Das Haus der Düfte - Martina Sahler - E-Book
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Das Haus der Düfte E-Book

Sahler, Martina

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Beschreibung

Eine junge Frau, die Erinnerung an einen Duft und ein altes Geheimnis Seit ihrer Kindheit träumt Anouk davon, eigene Parfüms zu entwickeln. Doch 1950 wird das Geschäft mit Düften von wenigen mächtigen Familien dominiert. Ein Zufall bringt Anouk an den einzigen Ort, wo sie das Handwerk lernen kann. In Grasse, der alten französischen Parfümstadt, nimmt die Familie Girard sie bei sich auf. Der Geruch von wilden Kräutern und eine alte Erinnerung an einen Augenblick des Glücks inspirieren Anouk zu neuen Kompositionen. Ohne es zu wissen, folgt sie damit dem Weg der Florence Girard, die als arme Lavendelpflückerin begann und eine Duft-Dynastie begründete. Schon damals setzte eine rivalisierende Familie alles daran, den Girards zu schaden. Anouk erlebt Liebe und Verlust, Erfolge und Niederlagen. Aber an ihren Träumen hält sie immer fest. **Ein opulenter Roman, voller Sinnenfreude und so erfrischend wie ein Tag in Südfrankreich**

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Das Haus der Düfte

Die Autorin

MARTINA SAHLER setzt mit diesem Roman der Stadt Grasse und der Welt der Parfüms ein Denkmal. Ihre Recherchereise hat sie nach Berlin, Paris, in die Provence und an die französische Mittelmeerküste geführt. Mitgebracht hat sie ein Paket an historischen und aktuellen Geschichten rund um die Luxusindustrie sowie den unverwechselbaren Duft der Erinnerung. Mit ihren bisherigen historischen Serien hat sie eine begeisterte Leserschaft gewonnen. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Köln.

Von der Autorin sind in unserem Hause außerdem erschienen:Die Stadt des Zaren Die Zarin und der SpionDie englische Gärtnerin – Blaue AsternDie englische Gärtnerin – Rote DahlienDie englische Gärtnerin – Weißer Jasmin

Das Buch

Grasse, 1890. Die Lavendelpflückerin Florence weiß, welche Macht Düfte haben können. Ihre Begabung, neue Parfüms zu erschaffen, ist einzigartig. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Gerbersohn Horace Girard, versucht sie eine kleine Parfümerie aufzubauen. Als Außenseitern gibt ihnen in der von wenigen Familien beherrschten Parfümbranche erst einmal niemand eine Chance. Paris, 1952. Anouk hilft in der Apotheke ihrer Mutter aus und träumt davon, Parfümeurin zu werden. Als junges Mädchen hat sie ein Parfüm gerochen, das ihr im Gedächtnis geblieben, doch nie wieder begegnet ist. Keines der Parfümhäuser will sie aufnehmen, erst der weltmännische Stéphane erkennt ihr Talent und bietet ihr eine Ausbildung an. Gegen den Willen ihrer Mutter reist Anouk nach Grasse, zum Haus der Familie Girard. Die Schicksale von Florence und Anouk sind eng miteinander verknüpft. Doch das ist nur eines der Geheimnisse, die Anouk verstehen muss, wenn sie ihr Glück festhalten will.

Martina Sahler

Das Haus der Düfte

Roman

Ullstein

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Inhalt

Titelei

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Teil 1 1946–1952 Anouk

1

2

3

4

Teil 2 1890–1917 Florence

5

6

7

8

9

10

11

12

Teil 3 1952 Die Girards

13

14

15

16

17

18

Teil 4 1925–1929 Die Bonnets

19

20

21

22

Teil 5 1952–1953 Anouk in Grasse

23

24

25

26

27

28

29

Teil 6 1912 Gilles & Cylia

30

31

Teil 7 1953 Das Haus der Düfte

32

33

34

35

36

Epilog

Anhang

Nachwort

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Teil 1 1946–1952 Anouk

Teil 1 1946–1952 Anouk

1

November 1946

»Du tust mir weh, maman!« Anouk Romilly versuchte, ihre Hand aus dem Griff ihrer Mutter zu lösen. Zischend lief der Zug in den Bahnhof Gare du Nord ein. Dicht gedrängt neben den anderen Passagieren, Koffer und Reisetasche zwischen den Füßen, standen sie im Gang des dritten Waggons. Jemand stieß Anouk die Kante eines Kartons in die Knie, ihr Hut verrutschte, als ein Mann einen Sack aus der Gepäckablage über ihren Köpfen zog.

Isabell Romilly umklammerte die Finger ihrer Tochter. Dabei hatte Anouk vor wenigen Monaten ihren vierzehnten Geburtstag gefeiert, eine junge Dame, die sehr wohl ohne mütterlichen Schutz in einer Stadt zurechtkam, von der manche behaupteten, sie sei der feinste Ort der Welt. Paris.

Wie unwürdig, an der Hand der Mutter den ersten Schritt in ihr neues Leben zu setzen. Aber an diesem Tag kam sie gegen Isabell nicht an.

Durch die Scheiben sahen sie das Gewimmel der Menschen, elegante Herrschaften und Handwerker in ihrer Zunftkleidung, Bettler und Familien mit Kindern, Paare und Polizisten, Gruppen von dunkelhäutigen Männern und afrikanische Frauen mit Säuglingen im Tragetuch.

Endlich kam der Zug zum Stehen. Stationswärter rissen die Türen auf. Isabell und Anouk setzten sich mit den anderen in Bewegung.

»Pass auf den Koffer und deinen Rucksack auf.« Isabell sprang aus dem Zug. Kurz musste sie Anouk loslassen, drehte sich aber sofort zu ihr um, kontrollierte, dass sie sicher auf dem Bahnsteig landete.

Mutter und Tochter trugen ihre Ausweise und ihr Geld in Lederbeuteln am Hals unter den Jacken, dicht am Körper. In ihrem Gepäck lag alles, was sie besaßen. Drei Kleider aus Leinen, zwei aus Wolle, flache Schuhe für den Sommer, Haarspangen, Gürtel, Ledertaschen mit ihren Toilettenartikeln, ein paar Bücher. Ihr Hab und Gut war in der Normandie während der vergangenen Kriegsjahre geschrumpft. Wenn sie auf der Flucht vor den Gefechten von einem Ort zum nächsten wechselten, mussten sie stets einen Teil zurücklassen. Am Ende hatten sie den Familienschmuck bei einem Händler in Flers versetzt, der ihnen dafür genug ausbezahlte, um alle Brücken hinter sich abzubrechen und nach Paris zu reisen. Hier hatte Isabell von Tante Georgette eine Apotheke geerbt.

Es gab kein Zurück mehr.

Anouk sah sich um. Ob es einen größeren Bahnhof auf der Welt gab? Ein Monstrum aus schmutzigem Glas und Eisenstreben, angefüllt mit einem babylonischen Sprachengemisch, dem Quietschen der Eisenbahnbremsen und knarzenden Durchsagen.

Während Anouk all diese Eindrücke aufsaugte, zog Isabell die Schultern hoch und duckte sich, als witterte sie an jeder Ecke Gefahr. Panisch zerrte sie an Anouks Hand.

»Wir müssen uns nicht beeilen, maman. Die Apotheke nimmt uns keiner weg. Lass mich endlich los! Ich bin kein Kleinkind!«

»Ich muss raus.« An ihrem Keuchen bemerkte Anouk, dass ihre Mutter kurz vor einem Anfall stand. Ihre Ängste hatten sich in den letzten Jahren nach dem Tod ihres Mannes vervielfacht. Manchmal brachte Anouk Verständnis dafür auf, aber oft riss diese Furchtsamkeit an ihren Nerven, wie jetzt, da sie in der Menschenmenge ohnehin nicht schneller vorankamen, egal wie ungeduldig Isabell an ihr zog. Anouk hatte sich ihre erste Begegnung mit der Stadt, in der das Herz der Welt schlagen sollte, unbeschwerter gewünscht.

Ein brandiger Geruch umwehte Anouk, sie hob die Nase, versuchte die einzelnen Komponenten herauszuriechen. Diesel, Rauch und heißer Stahl, dazu Schweiß und Moder, faulige Atemluft, verschütteter Kaffee.

Da mischte sich ein Duft in die Bahnhofsluft, der sie stocken ließ. Er hüllte sie ein, ohne aufdringlich zu sein. Anouk kostete ihn aus. Er schmeckte nach Freiheit. Nach Abenteuer und Sehnsucht.

Wie von selbst entglitt ihre Hand der ihrer Mutter, sodass sie sich umdrehen konnte, die Nase erhoben, um diesem Parfüm nachzuspüren.

Ein Damenduft? Oder für Herren? Auf jeden Fall ein außergewöhnliches Parfüm, eine in Duftakkorden erzählte Geschichte, eine Poesie. Etwas Ähnliches hatte Anouk nie gerochen. Es brachte eine völlig unbekannte Saite in ihr zum Schwingen.

