17,99 €
Achtung: Der neue große Brandon-Sanderson-Fantasy-Blockbuster!
Ein Mann, der sich seit Langem nur noch »der Nomade« nennt, wacht in einer ihm fremden Welt auf. Noch ehe er herausfinden kann, wo er ist, wird er mit anderen Menschen in der grauen Morgendämmerung draußen angekettet, wo er gleich unter den Strahlen einer alles verbrennenden Sonne sterben soll. Doch noch ist etwas von der Magie seiner Heimatwelt Roschar in ihm. Mit letzter Kraft kann er sich befreien – aber damit hat sein Schicksal als Held dieser Welt gerade erst begonnen …
Brandon Sanderson ist mit internationalen Fantasy-Bestsellern wie seiner epischen »Sturmlicht-Chroniken«-Saga berühmt geworden. 2022 hat er mit vier neuen Büchern einen Crowdfunding-Rekord gebrochen und die größte Kickstarter-Kampagne aller Zeiten erreicht. »Das Herz der Sonne« ist einer dieser sagenhaften Romane – lupenreine Sanderson-Fantasy und perfekter Lesestoff für alle seine Fans! Die anderen drei Bände der Kampagne erscheinen in den anderen beiden Sanderson-Verlagen Piper und Droemer-Knaur.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 584
Das Buch
Ein Mann, der sich seit Langem nur noch »der Nomade« nennt, wacht in einer ihm fremden Welt auf. Noch ehe er herausfinden kann, wo er ist, wird er mit anderen Menschen in der grauen Morgendämmerung draußen angekettet, wo er gleich unter den Strahlen einer alles verbrennenden Sonne sterben soll. Doch noch ist etwas von der Magie seiner Heimatwelt Roschar in ihm. Mit letzter Kraft kann er sich befreien – aber damit hat sein Schicksal als Held dieser Welt gerade erst begonnen …
Brandon Sanderson ist mit internationalen Fantasy-Bestsellern wie seiner epischen »Sturmlicht-Chroniken«-Saga berühmt geworden. 2022 hat er mit vier neuen Büchern einen Crowdfunding-Rekord gebrochen und die größte Kickstarter-Kampagne aller Zeiten erreicht. »Das Herz der Sonne« ist einer dieser sagenhaften Romane – lupenreine Sanderson-Fantasy und perfekter Lesestoff für alle seine Fans!
Der Autor
Brandon Sanderson, 1975 in Nebraska geboren, schreibt seit seiner Schulzeit fantastische Geschichten. Er studierte Englische Literatur und unterrichtet Kreatives Schreiben. Mit den »Sturmlicht-Chroniken«, seinem großen Epos um das Schicksal der Welt von Roschar, erobert er regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten und begeistert auch in Deutschland viele Zehntausende Fans. Er wird bereits als der J. R. R. Tolkien des 21. Jahrhunderts gepriesen. Brandon Sanderson lebt mit seiner Familie in Provo, Utah.
Mehr über den Autor und sein Werk auf:
www.brandon-sanderson.de
Ein Kosmeer-Roman
Aus dem Amerikanischenvon Michael Siefener
Das Original ist unter dem Titel
THESUNLITMAN
bei Dragonsteel Entertainment, LLC, erschienen.
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
Copyright © 2023 by Dragonsteel Entertainment, LLC
Copyright © 2024 der deutschsprachigen Ausgabe byWilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Joern Rauser
Illustrationen Vorsatzpapier vorn und hinten: Ernanda Souza
Umschlagillustration: Sonja Gebhardt, unter Verwendungvon Adobestock / scaliger / Blue Planet Studio / Daria17
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design
Satz: Schaber Datentechnik, Austria
ISBN 978-3-641-30831-5V001
www.heyne.de
Für euch alle, Anhänger des Kosmeers, die ihr meine Träume lebendig werden lasst
Wow! Was für ein Jahr! Es war ein wilder Ritt, in dem jeder Beteiligte tonnenweise Arbeit wegschaffen musste. Ich werde dafür sorgen, dass sich alle in dieser Danksagung wiederfinden, aber zuerst möchte ich jedem ein ganz großes Dankeschön sagen. Es muss eine Herkulesarbeit gewesen sein, diese Bücher zu lektorieren, zu illustrieren und druckfertig zu machen.
Unser Lektor bei diesem Buch war Moshe Feder, mein alter Kampfgenosse und der Mann, der mich entdeckt hat. Es war aufregend, wieder mit ihm zusammenzuarbeiten, und ich bin froh, dass er da war, um mir bei meinem nächsten Abschnitt von Nomads Reise zu helfen. Ein besonderer Dank geht an Dr. Joseph Jensen für seine Hilfe bei astrophysikalischen Fragen, denn auf diesem Feld ist er ein wahrer Prachtkerl. Und was das Kosmeer-Künstlerteam angeht: Ihr seid einfach großartig.
Ich werde von der wunderbaren Mannschaft der JABberwocky Literary Agency vertreten, bei der Joshua Bilmes am Steuer steht. Vielen Dank auch an Susan Velazquez und Christina Zobel.
Im Vergleich zu den anderen geheimen Projekten ist dieses Buch eine Seltsamkeit, denn hier haben wir nicht einen Illustrator, sondern gleich drei. Wir wollten ein paar neue Leute ausprobieren und haben einige gefunden, die für diesen besonderen Roman tolle Arbeit geleistet haben. Ein großer Dank an sie alle für ihre erstaunlichen Leistungen! Diese Projekte wurden zu etwas ganz Besonderen, weil sie daran beteiligt waren. Ernanda Souza hat die Vorsätze, die Farbillustrationen und die Konzeptkunst geschaffen. Sie hat wirklich eine grandiose Arbeit geleistet, und es war wunderbar, mit ihr zusammenzuarbeiten. Nabetse Zitro hat die Zeichnungen angefertigt und ist wieder zu uns gestoßen, nachdem er einfach Unglaubliches in dem neuen White-Sands-Comicalbum geleistet hat. Und von kudriaken stammt der spektakuläre Umschlag.
Bill Wearne, unser Drucker bei der American Print and Bindery, hat bei jedem der geheimen Projekte Wunder gewirkt. Wir schätzen ihn, die Binderei und alle, die ihm bei der Herstellung dieses Buches geholfen haben, über alle Maßen. Debi Bergerson war für den Druck verantwortlich, und Chad Dillon hat alles Menschenmögliche getan, damit nur die besten Materialien Einsatz fanden.
Und nun kommen wir zur Abteilung Dragonsteel. Mir steht das beste Team in diesem Business zur Verfügung, und sie alle haben viel Arbeit in diese geheimen Projekte gesteckt.
Isaac Stuart ist unser Vizepräsident in der Kreativabteilung. Zu seiner Mannschaft gehören Ben McSweeney (der großartige Arbeit geleistet hat, um die Vision dieses Projekts zu einem großen, in sich schlüssigen Ganzen werden zu lassen), Rachael Lynn Buchanan (die Schwerstarbeit geleistet hat, indem sie Isaac bei der Arbeit mit den Künstlern unterstützt, Szenen für die Illustrationen ausgesucht und immer alles im Blick behalten hat), Jennifer Neal, Hayley Lazo, Priscilla Spencer und Anna Earley.
Peter Ahlstrom ist unser Vizepräsident der Lektoratsabteilung. Zu seiner Mannschaft gehören Karen Ahlstrom, Kristy S. Gilbert, Jennie Stevens (unsere Lektorin für dieses Buch), Betsey Ahlstrom und Emily Shaw-Higham. Kristy Kugler hat das Korrekturlesen übernommen.
Die erzählerische Abteilung besteht nur aus Dan Wells, der auch ihr Vizepräsident ist. Aber wir lassen ihn Ben herumkommandieren, damit er einen Ausgleich hat.
Unser Vorstand für das operative Geschäft ist Emily Sanderson, und das Geschäftsteam besteht aus Matt »Matt« Hatch, Emma Tan-Stoker, Jane Horne, Kathleen Dorsey Sanderson, Makena Saluone, Hazel Cummings und Becky Wilson.
Adam Horne, auch bekannt als Großmeister der Corgis, ist unser Vizepräsident der Abteilung Publicity und Marketing. Zu ihm gehören Jeremy Palmer, Taylor D. Hatch und Octavia Escamilla.
Kara Stewart ist die Vizepräsidentin unserer Merchandising-Abteilung und sorgt dafür, dass ihr alle eure Päckchen bekommt. Zu ihrer Mannschaft gehören Emma Tan-Stoker, Christi Jacobsen, Kellyn Neumann, Lex Willhite, Mem Grange, Michael Bateman, Joy Allen, Ally Reep, Richard Rubert, Katy Ives, Brett Moore, Dallin Holden, Daniel Phipps, Jacob Chrisman, Alex Lyon, Matt Hampton, Camilla Cutler, Quinton Martin, Esther Grange, Logan Reep, Laura Loveridge, Amanda Butterfield, Gwen Hickman, Donald Mustard III., Zoe Hatch, Pablo Mooney, Braydonn Moore, Avery Morgan, Nathan Mortensen, Christian Fairbanks, Dal Hill, George Kaler, Kathleen Barlow, Kaleigh Arnold, Kitty Allen, Rachel Jacobsen, Sydney Wilson, Katelyn Hatch und Judy Torsak.
Außerdem möchte ich Oriana Leckert von Kickstarter und Anna Gallagher, Palmer Hohnson und McKynzee Wiggins (Haupt-Button-Macherin) von BackerKit danken.
