Das Haus Anubis - Band 4: Die Auserwählte - Das Haus Anubis - E-Book
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Das Haus Anubis - Band 4: Die Auserwählte E-Book

Das Haus Anubis

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Beschreibung

„Nina schlug die Augen auf. Ihr Zimmer sah auf einmal so anders aus, so merkwürdig. Sie wollte ihre unbequeme Stellung verändern, da begriff sie zu ihrem Entsetzen, dass sie mit Händen und Füßen an einen mächtigen Pfeiler gefesselt war.“ Ein finsterer Mann mit einer Rabenmaske bedroht die Bewohner des Hauses Anubis. Mit dem mysteriösen Gral und Ninas Medaillon will er das Grab der ägyptischen Prinzessin Amneris ausfindig machen. Doch um die Schätze des Grabes zu rauben, fehlt ihm noch eine wichtige Person: die Auserwählte! Der Club der Alten Weide versucht, sie vor ihm zu finden, um mit ihrer Hilfe den Fluch zu brechen, der auf Ninas Oma liegt. Die Zeit verrinnt unaufhaltsam, und der Mann mit der Rabenmaske ist den Sibunas stets einen Schritt voraus … Jetzt als eBook: „Die Auserwählte“, die Buchreihe zur Nickelodeon-Erfolgsserie „Das Haus Anubis“. jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

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Seitenzahl: 384

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Über dieses Buch:

Ein finsterer Mann mit einer Rabenmaske bedroht die Bewohner des Hauses Anubis. Mit dem mysteriösen Gral und Ninas Medaillon will er das Grab der ägyptischen Prinzessin Amneris ausfindig machen. Doch um die Schätze des Grabes zu rauben, fehlt ihm noch eine wichtige Person: die Auserwählte! Der Club der Alten Weide versucht, sie vor ihm zu finden, um mit ihrer Hilfe den Fluch zu brechen, der auf Ninas Oma liegt. Die Zeit verrinnt unaufhaltsam, und der Mann mit der Rabenmaske ist den Sibunas stets einen Schritt voraus …

Die Buchreihe zur Nickelodeon-Erfolgsserie – jetzt als eBook!

In der Serie Das Haus Anubis erscheinen bei jumpbooks auch die folgenden eBooks:

Das Haus Anubis: Der geheime Club der Alten Weide

Das Haus Anubis: Das Geheimnis des Grabmals

Das Haus Anubis: Der geheimnisvolle Fluch

Das Haus Anubis: Das Geheimnis der Winnsbrügge-Westerlings

Das Haus Anubis: Die Träne der Isis

Das Haus Anubis: Pfad der 7 Sünden

Das Haus Anubis im Internet:

www.DasHausAnubis.de

www.DasHausAnubis-DerFilm.de

www.studio100.de

***

eBook-Neuausgabe April 2016

Copyright © der Originalausgabe 2011 Studio 100 Media GmbH

Text von Claudia Weber und Peter Bondy, basierend auf den Drehbüchern zur TV-Serie Het Huis Anubis von Hans Bourlon, Gert Verhulst und Anjali Taneja

Copyright © der Neuausgabe 2012 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016 jumpbooks. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: © 2012 Studio 100 Media GmbH E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96053-001-5

***

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DAS HAUS ANUBIS

Die Auserwählte

Das Buch zur TV-Serie

jumpbooks

1 NINA IN HÖCHSTER GEFAHR

Nina schlug die Augen auf.

Ihr Zimmer sah auf einmal so anders aus, so merkwürdig.

Ihr Schädel brummte, und sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Der Geruch von altem Moder und Weihrauch drang in ihre Nase.

Nur langsam erkannte sie, dass sie sich nicht im Haus Anubis befand, sondern in einem halbdunklen, hohen, unheimlichen Raum. Einem Raum, wie es ihn nur in Kirchen gab. In Burgen oder in Schlössern.

Sie wollte ihre unbequeme Stellung verändern, sich umdrehen, einen Fluchtweg suchen, da begriff sie zu ihrem Entsetzen, dass sie mit Händen und Füßen an einen mächtigen Pfeiler gefesselt war.

Sie wollte laut schreien, doch auch das ging nicht, denn irgendjemand hatte ihr mit einem breiten Klebestreifen den Mund verschlossen.

Was war das denn für ein Albtraum?

Nina kam er viel zu echt vor, obwohl sie von ganzem Herzen hoffte, jetzt, auf der Stelle, in der nächsten Sekunde daraus zu erwachen.