Sie sah stilvoll gekleidete Damen mit taillierten Mänteln und Schirmen, Herren in Anzügen und mit Mallory-Hüten. Ihr Blick glitt über Paare und Familien und die Frauen in ihren exotischen Gewändern, aber der Duft wehte davon. Anouk setzte drei Schritte zurück, bis sie ihn wieder mit voller Intensität wahrnahm. Ein warmes Sirren durchströmte sie. Es roch nach Sommernächten am Meer, nach Reisen um den Globus und einer immerwährenden Liebe.

Da drüben, die Dame mit dem breitkrempigen Hut …? Oder die Mutter in dem Kostüm mit dem Jungen an der Hand? Der Herr im Trenchcoat, der sich mitten in der Menschenmenge eine Gauloise aus der Schachtel schüttelte? Anouk schaute sich um. Bloß diesen Geruch nicht verlieren! Aber es gelang ihr nicht, die Quelle des Parfüms zu finden.

»Bist du von allen guten Geistern verlassen?« Isabells Gesicht war kalkweiß. In ihren Augen stand Entsetzen. Sie hob eine Hand zum Schlag, aber in letzter Sekunde behielt sie Gewalt über sich.

»Ich … entschuldige, maman.«

Isabell hakte sich bei ihr ein und zog sie in Richtung Ausgang.

Anouks Nase war immer wach, ob auf Blumenwiesen oder Firmengeländen, Kosmetikgeschäften, Märkten oder in fremden Häusern. Manchmal hatte sie sich schon gewünscht, sie ausschalten zu können, wenn Gerüche sie zu überrumpeln drohten. Es gab kein Stück Obst, keinen Salat, keinen Bissen Brot, die sie nicht erschnupperte, bevor sie sie aß. Ihre Mutter versuchte seit Jahren vergeblich, ihr diese Marotte auszutreiben.

Jeder Duft ist vergänglich, das wusste Anouk, doch dieser im Gare du Nord würde in ihrem Gedächtnis bleibende Spuren hinterlassen. Ein Willkommensgeschenk, das ihr Paris machte. Bienvenue. So würde sie ihn nennen, bis sie herausfand, was es war.

Nieselregen empfing sie auf dem Place Napoléon III, auf den Straßen standen Pfützen, um die die Menschen einen Bogen schlugen. Anouk war froh, dass sie ihre Pumps mit dem niedrigen Absatz trug. Mit ihren geliebten Ballerinas wäre sie nicht trockenen Fußes zur Métro gekommen. Auch die schmal geschnittenen Hosen fand sie praktisch. Sie wünschte nur, sie hätte so einen Mantel mit Webpelzkragen, wie ihn viele Pariserinnen trugen. In ihrer bis zur Hüfte herabhängenden Wolljacke war sie das Mädchen vom Land.

»Schau, da ist die U-Bahn.« Anouk übernahm die Führung, zog die Mutter hinter sich her. Sie hatte zwar keine Ahnung, welche Métro nach Saint-Germain-des-Prés fuhr, aber das würde sie herausfinden.

Isabell machte sich an ihrer Hand schwer wie ein Maulesel. Sie blieb am Treppenabsatz stehen, als Anouk die Stufen hinabhasten wollte. Anouk drehte sich zu ihr um und sah, dass die Knie ihrer Mutter zitterten. »Ich kann da nicht runter. Ich kann das nicht.«

Anouk presste die Lippen aufeinander. »Es ist die schnellste und billigste Art, in die Rue de Seine zu kommen. Ich bin müde, ich bin hungrig, und mir ist kalt. Ich will endlich ankommen.«

Mit einer ruppigen Handbewegung wischte sich Isabell eine Träne weg. »Ich kann nicht.«

Und nun? Ein Taxi war ausgeschlossen. Solange sie nicht wussten, wann sie Geld verdienen würden, mussten sie sich ihre Reserven einteilen.

»Zu Fuß?« Anouk musterte ihre Mutter von der Seite. Isabell war eine schöne Frau trotz der Spuren von Furcht und Verbissenheit in ihrem Gesicht. Der leichte Nieselregen lockte ihre dunklen Haare, die unter dem Hermès-Seidenschal hervortraten. Das Tuch war der einzige Luxusartikel in ihrer Garderobe.

Isabell nickte. Im Zug hatten sie sich den Stadtplan von Paris angesehen. Anouk wusste, sie wären eine gute Stunde unterwegs. »Ich hole den Schirm aus meinem Koffer.«

Kurz darauf schlugen sie den Weg in Richtung der Rue la Fayette ein, kreuzten die Boulevards, durch die vor zwei Jahren die Panzer der Alliierten vorgerückt waren und wo die Franzosen Freudentränen über die Befreiung von den Nationalsozialisten vergossen hatten. Paris war von der Zerstörung verschont geblieben und strahlte eine fast unberührte Schönheit aus.

Anouk fühlte sich überwältigt von der Menge und dem Lärm der hupenden Autos. Der Modergeruch des Kastanienlaubs mischte sich mit den Abgasen des Straßenverkehrs. Sie starrte in die Gesichter der Pariser, bestaunte die Fassaden der klassizistischen Gebäude mit ihren handtuchgroßen Balkonen. An manchen hingen Kästen mit verwelkten Sommerblumen. Sie erzählten von der Hitze im August, von der im Novemberniesel nichts mehr zu spüren war.

Der Schirm war zu klein für beide Frauen, Anouk ließ sich berieseln und strahlte ihre Mutter an. Der Ärger darüber, dass sie sich mit ihrem Gepäck diesen Weg antaten, war gewichen. Hier oben gab es mehr zu sehen, zu hören, zu riechen als im Untergrund.

Isabell erwiderte das Lächeln nicht. Sie hielt den Kopf wie eine Schildkröte, die sich in ihren Panzer zurückziehen wollte.

Über die Rue Poissonnière führte sie der Weg durch Les Halles, die Markthallen der Stadt, den Bauch von Paris. Hier kam der Verkehr zum Erliegen, Autos standen kreuz und quer auf den Straßen. Die Fahrer riefen sich Beleidigungen zu und unterstrichen ihre Worte mit Gesten und Hupen. Anouk suchte sich ihren Weg über die Fahrbahn und sog an den Marktständen den Duft von Äpfeln und Auberginen, exotischen Früchten, Oliven und Rohmilchkäse ein. Doch das außergewöhnliche Parfüm aus dem Gare du Nord war immer noch gegenwärtig. Herb und gleichzeitig süß, vanillig und würzig. Es blieb wie eingebrannt in ihrer Erinnerung.

Als sie die Hallen hinter sich ließen, hörte der Regen auf, aber der Himmel über Paris war grau wie ein trüber See.

Entlang der Rue de Pont Neuf erreichten sie das mit Lindenbäumen bewachsene Ufer der Seine, die die Stadt in zwei Hälften teilt. Auf dem Wasser dümpelten bunt bemalte Hausboote.

Sie passierten Modegeschäfte und Parfümerien, deren Namen Anouk nichts sagten. Keine Dependencen von Houbigant und Guerlain, Coco Chanel und Christian Dior. Sie hatte einiges über Paris gelesen. Die Unternehmen mit Weltruf lagen in der Rue Royal oder an der Place Vendôme. Rechts überragte das dekorativ gestaltete Kaufhaus La Samaritaine mit seiner dem Fluss zugewandten Glasfront die Reihen der Wohnhäuser, eine weitere Adresse auf Anouks Liste. Im Erdgeschoss, hieß es, lockten die Stände der Parfümhersteller die Kundinnen mit Duftproben und kunstvollen Flakons.

Kurz vor Pont Neuf hielt Isabell an, lehnte sich an die Ufermauer, stellte den Koffer ab und zog sich den Gurt der Reisetasche über den Kopf. »Lass mich ein paar Minuten ausruhen, bitte.« Die älteste Brücke der Stadt führte auf die Île de la Cité mit der Kathedrale Notre-Dame und dann weiter zum linken Seineufer.

Widerwillig setzte Anouk ihr Gepäck ab und strich sich mit den Fingern den Pony aus der Stirn.

An ihren Fersen pochten schmerzhaft zwei Blasen. Die Pumps hielten zwar das Wasser ab, waren allerdings nicht für eine lange Wanderung durch die Stadt geschaffen. Sie traf den Blick ihrer Mutter. Obwohl sich Isabell bemühte, sich nichts mehr anmerken zu lassen, erkannte Anouk die Angst darin. »Wird es jetzt gehen?« Sie wies auf die steinerne Brücke, die für ihre Mutter ein fast unüberwindbares Hindernis darstellte.

Isabell schluckte. »Ja doch, natürlich.«

Nicht zum ersten Mal zweifelte Anouk an der Entscheidung, die Normandie zu verlassen, um sich in Paris eine neue Existenz aufzubauen. Auch wenn sie hungrig war nach allem, was ihr die Weltmetropole bieten konnte.

Ihrer Mutter gegenüber hatte sie nur ein einziges Mal erwähnt, dass sie davon träumte, als Parfümeurin arbeiten zu dürfen.

