Das große Still-Kompendium - Andrew Taylor Still - E-Book

Das große Still-Kompendium E-Book

Andrew Taylor Still

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Beschreibung

KOMPLETT ÜBERARBEITETE NEUAUFLAGE! Dr. Andrew Taylor Still (1828-1917) hat vor rund 100 Jahren in vier Büchern das theoretische Fundament für die Osteopathie gelegt. Im gegenwärtigen Boom der Osteopathie in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist es daher umso wichtiger, den praktizierenden Osteopathen eine deutschsprachige Gesamtausgabe dieser geradezu epochalen Werke zur Verfügung zu stellen. Sie lernen das Leben und die Gedanken eines Mannes kennen der - ähnlich wie Samuel Hahnemann - seiner Zeit weit voraus war. Als die meisten seiner Zeitgenossen noch überwiegend theoretischen Denkmodellen anhafteten, die sie oft auf brutale Art und Weise in der Praxis umsetzten, entschied sich Dr. Still einen eigenen praxisnahen und patientenfreundlichen Weg zu gehen. Auf Grund seiner einzigartigen Naturbeobachtungen und intensiven Anatomiestudien, seiner religiösen Grundhaltung und getrieben durch den Tod drei seiner Kinder, entwickelte er das faszinierende Konzept der traditionellen Osteopathie. Dieses Kompendium bietet einen tiefen Einblick in die Seele der Osteopathie und in das Denken eines Mannes, der schier übermenschliche Kämpfe mit sich und seinen Mitmenschen auszutragen hatte, bis das Fundament der Osteopathie errichtet war und sich mit rasendem Erfolg über Amerika ausbreitete. Vorworte von James J. McGovern, Ph.D., President Kirksville College of Osteopathic Medicine, Kirksville, Missouri, U.S.A. Als Einstieg in das Kompendium empfehlen wir Ihnen Carol Trowbridges deutschsprachige Biographie über Dr. Still (3-936679-62-2). Medizinhistorisch von allerhöchstem Wert, lernen sie neben Stills Leben v.a. das Amerika des 19.Jhdt., fern ab der großen Städte des Ostens kennen. Diese Biographie ist der "seelische" Schlüssel zu Stills werken, denn sie ermöglicht ein noch tieferes Verständnis für die Wurzeln der Osteopathie.

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Seitenzahl: 1932

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Das große Still-Kompendium

IMPRESSUM

TITELDas große Still-Kompendium, enthält:I. Autobiografie - Mit einer Geschichte der Entdeckung und Entwicklung der Wissenschaft der Osteopathie II. Die Philosophie der Osteopathie III. Die Philosophie und mechanische Prinzipien der Osteopathie IV. Forschung und Praxis

Copyright © 2013 bei JOLANDOS© JOLANDOS©, Am Gasteig 6, 82396 D-Pählwww.jolandos.de, [email protected] ISBN 978-3-936679-64-9 (Print) ISBN 978-3-941523-32-6 (Ebook / MOBI) ISBN 978-3-941523-10-4 (Ebook / EPUB)

TITEL DER ORIGINALAUSGABENAutobiography Of Andrew T. Still: With A History Of The Discovery And Development Of The Science Of Osteopathy (1908) The Philosophy of Osteopathy (1899) The Philosophy and Mechanical Principles of Osteopathy (1902) Research and Practice (1910) von Andrew Taylor Still, Eigenverlag, Kirksville, Mo. USA

ÜBERSETZUNG Sandra Jesse Angelika Hamilton Bettina Clement

BEARBEITUNG Christian Hartmann Dr. Martin Pöttner

UMSCHLAGGESTALTUNG & SATZ Christian Hartmann

DRUCK / PRINTVERSION Buchproduktion Thomas Ebertinwww.buchproduktion-ebertin.de

EBOOK-GESTALTUNG Corinna Rindlisbacherwww.ebokks.de

VERTRIEB ÜBER HEROLD Auslieferungsservice GmbH Raiffeisenalle 10 82041 Oberhaching

BESTELLUNG:[email protected]

Jede Verwertung von Auszügen der deutschen Ausgabe ist ohne Zustimmung des JOLANDOS -Verlags unzulässig und strafbar. Dies gilt für Vervielfältigungen und Verbreitung in welcher Form auch immer.

Das große Still-Kompendium

I. AUTOBIOGRAFIE

MIT EINER GESCHICHTE DER ENTDECKUNG UND ENTWICKLUNG DER WISSENSCHAFT DER OSTEOPATHIE

II. DIE PHILOSOPHIE DER OSTEOPATHIE

III. DIE PHILOSOPHIE UND MECHANISCHE PRINZIPIEN DER OSTEOPATHIE

IV. FORSCHUNG UND PRAXIS

AUS DEM AMERIKANISCHEN VON Dr. Sandra Jesse, Angelika Hamilton, Bettina Clement

BEARBEITET VON Christian Hartmann und Dr. Martin Pöttner

TITEL DER ORIGINALAUSGABEAutobiography Of Andrew T. Still: With A History Of The Discovery And Development Of The Science Of Osteopathy (1908) The Philosophy of Osteopathy (1899) The Philosophy and Mechanical Principles of Osteopathy (1902) Research and Practice (1910) von Andrew Taylor Still, Eigenverlag, Kirksville, Mo. USA

INHALTSVERZEICHNIS

Vorworte und Einleitungen des vorliegenden Still-Kompendiums erscheinen identisch in den einzeln veröffentlichten Büchern (für 2014 geplant).