Nur langsam kehrten ihre Erinnerungen zurück. Sie war mit dem Club und den anderen auf einem WochenendCamping-Trip ins Hirschbachtal gewesen, den Luzy, Charlotte und Fotograf Max bei einem Wettbewerb für Schülerzeitungen gewonnen hatten. Sie war ein Stück hinter der Gruppe zurückgeblieben und an einem Abhang stehen geblieben, von wo aus man einen tollen Ausblick auf ein mächtiges, unheimliches Schloss hatte.

Dann musste sie das Gleichgewicht verloren haben. Jedenfalls endete an dieser Stelle ihre Erinnerung.

Wo bin ich hier?, fragte sie sich. War sie im Innern des Schlosses? Und wenn ja, wer hatte sie hergebracht?

Angst schnürte ihr die Kehle zu, und ihr war eiskalt. Gänsehaut lief über ihren Körper wie Tausende kleiner Käfer. Kein Wunder, denn man hatte ihr nur ein dünnes Hemd übergeworfen. War das ein Opfergewand?

Sie hätte so gern geschrien, nur durch den Klebestreifen drang kein einziger verständlicher Ton!

Plötzlich quietschte eine Tür. Sie schaute sich um, doch ein Vorhang verdeckte ihr die Sicht.

»Mmpf!«, stieß sie hervor und hätte gern mit dem Fuß aufgestampft, um auf sich aufmerksam zu machen.

Die Schritte kamen näher, und noch einmal quietschte die Tür. Nina hörte eine Stimme. War das Victor?

Wie wild zerrte Nina an ihren Fesseln.

Da wurde der Vorhang zur Seite gerissen, und vor ihr standen Victor und ein ganz in Schwarz gekleideter Mann mit einer unheimlichen Rabenmaske.

Nina verdrehte nur noch die Augen und sank mit einem Seufzer in Ohnmacht.

Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf einer Art Altar. Sie war noch immer in dem unheimlichen Raum. Nur hatte man sie auf golden schimmernde Tücher gebettet und ihr die Hände vor dem Bauch gefesselt.

Der Duft nach Weihrauch war noch intensiver geworden, und es brannten sogar einige Kerzen. Sollte sie in diesem seltsamen Raum etwa geopfert werden?

Nina versuchte sich zu wehren, als der Mann mit der Rabenmaske ihr Sarahs Medaillon um den Hals legte, doch sie hatte keine Chance.

Dann riss ihr dieser Fiesling mit der Rabenmaske mit einem Ruck den Klebestreifen von den zarten Lippen.

»Hilfe!«, brüllte Nina aus Leibeskräften. Vor Schmerz, vor Angst, vor Wut. »Hilfe!!!« Ihre Haut brannte wie die Hölle.

Der Mann mit der Rabenmaske lachte. »Schrei nur«, sagte er spöttisch. »Hier auf dem Schloss hört dich niemand.« Er beugte sich vor und rückte Sarahs Medaillon noch einmal zurecht.

Nina verstummte. Wo hatte der Mann das Medaillon her?

Erst jetzt bemerkte Nina, dass jemand hinter ihr stand und ihr die Schultern mit eisernem Griff in die schimmernden Tücher drückte.

Victor!

Der Verwalter steckte also doch hinter der Geschichte. Er musste ihr das Medaillon gestohlen haben. Und auch den Gral. Aber wer war der andere Mann?

Mit einem Mal durchfuhr Nina ein eisiger Schreck der Erkenntnis.

Sie war die Auserwählte!

Sie trug das Medaillon. Und wenn die beiden Männer jetzt auch noch den Gral hatten, würden sie das Ritual vollziehen können, um die magische Wand vor dem Liebesgrab von Amneris und Tutanchamun zu öffnen, das der Legende nach randvoll mit Gold und Edelsteinen war. Ohne Zweifel wollten die beiden es ausrauben. Das durfte Nina auf keinen Fall zulassen.

»Hier ... festhalten!«, befahl der Mann mit der Rabenmaske und riss Nina damit aus ihren verzweifelten Gedanken. Er hielt tatsächlich den Gral in der Hand.

»Nein!« Nina dachte gar nicht daran.

»Tu es!«, drängte ihr Entführer.

»Niemals!« Störrisch verschränkte Nina die Finger ihrer gefesselten Hände.

»Denk an deine Oma«, drohte der Mann mit der Rabenmaske ungeduldig. »Du willst doch auch, dass sie wieder aufwacht, oder?«

Nina schluckte, und ihr brach der Schweiß aus. Der Fluch des Pharaos war schuld daran, dass ihre Großmutter im Koma lag. Und sie selbst hatte ihn wahrscheinlich ausgelöst, als sie den Gral geöffnet hatte. Die Lösung, wie der Fluch aufgehoben werden konnte, befand sich im Liebesgrab. Das hoffte sie zumindest. Doch wenn Victor und sein Komplize das Grab plünderten, würden Tutanchamun und seine Geliebte Amneris niemals in Liebe vereint sein können. Was sollte sie tun? Sie sah ihre Großmutter vor sich, die stumm und gefangen in ihrem eigenen Körper im Krankenbett lag und aus eigener Kraft an der ganzen Situation überhaupt nichts ändern konnte.