»Was für ein Hirngespinst«, hatte Isabell erwidert. »Man braucht Geld, um sich als Parfümeurin selbstständig zu machen, und die edlen Marken sind alle in den Händen von alteingesessenen Familien. Düfte sind ein flüchtiges Geschäft, nichts, was auf soliden Füßen stehen kann. Wenn dir daran liegt, in einem Labor die Essenzen zusammenzumischen und zu experimentieren, bist du in unserer neuen Apotheke genau richtig. Ich zeige dir gerne, wie wir den Thymian in den Hustensaft mischen und den Baldrian in den Schlaftee, ma petite poupée.«

Anouk hatte mit den Augen gerollt, wie meistens, wenn ihre Mutter nichts, aber auch gar nichts verstand, und wenn sie sie bei diesem verhassten Kosenamen nannte! Sie war kein Püppchen, das ein anderer nach Belieben ausstaffieren und lenken konnte. Sie war eine junge Frau mit einem ausgeprägten Dickschädel, das sollte ihre Mutter nie vergessen.

»Statt Pharmazie zu studieren, könnte ich auf eine Parfümschule gehen. Es gibt eine sehr gute in Paris.«

»Und wie willst du das finanzieren?«, hatte Isabell gefragt. »Du glaubst nicht im Ernst, dass ich eine solche Ausbildung unterstütze. Ich dachte, wir wären uns einig, dass du Apothekerin wirst und irgendwann das Geschäft übernimmst, das wir gemeinsam aufbauen wollen.«

Danach hatte Anouk darauf verzichtet, ein weiteres Mal mit ihrer Mutter über ihre Zukunftspläne zu sprechen.

Ohne solide Ausbildung würde es schwer werden, eine Anstellung in einem der Parfümhäuser zu finden, das war Anouk klar. Vielleicht würde es ihr gelingen, eine bezahlte Praktikantenstelle zu ergattern, bei der sie ihr Talent beweisen konnte? In zwei, drei Jahren, wenn sie ihren Geruchssinn weiter schulte.

Beim ersten Schritt auf das Seineufer stieß Isabell die Luft aus, als hätte sie sie in den letzten zehn Minuten angehalten. Sie lehnte sich an die Kaimauer, um wieder zu Atem zu kommen. Anouk nutzte die Chance, den Stadtplan aus dem Rucksack zu holen. Die Hinweisschilder waren verwirrend, wiesen ins Quartier Latin, nach Saint-Germain-des-Prés, zum weitverzweigten Komplex der Universität Sorbonne … Anouk drehte die Karte in den Händen und versuchte, sich zu orientieren.

Der Himmel klarte auf, als sie die Rue de Seine erreichten und an den Fassaden vorbeigingen, bis sie vor einem Schaufenster mit einem grünen Holzrahmen ankamen. Die Farbe blätterte großflächig ab. In ehemals goldenen Lettern stand unter der Markise »Pharmacie«. Zu beiden Seiten hingen Laternen mit zerbrochenem Glas. Anouks und Isabells Blicke wanderten höher in die erste Etage, wo schiefe Verschläge die Fenster verbargen. Am Dach schienen oberhalb der Regenrinne ein paar Ziegel zu fehlen. Eine dreifarbige Katze balancierte auf dem Sims und musterte sie von oben herab.

Hoffnungslosigkeit stieg in Anouk bei der Vorstellung auf, dass dieses baufällige Haus ihr neues Zuhause sein sollte. In der Nachbarschaft gab es einen Gemüseladen, dessen Besitzer seine Körbe auf die Straße stellte. Von nebenan drang der Duft einer Patisserie in ihre Nasen und erinnerte Anouk daran, dass sie seit dem frühen Morgen nichts mehr gegessen hatten. An der Kreuzung standen Bistrostühle und Tische auf dem Bürgersteig. Der Geruch von Tabak und Rotwein drang zu ihnen und das Gelächter von Menschen in saloppen Hemden und Hosen, offenbar Studenten, die hier wenige Hundert Meter von der Universität entfernt lebten.

Keine Parfümerien, keine Modehäuser, keine Juweliere.

Isabell zog den Schlüssel aus ihrer Reisetasche. Sie ruckelte an der Tür, bevor sie sich öffnen ließ. Das Aroma von Kampfer und Kamille, Salbei und Staub schlug ihnen entgegen. Spinnennetze zogen sich über die Regale mit den Flaschen und Tiegeln. Der Verkaufsraum war klein, mit gutem Willen erkannte man jedoch, was die Apotheke einmal ausgemacht hatte. Die Treppe in den ersten Stock knarrte, als sie mit ihrem Gepäck hinaufstiegen. Oben erwartete sie eine gut ausgestattete Küche mit einem Kohleofen, einem Gasherd und sogar einem Kühlschrank, aber alles war klebrig und schmutzig. Offenbar hatte Tante Georgette in den letzten Wochen ihres Lebens nicht mehr geputzt.

Im Wohnzimmer stand ein Sofa, von dem aus man direkt durch die Fenster auf die Rue de Seine schaute. Darauf ließ sich Isabell sinken. Sie klopfte neben sich.

Anouk war sich nicht sicher, ob sich der weite Weg aus Rouen gelohnt hatte, wenn dies das Ziel war. Isabell dagegen blühte mit jedem Herzschlag auf. Ihre Haltung schien straffer, ihre Wangen waren hellrot.

»Hab Mut, Anouk.« Isabell legte den Arm um die Schultern der Tochter. »Dies wird unser Zuhause. Von hier vertreibt uns keiner mehr.«

Anouk scheiterte an ihrem Lächeln. Das Haus fühlte sich falsch an. Die Muffigkeit der Teppiche und Vorhänge, der Schimmel an der Küchendecke, das Aroma von Sauermilch und Obstfäule, das die Decke auf dem Küchentisch verströmte, die Heilkräuter und der Salmiak unten aus der Apotheke. Die Gerüche umwehten sie, erzählten von einem öden Leben in einem Apothekerhaus. Sie verschwanden erst, als Anouk die Fensterläden öffnete.

Zurück blieb nur dieser Duft vom Gare du Nord, den sie vom heutigen Tag an immer mit Paris und ihren Wünschen verbinden würde. Er stärkte ihre Zuversicht, dass, wenn sie nur an in ihrem Verlangen festhielte, die Stadt ihr irgendwann zu Füßen liegen würde. Bienvenue.

2

Mai 1952

»Es tut mir leid, Mademoiselle …« Die Sekretärin im Geschäftsbereich von Guerlain an der Avenue des Champs-Élysées schaute auf den Bewerbungsbogen, »Mademoiselle Romilly, wir bevorzugen Absolventen der Parfümschulen. Die Erfahrung in der Apotheke Ihrer Mutter reicht nicht. Sie bringen nicht die Voraussetzungen mit, um bei uns zu arbeiten.« Sie musterte sie von oben bis unten, nicht uninteressiert. »Es sei denn, Ihnen schwebt eine Stelle im Verkauf vor?«

Anouk wollte nicht hinter einem Verkaufstresen stehen, sondern vor einer Regalwand voller Duftessenzen, um aus ihnen neue Kompositionen zu mischen. Wenn sie doch nur einmal eine Parfümprobe herstellen dürfte!

Seit sie in Paris lebte, hatte sie sich alle Geschäfte der namhaften Parfümhäuser angesehen und sich von dem Flair bezaubern lassen. Zwar hatte sie, wie es ihre Mutter verlangte, weitere drei Jahre die Schule besucht und war für ein Studium an der Sorbonne zugelassen. Aber Anouk hielt auch nach dieser Zeit an ihrem Traum fest.

Guerlain gehörte für Anouk zu den wichtigsten Adressen. Die Firma bestand in der vierten Generation. Dem Gründervater hatte sein Eau de Cologne Impériale, das er Kaiserin Eugénie zu ihrer Vermählung mit Napoleon III. geschenkt hatte, den Titel des königlichen Hofparfümeurs eingebracht. In den Galeries Lafayette hatte Anouk an einem mit dem Parfüm getränkten Teststreifen schnuppern dürfen, genau wie an dem berühmten Shalimar. Sie hatte versucht, die einzelnen Komponenten zu erkennen. Wie großartig es wäre, selbst solche Kunstwerke zu kreieren und den Duft zu mischen, der ihr seit ihrer Ankunft im Gare du Nord nicht mehr aus dem Sinn ging. In den vergangenen sechs Jahren hatte sie ihn in keiner Parfümerie entdeckt. Wie konnte es sein, dass ein so faszinierendes Parfüm unauffindbar war?

»Wie soll ich Erfahrungen sammeln, wenn ich keine Chance dazu bekomme?«, brach es aus Anouk heraus. Es war nicht die erste Absage. Sie hatte bei Houbigant, Dior und sogar bei Mademoiselle Chanel angefragt. In keinem Haus war sie am Sekretariat vorbeigekommen. Die Damen komplimentierten sie mehr oder minder höflich auf die Straße zurück, sobald sie erklärte, dass sie auf eine Anstellung hoffte. Auf eine Apothekertochter ohne Empfehlungen und Titel hatte keiner in der Luxusindustrie gewartet.