VORWORT DES HERAUSGEBERS (2013)

VORWORT DES HERAUSGEBERS (2005)

PREFACE JANE STARK (2005)

VORWORT JANE STARK (2005)

EINLEITUNG DES ÜBERSETZERS (2005)

1. Vorbemerkung

2. Das Grundkonzept Andrew Taylor Stills (Man is triune)

3. Der Einfluss Herbert Spencers, der Mechanismus bei Still und die offenen Fragen des Maschinenmodells Stills

4. Das Gliederungsmuster der medizinischen Werke im Unterschied zur Autobiografie

EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS (2005)

Spiritualität–Elektrizität–Methodismus–Arterie als König–Nerven-system–Ganzheitliche Behandlung–Homöopathie–‚Osteopathie‘–Biogen–Wundermethode Osteopathie?–Triune osteopathy

Monografien

I.    AUTOBIOGRAFIE: Mit einer Geschichte der Entdeckung und Entwicklung der Wissenschaft der Osteopathie

II.   DIE PHILOSOPHIE DER OSTEOPATHIE

III.  DIE PHILOSOPHIE UND MECHANISCHE PRINZIPIEN DER OSTEOPATHIE

IV.  FORSCHUNG UND PRAXIS

(Inhaltsverzeichnisse der einzelnen Bücher siehe dort.)

VORWORT DES HERAUSGEBERS (2013)

Vorbemerkung

Seit der Überarbeitung des Still-Kompendiums vor acht Jahren ist viel passiert. Andrew Taylor Still (1828 – 1917), dem Entdecker der (klassischen) Osteopathie, wird im deutschsprachigen Raum inzwischen eine zunehmend breitere Würdigung zuteil. Zudem wird immer offensichtlicher, dass seine Osteopathie weitaus komplexer ist, als man dies ursprünglich vermutet hatte. Maßgeblichen Anteil an diesem Einsichtsprozess hat dabei mit Sicherheit auch die wachsende Zahl an Titeln kompetenter Still-Kenner, von denen ich Ihnen folgende besonders empfehlen kann: Stills Faszienkonzepte (Stark), Interface (Lee), Osteopathie und Swedenborg (Fuller), A. T. Still (Lewis), Klassische Osteopathische Feldtheorie, (Hartmann/Pöttner) und natürlich der Klassiker Andrew Taylor Still 1828 – 1917 (Trowbridge), als ideale Einführungsliteratur. Die ‚philosophisch‘ wohl qualifizierteste Einschätzung zur klassischen Osteopathie ist m. E. aber nach wie vor die nachfolgende Einführung des Mitübersetzers und kritischen Bearbeiters der Still-Texte, Dr. Martin Pöttner, seines Zeichens Privatdozent für Philosophie und Theologie. Ihm möchte ich an dieser Stelle nochmals ausdrücklich für seine unschätzbaren Beiträge danken.

Auch die nach fast einem Jahrhundert wieder auftauchenden Texte seines wohl wichtigsten Schülers, John Martin Littlejohn (1866 – 1947) belegen, dass die klassische Osteopathie trotz ihrer scheinbar einfachen Anwendung tatsächlich ein äußerst komplexes Gedankengebäude repräsentiert, in der die Frage nach den Lebensprozessen mit ihren Mechanismen noch im Zentrum des Interesses stand und die medizinische Umsetzung lediglich einen Seitenast an diesem Baum darstellte. Dies erscheint nur logisch, wenn man weiß, dass Still die Medizin bei seinem Vater, dem Methodisten-Prediger Abram Still, im Einflussbereich des Amerkianischen Swedenborgianismus und im Umfeld der Medizin der Shawnee-Indianer erlernte. In diesem Gesamtkontext und in Hinblick auf die prägenden Jahre der Begleitung seines Vaters ging es Still vorrangig eben nicht um Körpermedizin, sondern zunächst um Seelsorge mit der darin eingebetteten Körpermedizin. Der Menschen in seiner Gesamtheit stand im Fokus – nicht Patienten mit Symptomen und Diagnosen. So nahm Still den Menschen immer als eingebettet in und durchdrungen von einer schöpferischen Intelligenz wahr. Eine Intelligenz, die allein für alle Prozesse des Lebens verantwortlich zeichnet. Und so ist es nur konsequent, dass er dieser metaphysischen und mechanistisch wirkenden Kraft (Lebenskraft) weit mehr Aufmerksamkeit schenkte und die für Körperärzte typische Fokussierung auf Symptome und Pathologien nur nachrangig abhandelt. Da die Vorstellung der Lebenskraft aber mit dem in der Salutogenese gebräuchlichen Begriff Ressourcen gleichzusetzen ist, kann Stills Osteopathie folglich als salutogenetische Medizin identifiziert werden:

„Gesundheit zu finden sollte die Aufgabe des Arztes sein. Jeder kann Krankheit finden.“ [Still, Die Philosophie der Osteopathie]

Wenn man Still eingehend studiert (und verstanden) hat, kann man diesen Satz in etwa wie folgt in moderne Terminologie übersetzen:

Das Vertrauen in die natürlichen und sich stets in Richtung Normophysiologie prozessual entfaltenden Ressourcen im menschlichen Organismus wiederzufinden und ihnen individuell optimale anatomisch-(psycho-) physiologische Rahmenbedingungen zur Entfaltung über die möglichst frei fließenden Körperflüssigkeiten als medial wirkende Informationssysteme zu verschaffen ist Aufgabe des Arztes. Symptome und Pathologien finden und mit konzeptuellen Methoden angehen kann jeder.

