letztlich alles zum Symbol des Heiligen avancieren. Diese Haltung ermöglicht es Praktizierenden, unkonventionelle Lebensweisen und rituelle Praktiken anzunehmen, die von der Ausübung sexueller Rituale im Dienste der Erleuchtung bis hin zur Verwendung traditionell als verboten oder unrein geltender Substanzen (wie Alkohol, Fleisch, Exkremente) reichen können.
Für einen Tantriker ist das reine Ansammeln von Wissen nicht genug. Erst durch das Erleben und Erfahren der Erkenntnis im eigenen Geist und Körper kann sie sich in eine tief empfundene Wahrheit verwandeln.
Das traditionelle Tantra wird als ein Weg der Initiation (Einweihungsritual) betrachtet, bei dem die formelle Einführung durch einen erfahrenen Lehrer – etwa einen Guru oder Lama – von entscheidender Bedeutung ist. Dieser Lehrer weist den Schüler in die Geheimnisse und Methoden der tantrischen Praxis (Sadhana) ein.
Während der Einweihung und in der fortlaufenden Praxis spielen Mantras (heilige Laute oder Silben), Mudras (symbolische Handgesten) und Mandalas bzw. Yantras (geometrische Darstellungen, die als Visualisierungshilfen, als Meditationswerkzeuge oder zur Abgrenzung eines heiligen Raumes dienen) eine zentrale Rolle. Es wird auch mit der Visualisierung von Meditationsgottheiten gearbeitet, wobei sich Lehrer und Schüler mit diesen Wesenheiten identifizieren, die erleuchtete Qualitäten verkörpern.
Das Wesen des Tantra liegt in seiner Fähigkeit, uns mit unserem tiefsten Inneren und der göttlichen Quelle zu verbinden. Es zielt darauf ab, die scheinbare Trennung zwischen Geist und Materie zu überbrücken und uns die grundlegende Einheit allen Daseins erkennen zu lassen.
Die Unterscheidung zwischen rotem, weißem und schwarzem Tantra dient dazu, die unterschiedlichen Methoden und Herangehensweisen innerhalb der tantrischen Praxis zu kategorisieren. Rotes Tantra fokussiert auf die Verbindung männlicher und weiblicher Energien, oft durch spirituelle Sexualität. Sexualität wird in dieser Tradition als heilige Kraft gesehen, die zur Erleuchtung führen kann. Die Nutzung sexueller Energie zielt auf spirituelles Wachstum und die Erweiterung des Bewusstseins ab. Rotes Tantra betont zudem Liebe, Hingabe und Nähe zwischen Partnern, wobei sexuelle Akte als sakral und spirituell aufgefasst werden, um die Bindung zu intensivieren. Die Aktivierung der Chakren, die Energiezentren im Körper, ist dabei zentral, um spirituelle Einsichten zu gewinnen.
Im Gegensatz dazu steht weißes Tantra, das sich auf Meditation, Atemübungen, Mantras und Rituale konzentriert, die in der Regel nicht mit sexueller Aktivität verbunden sind. Diese Praxis erfordert strikte Disziplin und Fokussierung, mit dem Ziel, das Bewusstsein zu erhöhen und Erleuchtung zu erlangen, ohne dabei sexuelle Energie einzubeziehen. Weißes Tantra strebt die Reinigung und Transformation von Geist und Körper an, um innere Blockaden zu lösen und spirituelle Freiheit zu erreichen.
Schwarzes Tantra konzentriert sich auf die Ausübung von Macht und die Manipulation von Ereignissen für eigene oder fremde Zwecke. Es beinhaltet oft rituelle Praktiken, die darauf abzielen, Kontrolle über andere zu erlangen oder persönliche Ziele auf Kosten anderer zu erreichen.
Es ist essentiell, zu beachten, dass die Bezeichnungen “rot“, “weiß“ und “schwarz“ nicht in allen tantrischen Schulen geläufig sind und ihre Interpretation variieren kann. Vor der Ausübung ist es ratsam, sich mit einem erfahrenen Lehrer oder einer Lehrerin auseinanderzusetzen, um sicherzustellen, dass die ausgewählte Praxis den persönlichen spirituellen Zielen und ethischen Grundsätzen entspricht.