Anouk hatte mit Rückschlägen gerechnet, aber inzwischen breitete sich Verzweiflung in ihr aus und das Gefühl, dass sie niemals Parfümeurin sein würde. Sie trug das Hermès-Seidentuch ihrer Mutter. Es roch blumig und frisch nach Eau de Lubin, Isabells Lieblingsduft. Sie durfte nicht vergessen, es in ihre Tasche zu stecken, bevor sie heimkehrte und es heimlich zurück in den Schrank ihrer Mutter legte.

Ein mitleidiger Zug legte sich über das Gesicht der Sekretärin hinter dem Schreibtisch. »Sie scheinen eine gesicherte Zukunft in der Apotheke Ihrer Frau Mutter zu haben. Sie sollten das zu schätzen wissen.«

»Besten Dank für den Rat«, gab Anouk erzürnt zurück, bevor sie sich umdrehte. Ihre Absätze klapperten auf den Marmorfliesen, als sie den Geschäftsbereich durch den Verkaufsraum mit seinen Glasregalen verließ. Sie sah sich selbst in den Spiegeln, die die Flakons in Szene setzten, spürte die Blicke der Verkäuferinnen und Kundinnen, bis sie draußen auf der Flaniermeile stand.

Sie fühlte sich ausgelaugt wie nach einem Marathon. Immer und überall nur Absagen. Zu Hause unter ihrem Kopfkissen lag ein Brief des Parfümhauses Karine & Manon Bonnet, eine kleine Firma mit einem wenig bekannten Sortiment und nur einer Handvoll Stammkundinnen. Die Firmeninhaberinnen hatten sie zumindest zu einem Gespräch eingeladen. Sollte das ihre letzte Hoffnung sein?

Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Kurz vor halb drei. Ihrer Mutter hatte sie versprochen, dass sie am Nachmittag in der Apotheke helfen würde. Ihr Mitarbeiter Henri Dubois stand zwar ebenfalls in seinem weißen Kittel hinter dem Verkaufstresen, aber selbst zu zweit war der Andrang in der Rue de Seine inzwischen kaum noch zu bewältigen.

Anouk sprang die Treppen zur Métro hinab. Was ihre Mutter sagen würde, wenn sie erführe, dass sie sich in der Mittagspause keineswegs um die Aufnahme an der Universität Sorbonne gekümmert hatte? Bald müsste sie ihr gestehen, dass sie nach wie vor kein Interesse an einem Pharmaziestudium und ihre ursprünglichen Pläne niemals aufgegeben hatte. Verdammt, warum stieß sie nur immer auf verschlossene Türen?

Die Zeit reichte, um eine Station weiter zu fahren, und für einen Abstecher in den Jardin du Luxembourg. Nach den Düften der Innenstadt und der Parfümerie musste sie ihre Nase durchlüften. Sie sehnte sich nach der Klarheit, die sie zwischen den Blumenrabatten des liebevoll angelegten Parks fand. Ihr Geruchssinn kam zur Ruhe, als sie an den Reihen von Narzissen, Tulpen und Lobelien entlangging und sich auf das von der Sonne gewärmte Holz der Bank niederließ. Sie hob den Kopf, um das frische Grün der Linden einzuatmen und das heuige Aroma des Rasenschnitts. Die Enttäuschung über die erneute Ablehnung fiel von ihr ab. Immer wieder hatten sie sie gefragt, warum sie sich nicht in einer Parfümschule bewerbe, etwa in der École Givaudan. Ihre Mutter würde sie bei einem solchen Vorhaben niemals unterstützen, das hatte sie ihr deutlich zu verstehen gegeben.

Sie sprang auf und lief den Weg zurück zur Rue de Seine.

Zehn Minuten später sah sie von Weitem die Apotheke mit dem grün glänzenden Holzrahmen. Sie zog sich das Tuch vom Hals und stopfte es in ihre Jackentasche.

Anouk fühlte dumpfen Druck in ihrer Brust. Je mehr Absagen sie bekam, desto näher rückte ein Leben in der Rue de Seine in den Fußstapfen ihrer Mutter. Sicher, die Universität hatte ihren Reiz, genau wie ein Studentenleben im Schatten von weltberühmten Philosophen wie Sartre und Simone de Beauvoire. Paris war voller Denker und Künstler, die Konventionen über Bord warfen und dem Leben einen neuen Zauber einhauchten. Und kulturell lebte sie hier im Überfluss. In den Abendstunden konnte es sich Anouk aussuchen, ob sie ein Kellerkonzert von Juliette Gréco mit ihren existenzialistischen Chansons besuchte oder eines der zahlreichen Kinos, in denen sie Marilyn Monroe in »Asphalt Dschungel« sehen konnte und Maureen O’Hara in »Rio Grande«.

»Die Welt kann einer geistreichen Frau in diesen Jahren am linken Seineufer zu Füßen liegen«, sagte Isabell.

Anouk träumte nicht von Macht oder Philosophie oder davon, Menschen in ihren Bann zu ziehen. In ihren Träumen tanzten die Düfte von Zimtrinde und Mairose, von staubigem Leder, trockenen Hölzern, süßen Orangenblüten. Parfüm war wie ein stärkendes Elixier. Wenn es passte, vervollkommnete es das Leben, verhalf zu neuem Selbstbewusstsein. Diesen Zauber wollte Anouk erschaffen.

Entschlossen betrat sie die Apotheke, die Türglocke schlug laut an. Ihre Mutter füllte eine selbst gemischte Heilcreme in einen Tiegel für einen Mann, Henri Dubois reichte einer Dame eine Papiertüte voller Medikamente. »Halten Sie sich bitte an die Dosierung, die Ihnen der Arzt verordnet hat.«

Nie vergaß er, die Kunden auf Dosierung und Nebenwirkungen hinzuweisen. Schon in seiner Probezeit hatten ihn seine Gewissenhaftigkeit und sein Fleiß für die Apotheke unentbehrlich gemacht.

Anouk begrüßte erst ihre Mutter, dann Henri mit Wangenküssen. »Du bist zehn Minuten zu spät.« Isabell war blass um die Nase. »Warum hältst du dich nicht an das, was wir verabreden? Es macht mich krank, wenn du nicht pünktlich bist.«

Das wusste Anouk. Ihr Alltag war geregelt mit festen Essenszeiten, Pausen, Arbeit und Freizeit. Ihre Mutter hatte sich in einen Kokon von Ritualen eingesponnen, und wenn Anouk nicht achtgab, war sie bald ebenfalls darin gefangen. Ja, ihre Mutter hatte es geschafft: Die Apotheke und die Wohnung waren ihr Refugium, das sie nur selten verließ, alles war nach ihren Wünschen eingerichtet. Selbst zum Einkaufen schickte sie lieber die Tochter. Solange sie sich in ihrer Welt bewegte, verloren ihre Ängste an Bedeutung. Nur leider versuchte ihre Mutter, Anouk in diesem engen Leben mit einzumauern. Bei dem Gedanken, dass die Apotheke in Saint-Germain-des-Prés ihr ganzes Leben sein sollte, schnürte es Anouk die Kehle zu.

»Jetzt bin ich ja da.« Sie eilte in den hinteren Raum, in dem sie Salben und Tees anrührten, hängte ihre Jacke an einen Haken und schlüpfte in ihren Kittel. Alles hier hüllte sie ein in das strenge Odeur von Heilkräutern und Zweckmäßigkeit, kein Aroma hier berauschte sie. Sie schloss die Augen, versuchte, die Unbehaglichkeit zu vertreiben. Dann eilte sie in den Verkaufsraum, um ihre Mutter und Henri zu unterstützen.

Erst zwei Stunden später kam Anouk zu Atem. Sie stärkte sich an dem Pfefferminztee, den Henri aufgebrüht hatte. Derartige Nettigkeiten galten, wie Anouk wusste, nicht etwa ihr, sondern ihrer Mutter. Für sie fiel stets etwas ab, genau wie von den Macarons mit Schokolade und Pistazien, die Henri hin und wieder nach der Mittagspause mitbrachte und die sie am allerliebsten aß. Insgeheim amüsierte sich Anouk über seine schwärmerischen Blicke, wenn ihre Mutter beim Naschen genießerisch seufzte.

»Als hätten sie sich abgesprochen, alle zur gleichen Zeit zu kommen. Ich habe wunde Füße vom Hin-und-her-Laufen, und unter meinen Fingerkuppen bildet sich Hornhaut vom Tippen auf der Kasse«, jammerte sie.

Isabell lachte. »Beklag dich nicht! Diese Apotheke ist unser Leben.«

Deines vielleicht, dachte Anouk, aber sie sprach es nicht aus.

»Wie war es in der Sorbonne?«, fragte Henri. »Hast du dich für das kommende Semester einschreiben können?«

Anouk wünschte, das Lügen würde ihr leichterfallen oder sie wäre gar nicht erst gezwungen zu flunkern. Lange konnte sie das überfällige Gespräch mit ihrer Mutter nicht mehr hinauszögern. Sollte sie sich Henri anvertrauen? Er hatte auf Isabell einen guten Einfluss und vermochte die Wellen zu glätten, wenn Mutter oder Tochter aufbrausten. Ach, hätte sie nur eine Zusage von einer Pariser Parfümerie! Etwas Greifbares statt kümmerlicher Pläne. »Ich habe in den Büros niemanden angetroffen. Ich versuche es nächste Woche noch einmal.« Sie spürte das Glühen auf ihren Wangen und beschäftigte sich rasch damit, Hustenpastillen und Fieberthermometer in den Regalen neu zu sortieren. In ihrem Rücken erklang der melodische Glockenklang der Tür, dann eine zu laute Stimme, die die Apotheke vollständig auszufüllen schien.