Zögernd umfasste Nina den Fuß des Grals.

Der Mann mit der Rabenmaske zwang sie, ihre gefesselten Arme auszustrecken und den Gral, so weit sie konnte, in die Höhe zu halten.

»Endlich«, krächzte der unheimliche Fremde. »Es ist so weit. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.«

Theatralisch breitete er die Arme aus, als wolle er empfangen, was immer sich ihnen nun aus einer anderen Welt zeigen würde.

Ängstlich sah Nina sich um. Ihre Gedanken rasten. Was sollte sie nur tun? Sie musste unbedingt einen Weg finden, um die beiden Männer daran zu hindern, das Liebesgrab auszurauben.

Die Sekunden verrannen, aber es geschah nichts!

Kein Knall, kein gleißendes Licht, keine Rauchschwaden, die durch den Raum waberten, und es erschien schon gar keine magische Wand, die sich wie von Zauberhand teilte und den Blick auf die unermesslichen Schätze des Liebesgrabs freigab.

Alles blieb, wie es war.

Der Mann mit der Rabenmaske wurde sichtlich nervös. »Und jetzt?«, fragte er wütend. »Ich verstehe das nicht. Es ist doch alles richtig so.«

»Stimmt etwas nicht?«, erkundigte sich Victor unsicher.

»Irgendetwas passt nicht«, schimpfte der unheimliche Fremde. »Wir haben die Auserwählte, wir haben den Gral und das Medaillon! Jetzt muss uns doch eigentlich mitgeteilt werden, wo dieses verdammte Grab ist!«

Nina spürte, dass ihre letzte Chance gekommen war. Sie wusste nicht, was die Männer mit ihr machen würden, wenn sie sich als nutzlos erwies. Immerhin hatte sie Victor erkannt. Würde er sie einfach wieder laufen lassen?

»Hilfe!«, schrie sie erneut aus Leibeskräften. »Hilfe! Hilfe!!!«

Und diesmal wurde sie offenbar gehört. Von draußen trommelten Fäuste gegen die Tür, die in den geheimen Raum des Schlosses führte.

»Nina!«, rief jemand. Es war Luzy.

Dann hörte sie Daniels Stimme. »Nina!«

Noch nie in ihrem Leben war Nina so erleichtert gewesen. Ihre Freunde hatten sie gefunden.

Aber so einfach gab der Mann mit der Rabenmaske nicht auf. Blitzschnell presste er Nina die Hand auf den Mund. Sie bekam keinen Ton mehr heraus.

»Schnell!«, rief der unheimliche Fremde Victor zu. »Die Tür!«

Hektisch schaute Victor sich um. Dann griff er nach einem Stuhl, um ihn unter die Klinke zu schieben. Doch die Lehne war einfach zu hoch.

Von draußen wurde immer noch gegen die Tür getrommelt.

»Nein, den Kerzenständer, Idiot!«, schnauzte der Mann mit der Rabenmaske und eilte Victor zu Hilfe. Er musste unbedingt verhindern, dass jemand die Tür öffnete und ihn auf frischer Tat ertappte. Das wäre das Ende all seiner Pläne gewesen.

Nina reagierte unterdessen blitzschnell. Sie drehte sich zur Seite und schob den Gral mit ihren gefesselten Händen unter die schimmernden Tücher, die den Altar bedeckten.

»Los! Ich brauche Wasser!«, rief der Mann mit der Rabenmaske, während er Victor den Kerzenständer entriss und ihn eigenhändig unter die Klinke rammte. »Und ein Glas! Zack, zack!«

Nina hörte, wie ihre Freunde sich draußen an der Tür zu schaffen machten. Sie versuchten bestimmt, mit allen Mitteln zu ihr zu kommen.

Gleich würde sie in Sicherheit sein.

Victor kam mit einem Glas Wasser zurück. »Was ist das?«, fragte er nervös, als der Mann mit der Rabenmaske aus einem Hohlraum in seinem Ring ein weißes Pulver hineinschüttete.

»Etwas, was ihr Gedächtnis ausschaltet«, erwiderte der unheimliche Fremde.