Ich erwähnte ja bereits: Stills Philosophie ist ziemlich komplex. Und sie ist eindeutig salutogenetisch orientiert. Der Begriff Salutogenese wurde zwar erst in den 1970ern von dem amerikanischen Soziologen Aaron Antonovsky geprägt, er selbst betont aber, dass es sich um einen Denkansatz handelt, der so alt ist wie die Menschheit und keine Erfindung oder Methode von ihm sei; insofern ist es vollkommen legitim, Stills Osteopathie als ‚salutogenetisch‘ zu bezeichnen. (Salutogenese schließt Pathogenese übrigens nicht aus, sondern betrachtet diese als integralen Sonderfall.)

Ein zentrales Paradigma der Salutogenese fordert darüber hinaus dazu auf, die Vorstellung der Absolutbegriffe ‚Gesundheit‘ und ‚Krankheit‘ durch die Vorstellung eines relativen und sich daher ständig ändernden Zustandskontinuums zu ersetzen. Durch die Auflösung des Krankheitsbegriffs verschwindet auch die Vorstellung des ‚Bösen‘, welches es zu besiegen gilt und folglich auch die Vorstellung des Behandlers als ‚Heilers‘ oder ‚Gesund-Machers‘ (Dass sich jedes gesunde Therapeuten-Ego dagegen zunächst verwehrt ist nur normal, denn schließlich ist es doch exakt das, was die Patienten von Ihren Behandlern erwarten.) Dass die klassische Osteopathie dieses zentrale Paradigma der Salutogenese geradezu beispielhaft erfüllt, mag Ihnen auch ein kleiner Auszug aus Louisa Burns, DO Basic Principles aus dem Jahr 1907 (!) verdeutlichen:

„Es gibt etwas wildes in der Einstellung besonders bei Akuterkrankungen und man kann den Unwissenden, der lediglich die oberflächlichen Aspekte eines Leidenden betrachtet, nicht dafür tadeln, dass er Krankheit für ein grausames Wesen hält, das es zu versöhnen oder zu bekämpfen gilt. […] Ist Krankheit ein Wesen mit bestimmten Kräften… ist die rationale Vorgehensweise das Austreiben, Töten oder Zuwiderhandeln der Krankheiten, oder besser gesagt der entsprechende Kreatur. Aber dieser Standpunkt entspricht nicht der Wahrheit, denn Krankheit ist kein Wesen! […]

Tatsächlich wurden bestimmte Ansammlungen von Symptomen… studiert und benannt, wodurch unser Wissen enorm erweitert wurde; dennoch entspricht es nicht der Wahrheit, dass etwas Reales existiert, das ‚Krankheit‘ heißt. […]

Krankheitssymptome sind Anstrengungen[Anm.: des Organismus][…] um die eigene Existenz unter veränderten und anormalen Bedingungen zu erhalten. […]

Gesundheit ist ebenso wenig ein eigenständiges Wesen; beide: Gesundheit und Krankheit sind nur abstrakte Ausdrücke, um bestimmte Zustände des Stoffwechsels zu beschreiben. Gesundheit ist nichts weiter als jener Zustand eines Organismus, der vollkommen an seine Umgebung angepasst ist; Krankheit entspricht einem Zustand schlechter Anpassung.“1[Hervorhebung durch den Herausgeber]

Es sei hier noch erwähnt, dass Louisa Burns zusammen mit J. M. Littlejohn die Speerspitze der damaligen Osteopathie-Wissenschaft bildete. In Hinblick auf Sorgfalt, Systematik, Klarheit und Tiefe gehörten beide zur damaligen medizinischen Wissenschaftselite.

Die Umsetzung von Stills salutogenetischer Osteopathie erfordert folglich nicht nur einen intellektuellen Umdenkprozess, sondern zudem eine grundlegende psychologische Transformation des therapeutischen Selbstverständnisses vom ‚Macher‘ zum ‚Begleiter‘. Kann es vielleicht sein, dass eben diese drohende Ohnmacht (‚Was soll ich denn dann noch machen?‘) mit dem Verlust einer sicheren Rolle im Behandlungsprozess der eigentliche Grund dafür ist, warum die moderne Medizin und Osteopathie sich so schwer mit Stills oder auch Antonovskys Ansatz tut? Ist dies eine mögliche Erklärung für das Phänomen, dass immer wieder versucht wird Salutogenese pathogenetisch ‚zurückzudeuten‘, so als gäbe es einen blinden Fleck im mentalen Sichtfeld, ein Unvermögen ‚jenseits der Wagenspuren‘ zu denken, um Stills bildhafte Sprache zu verwenden?

Nun kann man natürlich völlig zurecht einwenden, dass Still Begriffe wie ‚Gesundheit‘, ‚Krankheit‘, ‚Heilen‘ etc. unzählige Male und vermeintlich im absoluten Kontext verwendet. Vergessen Sie aber nicht, dass es zum damaligen Zeitpunkt noch keine entsprechende Terminologie gab. Die Tatsache, dass der kaum gebildete Still versucht salutogenetische bzw. prozessuale Ideen in der Terminologie des 19. Jahrhunderts auszudrücken, muss den modernen Leser beim Rückblick fast zwangsläufig verwirren oder gar verstören. Dieser markante Widerspruch zwischen der gedachten Systematik und dem, wie Still es ausdrückt, löst sich folglich nur dann auf, wenn man immer wieder versucht ihn ‚zwischen den Zeilen‘ und im Gesamtkontext unter Ausblendung der modernen Interpretation von Begrifflichkeiten zu verstehen. Dies widerspricht vollkommen der Art und Weise wie wir uns medizinischer Literatur gewöhnlich nähern: Wir erwarten genaue Beschreibungen, klare Antworten, streng logische Systematik, methodologisch saubere Beweisführungen, praktisch sofort umsetzbare Konzepte. Der Schlüssel zu Stills Welt liegt aber darin, sich ihr nicht mit einer durch diese Prägung und Alltagszwänge geschaffenen intellektuellen und emotionalen Zwangsjacke zu nähern, sondern zuvor seinen Geist möglicht weit, offen und vorurteilsfrei zu machen. Still ist poetisch, lyrisch, banal, und doch unendlich tiefsinnig - romantische Wissenschaftssprache at it‘s best, sozusagen. Und nur wer sich seinen Texten mit entsprechend offener Geisteshaltung nähert und nicht erwartet, dass der Text sich den eigenen Bedürfnissen anpassen soll, wird den Eingang zu seiner Welt finden.