»Henri, mein Lieber, wie schön, dich zu sehen. Du siehst prächtig aus!«

Henris Stirn färbte sich rot. »Stéphane. Was verschlägt dich in unser Viertel?«

»Nichts als die Sorge um dein Befinden, Cousin.« Der Mann lachte, kam um den Tresen herum, fasste Henri an den Schultern und küsste links und rechts seine Wangen.

Anouk musterte den Fremden in seinem langärmeligen weißen Hemd, weit genug aufgeknöpft, dass man ein Büschel dunkler Locken sah. Dazu trug er eine schwarze Stoffhose und Schnürschuhe. Die Haare hielt er sich mit einer Sonnenbrille aus dem Gesicht. Kein Mann, wie man ihn alle Tage in der Apotheke sah. Während er sich mit Henri unterhielt und ihre Mutter die nächste Kundin, eine alte Dame mit Krückstock, bediente, schaute Anouk an Henris Cousin vorbei durch das Schaufenster. Sie verstand nichts von Autos, aber das mitternachtsblaue – windschnittig, sportlich, extravagant – vor dem Geschäft auf dem Bürgersteig war eindeutig ein Ferrari. Passanten waren gezwungen, einen Bogen um das Fahrzeug herum zu machen, als gehörte dem Besitzer die Straße.

»Willst du mich nicht mit den reizenden Damen bekannt machen?« Der Mann schaute von Isabell zu Anouk. Sein Lächeln war verführerisch.

»Das sind Mutter und Tochter Romilly. Madame gehört die Apotheke«, gab Henri Auskunft. Er wies auf den Besucher. »Und dies ist mein Cousin Stéphane Girard.«

Beim Lächeln zeigte der Mann gepflegte Zähne. Mit seinen eng zusammenstehenden Augen war er nicht wirklich gut aussehend, aber er verströmte eine Aura von Weltgewandtheit und Selbstvertrauen, die Anouk für ihn einnahm. Sie schätzte ihn auf Ende dreißig. Zur Begrüßung beugte er sich über Isabells Hand, Anouk zog er an sich und gab ihr Wangenküsse. Sein Atem roch nach Tabak und Minze, sein Hemd schwach nach Lavendel, und er trug einen Herrenduft, der aus einem einzigen Akkord zu bestehen schien, zitrus-harzig, wie Bergamotte und Moos. Er passte perfekt zu seinem selbstsicheren Auftreten. Chypre? Nein, eher nicht. Magie de la Lune? Sie beugte sich vor und roch unauffällig ein weiteres Mal.

»Stéphane, es ist ungünstig zu den Geschäftszeiten. Warum hast du dich nicht angekündigt? Dann hätte ich mir freinehmen können.«

Anouk fand es schwer vorstellbar, dass Henri und dieser Fremde miteinander verwandt waren. Henri besaß Krawatten mit Paisleymuster, knöpfte seine Hemden bis zum Hals zu und trug in der kalten Jahreszeit einen Pullunder darüber. Er lachte zwar laut, wenn ihn etwas erheiterte, aber im Alltag sprach er leise, als sei das, was er zu sagen hatte, nicht wichtig.

»Das ist nicht nötig, mein Lieber. Ich komme nur auf einen Sprung vorbei, weil ich im Bon Marché ein Treffen hatte.« Er verzog den Mund. »Ein hartes Stück Arbeit, unsere Parfüms in ihr Sortiment zu bringen. Letztendlich hat sie die Qualität überzeugt. Drei Monate geben sie uns Zeit, um den Markt zu erobern. Klopf auf Holz, Henri, damit deine Familie nicht am Hungertuch endet.«

Henri stimmte nicht in sein Lachen mit ein. Anouk starrte zwischen den beiden Männern hin und her. Parfüm? Familie? Was hatte Henri mit ihren Träumen zu tun? Konnte sie den Fremden einfach ansprechen?

»Die Girards fallen immer auf die Füße«, gab Henri mit deutlich bitterem Unterton zurück. »Im Übrigen lebt meine Familie in Paris. Mit Grasse verbindet mich nichts.«

Anouk nahm all ihren Mut zusammen. »Entschuldigen Sie, Monsieur, verstehe ich das richtig, dass Sie in der Parfümindustrie arbeiten?« Sie kannte das Parfümhaus Girard, ein paar der Düfte, ihr Flaggschiff Florence, aber der Name Girard war häufig in Frankreich. Eine Ader pochte an ihrem Hals.

Mit neu erwachtem Interesse wandte sich der Fremde ihr zu, legte die Hand auf die linke Brust und verbeugte sich. »Stéphane Girard, verantwortlich für Vertrieb, Kundenpflege und Reklame in unserem Familienunternehmen. Sehr erfreut! Hat Ihnen Henri nie von seiner enervierenden Verwandtschaft erzählt?«

»Leider nein.«

»Ich fand es unwichtig.« Henri nickte Isabell zu, die ihm zu verstehen gab, dass sie die neu eintretenden Kunden übernahm. Er verzog sich mit Anouk und Stéphane an das andere Ende der Verkaufstheke. »Ich weiß nicht, warum wir uns ausgerechnet während der Geschäftszeit unterhalten müssen. Das ist ungünstig, Stéphane.«

»Ich wollte nur kurz vorbeischauen und heute noch zurück nach Grasse.«

Strom lief durch Anouks Adern. Grasse in der Provence war der Inbegriff der Parfümherstellung, eine Stadt, zwanzig Kilometer von der Côte d’Azur entfernt, aus der die hochwertigen Rohstoffe für Parfüms kamen und in der die wichtigsten Parfümfamilien ihren Ursprung hatten. Girard gehörte zur Elite der Luxusfirmen, und ihr Kollege Henri, der eher nach zwei Tage getragenem Hemd als nach edlem Herrenduft roch, stand in Verbindung zu ihr?

»Das ist schade, ich hätte mich gern noch ausführlich mit Ihnen unterhalten«, sagte Anouk.

Stéphane hob eine Braue, schaute über seine Schulter. »Sie mögen Sportwagen? Wir können gerne eine Spritztour …«

Henri öffnete den Mund, um dazwischenzugehen. Anouk kam ihm zuvor. »Autos interessieren mich nicht, aber Düfte. Sie zum Beispiel tragen eine Komposition aus Bergamotte und Eichenmoos, wie man sie in Chypre von Coty findet. Doch da ist mehr. Eine Thymiannote.« Sie atmete langsam ein und aus. »Das müsste der Herrenduft Magie de la Lune aus Ihrem eigenen Haus sein, nicht wahr?«

»Chapeau, Mademoiselle!« Er klatschte in die Hände, sein Gesicht voll Überraschung und Bewunderung. »Sind Sie selbst Kundin unserer Produktlinien?«

»Leider nein. Ihre herrlichen Düfte kann sich eine Apothekenhelferin nicht leisten. Aber die Girards betreiben ein Geschäft an der Place Vendôme. Ich war schon oft dort und habe mich durch die Parfüms probiert. Übrigens heiße ich Anouk.«

Er hob scherzhaft den Zeigefinger. An seinen Schläfen bildeten sich Fältchen. »Oh, là, là – Sie gehören also zu den Leuten, die sich kostenlos einen Duft für das nächste Rendezvous abholen, Mademoiselle Anouk?«

»Aber nein, Monsieur. Es macht mir nur Spaß, Gerüche zu verstehen und sie in Gedanken zu neuen Kompositionen zusammenzusetzen.«

»Dann sollten Sie nicht zwischen Heftpflastern und Heilsalben stehen, sondern Parfümeurin werden.«

In Anouks Zügen regte sich kein Muskel. Sie sah ihm fest in die Augen. Erst als Stéphanes Lachen verebbte und er ihr ernstes Gesicht betrachtete, flog ein Ausdruck des Erstaunens über seine Züge. »Das ist es, was sie in Wahrheit wollen«, stellte er fest.

Drei Kunden traten gleichzeitig ein. Henri eilte ihrer Mutter zur Seite. Das Glockenspiel kam nicht zur Ruhe.