Meine Schreibgruppe besteht aus Emily Sanderson, Kathleen Dorsey Sanderson, Pater Ahlstrom, Karen Ahlstrom, Darci Stone, Eric James Stone, Alan Layton, Ethan Skarstedt, Ben Olsen und Dan Wells.
Die Alpha-Leser bei diesem Buch waren Karen Ahlstrom, Joy Allen, Christi Jacobsen, Brett Moore, Brad Neumann, Kellyn Neumann, Ally Reep, Emma Tan-Stoker, Sean VanBlack und Dan Wells.
Unsere Beta-Leser sind Ravi Persaud, Ian McNatt, Brandon Cole, Shannon Nelson, Ben Marrow, Jennifer Neal, Poonam Desai, Chris McGrath, Sumejja Muratagic-Tadic, Kendra Alexander, Zenef Mark Lindberg, Paige Phillips, Rosemary Williams, Eric Lake, David Behrens, William Juan und Erika Kuta Marler. Ein besonderer Dank geht an Mikah Kilgore für xyr-beta-Feedback zu den Bildbeschreibungen im eBook und im Audiobook.
Unsere Gamma-Leser sind viele unserer Beta-Leser und zusätzlich Evgeni »Argent« Kirilov, Joshua Harkey, Ross Newberry, Tim Challener, Jessica Ashcraft, Ted Herman, Brian T. Hill, Rob West, Paige Vest, Gary Singer, Darci Cole, Kalyani Poluri, Jayden King, Lingting »Botanica« Xu, Glen Vogelaar, Bob Kluttz, Billy Todd, Megan Kanne, Eliyahu Berelowitz Levin, Aaron Ford, Jessie Lake und Sam Baskin.
Zum Arcanisten-Team gehören Erik Lake, Evgeni »Argent« Kirilov, Ben Marrow, David Behrens, Ian McNatt und Joshua Harkey.
Da dieses Buch das letzte der Kickstarter-Geheimprojekte ist, möchte ich die letzte Gelegenheit ergreifen, euch allen zu danken. Ich mag zwar die Bücher geschrieben haben, aber ihr habt das Ereignis geschaffen, zu dem sie geworden sind. Ihr habt dieses Jahr zu etwas Besonderem gemacht. Wenn ihr das Buch gelesen habt, schaut euch das Nachwort an …
Brandon Sanderson
Nomad wachte unter den Verdammten auf.
Er blinzelte. Mit der rechten Wange lag er im Dreck. Dann richtete er den Blick auf eine Pflanze, die wie im Zeitraffer vor seinen Augen wuchs. Irgendwie unpassend. Träumte er? Der zarte Schössling zitterte, wand sich und wuchtete sich aus der Erde hoch. Er schien sich vor Freude zu dehnen, und seine Samenhülsen teilten sich wie Arme nach einem langen und tiefen Schlaf. Aus der Mitte erhob sich ein Stängel und prüfte die Luft wie eine Schlangenzunge. Dann streckte er sich dem schwachen Licht entgegen, das aus jener Richtung herbeidrang.
Nomad ächzte und hob den Kopf. Er war benommen, seine Muskeln schmerzten. An welcher Stelle war er in diese Zeit hinübergesprungen? War sie weit genug entfernt, dass er sich hier vor der Nachtbrigade verstecken konnte?
Natürlich nicht. Nirgendwo konnte er sich vor ihr verstecken. Er musste in Bewegung bleiben. Er musste …
Bei den Stürmen! Es fühlte sich gut an, hier zu liegen. Konnte er sich nicht einfach eine Weile ausruhen? Ein einziges Mal aufhören zu laufen?
Grobe Hände packten ihn von hinten, zerrten ihn auf die Knie und rissen ihn aus seiner Benommenheit. Dabei wurde er sich seiner Umgebung deutlicher bewusst. Er hörte die Schreie, das Ächzen. Es waren Laute, die ihm in seiner Nach-Übersprung-Verwirrung entgangen waren.
Die Leute hier – einschließlich des Mannes, der ihn gegriffen hatte – trugen unvertraute Kleidung. Lange Hosen, Ärmel mit engen Manschetten. Hemden mit hohen Krägen, die bis zum Kinn reichten. Der Mann schüttelte ihn und brüllte Nomad in einer Sprache an, die dieser nicht verstand.
»Über… Übersetzung?«, krächzte Nomad.
Verzeihung, sagte eine tiefe, monotone Stimme in seinem Kopf. Dafür haben wir nicht genug Investitur.
Richtig. Für den letzten Übersprung hatte er kaum noch genug aufbringen können, und nun war er so gut wie ausgetrocknet. Seine Fähigkeiten beruhten darauf, dass er bestimmte Schwellen der Investitur erreichte oder beibehielt – das war jene mystische Kraftquelle, die auf den meisten Planeten, die er besucht hatte, außergewöhnliche Ereignisse nach sich zog.
»Wie viel?«, krächzte er. »Wie viel haben wir übrig?«
Etwa tausendfünfhundert Atemwerteinheiten. Mit anderen Worten: unter acht Prozent Übersprungleistung.
Verdammnis. Wie er befürchtet hatte, waren die Kosten, hierherzukommen, zu hoch gewesen. Solange er ein bestimmtes Niveau beibehielt, war sein Körper zu außerordentlichen Dingen in der Lage. Alles kostete ein wenig Investitur, aber die Kosten waren gering – solange er seine Grenzen nicht überschritt.
Wenn er bei über zweitausend Atemwerteinheiten blieb, konnte er mit seiner Kraft der Verbindung spielen. Dann war es möglich, durch seine Fähigkeiten eine feste Anbindung zu einem Planeten herzustellen, also auch die örtliche Sprache zu sprechen. Das bedeutete, dass Nomad erst dann in der Lage sein würde, sich mit den Bewohnern zu unterhalten, wenn er eine Kraftquelle gefunden hatte, die er imstande war, in sich aufzunehmen.
Unter dem Atem des brüllenden Mannes zuckte Nomad zusammen. Er trug einen Hut mit breiter Krempe, der unter dem Kinn festgebunden war, und dazu dicke Handschuhe. Zwielicht herrschte, auch wenn eine brennende Korona den Horizont erhellte. Nomad vermutete, dass die Morgendämmerung bald einsetzte. Doch selbst bei diesem schwachen Licht wuchsen Schösslinge überall auf dem Feld. Diese Gewächse … ihre Bewegungen erinnerten ihn an seine Heimat – ein Ort ohne Erdkrume, dafür aber mit Pflanzen, die wesentlich kräftiger und robuster waren als auf anderen Welten.
Doch jene dort waren etwas anders als diese hier, die nicht zur Seite zuckten, wenn jemand auf sie zu treten drohte. Und außerdem … die Pflanzen hier wuchsen recht schnell. Warum eigentlich?
Nicht weit von ihm entfernt stießen Personen in langen weißen Mänteln Pfähle in den Boden. Dann wurden andere Personen, die keine solchen Mäntel trugen, daran gekettet. Beide Gruppen wiesen eine Vielzahl von Hauttönungen auf und trugen ähnliche Kleidung.
Nomad verstand zwar die Worte nicht, die gebrüllt wurden, aber er begriff die Haltung der Verdammten. Die Schreie der Verzweiflung, die einige von ihnen ausstießen, dazu das Flehen von anderen und die erbärmliche Resignation der meisten, wenn sie an die Pfähle gekettet wurden.
Dies hier war eine Hinrichtung.
Der Mann, der Nomad festhielt, rief ihm wieder etwas zu und starrte ihn aus wässerig-blauen Augen an. Nomad schüttelte nur den Kopf. Dieser Atem könnte Blumen zum Verwelken bringen. Der Gefährte des Mannes – er trug einen jener langen weißen Mäntel – vollführte vor Nomad Gesten und schien ihm etwas erklären zu wollen. Bald kamen seine beiden Gegner zu einer Entscheidung. Der eine nahm Handfesseln von seinem Gürtel und wollte sie Nomad anlegen.
»Oje«, sagte Nomad, »ich glaube kaum, dass du das schaffst.« Er packte den Mann am Handgelenk, wollte ihn zu Boden werfen und den anderen Mann zum Stolpern bringen.
Aber Nomads Muskeln erstarrten – wie bei einer Maschine, der das Schmieröl ausgegangen war. Er wurde steif, und die Männer zogen sich vor ihm zurück. Seine plötzliche Aktivität schien sie überrascht zu haben.
Dann lockerten sich Nomads Muskeln wieder, und er streckte die Arme aus – und spürte einen scharfen Schmerz. »Verdammnis!« Sein Tormentum wurde schlimmer. Er sah seine verängstigten Gegner an. Wenigstens schienen sie nicht bewaffnet zu sein.
Eine Gestalt trat aus der Menge hervor. Alle anderen, seien es Männer oder Frauen, trugen Kleidung und zeigten unbedeckte Haut nur auf ihren Gesichtern. Aber dieser Neuankömmling offenbarte seine nackte Brust – er trug eine durchsichtige Robe, die vorn aufstand – und steckte in einer dicken schwarzen Hose. Er war die einzige Person auf dem Feld, die keine Handschuhe trug. Dafür glänzten an seinen Unterarmen goldene Reife.
Und ihm fehlte der größte Teil der Brust.