Zwei Welten

Die klassische Osteopathie war medizinphilosophisch also eindeutig salutogenetisch ausgerichtet. Dadurch ergab sich aber ein sehr konkretes Problem: Wie auch noch in fast allen existierenden Gesundheitssystemen der Welt wurde auch im damaligen amerikanischen Gesundheitssystem fast ausschließlich pathogenetische Medizin v. a. aufgrund ihrer vermeintlichen Objektivität anerkennt. (Dass moderne Neuro- und Kognitionswissenschaft ‚medizinsiche Objektivität‘ inzwischen mehr oder weniger als Wunschdenken entlarvt hat, sei hier nur am Rande erwähnt). So verwundet es nicht, dass sich die klassische Osteopathie zwischen 1900 – 1920 fast komplett im pathogenetischen Sinn systemkonform umdefiniert und somit das Fundament für die ‚moderne‘ Osteopathie errichtet hatte. Diese politisch nachvollziehbare Entscheidung sollte zwei nachhaltige Effekte haben: (1) Es entstand eine Spaltung der Osteopathie in den klassischen (salutogenetischen) Zweig und den modernen (pathogenetischen) Ast, die aus medizinphilosophischer Sicht im Widerspruch zueinander stehen. Lesen wir bei der ausgezeichneten Osteopathiehistorikerin und Still-Biografin Carol Trowbridge:

„Mein ursprüngliches Bemühen, die Geschichte über Andrew Taylor Still mit der des [modernen] osteopathischen Berufsstandes zu vermengen, erwies sich als Versuch Öl mit Wasser zu mischen, denn um praktische Anerkennung zu bekommen, verwenden sie genau das, was der Gründer verabscheute […]“2

Auch wenn es in punkto Techniken und v. a. im funktionellen anatomischen Verständnis breite Übereinstimmungen gibt, steht die moderne Osteopathie eindeutig nicht mehr in der Tradition der klassischen Osteopathie. Mit dieser Abgrenzung hat sich die moderne Osteopathie aber noch ein weiteres Problem geschaffen: (2) Eine Abgrenzung gegenüber anderen pathogenetisch orientierten manualmedizinischen Verfahren ist kaum mehr möglich:

„In Europa werden darunter[Anm.:… unter der Osteopathie]unterschiedliche befunderhebende und therapeutische Verfahren verstanden, die manuell, also mit den bloßen Händen des Behandlers ausgeführt werden. Die Bezeichnungen Manuelle Medizin, Manualtherapie, Chirotherapie und Chiropraktik werden teils synonym gebraucht.“3

Die moderne Osteopathie verschwindet quasi im black hole der ‚heroischen‘ Medizin.

Zu den Einführungen

Stills Osteopathie ist also salutogenetisch ausgerichtet. Sie ist aber auch eine eigenständige Medizinphilosophie; eine Einschätzung die ebenfalls immer wieder heftigst bestritten wird. Hier vertraue ich der Einschätzung von Experten, zu denen Dr. Pöttner mit Sicherheit zählt.

Im Anschluss an Herrn Dr, Pöttners Ausführungen folgen einige Bemerkungen zu m. E. nach zentralen Begriffen bei Still, damit es Ihnen leichter fällt seine Begriffe aus heutiger Sicht besser interpretieren zu können.

Mit den Einführungen wird es Ihnen leichter fallen, durch die Brille jener Zeit zu blicken, um besser verstehen zu können welch faszinierendes Weltbild Still besaß und welch komplexe Gedanken hinter seiner klassischen Osteopathie tatsächlich stecken. Begegnen Sie einer Osteopathie, die sich nicht um Berufspolitik kümmert und die weit mehr ist, als nur eine Behandlungsmethode. Für Still war sie jedenfalls primär „[…] ein aggressiver Feldzug für die Liebe, die Wahrheit und Menschlichkeit.“ [Autobiografie]

Ein poetischer Schluss…

Vergessen Sie alles, was Sie bisher über Osteopathie gehört oder gelernt haben. Werden Sie zu einem unbeschriebenen Blatt Papier und lassen sie Still seine verborgenen Erkenntnisse auf dieses Blatt übertragen. Er wird viele Blätter brauchen und am Ende werden Sie ein ganz persönliches imaginäres Buch besitzen, welches nur zu Ihnen passt und nur Ihnen gehören wird. Und das Faszinierendste an diesem – Ihrem – Buch wird sein, dass es sich jedes mal, wenn Sie in Stills Texten lesen, entsprechend Ihrer persönlichen Entwicklung neu schreiben und mitentwickeln wird.

Nicht Stills gesammelte Werke sind – wie manchmal von Still-Enthusiasten fälschlich behauptet wird – die ‚Bibel‘ der Osteopathie, sondern allein dieses, Ihr ganz persönliches imaginäres Buch.