Anouk senkte die Stimme. »Das will ich mehr als alles andere. Ich muss es aus eigener Kraft schaffen, nur mit meiner Nase.«

»Mein liebes Kind, zugegebenermaßen hat es mich beeindruckt, dass Sie mein Parfüm erkannt haben, doch das kann Zufall gewesen sein. Ich bin jedoch weit davon entfernt, Elan mit Talent zu verwechseln. In dieser Branche haben nur die besten, die feinsten Nasen eine Chance. Woher soll ich wissen, dass Sie dazugehören?«

»Lassen Sie es mich beweisen.«

Als die nächste Kundin den Laden betrat, hob Anouk die Nase und sog den Hauch ein, den der Luftzug zu ihr trug. »Das ist einfach. Chanel Nº 5.«

Er zog die Mundwinkel herab und nickte. In der darauffolgenden Viertelstunde kam er aus dem Staunen nicht heraus. Einige Herrschaften verströmten teure Düfte wie L’Heure Bleue von Guerlain, Quelques Fleurs von Houbigant oder das blumig-animalische Flair von Shocking von Elsa Schiaparelli. Sie lachten gemeinsam, weil Anouk bei einem Studenten im fleckigen Pullover Bratenfett herausroch, bei einem Kind mit verschmiertem Mund, an der Hand seiner nach Kölnisch Wasser duftenden Mutter, Vanilleeis und bei einem alten Mann mit Béret über der Glatze Mottenkugeln. Viele Düfte kannte sie beim Namen, bei manchen roch sie nur einzelne Komponenten, die sich zu einem Akkord verbanden. »Da ist etwas Frisches, Vitalisierendes …«, sagte sie leise, als eine Frau die Pharmazie betrat und sich mit ihrer Mutter beriet. Anouk hielt schnuppernd die Nase hoch, spürte ihr Herz pochen. Dieser Duft war ein Teil von Bienvenue, nur ein verschwindend geringer, aber er war enthalten. Ihre Erinnerung trog sie gewiss nicht. »Es duftet frisch und grün und rein in der Herznote.« Ihre Gedanken glitten für einen Moment zu dem Duft im Gare du Nord.

Stéphane schnüffelte ebenfalls in die Luft. »Ah, das ist Petitgrain. Es wird aus den Blättern, Ästen und unreifen grünen Früchten der Bitterorange gewonnen und …«

Petitgrain. Anouk würde sich eine Notiz machen. Irgendwann würde sie alle Bestandteile von Bienvenue kennen.

»Nun, ich bin höchst beeindruckt, Mademoiselle Anouk.« Wenn Stéphane sie beim Namen nannte, hörte es sich an, als gehörte sie nicht in die Rue de Seine, sondern in die französische Welt der Düfte. »Meine Nase ist nicht fein genug, um all die Nuancen eines Parfüms zu erkennen, doch meine Erfahrung reicht, um zu wissen, dass Sie mit Ihren Analysen absolut richtiglagen. Ich habe mir all das mühsam antrainieren müssen, aber Ihnen scheint diese Fähigkeit in die Wiege gelegt worden sein. Das ist selten, wissen Sie das? Sie haben eine Gabe, etwas Geniales, das auf gar keinen Fall in dieser Apotheke von Paris brachliegen sollte.«

Die letzten Worte hatte Henri mitbekommen. Er verabschiedete seinen Kunden und trat zu Stéphane und Anouk. »Verdreh dem Mädchen nicht den Kopf. Anouk gehört nicht zu der Sorte Frau, die dir hinterherläuft.«

Eine Zornesfalte erschien zwischen Stéphanes Brauen. »Was erlaubst du dir, Henri? Weißt du überhaupt, was in dieser jungen Frau steckt?«

Ihre lauten Stimmen weckten Isabells Aufmerksamkeit. Sie verabschiedete ein Ehepaar, das mit einer Tüte Blutreinigungstee die Apotheke verließ, und stellte sich zu ihnen. »Es tut mir leid, wir haben erst in einer halben Stunde Ladenschluss. Könnten Sie Ihr Gespräch bis dahin aufschieben?«, wandte sie sich an Stéphane.

»Oh, erst in einer halben Stunde? Darf ich Ihre Tochter heute Abend zum Essen ausführen? Es wäre mir ein Vergnügen.«

»Lass es nicht zu, Isabell!«, rief Henri, bevor er sich an seinen Cousin wandte. »Ich habe dir gesagt, du sollst die Finger von ihr lassen. Sie ist ein anständiges Mädchen, demnächst Studentin, die sich in nicht allzu ferner Zukunft mit einem vernünftigen Mann vermählen wird. Du wirst ihr nicht das Herz brechen.«

»Du verstehst nichts, Henri.« Und an Isabell gewandt: »Betrachten Sie mich als wohlmeinenden Verwandten. Mit ihrem ausgeprägten Geruchstalent hat Ihre Tochter mein Interesse geweckt. Ich würde sie gern näher kennenlernen.«

»Das kommt alles überraschend. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.« Isabell blickte Hilfe suchend zu Henri, dessen Miene sich verdüsterte. Er setzte zu einer weiteren Erwiderung an, aber Anouk kam ihm zuvor.

»Mit wem ich mich zum Essen verabrede, entscheide ich allein.« Mit einem Lächeln wandte sie sich an Stéphane. »Es wäre auch mir ein Vergnügen, Monsieur Girard. Holen Sie mich um halb acht hier ab? Ich werde fertig sein.«

»Wolltest du nicht heute noch nach Grasse, Stéphane?«, bemerkte Henri trocken.

»Pläne können sich ändern, lieber Cousin.« Der Mann aus Grasse verneigte sich vor Anouk. »Mademoiselle Anouk.« Dann wandte er sich Isabell zu, beugte sich über ihre Hand und sah ihr in die Augen. »Kaum zu glauben, dass Sie Mutter und Tochter sind. Ich hätte Sie für Schwestern gehalten.«

Isabell kräuselte spöttisch die Lippen. Sie mochte Männer wie diesen Girard nicht, dennoch fiel es ihr schwer, sich gegen seinen Charme zu wappnen. Es war lange her, dass sie Komplimente gehört hatte. Sie wusste, dass seine Schmeicheleien nur dazu dienten, sie für ihn einzunehmen, damit er ihre Tochter ausführen durfte. Er hob lässig die Hand, bevor er die Apotheke verließ.

Henri schloss hinter ihm die Ladentür.

»Er ist ein Windhund, Anouk, der dir das Blaue vom Himmel verspricht und dich am Ende fallen lässt«, hob Henri an, und Isabell stimmte ein. »Ich dachte, ich hätte dich zu einem Mädchen erzogen, das seinen Wert kennt. Seit wann lässt du dich nach zehnminütiger Bekanntschaft von solch aufgeblasenen Gockeln zum Essen einladen? Wäre er nicht Henris Cousin, hätte ich nicht übel Lust, es dir zu verbieten, Mademoiselle.«

»Entschuldige, maman, aber ich werde mir künftig nichts mehr verbieten lassen.« Anouks Worten folgte ein bleiernes Schweigen. Isabell war zu geschockt, um zu sprechen, und Henri überlegte, wie er den drohenden Streit zwischen Mutter und Tochter verhindern konnte. »Im Übrigen war ich heute nicht in der Universität, sondern bei Guerlain, um mich für einen Praktikumsplatz zu bewerben. Es war nicht meine erste Anfrage, ich habe bisher nur Absagen bekommen. Trotzdem halte ich daran fest, Parfümeurin zu werden.«

»Aber … die Apotheke. Du hast hier alles, was dein Herz begehrt.«

»Nein, maman, das habe ich nicht. Dies ist dein Leben. Ich will etwas anderes. Stéphane Girard ist der Erste, der mir bestätigt, dass ich gut darin bin, Düfte zu erkennen, dass ich begabt bin, dass meine Nase eine besondere ist. Ich wusste das schon lange, aber wie soll ich damit umgehen, wenn mir nie jemand die Gelegenheit gibt, mich zu beweisen? Oder wenn die eigene Mutter meine Fähigkeiten und meinen Traum mit einem Schulterzucken abtut, als gäbe es wichtigere Dinge im Leben.«

»Was erhoffst du dir denn? Glaubst du im Ernst, er verschafft dir eine Stelle als Parfümeurin bei den Girards? Mag sein, dass ihn dein feiner Geruchssinn beeindruckt hat, aber mehr noch wird er von deiner Schönheit schwärmen, wenn ihr euch heute zum Essen trefft«, behauptete Henri.

»Wenn das passiert, weiß ich mich meiner Haut zu wehren.« Natürlich gab es Anouk zu denken, dass Henri so schlecht über seinen Cousin sprach. Sie hielt große Stücke auf seine Meinung und würde wachsam bleiben.

Isabell schlug die Hände vors Gesicht und weinte.

Anouk zog den Kittel aus und hängte ihn im Hinterraum an den Haken. Es war schon Viertel nach sechs, und sie wollte Zeit haben, um sich in ihrem Zimmer für das Dinner vorzubereiten. Vielleicht der wichtigste Abend in ihrem bisherigen Leben.

3

Der Kronleuchter überstrahlte das Ambiente in Cremeweiß, Zimtfarben und Gold. Auf den Tischen schimmerten Porzellan und Silberbesteck, dazwischen Blumengestecke. Die Gäste im Hotel Ritz an der Place Vendôme trugen Abendkleidung, unterhielten sich leise und legten zwischen zwei Bissen das Besteck auf dem Teller ab. Es roch nach gebratenen Pilzen, erhitztem Rotwein, Oliven und Zitrone. Anouk trug ein grünes Kleid mit engem Oberteil und schwingendem Rock, der bis zu den Knöcheln reichte. Dazu hatte sie ihren einzigen Schmuck angelegt, Ohrstecker aus Silber.