Brustkorb und Herz waren herausgeschält worden – alles schien weggebrannt, und die verbliebene Haut wirkte versengt und geschwärzt. In der Brusthöhle war das Herz des Mannes durch eine glühende Kohle ersetzt worden. Sie pulsierte rot, wenn der Wind sie anfachte – ebenso wie viele andere stecknadelgroße Punkte inmitten der verbrannten Asche. Schwarze Brandmale verliefen von dem Loch in der Brust über die Haut des Mannes, und sogar auf seinem Gesicht zeigten sich einige Flecken, in denen gelegentlich weitaus kleinere Funken glühten. Es wirkte, als sei der Mann an ein Düsentriebwerk gebunden gewesen, während dieses gezündet hatte. Aber er hatte nicht nur überlebt, sondern schien nun auf ewig zu brennen.
»Ich vermute«, sagte Nomad, »dass ihr nicht von der Sorte seid, die über den komischen Patzer eines armseligen Besuchers lachen kann, der sich mit eurer Kultur noch nicht auskennt?« Er stand auf und hob auf besänftigende Weise die Hände. Dabei beachtete er seinen Instinkt nicht, der ihm – wie immer – dringend dazu riet, wegzulaufen.
Der Kohlenmann holte einen großen Schläger hinter seinem Rücken hervor. Er wirkte wie ein Polizei-Knüppel, schien aber nicht lebensbedrohlich zu sein, auch wenn Nomad ihn nicht gerade willkommen hieß.
»Wohl eher nicht«, sagte Nomad und wich zurück. Einige der angeketteten Personen beobachteten ihn mit dem seltsamen und doch vertrauten Blick eines Gefangenen, der glücklich ist, dass jemand anders als er die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Der Kohlenmann glitt übernatürlich schnell auf ihn zu, und sein Herzlicht flammte auf. Er war investiert. Großartig.
Nomad konnte dem heftigen Schlag kaum ausweichen.
»Ich brauche eine Waffe, Aux!«, rief Nomad.
Na, dann ruf dir doch eine, mein lieber Knappe, sagte die Stimme in seinem Kopf. Ich halte dich bestimmt nicht zurück.
Nomad grunzte und tauchte durch hohe Büschel aus Gras, die in den Minuten seit seinem Erwachen gewachsen waren. Er versuchte eine Waffe zum Erscheinen zu bringen, aber nichts geschah.
Es ist dein Tormentum, bemerkt der Ritter hilfsbereit gegenüber seinem nur bedingt fähigen Knappen. Es ist stark genug geworden, dir eine Waffe zu verweigern. Wie gewöhnlich klang Aux’ Stimme ganz und gar eintönig. Er war sich dessen bewusst, deshalb kommentierte er sich auch selbst.
Als der Kohlenmann erneut mit seinem Knüppel nach ihm schlug, wich Nomad wieder aus. Er verfehlte ihn knapp, und der Boden erzitterte unter dem Aufschlag. Bei den Stürmen! Das Licht wurde heller. Nun bedeckte es den ganzen Horizont auf eine Weise, die sich allzu gleichmäßig anfühlte. Wie … wie groß mochte die Sonne dieses Planeten sein?
»Ich war der Meinung«, rief Nomad, »dass meine Eide diesen Aspekt des Tormentums außer Kraft setzen!«
Tut mir leid, Nomad. Aber – welche Eide?
Der Kohlenmann bereitete sich auf den nächsten Schlag vor. Nomad holte tief Luft, duckte sich unter dem Angriff weg und wollte selbst angreifen, aber sein Körper erstarrte schon wieder.
Ja, ich verstehe, sinnt der Ritter im Plauderton nach. Sein Tormentum versucht sogar kleinere körperliche Auseinandersetzungen zu verhindern.
Er konnte also nicht einmal mehr jemanden angreifen? Das war wirklich schlimm. Der Kohlenmann gab ihm eine Ohrfeige, und Nomad ging mit einem Grunzen zu Boden. Er konnte sich gerade noch unter der Keule wegrollen und mühte sich auf die Beine.
Der Knüppel flog wieder auf ihn zu, und instinktiv hob Nomad beide Hände – und nahm die Waffe. Hielt den Schwung auf.
Der Kohlenmann machte große Augen. In der Nähe riefen einige Gefangene etwas. Köpfe drehten sich. Offenbar waren die Leute hier nicht daran gewöhnt, dass jemand in eine direkte Konfrontation mit einem investierten Krieger trat. Die Augen des Kohlenmannes wurden noch größer, während Nomad mit zusammengebissenen Zähnen auf ihn zutrat und ihn mit einem Stoß aus dem Gleichgewicht brachte, sodass der Mann rückwärts taumelte.
Hinter diesem seltsamen Krieger verzerrte nun strahlendes Licht den geschmolzenen Horizont und brachte eine plötzliche, versengende Hitze mit sich. Die Pflanzen um ihn herum waren so schnell gewachsen, dass sie schon wieder verwelkten. Aus den Reihen der Angeketteten erhob sich ein Wimmern und Kreischen.
Lauf weg, rief ein Teil von Nomad. Lauf doch endlich weg!
Und genau das tat er.
Mehr schien ihm in letzter Zeit auch nicht übrig zu bleiben.
Aber als er herumwirbelte und wegrennen wollte, schwang ein weiterer Kohlenmann hinter ihm seine Keule. Nomad versuchte auch diesen Schlag abzufangen, aber sein sturmverdammter Körper wurde schon wieder starr.
»Na, komm schon!«, rief er, als ihn der Knüppel an der Seite traf. Er stolperte. Der Kohlenmann versetzte ihm mit seiner kräftigen Faust einen Schlag ins Gesicht und schickte ihn erneut in den Dreck.
Nomad keuchte und spürte raue Erde und Felsen an seiner Haut. Und Hitze. Eine schreckliche, verwirrende Hitze, die vom Horizont herkam und deren Intensität noch immer zunahm.
Beide Kohlenmänner wandten sich von ihm ab, und dann zeigte der erste über seine Schulter auf Nomad. Die beiden scheuen Offiziere eilten in ihren weißen Mänteln herbei und fesselten ihm die Hände, während er von Schmerz und Ärger noch ganz benommen war. Sie schienen zu überlegen, einen weiteren Pfosten in die Erde zu rammen und ihn daran festzubinden, aber offenbar vermuteten sie, dass ein Mann, der in der Lage war, den Knüppel eines investierten Kriegers zu packen, einen Pfahl ohne Weiteres wieder aus der Erde herausreißen konnte. Stattdessen schleiften sie ihn zu einem Ring, der an einem Stein befestigt war, und banden ihn dort an.
Innerhalb der Reihe der Gefangenen fiel Nomad auf die Knie. Schweiß tropfte ihm von der Stirn, als die Hitze zunahm. Sein Instinkt schrie ihm zu, er möge endlich weglaufen.
Doch ein anderer Teil von ihm … wollte einfach, dass es vorbei sein möge. Wie lange hatte die Jagd schon gedauert? Wie lange war es her, seit er zum letzten Mal aufrecht dagestanden hatte?
Vielleicht beende ich es einfach, dachte er. Der Gnadentod. Wie bei einem Mann, der tödlich verletzt auf dem Schlachtfeld liegt.
Er sackte in sich zusammen; in seiner verwundeten Flanke pulste es zwar schmerzhaft, aber er bezweifelte, dass etwas gebrochen war. Solange er noch etwa fünf Prozent Übersprungkapazität – also ungefähr tausend AWE – behielt, war sein Körper kräftig genug und ausgesprochen widerstandsfähig. Was bei anderen zu Brüchen führte, verursachte ihm höchstens eine Prellung. Feuer, das andere verbrannte, sengte ihn lediglich an.
Heilkraft eingeschaltet, sagt der Held mit zuversichtlicher Stimme zu seinem gedemütigten Diener. Du rangierst jetzt unter zehn Prozent Übersprungkapazität, deshalb wird dein Körper nicht so gut heilen, wie du es gewöhnt bist.
Manchmal fragte er sich, ob die Verbesserungen an seinem Körper ein Segen oder nur ein weiterer Teil des Tormentums waren. Das Licht nahm mit der Hitze zu und wurde geradezu blendend. Dieser Rauch in der Ferne … war das der Boden, der gerade Feuer fing? Der vom Licht der Sonne in Brand gesteckt wurde?
Verdammnis. Die Verdammnis höchstpersönlich stieg über dem Horizont auf.
Dieses Licht, sagte Aux. Es ist viel zu kräftig für gewöhnliches Sonnenlicht – zumindest auf einem bewohnbaren Planeten.
»Glaubst du, das Licht ist investiert?«, flüsterte Nomad. »Wie auf Taldain?«
Eine einleuchtende Theorie, sagt der Ritter mit nachdenklicher Neugier.
»Glaubst du, du kannst es aufsaugen?«
Vielleicht. Das werden wir wohl gleich sehen …
Wenn er es in sich aufnehmen konnte, wäre er auch in der Lage, von diesem Planeten auf einen anderen überzuspringen und somit noch mehr Raum zwischen sich und die Nachtbrigade zu bringen. Wär das nicht mal schön? Ein wenig Vorsprung? Aber etwas an der Intensität dieses Lichts entmutigte Nomad. Es machte ihm Sorgen. Er sah zu, wie die Offiziere in seiner Nähe – einschließlich der Kohlenmänner – den Rest der Gefangenen festbanden. Dann rannten sie auf eine Reihe von Maschinen zu. Sie waren lang und dünn, und in jeder befanden sich sechs Sitze. Ein Dach hatten sie nicht, nur eine Windschutzscheibe vorn und Kontrollinstrumente für den Bediener, der vorn links saß.