Ich diesem Sinn wünsche Ihnen viele Abenteuer beim Lesen und wie immer:

Viele Freude und Erfolg mit Ihrer Osteopathie!

Christian Hartmann September 2013, Pähl

VORWORT DES HERAUSGEBERS (2005)

Wer hätte das gedacht? Gut zwei Jahre nach dem Erscheinen der Deutschen Erstauflage Abb Werke von Andrew Taylor Still, dem Entdecker der Osteopathie, war die Erstauflage des Sammelwerks aller vier Monografien restlos vergriffen. Damit hatte ich als Verleger beim besten Willen nicht gerechnet und plötzlich stand ich vor der Entscheidung die anhaltende Nachfrage mit einem unveränderten Nachdruck zu bedienen, oder die bereits begonnene Überarbeitung sorgfältigst zu Ende zu führen und ggf. den Unmut ungeduldiger Kunden in Kauf zu nehmen.

Da seit 2002, dem Erscheinen der Erstauflage bezüglich der Lebensgeschichte Stills zahlreiche z. T. ausgesprochen bedeutsame Entdeckungen gemacht wurden – beispielsweise seine Zugehörigkeit zu einer Freimaurerloge in Kirksville oder der Einfluss von Herbert Spencers Evolutionstheorie – konnte die Terminologie der Erstauflage nicht mehr guten Gewissens unverändert belassen werden.4 Viele Erläuterungen und Anmerkungen wurden notwendig, um dem Leser auch einen tieferen Einblick in die geschichtlichen, philosophischen und spirituellen Hintergründe von Stills Schriften zu ermöglichen. So entschloss ich mich für den zweiten Weg der sorgfältigen Überarbeitung.

Die einzelnen Monografien wurden von Herrn Dr. Martin Pöttner bezüglich Übersetzung, Stil, Terminologie und inhaltlicher Konsistenz in einjähriger Arbeit auf ein Niveau gebracht, das nun auch dem wissenschaftlichen Standard entspricht und dementsprechend verwendet werden kann. An dieser Stelle möchte ich Herrn Dr. Pöttner meinen ausdrücklichen Dank für die Geduld, das tiefe Fachwissen und die teilweise harten, aber immer fruchtbaren Diskussionen aussprechen. Ohne sein außergewöhnliches Engagement wären den deutschsprachigen Osteopathen viele neue Zugänge zum Verständnis der osteopathischen Philosophie Stills verschlossen geblieben.

Bei der Beantwortung historischer Fragen zur Person Stills und umgangssprachlichen Fragen, die bei Stills aus heutiger Sicht ausgesprochen eigenwilliger und oft schwer verständlicher Sprache auftauchten, wurde Herr Dr. Pöttner von der ausgewiesenen Still-Expertin der Gegenwart, Frau Jane Stark, DO, aus Kanada, unterstützt. Auch ihr möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich für die Zusammenarbeit danken.

Mein ganz besonderer Dank geht aber an allen Interessenten an der klassischen Osteopathie. Ohne Sie wäre eine derartig qualitativ hochwertige Überarbeitung ebenso unmöglich gewesen.

Und zum Schluss noch ein ganz persönlicher Tipp, der mir besonders am Herzen liegt: Bevor Sie sich auf Stills Texte stürzen, sollten Sie die nun folgenden Einleitungen sorgfältigst lesen. Betrachten Sie sie als eine Art ‚Zeitmaschinen-Lesebrille‘, mit der unsichtbare Aussagen zwischen den Zeilen plötzlich sichtbar werden können. Es scheint fast, als habe Still seine Bücher absichtlich so konzipiert, dass sich nur dem aufmerksamen Leser, der keine seine Texte immer und immer wieder vorurteilsfrei studiert, die wahre Dimension und Bedeutung der ‚Osteopathie‘ langsam aber mächtig erschließt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine berührende und spannende Lektüre!

Christian Hartmann Juli 2005, Kreta

PREFACE JANE STARK5 (2005)

„I leave you to study and practice the philosophy of osteopathy as here set forth, governing yourselves accordingly and forming conclusions of your own, based upon the day-by-day‘s unfolding of the science.“

A. T. Still, Research and Practice, 1910

Dear ‚kind-hearted geniuses‘, You are so privileged to have in your osteopathic hands the words and writing of A. T. Still in your native language. For years, some of Still’s writing was no even available to an English audience, and now, after much rigorous work, his work is available to the German speaking Osteopaths and osteopathic students.

I intentionally distinguished between words and writing, because, the words are key to understanding the writing but the writing – the entire body of his work – is the key to understand Still’s Osteopathy.

Still’s writing although only a century old was written by a man, who for many of us would be considered in his retirement years. It is those years prior to retirement – from 1828 – 1987, the years of living on the pioneer frontier of America; of hunting and killing or growing his own food; of fighting for anti-racism (known as abolitionism); of having 8 of 13 children die; of participating in the Civil War; of experiencing the assassination of the country’s most beloved presidents – Abraham Lincoln; of witnessing the inventions of the Morse code, the steam engine and electricity; of his relentless search for the seat of the soul: and of his painstakingly working out, against much ridicule, the philosophy of Osteopathy. This was the backdrop upon which Still’s life revolved and it was these life-experi-ences, that he drew upon, and which are richly reflected throughout his words and ultimately his writing.