Stéphane hatte sie wie versprochen am Abend direkt vor der Apotheke abgeholt. Allerdings war er eine halbe Stunde zu spät vorgefahren, sodass sie sich schon gefragt hatte, ob sie zu große Hoffnung in diese Verabredung gesetzt hatte. Als er ankam, hatte er ihr nur lächelnd ohne Entschuldigung die Beifahrertür geöffnet. Möglicherweise gehörte es in seinen Kreisen zum guten Ton, sich zu verspäten.

An Stéphanes Arm schritt Anouk hinter dem Oberkellner her. Er führte sie zu dem Zweiertisch, den Stéphane telefonisch reserviert hatte. Neben einer Herrentasche, die er an einer Schlaufe um sein Handgelenk trug, hielt er einen antiquiert wirkenden Koffer aus nachgedunkeltem Holz in der Hand.

Anouk schaute sich um. Die in Falten wallenden Volants, die Kerzenlüster an jeder Wand, die Goldapplikationen am Stuck. Was für eine Pracht, was für ein Luxus. Am Ende zu verspielt, zu vordergründig luxuriös. Wie viel vornehmer das Restaurant wirken würde, wenn es seine Bedeutung selbstverständlicher nähme und auf Zurückhaltung setzte. Sie schrak zusammen, als sie Coco Chanel erkannte, die an einem Tisch mit einem halben Dutzend Männern und Frauen saß und sich lebhaft unterhielt. Ihr Gesicht prangte auf allen Modezeitschriften. Die Damen um sie herum traten in bunt schillernder Garderobe auf, doch Mademoiselle Chanel trug nur ein eng anliegendes schwarzes Kleid, sie war geübt darin, sich durch ihren Stil abzuheben.

Stéphane zog den Stuhl für Anouk zurück, sie setzte sich. Er nahm ihr gegenüber Platz, bestellte eine Flasche Chardonnay, Gänseleber mit Cidre-Gelee, Schaumsüppchen von Brunnenkresse und moules marinières.

»Haben Sie Mademoiselle Chanel entdeckt, Anouk?« Stéphane wandte sich zu der berühmten Modeschöpferin um. Die beiden nickten sich zu. »Wenn sie sich in Paris aufhält, ist sie im Ritz praktisch zu Hause. Man trifft sie oft hier.« Ein interessierter Blick aus braunen Augen traf Anouk.

»Sie wirkt unglaublich charismatisch. Kennen Sie sie persönlich?«

»In der Welt des Luxushandels kennen wir uns alle. Und wir geben vor, eine große glückliche Familie zu sein. In Wahrheit ist es ein Haifischbecken, und der Kampf um Ruhm und Kundschaft ist erbarmungslos. Fressen und gefressen werden.« Er lachte, als hätte er gescherzt, aber Anouk hörte die Ernsthaftigkeit in seinen Worten. Ob Stéphane selbst zu den Haien gehörte? Er sah nicht aus wie einer, der sich fressen ließ. »Lassen Sie uns von angenehmeren Dingen plaudern. Erzählen Sie mir von sich.«

Sie hob die Schultern und lächelte dem Kellner zu, der ihre Gläser füllte. Sie würde nur einmal daran nippen. Alkohol hatte keinen guten Einfluss auf ihr Geruchsvermögen. »Ach, mein Leben ist nicht interessant. Meine Mutter und ich sind vor ein paar Jahren nach Paris gezogen, an meinen Vater erinnere ich mich nicht, und seit ich denken kann, will ich nur eins: Parfümeurin werden. Aber ich laufe gegen Wände, seit ich es versuche.«

»Ihre Mutter schien nicht begeistert von der Idee.«

Sie roch an ihrem Glas, sog das fruchtig-kühle Aroma in die Nase. »Ich liebe meine Mutter. Wir haben viel durchgemacht und uns hier in Paris gemeinsam etwas aufgebaut. Aber die Apotheke ist ihre Welt. Am liebsten würde sie mich dort gefangen halten. Je mehr sie es versucht, desto stärker ist mein Drang, mich zu befreien.«

Stéphane schaute sich um. Manchmal glitt ein Lächeln über seine Züge, manchmal nickte er. Kannte er so viele Menschen im Ritz? Sie entdeckte eine Frau in einem silbergrauen Kleid mit auffallendem Lidstrich. Sie warf einen Blick unter langen Wimpern zu Stéphane, den dieser mit einem Nicken erwiderte. Er mochte sich in der Welt der Reichen und Schönen auskennen, aber sein Benehmen befremdete Anouk. Was dachte er sich dabei, während ihrer Verabredung mit anderen zu kokettieren?

»Ich liebe meine Freiheit nicht weniger als Sie.« Erstaunlicherweise hatte Stéphane, obwohl augenfällig abgelenkt, jedes ihrer Worte mitbekommen. »Was haben Sie versucht, um einen Fuß in ein Parfümhaus zu bekommen?«

Der Kellner servierte die Gänseleber. Anouk erzählte Stéphane von all ihren missglückten Vorstellungsgesprächen in den großen Häusern. »Ohne verwandtschaftliche Beziehungen oder Empfehlungen scheint es aussichtslos zu sein. Eine Parfümschule kann ich mir nicht leisten. Meine letzte Hoffnung ist das Geschäft von Karine und Manon Bonnet an der Avenue de l’Opéra, ein kleiner Laden nur, aber die richtige Branche. Sie haben mich für morgen zu einem Gespräch eingeladen.«

Als Anouk die Namen der Schwestern Bonnet nannte, nahm Stéphanes Gesicht von einer Sekunde auf die andere erboste Züge an. Er trank einen Schluck aus dem Wasserglas. »Um Himmels willen, was für eine Verschwendung wäre Ihr Talent bei diesen Bauerntölpeln! Tun Sie sich das nicht an, liebste Anouk! Bei den beiden lernen Sie nichts. Ihr Stammbaum geht auf bettelarme Bauern in Grasse zurück. Ihre niedere Herkunft versuchen die Schwestern wettzumachen, indem sie sich wie zwei Diven geben. Unmögliche Leute, mit denen Sie sich tunlichst nicht in der Öffentlichkeit zeigen sollten, wenn Ihnen Ihr Ruf in der Branche etwas wert ist.«

»Sie kennen wirklich jeden, der mit Parfüm zu tun hat, oder?« Anouk lehnte sich zurück, damit der Kellner die leeren Teller wegräumen konnte.

»Ich kenne viele, ja, aber kaum jemanden besser als die Familie Bonnet.« Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich. »Der Vater der beiden Frauen, Xavier Bonnet, hat um die Jahrhundertwende in Grasse gelebt und mit seinem Bruder Raymond eine Destillerie betrieben. Als mein Großvater sein Parfümimperium aufbaute, kam es zu einem erbitterten Krieg zwischen den Bonnets und den Girards. Die Bonnets sind ein Stamm von geistesgestörten Kriminellen und intriganten Faulenzern. Auf ihr Konto gehen nicht nur Brandstiftung und Ehebruch, sondern auch …« – er beugte den Kopf vor, sie kam ihm entgegen – »kaltblütiger Mord.«

Anouk zuckte zusammen. Stéphane hatte eine blumige Art zu reden, ein bisschen wie ein Märchenerzähler, aber wie stand es um den Wahrheitsgehalt seiner Geschichten? Anouk musterte ihn zweifelnd. Gleichzeitig überlegte sie, ob sie den Termin für das Vorstellungsgespräch am nächsten Tag wahrnehmen sollte oder nicht. »Das klingt entsetzlich.« Sie beugte sich über die duftende grüne Schaumcreme, den zweiten Gang des Menüs.

»Ich glaube an Sie, Anouk. Ihr Auftritt in der Apotheke war überzeugend. Selten habe ich einen Menschen kennengelernt, der mehr für die Parfümbranche geeignet scheint als Sie. Es wäre eine Schande, wenn Sie Ihr Talent an die Bonnets verschwenden. Die nehmen Sie mit Kusshand! Um Sie dann gnadenlos auszubeuten.«

»Leider steht mir die Welt nicht offen, wie Sie es annehmen. Das Haus Bonnet ist meine letzte Chance. Ich weiß nicht, wo in Paris ich mich sonst noch vorstellen soll. Ich habe alle Häuser durch.«

Stéphane klopfte auf seinen Koffer, der neben seinem Stuhl stand. »Die Bonnets sind nicht Ihre letzte Chance. Wenn sich mein Verdacht bestätigt und Sie ein Nasengenie sind, dann will ich Sie meiner Familie vorstellen. Ich bin in unserer Firma für die Reklame und die Pflege der Kundenkontakte zuständig, aber ich habe darüber hinaus Einfluss auf meinen Großvater, der die Firma immer noch leitet. Ich weiß, dass er begeistert von Ihnen sein wird, Anouk, und Ihnen neue Möglichkeiten eröffnen wird.«

Anouk ließ seine Worte sacken, versuchte zu verstehen, was er ihr anbot und was das mit dem Koffer zu tun hatte. Ihr Herz pochte, als sie sich ausmalte, vor den Firmengründer zu treten. Doch was konnte sie Stéphane glauben, und womit wollte er sie lediglich beeindrucken?