Nina wollte das Wasser nicht trinken. Doch Victor packte ihren Kopf, und der Mann mit der Rabenmaske hielt ihr die Nase zu, bis sie den Mund öffnen musste, um Luft zu holen. Dann flößte er ihr Schluck für Schluck das Wasser mit dem aufgelösten Pulver ein.

Draußen waren jetzt wuchtige Schläge zu hören. Irgendjemand hatte sich offenbar einen massiven Gegenstand besorgt, um die Tür aufzusprengen.

Ich muss durchhalten, dachte Nina verzweifelt. Gleich sind die anderen bei mir.

Doch sie spürte bereits, wie das seltsame Pulver seine Wirkung tat.

Die Schläge gegen die Tür wurden in ihrem Kopf zu einem Dröhnen. Die beiden Männer schienen sich plötzlich wie in Zeitlupe zu bewegen, ihre Stimmen klangen, als kämen sie von einem zu langsam laufen Tonband. Der Altar unter ihr begann zu schwanken.

Ich darf jetzt auf keinen Fall ohnmächtig werden, dachte Nina.

Es war ihr letzter Gedanke.

Dann versank alles um sie herum in tiefer Schwärze.

Draußen hämmerte Daniel immer noch wie wild gegen die Tür. »Nina!«, rief er. »Nina!«

Doch die massive Tür hielt stand. Auch Felix und Luzy hatten versucht, mit ein paar schweren Gegenständen das dicke Holz einzuschlagen, hinter dem ihre Freundin Nina offensichtlich gefangen gehalten wurde.

Aber es schien aussichtslos. Was sollten die drei nur tun?

Im selben Moment näherten sich hinter ihnen Schritte.

Daniel fuhr herum. »Herr Radus!«, rief er überrascht und zugleich erfreut, den Lehrer zu sehen.

»Was ist los?«, fragte der Lehrer und trat zu der Gruppe. »Wo ist Nina?«

»Herr Radus, bitte helfen Sie uns!«, schrie Luzy hysterisch. Sie war völlig aufgelöst. »Nina ist da drin. Die Tür ist zu. Wir können nicht rein!«

»Ganz ruhig, Luzy. Ganz ruhig. Ich versteh kein Wort«, erwiderte der Lehrer ruhig.

»Nina ... wir haben sie schreien hören.« Daniel war sehr aufgeregt. »Aber die Tür ist abgeschlossen.«

Herr Radus trat einen Schritt vor und klopfte kräftig gegen das schwere Holz der Tür. »Victor!«

Verblüfft sahen die anderen drei ihren Lehrer an. Woher wusste er, dass Victor sich in dem Raum befand?

Radus schlug nun etwas heftiger gegen die Tür. »Victor! Machen Sie auf!«

»Victor ist da drin?«, fragte Luzy verblüfft.

»Ist der Typ taub?«, meinte Felix. »Wir klopfen hier schon die ganze Zeit.«

»Er hat mich angerufen«, erklärte Herr Radus fast entschuldigend. Noch einmal schlug er gegen die Tür. »Victor!«

Und dann, endlich, wurde die Tür geöffnet. Vor ihnen stand tatsächlich Victor.

Sofort strömten alle an ihm vorbei und beugten sich über Nina, die mit einer groben Wolldecke zugedeckt war.

»Nina!«, rief Daniel besorgt.

Auch Luzy konnte nicht fassen, was sie da sah. »Nina«, flüsterte sie eindringlich und rüttelte ihre Freundin an der Schulter. Doch die rührte sich nicht.

»Warum haben Sie denn nicht aufgemacht?«, wandte sich Daniel ärgerlich an Victor.

»Wir haben die ganze Zeit gegen die Tür gehämmert«, schimpfte Felix.

»Ja, ich ...«, stotterte Victor, »... ich habe eine Decke gesucht.«

Luzy musterte den Verwalter misstrauisch. »Sie müssen uns doch gehört haben!«

»Vielleicht zu dicke Wände«, versuchte Victor sich herauszureden.

»Wie lange ist sie schon bewusstlos?«, wollte Radus wissen.

»Eigentlich schon die ganze Zeit«, erwiderte Victor.

»Aber sie hat doch gerade eben noch geschrien«, wandte Luzy ein.

Victor wand sich wie ein Aal. »Ja, sie ist ganz kurz zu sich gekommen.«

»Und wie geht es ihr nun?«, erkundigte sich Daniel besorgt.

»Ich fürchte ... nicht so gut ...«, meinte Herr Radus düster.

»Rufen wir die 112«, entschied Luzy.

Man sah, wie Victor das Herz buchstäblich in die Hose rutschte. »Einen Krankenwagen?«, fragte er entsetzt.

»Ja, klar«, stimmte Herr Radus zu.