Sie sahen aus wie … sechssitzige Schweberäder. Eine seltsame Konstruktion, zu der ihm keine andere Bezeichnung einfiel. Offenbar saß man rittlings auf jedem Sitz und hatte eine Öffnung für das innere Bein. Alle waren durch einen Rumpf ohne Außenwand oder Tür miteinander verbunden. Er war nicht überrascht, als unter dem ersten Fahrzeug Feuer aufblitzte und es etwa ein halbes Dutzend Fuß in die Luft hob.
Was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Er wandte sich dem beständig stärker werdenden Licht zu, als die Pflanzen, die noch vor wenigen Minuten nur so vor Lebenskraft gestrotzt hatten, braun wurden und sofort verwelkten. Er glaubte, das Röhren der Flammen in der Ferne zu hören, als sich das volle Sonnenlicht wie die Front eines Sturms näherte, der ihm früher einmal vertraut gewesen sein musste.
Als er die Kraft dieses Lichts betrachtete, vermutete er, dass er nicht in der Lage sein würde, es in sich aufzunehmen. Genauso wenig, wie beispielsweise eine herkömmliche Stromleitung und ein Schalter mit der gewaltigen Spannung eines Kernreaktors klarzukommen vermochten. Das hier war etwas Unglaubliches – eine Kraft, die ihn rösten würde, noch bevor er sich ihrer Möglichkeiten bedienen konnte.
Äh, Nomad, sagte Aux mit seiner monotonen Stimme. Ich habe den Eindruck, dass der Versuch, Investitur daraus zu ziehen und dann auch zu benutzen, genauso nutzlos ist wie der, eine einzelne Schneeflocke aus einer Lawine herauszuholen. Ich … glaube nicht, dass dich das Licht treffen sollte.
»Es wird mich töten …«, flüsterte Nomad.
Ist es denn das … was du willst?
Nein.
Nein, auch wenn er vieles an seinem Leben hasste, wollte er doch nicht sterben. Auch wenn er mit jedem Tag wilder zu werden schien … na ja, wilde Tiere wussten immerhin, wie man um sein Leben kämpft.
Plötzlich überfiel Nomad rasende Verzweiflung. Er zerrte und riss an den Ketten. Das zweite der vier Schweberäder hob ab, und die Geschwindigkeit des heranrasenden Sonnenlichts machte ihm klar, dass sie seine einzige Hoffnung auf ein Entkommen waren. Er brüllte mit heiserer Stimme, stemmte sich gegen den Stahl, dehnte ihn – konnte sich aber nicht befreien.
»Aux!«, rief er. »Ich brauche eine Klinge! Verwandle dich!«
Ich bin gewiss nicht derjenige, der dies verhindert, Nomad.
»Dieses Licht wird uns umbringen!«
Genauer gesagt: Es wird dich umbringen, mein armer Diener. Ich bin ja schon tot.
Nomad schrie einen Urlaut heraus, als das dritte Schweberad startete, aber das letzte hatte Schwierigkeiten. Vielleicht konnte er …
Einen Augenblick.
»Waffen sind mir verboten. Aber … was wäre mit Werkzeug?«
Warum sollte dir das verboten sein?
Nomad war ein Idiot! Auxilium war schließlich ein Metallwerkzeug, das die Gestalt wandeln konnte. So war es ihm also möglich, sich als Brechstange zu manifestieren. Wie aus weißem Nebel bildete sich eine solche Stange nun in seinen Händen; sie schien wie aus dem Nichts zu kommen. Nomad steckte sie in den Ring, der an dem Felsen befestigt war, und drückte daraufhin mit seinem ganzen Gewicht dagegen.
KNACK.
Er rutschte auf den Knien nach vorn. Seine Hände waren zwar noch gefesselt, aber die Kette zwischen ihnen war zwei Fuß lang. Er mühte sich auf die Beine und rannte dem letzten Schweberad entgegen, dessen Turbine nun endlich unter ihm zündete.
Er rief Auxilium als Haken und Kette zu sich und schleuderte den Haken kurzerhand auf das Gefährt zu. Gerade als die Maschine abhob, fand er Halt. Auf sein Kommando hin zischte der Haken kurz auf, nachdem Auxilium sich verklammert hatte, und bildete einen festen Ring um einen Vorsprung an dem hinteren Teil des Gefährts. Das andere Ende der Kette verband sich mit Nomads Handfesseln.
Das Sonnenlicht erreichte ihn. Es war ein unglaubliches, starkes und brennendes Licht. Gefangene wurden entzündet. Sie schrien.
Oh, bei den Stürmen!, ruft der Ritter.
In diesem Augenblick spannte sich die Kette. Nomad wurde aus dem Sonnenlicht gerissen. Seine Haut schrie vor Schmerz auf, seine Kleidung brannte.
Er wurde von dem sicheren Tod weggeschleppt. Aber wohin – das wusste er nicht.
Nomad fiel mit der Flanke zuerst auf den Boden und wurde von dem Schweberad mit beängstigender Geschwindigkeit mitgeschleift.
Deine Heilfähigkeit ist aktiviert, sagte Aux. Und dein Körper hat sich dem niedrigeren Luftdruck der Umgebung angepasst. Aber, Nomad, du hast nur noch sehr wenig Investitur übrig. Versuche doch, in der nächsten Zeit nicht allzu heftig zusammengeschlagen zu werden, ja?
Während Aux sprach, brach Nomad durch Barrieren aus verdorrten Pflanzen und wurde immer wieder gegen Felsbrocken geschleudert, während grober Dreck seine Haut schmirgelte. Aber Nomad war aus hartem Holz geschnitzt. Die Grundmenge an Investitur schützte ihn. Auch wenn er eine Menge davon zum Heilen benötigen und sie darum schneller als seine anderen Fähigkeiten abnehmen würde, brauchte er vielleicht gar nicht so viel, solange er noch Reste davon besaß.
Er war nicht unsterblich. Die meisten modernen Waffen waren unmittelbar tödlich für ihn – bei den Stürmen! –, selbst manche primitiven konnten ihn umbringen, wenn sie nur beharrlich genug eingesetzt wurden und ihm dabei allmählich die Investitur ausging. Während den meisten Menschen die Arme ausgekugelt werden würden – und während ihnen die Haut abgeschält worden wäre, denn bei dieser Geschwindigkeit wirkten sogar die verwelkten Pflanzen wie Rasiermesser –, blieb er in einem Stück. Und es gelang ihm sogar, gleichzeitig auch noch seine Brandwunden zum Heilen zu bringen.
Nur noch sechs Prozent, teilte ihm Aux mit. Alles in allem war das gar nicht schlecht. Aber … hast du diese Hitze gespürt? Sie war unwirklich. Da war gewiss Investitur im Spiel, aber ich konnte nichts davon greifen. Wenn ich mich geöffnet und versucht hätte, sie aufzunehmen, hätte mich das vernichtet. Wir brauchen eine ungefährlichere Methode, sie zu ernten.
Nomad ächzte, als er wieder auf den Boden schlug. Unter großen Mühen gelang es ihm, sich umzudrehen, damit die weiteren Schäden hauptsächlich Oberschenkel und Schulter abbekamen. Der Wind blies die Flammen in seiner Kleidung aus, aber bald waren Jacke und Hemd von alldem zerfetzt, über das er geschleift wurde, und die einzelnen Teile fielen von ihm ab.
Seine Haut jedoch heilte. Ihm war die grobe Art seiner Flucht gleichgültig. Das war besser, als in jenem Sonnenschein geblieben zu sein.
Er schloss die Augen und versuchte einen größeren Schmerz zu bannen. Die Erinnerung an die Schreie der unglücklichen Gefangenen, als sie den Sonnenaufgang sahen, der sie innerhalb weniger Sekunden in Asche verwandelt hatte. Er war sicher, dass ihn einige von ihnen um Hilfe angerufen hatten.
Früher war er nicht in der Lage gewesen, einen solchen Hilferuf unbeachtet zu lassen. Aber im Kosmeer starben jeden Tag Millionen, vielleicht sogar Milliarden Menschen. Das alles konnte er nicht verhindern. Er schaffte es ja kaum, sich selbst am Leben zu erhalten.
Trotzdem schmerzte es. Selbst nach den vielen Jahren des Tormentums hasste er es, Menschen beim Sterben zu beobachten.
Er drückte das Kinn gegen den Hals und schützte sein durchgerütteltes Gesicht davor, über die grobe Oberfläche dieser harschen Welt gezogen zu werden. Er erkannte, dass sich der Himmel verdunkelte. Das fürchterliche Sonnenlicht verschwand hinter dem Horizont, als hätte die Abenddämmerung bereits eingesetzt. Aber schließlich war Nomad derjenige, der sich hier bewegte. Die Schweberäder waren so schnell, dass sie den Planeten vor der aufgehenden Sonne umrunden und sich außer Reichweite ihrer versengenden Strahlen halten konnten.
Dieser Planet muss eine langsame Rotation besitzen, bemerkt der Held gegenüber seinem erratischen Diener. Sieh nur, wie leicht diese Gefährte die Sonne hinter sich lassen können.
Vor ihm, gegenüber der Sonne, erhob sich ein gewaltiger Ring, der den Planeten umspannte, in den Himmel – ein breiter Bogen, der das Sonnenlicht widerspiegelte.
Nomad blieb kaum Gelegenheit, die Rückkehr zum sicheren Zwielicht zu genießen. Einige Insassen des Rades versuchten seine Kette zu lösen, aber bei einer solchen Geschwindigkeit – und mit ihm als Gewicht am anderen Ende – wäre das auch dann schwierig gewesen, wenn er die eiserne Schlinge nicht versiegelt hätte. Er fragte sich, ob sie vielleicht anhalten und sich um ihn kümmern würden, aber sie flogen weiter hinter den anderen Rädern her, nie mehr als ein paar Fuß über dem Boden.