Still was difficult to understand even in his own era. In a tribute to A. T. Still following his death in 1917, by the president of the University in Kirksville who knew Still for 4 years explained – „It was not easy for us to understand Dr. Still.“ Yet, in his tribute he recalled that difficulty was „[…]because we hadn’t eyes to see – creative, reflective, unquenchable soul power.“ Even the instructors and students at his school of Osteopathy found him difficult to understand. W. J. Conner, DO, who later authored, The Mechanics of Labor Taught by Andrew Taylor Still described Still this way. „[…]day after day he talked to us, but much that he said usually went so high over my head, I only heard sound.“ Still’s first biography, E. E. Booth recalled that Still’s „[…]ideas generally outrun his expression of them. His deepest thoughts often come to his mind with such rapidity and are uttered in such quick succession that the hearer may become dazed in attempting to follow him […]“

One therefore shouldn’t be surprized that Still is difficult to read a century later. More complicated than reading Still in English however would be to faithfully translate him into another language. Why? Because so many of his metaphors and allegories were red, white and blue. For those of who know that red, white and blue means American, the foregoing statement makes sense. But try to translate it into German, does it hold the same meaning? That is the problem.

Still was born into the era of Jackonian Democracy, named after the 7th President of the United States, Andrew Jackson Davis. During that period there was a surge in the development of independent systems of medicine including Homeopathy, Eclecticism Thomsonianism, Hydropathy, and Christian Science. Simultaneously there was indentation of the country by Patent Medicine Salesmen – frauds, selling bogus cures to the sick and helpless. It was over all these voices, over all these systems, that Still message competed. It was to all the doubters and the incredulous that he delivered his speeches to, many of which are reprinted in his Autobiography. He used the language of the people, the language of times, of current events, to reach his audience. That language, no matter what our background, is why we have difficulty understanding today.

His message is worth the struggle. Why? Because Still’s ambition was to create a system of knifeless (no surgery) and drugless medicine. He did cure disease, but he did not record how. Instead he offered a philosophy of medicine that did not involve adding anything to or taking anything away from the body – it was just a matter of having the body deliver it to the right place an insufficient quanities and then removing all waste. A philosophy that he trusted the WE would put to good use and continue his work.

I encourage each of you to try and study this great work by, what many have described as one of the „[…]greatest medical geniuses of the 19thcentury.“ Like the work of all geniuses, it poses challenges but in perseverance comes the ‚just desserts‘ – rewards.

I leave you with the words of A. T. Still

„I dislike to write, and only do so, when I think my productions will go into the hands of kind-hearted geniuses who read, not to find a book of quotations, but to go with the soul of the subject that is being explored for its merits, weigh all truths and help bring its uses front for the good of man.“

A. T. Still, Philosophy of Osteopathy, 1899

Be one of those kind-hearted geniuses!

Jane Stark Guelp, Ontario, Canada.

VORWORT JANE STARK (2005)

„[…] überlasse ich Dich nun dem Studium und der Praxis der Philosophie der Osteopathie, die hier dargelegt wird. Sie soll Dich entsprechend leiten, damit Du Deine eigenen Schlussfolgerungen ziehen kannst, die auf der alltäglichen Ausarbeitung der Wissenschaft beruhen.“

A. T. Still, Forschung und Praxis, 1910

Liebe ‚freundliche Genies‘, Sie genießen den Vorzug die Worte und Schriften A. T. Stills in Ihrer Muttersprache jetzt in ihren osteopathischen Händen zu halten. Selbst einem englischsprachigen Publikum waren über Jahre hin eine Reihe von Stills Schriften nicht zugänglich. Doch jetzt ist sein Werk – nach harter Arbeit – für die Deutsch sprechenden Osteopathen und osteopathischen Studenten zugänglich. Ich habe absichtlich zwischen Worten und Schriften unterschieden. Denn die Worte sind der Schlüssel, um die Schriften zu verstehen. Doch die Schriften – das ganze Werk – sind der Schlüssel dazu, um Stills Osteopathie zu verstehen.

Obgleich Stills Schriften nur ein Jahrhundert alt sind, stammen sie von einem Mann, den viele von uns heute Pensionär nennen würden. Doch die Jahre vor der Pension – von 1828 – 1887 – sind ausschlaggebend; die Jahre in der Welt der Pioniere des Grenzlandes; die Zeit, in der die Nahrung eigenhändig durch Jagen, Töten und Anbauen erworben werden musste; die Jahre des Kampfs gegen den Rassismus (die so genannte Sklavenbefreiung); die Zeit, in der 8 von 13 seiner Kinder verstarben; die Jahre der Teilnahme am Amerikanischen Bürgerkrieg; der Erfahrung des Attentats auf den verehrtesten Präsidenten der USA – Abraham Lincoln; die Wahrnehmung der Erfindungen vom Morsecode zur Dampfmaschine bis hin zur Elektrizität; die Jahre der unaufhörlichen Suche nach dem Sitz der Seele; und der trotz großen Spottes sorgfältigen Ausarbeitung der Philosophie der Osteopathie. Vor diesem Hintergrund verlief Stills Leben und genau auf diese Lebenserfahrungen nahm er Bezug, reflektierte sie reich in seinen Worten und schließlich in seinen Schriften.