Nina lag immer noch vollkommen reglos vor ihnen.

»Warum haben Sie nicht aufgemacht?«, beharrte Daniel, dem die ganze Situation ausgesprochen missfiel.

»Daniel! Schluss jetzt«, unterbrach ihn der Lehrer. »Victor hat mich doch angerufen.«

»Sie können mir nicht erzählen, dass ...«, holte Luzy erneut aus.

Doch Radus unterbrach sie. »Ende der Diskussion.« Er griff nach seinem Handy. »Ihr geht jetzt lieber zu Herrn Altrichter.« Dann wandte er sich ab und rief einen Krankenwagen.

»Nina!«, flehte Luzy. »Bitte wach auf!«

»Daniel, du musst sie küssen«, schlug Felix allen Ernstes vor. »Dann kommt sie wieder zu sich.«

»Felix«, antwortete Daniel genervt. »Das hier ist kein blödes Märchen.«

»Probier’s doch wenigstens mal«, beharrte Felix.

In diesem Moment trat Radus wieder zu den Schülern. »So, der Krankenwagen kommt. Und ihr geht jetzt zu Herrn Altrichter.«

»Ich bleibe hier!«, entschied Daniel.

»Ich verstehe ja, dass du dir Sorgen machst«, versuchte Herr Radus Daniel zu beruhigen, »aber das hat jetzt keinen Sinn. Also komm ...«, sagte er noch einmal und schob die drei mit sanfter Gewalt aus dem Raum. »Ich kümmere mich um sie. Versprochen.«

Nach einem letzten Blick auf Nina, die wie aufgebahrt und völlig regungslos auf dem Altar lag, verließen Luzy und Felix widerstrebend den Raum.

Daniel drehte sich noch einmal zu Nina um. Wäre es nicht seine Pflicht, bei ihr zu bleiben?

Doch auch ihn beförderte Herr Radus hinaus. »Ich kümmere mich um sie«, versprach er erneut.

Es dauerte nicht lange, bis die drei Herrn Altrichter und die anderen im würzig duftenden Wald gefunden hatten. Sofort bestürmten sie den Direktor mit ihren Erlebnissen.

»... und dann haben wir sogar ein Schwert genommen, um die Tür einzuschlagen«, berichtete Felix aufgewühlt. »Die war jedoch aus so dickem Holz ...«

»Und Nina war laut Victor die ganze Zeit bewusstlos«, fiel Luzy ihm ins Wort. »Aber wir haben sie doch schreien hören ...«

Beschwörend hob Herr Altrichter die Hände, denn er verstand kein einziges Wort mehr. »Otium cum digitale!«, sagte er. »Einer nach dem anderen – und bitte ruhig!«

Plötzlich meldete sich ein Handy mit einem ziemlich altmodischen Klingeln.

»Hat hier jemand Empfang?«, fragte Herr Altrichter überrascht.

»Ja ... Sie!«, meinte Felix trocken.

»Ich?« Sofort begann Herr Altrichter in den vielen Taschen seiner Outdoorweste zu wühlen und förderte schließlich ein ziemlich großes und aus der Mode gekommenes Mobiltelefon zutage.

»Klar! Ist ja typisch. Er hat natürlich Empfang – mit seinem Handy aus der Steinzeit«, meinte Felix genervt zu Daniel und Luzy.

»Altrichter«, meldete er sich schließlich, nachdem er den Knopf zum Einschalten gefunden hatte. »Altrichter hier! Hallo?« Niemand schien sich zu melden. Aber dann kam doch noch eine Verbindung zustande. »Ah!«, seufzte der Lehrer erleichtert. »Altrichter, ja.«

Unterdessen hatten sich die Mitglieder vom Club der Alten Weide zusammengefunden und steckten die Köpfe zusammen.

»Was ist denn los?«, wollte Delia wissen. »Wie geht’s Nina?«

»Wir wissen es nicht«, erwiderte Luzy besorgt. Sie wandte sich an Daniel, der auf einem Feldstein saß und dumpf vor sich hin starrte. »Daniel? Alles okay bei dir?«

»Ja, ja«, wehrte der genervt ab. »Lass mich einfach mal einen Moment in Ruhe.«

»Sie ist also bewusstlos«, stellte Delia fest.

Luzy nickte. »Ja ... es ist alles so merkwürdig. Sie ist bewusstlos, aber sie hat nichts! Und Victor war auch total komisch.«

»Victor war da?«, fragte Delia verblüfft.

»Ja ... und er hat uns angeblich nicht gehört«, meinte Felix. »Diese Geschichte stimmt hinten und vorn nicht.«

»Denkt ihr ... der Fluch?«, fragte Delia nach einem Moment des Schweigens.