Schließlich wurden sie langsamer, dann hielten sie an. Nomad lag nun auf einem Flecken feuchter Erde und genoss das Gefühl von etwas Weichem an der Haut. Er ächzte und drehte sich um. Seine Hose bestand nur noch aus Fetzen, die frisch verheilte Haut war geschlagen und verbeult, und seine Hände steckten weiterhin in den Fesseln. Nach einem Augenblick der stillen Qual – in dem er versuchte, sich an der Tatsache zu erfreuen, dass wenigstens keine neuen Schmerzen hinzugekommen waren – drehte er den Kopf und wollte in Erfahrung bringen, warum sie angehalten hatten.
Er sah keinen Grund dafür. Vielleicht mussten sich die Fahrer bloß orientieren, denn nach einer kurzen Unterredung flogen die Schweberäder wieder los. Diesmal stiegen sie höher in die Luft, sodass Nomad an seiner Kette baumelte. Das war besser, denn nun schlug er gegen nichts mehr. Vermutlich waren sie vorhin nicht so hoch aufgestiegen, weil sie es nicht hatten riskieren wollen, ins Sonnenlicht zu geraten.
Es fühlte sich an, als würden sie eine ganze Stunde dahinfliegen, bis sie am Ende etwas Bemerkenswertes erreichten: eine schwebende Stadt. Sie bewegte sich durch die Landschaft – eine gewaltige Platte, angehoben vom Schub Hunderter Motoren, die unter ihr brannten und röhrten. Nomad war schon früher in fliegenden Städten gewesen, einschließlich einer auf einem Planeten in der Nähe seiner Heimatwelt. Aber kaum eine davon hatte so … baufällig und marode gewirkt. Eine zusammengewürfelte Kollektion aus einstöckigen Gebäuden erhob sich wie ein gewaltiger Slum über den Boden – schwebte aber nur in einer Höhe von dreißig oder vierzig Fuß. Es schien, dass selbst dies die Motoren der Stadt bis an die Grenze beanspruchte – sie konnten die Platte kaum über die Hindernisse in der Landschaft heben.
Das hier war keine in den Himmel strebende Metropolis aus technischen Wunderwerken. Dies hier war ein verzweifelter Überlebensversuch. Er warf einen Blick zurück in die Ferne, wo das Licht am Horizont bis zur Unsichtbarkeit verdämmert war. Aber er wusste, dass es die Sonne dort gab. Sie lauerte. Wie das Datum einer Hinrichtung.
»Ihr müsst vor ihr bleiben, nicht wahr?«, flüsterte er. »Ihr lebt in den Schatten, weil eure Sonne euch töten würde.«
Bei den Stürmen! Eine ganze Gesellschaft, die immer in Bewegung bleiben und vor der Sonne weglaufen muss? Diese Vorstellung und ihre Bedeutung setzte seinen Verstand in Gang, und alte Gewohnheiten – die Gewohnheiten des Mannes, der er einmal gewesen war – bahnten sich ihren Weg durch den lebenden Leichnam, zu dem er geworden war. Warum stürmte es auf diesem Planeten nicht, nicht einmal in der Dunkelheit? Wenn die Sonne die eine Seite andauernd überhitzte, dann würde man doch auf der anderen Seite niemals überleben können. Aber sie brachten dies offenbar fertig, und deshalb musste ihm etwas entgehen.
Wie ernährten sie sich? Welcher Treibstoff befeuerte diese Maschinen, und hatten sie vielleicht Zeit, nach ihm in der Erde zu bohren oder Minen zu graben, während sie dahinschwebten? Apropos Minen: Warum lebten sie nicht einfach in Höhlen? Offensichtlich besaßen sie Metall im Überfluss. Sie hatten es unter anderem benutzt, um diese armen Kerle an den Boden zu fesseln.
Er war schon immer neugierig gewesen. Auch nachdem er Soldat geworden war – und sich absichtlich vom Gelehrtenleben abgewendet hatte –, hatte er weiterhin Fragen gestellt. Nun reizten sie ihn, und er schob sie mit fester Hand beiseite. Nur eine einzige Frage war von Bedeutung. Würde die Kraftquelle dieser Maschinen ausreichen, um seinen nächsten Übersprung zu befeuern? Würde es reichen, ihn von diesem Planeten herunterzubringen, bevor die Nachtbrigade ihn fand?
Die Maschinen der Schweberäder brüllten, während diese auf die Stadt zukletterten. Er hing unter dem letzten der vier, zog es mit seinem Gewicht nach unten, und die Motoren warfen Feuer in seine Richtung und erhitzten die Kette. Auxilium konnte glücklicherweise damit umgehen. Seltsam, aber der kleine Anstieg brachte Nomads Ohren zum Knacken.
Sobald die Gefährten die Ebene der Stadt erreicht hatten, parkten sie nicht auf die übliche Weise. Sie bewegten sich seitwärts heran und schlossen sich am Rande der Stadt an, während die Motoren weiterhin liefen und ihren Auftrieb dem der Hauptmaschinen noch hinzufügten.
Nomad hing mit den Händen an der Kette herunter, und seine Schmerzen verblassten, als er abermals heilte, auch wenn dieses Heilen nichts gegen das war, das er gebraucht hatte, um die Verletzungen durch das Sonnenlicht zu kurieren. Von diesem hohen Punkt aus sah er Klumpen kahler Hügel und schlammige Gruben dazwischen, die wie Moore wirkten. Die Stadt zog eine breite Spur aus verbrannter, ausgetrockneter Erde hinter sich her. Bei einer solchen Narbe im Gelände fiel es den Fahrern der fliegenden Räder gewiss leicht, immer wieder nach Haus zurückzufinden.
Er war überrascht, wie gut er sehen konnte. Schweiß und matschiges Wasser tropften ihm in die Augen. Er blinzelte und sah wieder zu dem Ring am Himmel hinauf. Es war – wie fast immer – eine Ansammlung von einzelnen Ringen. Strahlend blau und golden umkreisten sie den Planeten, erhoben sich hoch in die Luft, streckten sich aus wie in die Unendlichkeit. Sie deuteten auf die Sonne hin, waren leicht geneigt und warfen das gespiegelte Sonnenlicht auf die Oberfläche. Nun, da er das alles eingehend betrachten konnte, musste ein Teil von ihm zugeben, wie verblüffend dieser Anblick war. Er hatte zwar zahlreiche Planeten besucht, aber niemals etwas so gelassen Majestätisches erblickt. Schlamm und Feuer dort unten, aber in der Luft … das war Erhabenheit. Dieser Planet trug eine Krone.
Seine Kette rasselte, als sich jemand daran machte, ihn nach oben zu ziehen. Bald wurde er an den Armen gepackt und auf den Metallboden der Stadt gehievt. Nun befand er sich in einer krummen Straße mit gedrungenen Gebäuden. Eine kleine Anzahl von Menschen unterhielt sich miteinander und deutete auf ihn. Er beachtete die Leute nicht weiter, sondern konzentrierte sich auf die fünf deutlich sichtbaren Gestalten hinter ihnen – sie alle trugen Kohlen in ihren Brustkörben.
Sie hatten die Köpfe gesenkt, die Augen geschlossen, ihre Kohlen waren abgekühlt. Zwei von ihnen waren Frauen, wie er glaubte, auch wenn das Feuer, das ihre Oberkörper verzehrt hatte, nichts übrig gelassen hatte, was auch nur im Ansatz einem Busen ähnelte. In ihrem Torso steckte bloß ein Loch – zwei Handspannen breit –, und Stücke von Rippen stachen durch die verkohlte Haut. Kohlen anstelle von Herzen.
Der Rest war so gekleidet, wie er es auch schon unten gesehen hatte: hohe Krägen, die bis zum Kinn reichten, vollkommen eingehüllt in Stoffe, und alle trugen Handschuhe. Manche steckten in den weißen, formell wirkenden Mänteln, die vorn offen standen und Insignien an den Schultern aufwiesen. Offiziere oder Offizielle. Der Rest zeigte gedämpfte Farben – es schien sich um Zivilisten zu handeln. Einige Frauen trugen Röcke, aber die meisten bevorzugten lange, rockähnliche Jacken, die offen standen und darunter Hosen enthüllten. Viele – sowohl Frauen als auch Männer – hatten ihre Köpfe mit breitkrempigen Hüten bedeckt. Warum trugen sie all dies, wenn es hier doch fast kein Licht gab?
Denk einfach nicht darüber nach, sagte er voller Erschöpfung zu sich selbst. Wen kümmert es? Du wirst nicht so lange hierbleiben, dass du etwas über ihre Kultur lernen kannst.
Viele hatten eine blasse Haut, aber fast genauso viele hatten eine dunklere Haut als seine eigene. Und eine kleinere Zahl wies eine Reihe von verschiedenen Schattierungen auf. Die Menge wurde still, man senkte die Augen, wich zurück und machte einem Neuankömmling Platz. Nomad lehnte sich auf seinen Absätzen zurück und atmete tief ein und aus. Der Neuankömmling war ein großer Mann in einem schwarzen Mantel – und mit glühenden Augen.