Schon zu seiner Zeit war es nicht leicht, Still zu verstehen. Bei einer Veranstaltung zu Ehren A. T. Stills nach seinem Tod 1917 durch den Präsidenten der Universität in Kirksville, meinte dieser nach 40 Jahren persönlicher Bekanntschaft: „Es war nicht leicht für uns Dr. Still zu verstehen!“ Doch in seiner Festrede betonte er, dass dies so schwierig war, „[…]weil wir nicht die Augen besaßen um zu sehen – kreative, reflektierende, unstillbare Seelenkraft.“ Nicht besser erging es den Lehrern und Studenten an seiner Osteopathieschule. W. J. Conner, DO, der später The Mechanics of Labor Taught by Andrew Taylor Still schrieb, beschrieb Still so: „Jeden Tag trug er uns vor. Doch vieles, von dem was er sagte, ging so weit über meinen Kopf weg, sodass ich nur den Ton hörte!“ Die erste Biografie über Still von E. E. Booth stellt fest, dass Stills „[…]Ideen stets ihrem Ausdruck davon eilten. Seine tiefsten Gedanken erschienen seinem Verstand mit solcher Geschwindigkeit und er äußerte sie in solch schneller Folge, dass der Hörer bei dem Versuch ihnen zu folgen, betäubt wurde […].“

Wir sollten daher nicht überrascht sein, wenn wir feststellen, dass Still 100 Jahre später zu lesen schwierig ist. Doch noch schwieriger ist es, ihn treu in eine andere Sprache zu übersetzen. Warum? Denn viele seiner Metaphern und Allegorien waren rot, weiß und blau. Wer weiß, dass rot, weiß und blau für die Vereinigten Staaten steht, kann den vorigen Satz verstehen. Doch falls man versucht, ihn in die deutsche Sprache zu übersetzen, bleibt es dann beim selben Sinn? Genau darin besteht das Problem.

Still wurde zurzeit der Jacksonschen Demokratie geboren, die nach dem siebten Präsidenten der Vereinigten Staaten Andrew Jackson benannt ist. In dieser Zeit entwickelten sich viele unabhängige medizinische Systeme wie Homöopathie, Eklektizismus, Thomsonianismus, Hydropathie und Christliche Wissenschaft. Zugleich traten die Verkäufer von Patentmedizin auf – es ging um Betrug. Man verkaufte betrügerische Heilmittel an die Kranken und Hoffnungslosen. Stills Botschaft konkurrierte mit diesen Stimmen, mit diesen Systemen. Er trug seine Reden vor den Zweiflern und Ungläubigen vor. Viele davon finden sich in der Autobiografie. Still benutzte die Sprache des Volkes, die zeitgenössische Sprache, der Tagesereignisse um sein Publikum zu erreichen. Aus diesem Grund haben wir Schwierigkeiten Still heute zu verstehen, gleich welchen Hintergrund wir selbst besitzen.

Seine Botschaft ist den Kampf wert. Warum? Weil Stills Anliegen darin bestand, ein System der nicht-schneidenden (chirurgiefreien) und medikamentenfreien Medizin zu schaffen. Er heilte Krankheit. Doch zeichnete er nicht auf, wie dies geschah. Stattdessen bot er eine medizinische Philosophie an, in der dem Körper nichts hinzugefügt oder entzogen wurde. Es ging schlicht darum, den Körper zu veranlassen die Medizin in hinreichenden Mengen an die richtige Stelle zu liefern und dann den Abfall zu entfernen. Es handelt sich um eine Philosophie, bei der er darauf vertraute, dass WIR sie gut verwenden und sein Werk fortsetzen.

Ich möchte jeden von Ihnen dazu ermutigen sein großes Werk zu erproben und zu lesen, das Werk – wie manche sagen – eines der „[…]größten medizinischen Genies des 19. Jahrhunderts.“ Wie die Werke aller Genies konfrontiert es die Lesenden mit Herausforderungen. Doch mit der Ausdauer kommt man zum ‚wahren Nachtisch‘ – zum Lohn.

Ich schließe mit den Worten von A. T. Still:

„Es gefällt mir nicht zu schreiben, ich mache es nur, wenn ich weiß, dass mein Schaffen in die Hände freundlicher Genies gerät, die nicht lesen, um ein Buch voller Zitate zu finden, sondern mit der Seele des Themas gehen, das um seines Wertes willen untersucht wurde – alle Wahrheiten abwägt und dazu beiträgt, seinen Nutzen zum Wohle des Menschen nach vorne zu bringen.“

A. T. Still, Die Philosophie der Osteopathie, 1899

Seien Sie eines dieser freundlichen Genies!

Jane Stark Guelph, Ontario, Kanada.

EINLEITUNG DES ÜBERSETZERS (2005)

„Ein Osteopath sollte ein klar denkender, gewissenhafter, wahrheitsliebender Mensch sein, der erst redet, wenn er weiß, dass er die Wahrheiten gefunden hat, die er zu wissen vorgibt und sie auch (praktisch) beweisen kann.“

A. T. Still, Die Philosophie der Osteopathie, 1899

Diese Einleitung entfaltet zunächst das Grundkonzept Andrew Taylor Stills knapp und skizziert den Charakter des Hauptargumentes und seiner Darstellung (2). Sodann werden einige Fragen der von Still möglicherweise bzw. wahrscheinlich rezipierten Theorien erörtert, wobei der Philosophie Herbert Spencers – wie sie in den First Principles entfaltet ist – eine besondere Bedeutung zukommt (3). Darüber hinaus werden Sprache, Gestaltung und das grundlegende Muster von Stills medizinisch-philosophischen Büchern Die Philosophie der Osteopathie, Die Philosophie und mechanische Prinzipien der Osteopathie und Forschung und Praxis im Vergleich zur Autobiografie dargestellt, sodass eine leichtere Orientierung in Stills Texten möglich ist (4). Ich beginne mit einer kurzen Vorbemerkung (1).

1. VORBEMERKUNG

Für die zweite Auflage der Werke von Still wurde die Übersetzung überprüft und verbessert. Der eher ‚wörtliche‘ Charakter der Übersetzung in der ersten Auflage blieb wegen der Schwierigkeit der Texte erhalten, eine genaue Bezeichnung der Stellen in den englischen Originalen wurde hinzugefügt. Stilistisch wurden nur unnötige sprachliche Härten vermieden, wenn der deutsche Text den englischen Text allzu sehr nachzuahmen drohte.