Der zeitgenössische Inder assoziiert mit dem Begriff Tantra wahrscheinlich vorrangig magische Rituale oder die esoterischen Praktiken geheimnisvoller Personen. Es kommt nur selten vor, dass Hindus, die in Indien leben, offen über ihre persönlichen Erfahrungen mit Tantra sprechen oder den Begriff mit tiefgreifender Spiritualität in Verbindung bringen. Im Hinduismus bezieht sich der Begriff Tantra meist auf Schriften und Lehren, die in engem Zusammenhang mit der allgemeinen hinduistischen Tradition stehen, jedoch auch spezifische Aspekte, insbesondere aus der esoterischen und mystischen Strömung, umfassen.
In der westlichen Welt herrschen zahlreiche Missverständnisse über Tantra, die häufig zu einer Verengung des Konzepts auf seine sexuellen Komponenten führen. Diese vereinfachte Sichtweise steht im Gegensatz zu den vielschichtigen Aspekten des klassischen Tantra, in denen Sexualität nicht unbedingt eine zentrale Rolle spielt. Ein Grund für diese Fehlinterpretation könnte die Assoziation von Tantra mit dem Kamasutra sein, einem altindischen Werk über die Liebe, das auch sexuelle Techniken behandelt, aber mit Tantra nichts zu tun hat. Im modernen Westen wird Tantra oft als Neotantra angeboten, wobei die ursprünglichen hinduistischen oder buddhistischen Elemente zugunsten einer Fokussierung auf die Verbesserung der sexuellen Erfahrung und das Streben nach einer Art sexuell-spirituellen Wohlbefindens in den Hintergrund gerückt sind. Doch Tantra bietet weit mehr als dies und umfasst eine holistische Sicht auf die Welt, die auf spirituellem Wachstum und der Erleuchtung basiert. Tantra ist eine tiefgründige spirituelle Tradition, die das gesamte Spektrum des menschlichen Daseins einbezieht.
Tantra ist ein Lebensweg, der alle Formen des Daseins willkommen heißt und nichts ausschließt. Es gibt keine Ablehnung von Personen, spirituellen Pfaden oder psychologischen Bereichen im Tantra; es umfasst das gesamte Spektrum des Lebens. Jedes Element hat einen spezifischen und berechtigten Grund für seine Existenz. Alles manifestiert sich aus dem höchsten, wertfreien Bewusstsein heraus.
Tantra offenbart, dass jeder Moment unseres Daseins – jede Emotion, jeder Gedanke und jede Handlung – eine tiefgreifende und kraftvolle Wahrheit birgt. Diese Wahrheiten, im klaren Licht des Bewusstseins betrachtet, können rasch den Weg zur persönlichen Befreiung ebnen.
Durch Tantra wird die Einzigartigkeit des Individuums geehrt und die Notwendigkeit hervorgehoben, dass sich jeder Mensch auf seine individuelle Art und Weise entfalten sollte. Es existiert keine universelle Lösung, die für alle passt. Stattdessen sind wir Teil einer kontinuierlichen Evolution, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht.
Tantra steht der Kultur, in die es integriert wird, nicht ablehnend gegenüber.
Der tantrische Weg ist nicht für jedermann geeignet, sondern richtet sich an diejenigen, die den Mut zum Sprung ins Unbekannte haben.
Das tantrische Leben umfasst auch die Offenheit, alle Gefühle zuzulassen, unabhängig davon, ob diese von dir selbst oder anderen als positiv oder negativ bewertet werden.