Sie schimmerten in einem abgründigen Rot, als würden sie von hinten erleuchtet werden. Dieser Effekt erinnerte Nomad an etwas aus seiner tiefen Vergangenheit – aber das hier waren weniger die roten Augen einer verdorbenen Seele, sondern es war etwas, das im Innern des Mannes brannte. Auch sein schwarzer Mantel glühte an den Rändern in einer ähnlichen rot-orangenen Färbung. Nomad glaubte, dass er ebenfalls eine dieser Kohlen in der Brust trug, die allerdings von dünner Kleidung bedeckt wurde. Die Glut schien nicht so tief in die Haut eingesunken zu sein wie bei den anderen, und die Umrisse seines Brustkorbes waren noch zu erkennen.
Sein Schimmern wurde von zahlreichen Gebäuden aufgenommen; die Ränder ihrer Mauern strahlten wie im Feuerschein. Es war, als hätte die Stadt noch vor Kurzem in Flammen gestanden und dies hier sei ihre Asche.
Der Mann mit den glühenden Augen hob eine massige behandschuhte Hand und brachte die Menge zum Schweigen. Er sah Nomad von oben bis unten an, dann nickte er zwei Offizieren zu, zeigte auf Nomad und brüllte einen Befehl. Die Offiziere beeilten sich unterwürfig zu gehorchen, bückten sich hastig und nahmen Nomad schließlich die Handfesseln ab.
Nervös wichen sie zurück, sobald die Fesseln gefallen waren. Nomad reckte sich, während viele der Zivilisten aufkeuchten, aber er machte keine plötzliche Bewegung. Bei den Stürmen, er war so müde. Er stieß einen langen Seufzer aus. Die Schmerzen hatten sich in seinem ganzen Körper verteilt und eingenistet. Er sagte Auxilium, er solle als Kette in der Nähe bleiben; die anderen sollten nicht erfahren, dass er Zugang zu einem Werkzeug hatte, das die Gestalt ändern konnte.
Der Mann mit den glühenden Augen brüllte ihn harsch an.
Nomad schüttelte den Kopf.
Glühauge wiederholte seine Frage – diesmal lauter, langsamer und wütender.
»Ich beherrsche eure Sprache nicht«, sagte Nomad heiser. »Gebt mir eine Kraftquelle wie die Motoren an euren Rädern. Wenn ich sie in mich aufnehme, könnte es ausreichen, um euch zu verstehen.«
Das hing davon ab, welchen Brennstoff sie benutzten, aber da sie eine ganze Stadt in der Luft hielten, handelte es sich gewiss um keine konventionelle Kraftquelle. Die Vorstellung, eine Stadt wie diese mit Kohlen zu betreiben, erschien einfach lächerlich. Gewiss nahmen sie investiertes Material, das vielleicht im Sonnenlicht aufgeladen wurde.
Als der Anführer schließlich begriffen hatte, dass Nomad nicht antworten würde, hob er die Hand und zog langsam den Handschuh aus, einen Finger nach dem anderen. Die Leute keuchten, aber zum Vorschein kaum nur eine gewöhnliche, wenn auch sehr blasse Hand.
Der Mann trat auf Nomad zu und packte sein Gesicht.
Nichts geschah.
Das schien den Mann zu überraschen. Er änderte seinen Griff.
»Wenn du dich zu einem Kuss vorbeugst«, murmelte Nomad, »werde ich dir deine sturmverdammte Lippe abbeißen.«
Es fühlte sich gut an, wieder zu einem solchen Scherz in der Lage zu sein. Sein ferner früherer Meister wäre stolz auf ihn. In seiner Jugend war Nomad viel zu ernst gewesen und hatte sich nur selten eine gewisse Leichtigkeit gegönnt. Vor allem hatte er befürchtet, er könnte etwas Hochnotpeinliches sagen.
Oft genug war er durch den Dreck gezogen und so heftig zusammengeschlagen worden, dass er sich kaum mehr an seinen Namen zu erinnern vermochte, und das hatte bei seinem Sinn für Humor wahre Wunder bewirkt. Irgendwann blieb einem nichts anderes mehr übrig als das laute Lachen über den Witz, zu dem man geworden war.
Die Zuschauer waren wirklich erstaunt darüber, dass nichts geschah, als Glühauge ihn berührte. Der Mann packte Nomad ein letztes Mal am Kinn, ließ ihn los und wischte sich dann die Hand an seinem Mantel ab, bevor er wieder den Handschuh über sie stülpte. Seine Augen, die an das brennende Licht von Feuermoos erinnerten, erhellten die vordere Krempe seines Hutes und die allzu glatten Züge seines Gesichts. Er mochte etwa fünfzig Jahre alt sein, aber es war schwer zu sagen, da er keine einzige Runzel oder Falte aufwies. Offenbar hatte es Vorteile, beständig im Zwielicht zu leben.
Einer der Offiziere von vorhin kam auf Nomad zu, gestikulierte vor ihm und sprach mit gedämpfter Stimme. Er wirkte ungläubig und zeigte auf den Horizont.
Ein weiterer Offizier nickte und starrte Nomad an. »Sess Nassith Tor«, flüsterte er.
Seltsam, sagt der Ritter. Das hätte ich beinahe verstanden. Es ähnelt stark einer anderen Sprache, mit der ich noch schwach verbunden bin.
»Weißt du, welche es ist?«, knurrte Nomad.
Nein. Aber … ich glaube … Sess Nassith Tor … es heißt so viel wie … Der, der der Sonne entkam.
Andere hinter ihm nahmen die Worte auf und wiederholten sie, bis Glühauge sie anbrüllte. Er sah wieder Nomad an, dann schlug er ihm heftig gegen die Brust. Es tat weh, vor allem in dem Zustand, in dem er sich gegenwärtig befand. Dieser Mann war ohne Zweifel investiert, sonst hätte er nicht so heftig zuschlagen können.
Nomad ächzte, beugte sich vor und rang nach Luft. Der Mann packte ihn, lächelte und begriff, dass sich Nomad nicht wehren würde. Das gefiel dem Mann. Er schleuderte Nomad zur Seite, schlug ihm wieder gegen die Brust und lächelte noch breiter.
Nomad hätte ihm gern dieses Grinsen – und dazu noch ein wenig Haut – aus dem Gesicht gerissen. Aber da er erstarren würde, wenn er sich wehrte, war es das Beste, sich unterwürfig und fügsam zu geben.
Glühauge deutete auf Nomad. »Kor Sess Nassith Tor«, sagte er mit einem höhnischen Grinsen und schlug wieder heftig auf Nomad ein.
Einige Offiziere kamen heran, packten ihn unter den Armen und schleiften ihn fort. Er hoffte auf eine angenehme Zelle – auf einen kühlen und harten Ort, ja, aber das wäre wenigstens ein Ort, an dem er schlafen und für ein paar Stunden vergessen konnte, wer er war.
Doch diese bescheidene Hoffnung wurde zerschmettert, als die Stadt auseinanderfiel.
Die gesamte Stadt vibrierte, die Gebäude schwankten unerträglich. Risse erschienen in der Metallstraße unter Nomad, aber während er in Panik geriet, schritten die Männer, die ihn festhielten, einfach über die Spalten und zogen ihn in eines der Gebäude.
Die Stadt schüttelte sich und riss auf. Aber sie … sie zerbrach einfach nicht. Sie löste sich auf. Sie zerfiel in Hunderte Einzelstücke, von denen jedes mit seinem eigenen Gebäude auf seiner eigenen Motorenflamme schwebte. Jedes einzelne Stück war ein Schiff.
Vorhin hatte er gesehen, wie die Schweberäder am Rand festgemacht und ihre Schubkraft der Stadt hinzugefügt hatten. Voller Unbehagen erkannte er, dass jeder Teil der Plattform den anderen ähnlich war. Es war nicht eine einzige große fliegende Stadt – es waren Hunderte Schiffe, die sich zusammengeschlossen hatten.
Die meisten von ihnen waren nur von bescheidener Größe – Einfamilien-Versionen eines Schwebeschiffs. Viele waren sogar noch kleiner und wie Schlepper gebaut, mit breiten Decks und einer Kabine darauf. Einige waren größer und trugen mächtigere Gebäude, die als Versammlungshalle oder Lagerhäuser dienen mochten. Sie alle standen auf weiten, flachen Decks, die zusammengefügt werden konnten, sodass sie Straßen bildeten. Wenn die Schiffe davonflogen, hoben sich Geländer am Rand der Decks, und Mauern wurden aufgeklappt und enthüllten Windschutzscheiben und Führerkabinen.
Er hatte den Eindruck, dass diese Stadt nicht als zusammengeschlossenes Ganzes erbaut worden war, das auch auseinandergenommen werden konnte, sondern dass es sich eher um eine Ansammlung von einzelnen Fluggefährten handelte, die auch zusammen funktionierten. Das erklärte das uneinheitliche Bild dieser Stadt. Der Ort glich einer Karawane, die sich aus Gründen des Schutzes oder der Bequemlichkeit zeitweise zu einer festen Stadt verband.
Es war bemerkenswert, wie gut und reibungslos das gelang. Auf Rufe und Anweisungen, die Nomad nicht verstand, flogen zahlreiche Schiffe zu irgendwelchen Tätigkeiten in die Ferne. Nomad blinzelte und sah, dass einige von ihnen eine gewisse Substanz auf dem Boden verteilten.
Saatgut, erkannte er. Sie bringen die Saat aus. Ein Puzzlestück in dieser bizarren Welt passte sich ein und ergab den Teil eines Bildes. Das mit Investitur angereicherte Sonnenlicht erklärte die rasch wachsenden Pflanzen, die fast sofort reif wurden, wenn sie das kräftige Licht der Dämmerung aufnahmen. Er hatte schon begriffen, dass er keine Energie für sich selbst abzweigen konnte, aber die Pflanzen flüsterten ihm zu, dass es durchaus eine Möglichkeit gab – auch wenn sie außerhalb seiner Reichweite lag.