Ich habe mich der nicht ganz geringen Mühe des Lektorats und Übersetzens der Texte unterzogen bzw. der Aufgabe die erste Version zu überarbeiten, weil ich selbst glaube, dass die von Still neu entwickelte Form der Medizin gerade auch nichtmedizinische Beachtung verdient. Neben anderen Medizinformen (Schulmedizin, Psychosomatische Medizin, Traditionelle Chinesische Medizin, Homöopathie u. a.) ist sie für eine allgemeine philosophische Perspektive von Interesse, denn es kann keine allgemeine Philosophie geben, die das Thema von ‚Gesundheit und Krankheit‘ nicht im Kontakt zu den verschiedenen Medizinsystemen der Weltkulturen reflektierte. Zudem habe ich selbst gelegentlich osteopathische Behandlung in Anspruch genommen und dabei gute Erfahrungen gemacht. Die von Herrn Christian Hartmann angebotene Zusammenarbeit zwischen einem Kulturwissenschaftler, der interdisziplinäre Erfahrungen mit Naturwissenschaftlern gemacht hat, und einem Mediziner und Naturwissenschaftler, der selbst osteopathische Kenntnisse besitzt, besaß zudem einen großen Reiz. Herr Hartmann zeichnet für die recht stark revidierte medizinische Begrifflichkeit verantwortlich. Ebenso hat er mit nachvollziehbaren Gründen festgelegt, dass die Lesenden Stills von diesem mit der zweiten Person Singular und Plural und nicht mit der distanzierteren Höflichkeitsform ‚Sie‘ angeredet wurden. Nicht nur hierfür bin ich ihm zu großem Dank verpflichtet.

Die Übersetzung folgt der Regel für Osteopathen, die Still im Motto dieser Einleitung aufgestellt hat. Sie vermeidet allzu hypothetische Übersetzungsvorschläge. Das gilt vor allem gegenüber Versuchen, den Sinn von Begriffen oder Bildern, die Still verwendet, allzu rätselhaft anzusetzen. Daher muss man versuchen, die Regel zu erfassen bzw. zu beschreiben, wie Still bestimmte Bilder oder Begriffe tatsächlich verwendet. Also: Wie verwendet er Ausdrücke wie mind, reason, matter, motion, spiritual being, biogen, The Great/Grand Architect, The Great Surveyor, superstructure, specifications usf.? Es könnte selbstverständlich sein, dass Still bestimmte Begriffe oder Bilder so verwendet, dass sie einen sonst in der englischen Sprache seiner Zeit nicht vorkommenden Sinn besäßen. Hat Still vielleicht eine Privatsprache gesprochen? M. E. ist dies nicht der Fall. Insofern orientiert sich die überarbeitete Übersetzung an dem Sachverhalt, dass Still für andere Menschen, darunter nicht zuletzt medizinische Laien geschrieben hat und von ihnen auch möglichst gut verstanden werden wollte. Wie in der Einleitung gleich kurz besprochene, teilweise zu Lebzeiten Stills geschriebene Interpretationen der Grundzüge seiner Position zeigen, ist ihm das nach meinem Eindruck auch durchaus gelungen. Hat man einen etwas breiteren Überblick über intellektuelle und andere gesellschaftliche Bewegungen im Nordamerika des 19. Jahrhunderts, können einen nur die der Osteopathie Stills und viele kreative Einzelideen überraschen. M. E. bewegt er sich insgesamt im Wesentlichen im – und so sahen es durchaus auch Zeitgenossen wie John Martin Littlejohn und Carl P. McConnell oder auch Helen de Lendrecie – worin sie sich auch immer von der Position Stills dann klar unterschieden haben, wie es besonders bei Littlejohn der Fall ist. Still selbst sieht es ebenfalls so, weil er in seinen Texten angibt, ein in den Vereinigten Staaten zu sein: Wie Thomas Alva Edison u. a. wollte er als kraftvoll schließender Anwender der Naturgesetze gesehen werden, die das Leben der Menschen erleichtern. Still interpretierte den Menschen als Maschine, wobei er glaubte, dass die praktisch relevanten Entdeckungen von Edison, Samuel F. B. Morse u. a. Kopien von Aspekten der einen vollkommenen Maschine Mensch seien. Mit seinem Kirksviller Freund, dem Büchsenmacher Robert Harris wollte er also nicht die Maschinenmetapher auf den Menschen übertragen. Für Still verhielt es sich umgekehrt: Die erfolgreichen lebenserleichternden Maschinen sind Kopien der auf dem ‚Reißbrett‘ () entworfenen und im Menschen vollkommen dargelegten mechanischen Prinzipien (den ‚Plänen‘ [, ] und ‚Bauanleitungen‘ []) des ‚Großen Architekten‘. Dies wirft natürlich Fragen etwa zum Mechanismus auf, die in dieser Einleitung jedenfalls knapp erörtert werden. Für Still gehörte eine derartige Medizin zu den Errungenschaften der nordamerikanischen Revolution, für deren konkrete Verwirklichung er im Bürgerkrieg eingetreten war und aufgrund derer er auch die tatsächliche Gleichberechtigung der Frauen forderte und im osteopathischen Studium verwirklichte. Still gehört nach seiner Selbstinterpretation also in den hellen, praktischen, an den Menschenrechten ausgerichteten freiheitsliebenden, wissenschaftsorientierten, philosophisch vertieften Zug der nordamerikanischen .

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