Inzwischen waren sie beim Hauptgang angekommen und lösten die in Wein marinierten Muscheln aus den Schalen. Stéphane zog die Brauen zusammen. Von einer Sekunde auf die andere verschwand seine Begeisterung. »Eine Katastrophe. Wie kann der Koch so etwas rausgeben? Es ist viel zu salzig.«

Anouk schmeckte an ihrer Portion nach, fand, dass sie selten Köstlicheres gegessen hatte. Stéphane hatte schon den Ober herangewinkt und ließ die Muscheln abräumen. Auf die Versuche des Kellners, ihm etwas anderes von der Speisekarte anzubieten, reagierte er mit einer herablassenden Handbewegung, die dem Mann bedeutete, er möge sich rasch entfernen. Anouk schaute dem Spektakel peinlich berührt zu. Stéphane sprach zu laut, die anderen Gäste schauten zu ihnen. Er warf die Leinenserviette mit Schwung auf den Tisch. Wie schade, dass der Abend so endete.

In die Runde um Coco Chanel kam Bewegung. Offenbar hatte auch die Modemacherin ihr Essen beendet. Sie trat an ihren Tisch. Stéphane erhob sich, sie tauschten Wangenküsse. »Mein Lieber, mal wieder in Paris? Geschäftlich oder der Liebe wegen?«

»Im Zweifelsfall immer der Liebe wegen«, gab er lachend zurück. »Aber diesmal hatte ich mehrere Termine in den Kaufhäusern. Du weißt ja, die Einkäufer wollen umworben werden.«

Mademoiselle Chanel nickte verstehend, obwohl sich Anouk sicher war, dass die Händler ihr die Türen einrannten, um ihre Düfte anbieten zu dürfen. Sie musterte Anouk für den Bruchteil einer Sekunde. »In so reizender Gesellschaft heute?«

»Nicht nur reizend, sondern auch hochbegabt. Merk dir das Gesicht von Anouk Romilly. Ich werde sie zu einem Star machen.«

Nichts hatte Anouk an diesem Abend eingeschüchtert: nicht das Hotel, in dem sich die Reichen und Berühmten aus ganz Europa trafen, nicht das Ambiente, nicht das köstliche Menü und nicht dieser weltgewandte Mann mit seinem Ferrari und seiner millionenschweren Familie. Aber dass er behauptete, sie würde in der Parfümbranche von sich reden machen, ließ ihr das Blut in den Kopf steigen. Sie öffnete den Mund, um abzuwiegeln, aber Coco Chanel winkte schon zum Abschied. »Nur das Beste für Sie, Anouk. Ich behalte Sie im Auge.« Ihr Lächeln war gewinnend.

»Puh.« Anouk sackte auf ihrem Stuhl zusammen. »Wie konnten Sie das sagen! Ich fühle mich schrecklich.«

Stéphane stieß ein Lachen aus. »Ich würde gern ein Experiment mit Ihnen machen, Anouk. Vertrauen Sie mir? Keine Sorge, es wird Ihnen gefallen.«

Wenn sie geglaubt hatte, Stéphane an diesem Abend ein wenig kennenzulernen, so hatte sie sich getäuscht. Was war sein wahres Gesicht? Das des arroganten Industriellen oder das des impulsiven Kreativen?

Wenig später verließen sie das Restaurant, schlenderten entlang der Place Vendôme am Louvre vorbei und zum Quai des Tuileries. Die Nacht hatte sich über Paris gebreitet, die Straßenlaternen und Schaufenster erstrahlten im hellgelben Licht.

Stéphane bot Anouk seinen Arm und tätschelte ihre Hand, als sie sich bei ihm einhakte. Sie überragte ihn mit ihren Pumps um wenige Zentimeter.

Sie fanden eine Bank direkt am Seineufer, umstanden von Linden, erhellt von einer gusseisernen Straßenlampe.

»Also?« Merkwürdigerweise verspürte Anouk nicht den Hauch von Unsicherheit in Stéphanes Gesellschaft.

Er zog den Koffer auf seinen Schoß und ließ die Schlösser aufschnappen. Zwischen kleinen Schubfächern lagen beschriftete Glasfläschchen mit durchsichtigen, pastelligen und wie Bernstein schimmernden Essenzen. In einem Fach sah sie Teststreifen aus Papier. »Voilá«, sagte Stéphane, »die Schatzkiste unseres Unternehmens. Mein Großvater hat mir den Aromenkoffer geschenkt, als er selbst aufhörte, für die Firma durchs Land zu fahren. In den Anfangszeiten von Girard hat er darin die Parfümkreationen meiner Großmutter in die noblen Hotels an die Riviera gebracht, um sie Kundinnen vorzustellen. Ich nutze den Koffer für die Essenzen der wichtigsten Duftaromen. Ich reise nie ohne ihn, weil es mir immer passieren kann, dass ich die Bestandteile eines Parfüms analysieren möchte, mir Nuancen ins Gedächtnis rufen oder die Qualität von Rohstoffen vergleichen will. Bei der Kundenpflege passiert es mir manchmal, dass mir ein unbekanntes Parfüm der anderen Häuser begegnet. Mithilfe des Aromenkoffers kann ich es meiner Familie gegenüber vor meiner Rückkehr telefonisch beschreiben. Auf dem Markt ist es wichtig, schnell zu reagieren. Meine Schwester Vivienne ist als Parfümeurin auf solche Informationen angewiesen.«

Anouk strich mit den Fingern über die Gläser, nahm eines heraus. »Darf ich?«

»Gern, dafür sind wir hier.«

Sie hielt das Glas hoch und betrachtete die Flüssigkeit im Licht der Laterne. »Jasmin« stand auf dem Etikett und daneben die Zahlen für den Monat und das Jahr, in dem dieses Öl gewonnen wurde.

»Nehmen Sie sich Proben von den Düften, die Sie interessieren, und schildern Sie mir, was die Aromen in Ihnen auslösen.«

»Sind es natürliche Düfte?«

»Nicht nur. Die natürlichen Aromen sind leichter zugänglich, da Name und Duftstoff übereinstimmen. Orangenöl riecht nach Orangen, Punkt. Aber wonach riecht Benzylacetat? Zunächst erinnert es an Bonbons oder Bananen, im Laufe der Zeit wird dem Duftliebhaber jedoch bewusst, dass es ein Bestandteil von Jasmin ist. Ich bin gespannt, wie Sie es beschreiben.«

Anouks Fingerspitzen glühten. Sie griff nach weiteren Phiolen, roch daran. Ohne Eile, sie war ganz bei sich und hatte Stéphanes Anwesenheit vergessen. Ein Universum an natürlichen und künstlichen Gerüchen offenbarte sich ihr. Zwischendurch pausierte sie wenige Minuten, schritt zum Flussufer und sog die Luft ein, die nur das Aroma junger Blätter und feuchter Steine mit sich trug.

Stéphane beobachtete sie aufmerksam, als sie beschrieb, was sie roch. Die Aromen führten sie in Herbstwälder voller Moos, rauschenden Blätterbergen, borkigen Rinden. Sie begleiteten sie in Blumenfelder mit aufgehenden und verwelkten Blüten, in Meereshöhlen, in denen es salzig, bitter und dunkel, aber betörend roch, und in alte Küchen mit likörhaftem Rosenduft, Zitronen und Thymian. Im Geiste wandelte Anouk durch diese Räume, ließ sich allein von ihrer Nase führen. Dann wehte ihr ein Aroma entgegen, das sie elektrisierte. Ihr Atem stockte, aber sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sie war wieder im Gare du Nord. Dieser Geruch gehörte zu Bienvenue. Süße, Vanille, Waldmeister. Sie las das Etikett. Tonkabohne.

»Was ist das für eine Pflanze?«

»Der Tonkabohnenbaum wächst in Südamerika. Wir brauchen bei der Verwendung nur die Bohnen, deren Duft mit Alkohol extrahiert wird. Sie wird übrigens zur Parfümierung von Zigarren verwendet. Also eher ein Herrenduft.«

»Es hat etwas Hypnotisches und Sinnliches an sich. Das Aroma könnte den Charakter einer Frau unterstreichen.«

»Das stimmt! Ich wusste, Sie sind gut. Ein Parfümeur sollte keine Angst vor ungewöhnlichen Entscheidungen haben, um das Besondere zu erschaffen.«

Sie glitt zurück in die Welt, die der Koffer voller Düfte vor ihr ausbreitete. Ihr Geruchsgedächtnis erkannte die künstlichen Aromen wie Menthol statt Pfefferminzöl, Citral statt Zitronenöl, Novoviol statt Veilchen. Sie tauchte ein in die natürlichen Gerüche, bis ihre Nase satt war. Sie lächelte Stéphane an, nicht fragend, nicht herausfordernd, sondern wie eine Frau, die einen Glücksmoment auskostete. »Welche zauberhaften Düfte man mit diesen Aromen erschaffen könnte. Ich würde am liebsten sofort meine Ideen verwirklichen.«