Allerdings musste diese Gesellschaft jeden Tag säen und ernten. Sie mussten die Saat ausbringen, wenige Stunden später die Ernte einfahren und dann wieder in die Dunkelheit fliehen. Reichte das Licht von den Ringen am Himmel aus, oder mussten sie sich nahe an den tödlichen Sonnenschein heran bewegen?
Er vertrieb seine Neugier mit einer Keule.
Du gibst einen schrecklichen Zyniker ab, sagte er zu sich selbst.
Das Schiff, auf dem er sich befand, folgte nicht denjenigen, die das Saatgut ausbrachten; es schloss sich einer anderen Gruppe von Schiffen an, die zum Boden abstiegen. Einige besaßen Gebäude, die zwei oder gar drei Stockwerke hoch waren; es waren die größten, die er bisher überhaupt gesehen hatte. Sie landeten in einem weiten Kreis auf dem schlammigen Boden. Sein Schiff senkte sich und verband sich mit einem erdrückend großen, an dessen Front mehrere Galerien und Vorbauten übereinanderlagen.
Glühauge trat auf eine dieser Galerien und nahm auf einem Sessel Platz. Nomad betrachtete den Ring im Schlamm, während sich kleinere Schiffe übereinander einklinkten und eine Struktur erschufen, die durchweg vier oder fünf Schiffe hoch war. Ihm sank das Herz, als er begriff, worum es hier ging. Es war eine Arena. Während die Bauern draußen ihrer Arbeit nachgingen, versammelten sich die Privilegierten auf den Vorderdecks ihrer Schiffe und genossen eine Darbietung.
Er ächzte, als ihm seine Wärter zwei goldene Reifen um die Unterarme legten – wie jene, die die Kohlenleute trugen. Sobald sie festsaßen, schleiften ihn die Männer auf das Vorderdeck ihres Schiffes. Als er sich zu widersetzen versuchte – instinktiv wollte er einem von ihnen einen Kinnhaken verpassen –, erstarrte sein Körper. Sie warfen ihn etwa zwölf Fuß tief auf die durchweichte, ranzig stinkende Erde.
Es war nicht die erste Arena, in der er sich befand, aber als er sein Gesicht aus dem Dreck hob, kam er zu dem Ergebnis, dass diese hier ganz gewiss die schmutzigste war. Mehrere größere Gefährte, die wie Frachter wirkten, landeten und öffneten ihre Frontluken. Offizielle in weißen Mänteln zwangen etwa dreißig Personen in abgerissener Kleidung hinaus und trieben sie in den Kreis. Nomad seufzte, mühte sich auf die Beine und versuchte, den Gestank des Matsches nicht weiter zu beachten. In Anbetracht dessen, was er in den letzten Wochen durchgemacht hatte, konnte er sich vorstellen, dass der Matsch ihm die gleiche Ehre erweisen wollte.
Die Gefangenen, die in den Kreis gezwungen wurden, schienen keine typischen Kämpfer zu sein. Die armen Seelen wirkten fast so zerschlissen und entkräftet, wie er sich fühlte. Sie stolperten, manche fielen auch zu Boden, als sie sich durch den dicken Schlamm bewegten, und bald war ihre Kleidung völlig verschmutzt.
Doch keine Waffen wurden verteilt. Also ist es keine Gladiatoren-Arena, dachte Nomad. Sie waren nicht zum Kämpfen hier … aber vielleicht zum Sterben. Nun öffnete sich ein anderes Tor, und drei der Kohlenmenschen traten heraus. Sie trugen Waffen. Ein Schiff senkte sich herab – die Hitze, die seine Motoren verströmten, war mehr als unangenehm – und ließ mehrere große Metallkisten fallen. Jede landete mit einem nassen, schmatzenden Geräusch im Schlamm. Es handelte es sich wohl um Hindernisse unterschiedlicher Größe.
Die Kohlenmenschen liefen nun voran. Die Menge jubelte. Die unbewaffneten Bauern zerstreuten sich wie Schweine von einem Weißdorn. In rasender Hast.
Köstlich.
Nomad lief durch den Schlamm. Er reichte ihm nur bis zu den Fußknöcheln, aber er war trügerisch glatt und klebte mit erstaunlicher Hartnäckigkeit an den Füßen. Nomad rutschte auf eine der größeren Kisten zu. Sie war ganze acht Fuß hoch, und er schaffte es, sich mit den Fingerspitzen an ihr hochzuziehen.
Er vermutete, dass er das schwierigste Ziel der ganzen Gruppe war und die Kohlenleute zuerst die einfachere Beute jagen würden. Das verhalf ihm zu ein wenig Zeit, in der er nach einem Ausweg aus dieser sturmverdammten Lage suchen konnte. Aber sobald er es auf die Kiste geschafft hatte, erschien am Rand ein Paar schwarzer Handschuhe, und eine Gestalt kletterte hinter ihm her. Eine Kohle brannte in der Mitte ihres Brustkorbes, hellgrüne Augen richteten sich auf ihn. Die Frau zog ihre Lippen unter einem Knurren auseinander. Ihr kurzes schwarzes Haar war mit Silber durchsetzt, und die linke Wange war von einer Ader aus Schwärze durchzogen, in deren Mitte eine schimmernde Linie verlief.
Während die beiden anderen Kohlenleute Peitschen hatten, schwang diese hier eine lange, bösartig aussehende Machete. Verdammnis! Warum war sie hinter ihm her? Nomad blickte rasch hoch zu dem Thronsessel, von dem aus Glühauge interessiert zusah.
Glaubst du, fragt der Ritter seinen treuen Knappen, er möchte sehen, wozu du in der Lage bist?
»Nein«, flüsterte Nomad und wich vor der Kohlenfrau zurück. »Erinnerst du dich an die Wut, die der Anführer gezeigt hat? Die anderen haben mich mit einiger Ehrerbietung behandelt, weil ich der Sonne entkommen bin. Das hat ihm nicht gefallen.«
Das hier war keine Prüfung. Glühauge wollte, dass Nomad in aller Öffentlichkeit getötet wurde. Er wollte, dass Nomad vorher gedemütigt und besiegt wurde, sodass es jeder sehen konnte.
Die Kohlenfrau kam mit schwingender Klinge auf ihn zu. Er drehte sich um und sprang von der großen Kiste hinunter auf eine kleinere. Absichtlich rollte er sich von ihr herab in den Schlamm und tat so, als hätte er hier etwas gefunden. Als die Kohlenfrau auf ihn zusprang, richtete er sich mit einer frisch geformten Brechstange auf. Er wollte nicht die Frau treffen, sondern nur den Hieb der Machete abfangen.
Jetzt versteifte sich sein Körper nicht. Solange er sich nur auf seine Verteidigung konzentrierte, blieb er beweglich. Er schob die Kohlenfrau zur Seite – sie verlor das Gleichgewicht und stürzte. Eine Sekunde später war sie wieder auf den Beinen. Die eine Hälfte ihres Gesichts war mit Schlamm überzogen, und sie starrte ihn wild an. Das plötzliche Erscheinen seiner Waffe schien sie nicht zu schockieren. Mit seinem Sprung und dem Herumrollen im Matsch hatte er zu verdecken versucht, wie er an sie gelangt war. Er hoffte, dass alle, die ihn von oben beobachtet hatten, der Meinung waren, er habe sie aus dem Schlamm gegraben und sie sei nichts weiter als ein Stück Müll, das eine andere Gruppe hier zurückgelassen hatte.
Knurrend kam die Frau auf ihn zu. Hinter ihr war eine arme Bäuerin in eine Ecke gedrängt worden. Ein Kohlenmann hatte sie gepackt und stieß sie mit nur einem Arm dem Himmel entgegen. Die Menge brüllte vor Begeisterung, während die Frau panisch aufschrie, aber sie schien nicht verletzt zu sein.
Nomad wich einmal, zweimal, dreimal aus und entging nur knapp den Machetenschwüngen der Kohlenfrau, die sich mit übernatürlicher Schnelligkeit und Anmut bewegte. Er hatte größere Schwierigkeiten mit dem Schlamm als sie. Trotz seiner vielen Jahre auf der Flucht fühlte sich Erde für ihn noch immer unnatürlich an. Es war falsch, keinen festen Stein unter den Füßen zu haben.
Als eine zweite Person gepackt wurde, parierte Nomad einen weiteren Schlag der Machete – und konnte sich dann kaum davon abhalten, die Frau mit dem Rückschwung zu treffen. Bei den Stürmen! Es war schwer, sich selbst zu bändigen. Aber er konnte doch auch nicht für immer ausweichen. Am Ende würden die beiden anderen Kohlenleute ebenfalls zu ihm kommen.
Beim nächsten Schlag hieb er besonders hart auf die Machete der Frau ein – und schlug ihr die Waffe aus der verschlammten Hand. Sie brüllte auf, er drehte sich um und lief davon, schob sich die Brechstange in den Gürtel und drückte heimlich eine Schlinge hinein, damit sie sicher war. Er sah nicht zurück, ob sie ihm folgte, sondern sprang stattdessen auf einige kleinere Kisten hoch zu der größten, die etwa fünfzehn Fuß aus dem Schlamm ragte.
Er konnte kaum die Oberkante packen, geschweige denn sich hochziehen. Seine Hände waren glitschig vor Matsch, und er rutschte ab.