“Weil es reichhaltige und tiefgründige Fragestellungen sorgfältig ausarbeitet und erklärt (tan), besonders in Bezug auf die Prinzipien der Realität (tattva) und heilige Mantras, und weil es uns Befreiung (tra) bietet, wird es Tantra genannt.“
Kamika Tantra
Die englische Übersetzung des Kamika Tantra
Das Wort Tantra setzt sich zusammen aus den beiden Silben "tan" (von "tanoti", was "ausdehnen" bedeutet) und "tra" (von "trayati", was "befreien" bedeutet). In seiner tieferen Bedeutung bezieht sich die erste Silbe auf "die Verbreitung von Weisheit", während die zweite Silbe auf "die Befreiung von Leiden" hinweist. Eine alternative Bedeutung könnte sein: Tantra ermöglicht uns ein besseres Verständnis sowohl der inneren als auch der äußeren Welt (tattva) und stellt uns Werkzeuge zur Verfügung, wie zum Beispiel Mantras, um unser Bewusstsein zu erweitern und spirituelle Erlösung zu erlangen. Da Tantra alle Aspekte des Lebens einbezieht und nichts ausschließt, könnte man es auch als "Befreiung durch Ausdehnung" beschreiben.
Quelle Zitat: [1] Wallis, Tantra Illuminated | Quelle Abb.: himalayanacademy
“Tantra ist das Wissen, das die Grenzen des Verstandes, Körpers und Bewusstseins erweitert.”
Kashika Vritti
Die Sanskritgrammatik Ashtadhyayi (Kashika) von Panini, auf die sich dieser Kommentar bezieht.
Tantra ist ein ganzheitlicher Ansatz, um das Universum aus der Sicht des Einzelnen zu erkunden: Die Erforschung des Makrokosmos durch die Betrachtung des Mikrokosmos. Dieses Prinzip der Entsprechung findet sich auch im "Kybalion", einem populären Buch unter Esoterikern und Okkultisten, wieder. Dort werden sieben hermetische Prinzipien genannt, darunter "Wie oben, so unten; wie innen, so außen; wie der Geist, so der Körper". Es bedeutet, dass die Verhältnisse im Universum (Makrokosmos) denen im Einzelnen (Mikrokosmos) entsprechen - die äußeren Bedingungen spiegeln sich im Menschen und umgekehrt. Dieser Makrokosmos besteht aus verschiedenen Elementen, die alle durch ein gemeinsames Gesetz (Dharma) miteinander verbunden sind. Tantra strebt danach, dieses Gesetz zu verstehen, das die verschiedenen Erscheinungen in der Welt der relativen Existenz (Maya) zusammenführt und es zur Erweiterung des individuellen Bewusstseins zu nutzen.
Quelle Zitat: [2] Johari, Wege zum Tantra Quelle Abbildung: commons.wikimedia.org
"Beim Tantra geht es vor allem darum, Liebe, Spiritualität und Sexualität mit Bewusstsein zu verbinden.”
Osho
Oshos Worte fassen die Essenz des Tantra auf beeindruckende Weise zusammen. Im Mittelpunkt des Tantra steht die Vereinigung von Liebe, Spiritualität und Sexualität, aber der Schlüssel dazu ist das Bewusstsein. Dieses Bewusstsein ermöglicht es uns, jede Handlung, jedes Gefühl und jede Suche achtsam zu durchleben, was zu tiefer Freude, Erfüllung und spiritueller Entwicklung führt. Liebe ist das Licht, das unseren Weg erhellt, Spiritualität ist der Pfad selbst und Sexualität sind einige der Schritte, die wir auf diesem Pfad gehen. Indem wir bewusst jeden Moment erleben, erkennen wir nicht nur den Weg, sondern auch dessen Schönheit und wie er uns unserem wahren Selbst näher bringt. Tantra lehrt uns, die Vielfalt der Liebe – die Selbstliebe, die Liebe zu anderen und die Liebe zum Leben – bedingungslos und frei von Besitzansprüchen zu erleben.
Quelle Zitat: [4] Osho, Sex - das missverstandene Geschenk Quelle Abbildung: commons.wikimedia.org, Marcel Antonisse / Anefo
"Tantra ist der bewusste Umgang mit der Energie im Körper."
Sri Jaya Shakti - Ketut Arsana