Doch bevor die anderen antworten konnten, ertönte die Stimme von Herrn Altrichter durch den Wald: »Silentium! Silentium!«, rief er, um sich Gehör zu verschaffen. »Das war Herr Radus. Nina wird ins Krankenhaus gebracht, und wir fahren alle mit dem Bus zurück. Unser Zeltlager ist leider beendet!«

»Aber ...«, begann Daniel.

Doch Herr Altrichter ließ sich nicht beirren. »Bitte in Zweierreihen aufstellen. Wir fahren zusammen nach Hause. Kommen Sie. Etwas Bewegung bitte.«

Wenig später saßen alle in dem alten Bus des Internats und winkten Victor zu, der verzweifelt versuchte, sie noch einzuholen. Aber jeder gönnte es der alten Übelkrähe, dass sie nach Hause hüpfen musste. Und keiner kam auf den Gedanken, Herrn Altrichter oder den Fahrer darauf aufmerksam zu machen, dass draußen jemand völlig außer Atem und wild mit den Armen fuchtelnd hinter ihnen herkeuchte. Wer zu spät kam, den bestrafte das Leben.

Daniel bekam von all dem nicht viel mit. Noch einmal las er die letzten Zeilen, die Nina ihm in ihrem Brief geschrieben hatte.

... Ich hoffe, dass du mir vergeben kannst. Daniel ... Du warst immer der Einzige für mich ...

Betrübt faltete Daniel den Brief zusammen.

Charlotte entging Daniels miese Stimmung nicht, und sie setzte sich auf die andere Seite des Ganges neben ihn. »Hey«, meinte sie mit einem mitfühlenden Lächeln.

»Hi.« Daniel rang sich ein kurzes Lächeln ab.

»Alles in Ordnung bei dir?«, fragte Charlotte nach.

»Geht so.« Daniel ließ ziemlich den Kopf hängen.

»Und jetzt habt ihr euch gerade erst wieder versöhnt.« Charlotte seufzte.

»Ich weiß.«

Dann schwiegen die beiden. Es gab einfach nichts mehr zu sagen, und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, während der Bus sie zurück zum Haus Anubis fuhr.

Dort wurden sie gleich von der besorgten Rosie empfangen. »Ach du liebe Zeit, Kindchen«, sagte sie und umarmte Delia. »Ist alles in Ordnung bei euch? Herr Radus hat es mir gerade erzählt.«

»Wissen Sie etwas Neues?«, wandte sich Daniel an den Lehrer, der offensichtlich schon vor ihnen zurückgekehrt war.

Herr Radus nickte. »Nina liegt im Krankenhaus. Und dort wird sie wahrscheinlich auch eine Weile bleiben müssen.«

»Ist sie ... ist sie wieder bei Bewusstsein?«, wollte Daniel wissen.

Herr Radus schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Die Ärzte wissen auch nichts Genaues. Wir werden einfach abwarten müssen. Tut mir sehr leid. Ich hätte gern bessere Neuigkeiten für euch.«

Alle schauten ziemlich betreten vor sich hin, als plötzlich die Tür aufging und Victor hereingetaumelt kam.

Verblüfft starrte Rosie ihn an. »Victor? Wie siehst du denn aus?«

Der Verwalter sah wirklich aus, als habe er versucht, in einem Misthaufen sein Schwimmabzeichen zu machen.

»Ihr Satansbraten!«, fluchte er. »Ich wollte doch mit in den Bus!«

»Echt?«, gab sich Delia unschuldig. »Wir dachten, dass Sie uns hinterherwinken.«

»Natürlich nicht!«, schnauzte Victor.

Auch Herr Radus konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Wie sind Sie dann hierhergekommen?«

»Per Anhalter«, knurrte Victor. »Mit einem Schweinebauern.«

»Was für ein Tag«, bemerkte Herr Altrichter, und auch um seine Mundwinkel zuckte es verräterisch. »Was für ein Tag. Na zum Glück haben Sie Nina gefunden. Wo lag sie denn überhaupt?«

»Unten in der Schlucht«, erwiderte Victor gereizt.

»Da haben wir sie nicht gesehen«, stellte Daniel fest.

»Da lag sie aber!«, beharrte Victor.

Delia schüttelte entschieden den Kopf. »Das kann nicht sein!«

»Ich geh mich dann mal waschen«, murmelte Victor und wollte möglichst schnell verschwinden, um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen.

»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, hielt ihn Herr Altrichter an der Schulter zurück. »Sie scheinen ziemlich durcheinander zu sein.«

Doch Victor riss sich los. »Mir geht es ausgezeichnet!«, erklärte er und stapfte wütend davon.