Doch eine behandschuhte Hand packte ihn am Unterarm. Auf der Kiste stand schon ein Mann. Es war einer der Bauern – recht stämmig, mit bleicher Haut, braunen Augen und einem Grübchen im Kinn. Mit entschlossener Miene zog der Mann Nomad nach oben.
Nomad nickte dem mit Ruß überzogenen Mann zu, der ihm wiederum ein breites Grinsen schenkte, das mehrere Zahnlücken offenbarte. Er warf einen Blick auf Nomads Waffe und stellte dann eine Frage. Dabei wirkte er verwirrt.
Etwas über … dich zu töten?, sagte Aux. Tut mir leid, ich kann es kaum verstehen. Du brauchst ein wenig Investitur.
»Verzeihung, mein Freund«, sagte Nomad zu dem Mann. »Ich kann dich nicht verstehen. Aber vielen Dank.«
Zusammen mit ihm betrachtete der Mann die Arena. Eine weitere Gefangene bereitete den Kohlenleuten einige Schwierigkeiten und schaffte es, immer wieder auszuweichen, indem sie durch den Schlamm kroch. Schließlich waren zwei Jäger nötig, die arme Frau zur Strecke zu bringen.
Die Kohlenfrau, die gegen Nomad gekämpft hatte, beachtete die übrige Beute nicht. Vorsichtig schritt sie um die große Kiste herum und plante deren Besteigung. Als eine weitere Person gefangen genommen wurde, gab der Rest der Bauern jede Flucht auf; sie fielen auf die Knie oder lehnten sich gegen eine Wand und keuchten vor Erschöpfung.
Diejenigen, die erwischt worden waren, wurden auf ein anderes Schiff zugetrieben. Sie schrien und kreischten zwar, aber sie wehrten sich nicht. Seltsam. Ihre Handlungen erweckten bei Nomad den Eindruck, als würden sie …
»Diejenigen, die als Erste eingefangen wurden, sind jetzt … zu noch mehr Verdammten geworden, Aux«, vermutete er. »Sie werden der Sonne ausgesetzt.«
Aber …, sagte Auxilium in seinem Kopf. Ist das etwa nur ein umständliches Markierungsspiel? Soll auf diese Weise wirklich herausgefunden werden, welche Person als nächste hingerichtet wird?
»Das vermute ich jedenfalls«, sagte Nomad. »Sieh nur, wie erleichtert die anderen darüber sind, dass sie nicht erwischt wurden.«
Erleichtert ja, sagt der Ritter mit einem grämlichen Anflug von Melancholie. Aber auch … traurig.
Auxilium hatte recht. Viele der Überlebenden richteten schmerzvolle Blicke auf diejenigen, die gefangen worden waren. Ein Mann schrie sogar in flehender Haltung, fiel auf die Knie und deutete an, man möge doch lieber ihn statt einer anderen Person mitnehmen. Die Gefangenen kannten sich. Diejenigen, die mitgenommen wurden, waren Freunde oder Familienmitglieder derjenigen, die überlebt hatten.
Nomads Verbündeter machte sich an den Abstieg, aber der Wettstreit war noch nicht ganz vorbei. Zwei der Kohlenleute waren gegangen, nachdem sie die Verdammten zusammengetrieben hatten, aber die dritte Person – die Frau mit dem Silber im Haar – drängte an den Kisten entlang auf Nomad zu.
Sie würde erst Ruhe geben, wenn er tot war, dessen war er sich sicher. Also gut. Mal sehen, ob er sein Tormentum überlisten konnte. Angespannt wartete er, als sich die Kohlenfrau ihm näherte.
Nomad?, fragte Auxilium. Was tust du da?
»Wie schwer kann ein Objekt sein, in das du dich verwandelst?«, fragte er. »Ohne etwas von deinen AWE einzusetzen?«
Jede Verwandlung, die ich durchführe, benötigt eine winzige Menge an Investitur, aber in der Regel ist sie nicht der Rede wert. Ich vermute, du willst wissen, wozu ich werden kann, ohne dass ich deine Reserven aufzehre. Unter dieser Beschränkung kann ich zu einer Metallmasse werden, die etwa hundert Pfund wiegt. Warum?
Nomad wartete, bis ihn die Kohlenfrau fast erreicht hatte und von der nächstgelegenen Kiste auf die seine sprang. In diesem Augenblick warf sich Nomad ihr entgegen. Er hob Auxilium über seinen Kopf – auch wenn er befürchtete, damit sein Geheimnis zu offenbaren – und erschuf eine Hantel von maximalem Gewicht. Und dann hielt Nomad sie vor sich, als wollte er sie schwingen.
Sein Tormentum spürte dabei, dass er versuchte, jemandem Schaden zuzufügen. Seine Arme erstarrten. Aber die Kohlenfrau prallte gegen das große Metallstück und keuchte, als die beiden mitten in der Luft aufeinanderprallten.
Nomad wurde zu einem toten Gewicht. Beide fielen in den Schlamm unter ihnen; er landete auf ihr, seine Hantel traf sie an der Brust, sein Ellbogen drückte gegen ihre Kehle. Das vereinte Gewicht stieß sie in den weichen Boden.
Als Nomad wieder auf die Beine sprang, blieb sie liegen. Zwar war sie bei Bewusstsein, aber völlig verblüfft. Ihr Kohlenstück flackerte wie ein erschöpft blinzelndes Auge.
Der Lärm der Menge wich einer tödlichen Stille.
»Das kommt nicht oft vor, was?«, rief Nomad und drehte sich zu Glühauge um, der auf seiner Veranda über der Arena saß. »Dass sich jemand euren Soldaten widersetzt. Warum auch sollte es je geschehen? Das sind investierte Krieger, und du hetzt sie gegen unbewaffnete Bauern!«
Darauf gab Glühauge natürlich keine Antwort. Bei den Stürmen, wie Nomad solche Rüpel hasste! Er trat vor, als wollte er den Mann herausfordern. Dabei aber durchfuhr ihn ein durchdringender eisiger Schock, der von seinen Handgelenken ausging.
Er schaute auf die Reifen hinunter, die er trug. Sie zogen die Körperwärme aus ihm heraus, ließen ihn frierend zurück. Seine Muskeln waren reglos geworden. Er atmete aus; seine Atemluft wurde zu Nebel. Er starrte Glühauge an – der ein Gerät mit Knöpfen daran in der Hand hielt.
»B…Bastard«, sagte Nomad durch seine klappernden Zähne. Dann fiel er mit dem Gesicht voran in den Schlamm und verlor das Bewusstsein.
Als Nomad diesmal erwachte, musste er feststellen, dass er an eine Wand gekettet war. Nein … er befand sich an der Außenseite eines kastenartigen Schiffes; es handelte sich um eines derjenigen, die die Arena bildeten. Er war an den Boden neben einer Außenwand gefesselt, lag mit ausgestreckten Armen und Beinen auf einem flachen Stück Metall, das zehn mal zehn Fuß maß.
Offenbar befand er sich noch nicht lange im Freien, obwohl es unmöglich war, das mit Sicherheit zu sagen, da keine Sonne am Himmel stand. Dort befanden sich nur diese grandiosen, ausladenden Ringe.
Er versuchte sich zu bewegen, war aber an den Hand- und Fußgelenken eng an das Schiff gefesselt. Die lärmende Menge war noch immer da, aber in der Mitte der Arena hatte sich ein kleines Schiff mit einem Podium niedergelassen, das von vier reich verzierten Säulen eingerahmt wurde. Nach oben hin war dieses Podium offen; sein einziger Zweck schien darin zu bestehen, eine Plattform für Reden abzugeben. Das Vorderdeck des kleinen Schiffes war der geeignete Ort für einen Anführer, von dem aus er zu seinem Volk sprechen konnte. Glühauge stand nun genau dort, sprach die Menge an und entfachte dessen Begeisterung immer stärker.
»Auxilium«, knurrte Nomad, »habe ich etwas Wichtiges verpasst?«
Sie haben die Kisten aus dem Weg geräumt, antwortete Aux. Und dann haben sie dich hier angebunden. Ich versuche dieser Rede einen Sinn zu entnehmen, aber ich habe bisher nicht mehr als ein oder zwei Worte verstanden. Teilweise geht es darin um dich. Und um … ein »Beispiel«?
»Wunderbar«, sagte Nomad und kämpfte gegen seine Ketten an.
Ich glaube nicht, dass sie gesehen oder verstanden haben, was du mit mir gemacht hast, fuhr Auxilium fort. Ich meine damit die Hantel. Der Winkel war falsch. Also habe ich mich wieder in eine Brechstange verwandelt, als sie dich aus dem Schlamm gezogen haben. Sie haben mich untersucht und dann beiseite geworfen, nachdem sie zu dem Schluss gekommen waren, dass ich nicht wichtig bin. Ich liege noch immer im Schlamm, links von dir.
Das war doch wenigstens etwas. Nomad konnte die Waffe jederzeit herbeirufen, sie verschwinden und später in seinen Händen erscheinen lassen. Die Fesseln an seinen Handgelenken waren eng, aber Auxilium vermochte jede mögliche Gestalt anzunehmen. Irgendeine würde schon dazu geeignet sein, Nomad zu befreien. Aber wenn er nicht in unmittelbarer Gefahr schwebte, gab es keinen Grund, zu enthüllen, wozu er in der Lage war. Also dachte Nomad erst einmal über andere Methoden nach. Wenn er sich den Daumen brach, konnte er seine Hand vielleicht durch die Fessel schieben und sie danach heilen. Leider verschwanden Brüche viel langsamer als Prellungen.