Die Nacht hatte sich über das Haus Anubis gesenkt. Draußen heulte der Wind. Daniel saß auf Ninas Bett und las wieder und wieder den Brief, den sie ihm geschrieben hatte: Du warst immer der Einzige für mich, Daniel. Deine Nina

Die anderen hatten sich im Sibuna-Kreis auf den Boden gesetzt.

»Daniel?«, erkundigte sich Luzy. »Kommst du?«

Daniel zögerte.

Luzy stand auf und setzte sich neben ihn auf Ninas Bett. »Na, komm schon. Wir wollen das nicht ohne dich machen.«

Daniel schüttelte den Kopf. »Wir können das nicht ohne Nina machen.«

»Gerade für Nina musst du dabei sein«, erklärte Luzy entschieden und erhob sich. »Los, komm!«

Daniel folgte ihr zu den anderen in den Kreis.

»Sie wacht wieder auf«, sagte Delia. »Ganz sicher!«

»Aber wir müssen zusammenhalten«, erklärte Luzy und sah Daniel fest in die Augen. »Okay?«

»Schön!«, meinte Felix zufrieden. »Willkommen zurück.«

»Pssst!«, fiel Delia ihm ins Wort.

Erschrocken lauschten alle ins Halbdunkel des Zimmers. Doch nirgendwo im Haus war auch nur das geringste Geräusch zu vernehmen.

»Ich dachte, ich hätte was gehört«, entschuldigte sich Delia. »Wir müssen zu Nina.«

»Und dann?«, fragte Luzy.

Daniel nickte. »Delia hat recht, wir müssen ins Krankenhaus.«

»Ja, sag ich doch«, erklärte Delia.

»Einfach mal nachsehen«, fügte Daniel hinzu. »Vielleicht ist sie ja schon wach. Oder es steht etwas auf der Karte an ihrem Bett. Wir müssen unbedingt etwas tun. So schnell wie möglich.«

»Wir kommen hier doch nicht weg«, gab Felix zu bedenken.

»Nicht alle«, meinte Daniel, »aber zu zweit müsste es hinhauen.«

»Und wer soll gehen?«, fragte Delia.

»Wir knobeln es aus«, schlug Felix vor und hatte auch schon ein paar verschieden lange Strohhalme in der Hand.

Luzy und Delia zogen die längsten.

Ohne zu zögern drückte Luzy Daniel ihren Strohhalm in die Hand. »Du musst gehen.«

Daniel lächelte dankbar.

»Ins Krankenhaus?« Delia machte ein ziemlich entsetztes Gesicht. Das war ein Ort, an den man sie eigentlich nur im betäubten Zustand schaffen konnte. Klar war ihr die Sache plötzlich überhaupt nicht mehr geheuer. »Und was ist, wenn sie doch nicht mehr aufwacht?«

»Dann ist es der Fluch«, meinte Luzy düster.

Aber Daniel winkte ab. »Es gibt keine Flüche«, erklärte er. »Und wenn, dann müssen wir die Rätsel lösen ... für Nina!«

»Für Nina!«, sagten die anderen im Chor und hielten sich dem Schwur gemäß das linke Auge zu. »Sibuna!«

Es war dunkel auf den Fluren des Krankenhauses, und Daniels Turnschuhe quietschten unangenehm laut auf dem Linoleumfußboden, als er sich dem Schwesternzimmer näherte.

Delia hatte sich hinter einer Ecke versteckt und beobachtete ihn erst einmal aus sicherer Entfernung. Es roch wie in allen Krankenhäusern, und sie mochte diese merkwürdige Luft überhaupt nicht.

»Guten Abend«, wandte sich Daniel höflich an die diensthabende Nachtschwester. »Können Sie mir bitte sagen, wo Nina Martens liegt?«

Die Schwester lachte, und es klang nicht unbedingt freundlich. »Die Besuchszeit ist seit ungefähr ...«, sie nahm eine Uhr aus der Kitteltasche und warf einen beinahe ungläubigen Blick darauf, »... acht Stunden vorbei.«

»Ich ... ich will sie ja auch gar nicht besuchen«, stammelte Daniel. »Ich will nur wissen, wo sie liegt.«

Die Schwester musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Bist du mit ihr verwandt?«

Daniel kam immer mehr in Bedrängnis. »Nein«, gestand er. »Sie ist meine Freundin.«

Die Schwester seufzte. »Es tut mir leid. Solche Informationen dürfen wir nur direkten Familienmitgliedern geben.« Sie hielt kurz inne. Dann sagte sie: »Komm doch bitte morgen ... äh ... heute Vormittag noch einmal vorbei.«

»Aber ...«, begann Daniel, doch der Blick der Schwester ließ ihn verstummen. Er seufzte. »Ja, schon gut. Danke. Schönen Abend noch.«

Damit schlich er davon, während die Schwester ihm mit einem milden Lächeln hinterherblickte.

Als er Delias Versteck erreichte, sah die ihm sofort an, dass etwas schiefgegangen war. »Sie will mir nicht sagen, wo Nina liegt«, berichtete er niedergeschlagen.

»Das steht doch garantiert in ihren Akten«, meinte Delia leise.

»Bestimmt.« Daniel nickte. »Aber die geht da im Leben nicht weg.«

Delia kniff die Augen zusammen und presste fest die Fingerspitzen auf ihre Schläfen.

»Was machst du?«, wollte Daniel verblüfft wissen.

»Pssst!«, erwiderte Delia. »Ich denke nach ... und ich hab auch schon eine Idee!«

Daniel verstand kein Wort, aber er ließ sich von Delia packen und den Gang hinunterziehen. Irgendetwas musste ihr eingefallen sein.

Und so war es auch.

Wenige Minuten später kam ein seltsames Paar den Krankenhausflur entlang. Die junge Frau – die übrigens eine verblüffende Ähnlichkeit mit Delia hatte, von der auch der schwarz-weiß gepunktete Hut und das grüne Kleid nicht ablenken konnten – saß in einem Rollstuhl, den ein junger Mann in einem Trenchcoat schob. Er hatte den Hut tief ins Gesicht gezogen.

»Hilfe!«, keuchte die junge Frau, als die beiden abrupt vor dem Schwesternzimmer bremsten. »Helfen Sie mir!«

»Bekommen Sie Ihr Kind?«, fragte die Nachtschwester völlig überrumpelt.

»Nein«, erwiderte Delia, und es klang klar und deutlich, »ich habe eine Wassermelone verschluckt! Und zwar ohne zu kauen!« Sie verdrehte die Augen. »Meine Güte, natürlich bekomme ich mein Kind. Holen Sie einen Arzt!«

»Haben Sie Wehen?«, erkundigte sich die Schwester.

»Ja, ganz regelmäßig«, erwiderte Daniel mit verstellter Stimme.

Misstrauisch blickte die Schwester auf. »Sie kommen mir bekannt vor.«

»Ganz unmöglich«, entgegnete Daniel und verstellte seine Stimme noch mehr.

»Wenn Sie nicht sofort einen Arzt holen«, mischte sich Delia wieder in die Diskussion ein, und ihre Stimme klang überzeugend hysterisch, kriege ich mein Kind noch hier!«

Nun wurde der Schwester die Sache allmählich doch zu heiß. »Ich gehe ja schon«, murmelte sie und eilte davon.

Kaum waren sie allein, blätterte Daniel in den Unterlagen, die auf einem Schreibtisch lagen. »Nina Martens ...! Fünfte Etage, Zimmer 506, Neurologie.«

»Da liegt ihre Oma auch, auf der Neurologie«, meinte Delia.

»Komm!«, drängte Daniel.

Mit Leichtigkeit sprang die angeblich hochschwangere Delia aus dem Rollstuhl auf und folgte Daniel den Krankenhausflur entlang zum Treppenhaus.

Als die Nachtschwester mit dem diensthabenden Arzt um die Ecke bog, waren die beiden längst verschwunden.

Sie hatten mittlerweile sogar die Neurologie erreicht und standen bereits vor Ninas Zimmer. Leise öffneten sie die Tür und traten auf Zehenspitzen in den Raum.

Da lag sie.

»Nina!«, flüsterte Delia und musste die Tränen zurückhalten. Schnell streifte sie sich Hut und Jacke ab, während Daniel zart nach der Hand seiner Freundin griff.

Ninas Augenlider fingen an zu flattern. Sie schien darauf zu reagieren.

»Ja«, wisperte Delia. »Ja!«

Nina öffnete die spröden, ausgetrockneten Lippen, als wolle sie ihnen etwas sagen.

Doch da ertönte hinter ihnen eine scharfe Stimme: »Was macht ihr denn hier?«

Erschrocken fuhren Delia und Daniel herum.

In der Tür stand Herr Radus

2 AUSGELÖSCHT

Nina hatte keine Ahnung, wo sie sich befand.

Alles um sie herum war so weiß, so steril – und so völlig fremd. Sie hatte keine Ahnung, wie sie hierhergekommen war.

Das einzig Vertraute waren die Gesichter von Delia, Daniel und Herrn Radus.

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