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Entdecken Sie das verborgene Potenzial Ihres Egos und verwandeln Sie negative Emotionen in positive Kraft! In allen Lebensbereichen ist das Ego stets an unserer Seite. Für die meisten scheint es schwer steuerbar und treibt in der Psyche sein Unwesen. Doch Kim-Anne Jannes ist überzeugt: »Man kann es gewinnbringend für sich nutzen.« Tatsächlich verbirgt sich ein enormes Potenzial im eigenen Ego. Durch einen angeleiteten Bewusstwerdungsprozess lassen sich seine zahlreichen behindernden Aspekte erkennen und in positive Emotionen umwandeln – etwa Zweifel oder Schuldgefühle in Mut oder Gelassenheit. Mit einfachen Übungen lernen Sie Schritt für Schritt, Ihr Ego liebevoll anzunehmen und befreiter zu leben. Das Ich als Lehrer des Lebens von Kim-Anne Jannes zeigt Ihnen, wie Sie mithilfe Ihres Egos bewusster leben und Ihre Persönlichkeit weiterentwickeln können. Entdecken Sie wertvolle Einsichten und praktische Tipps für mehr Selbsterkenntnis und innere Stärke mit den inspirierenden eBooks von Droemer Knaur!
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Seitenzahl: 258
Kim-Anne Jannes
Das Ich als Lehrer des Lebens
Vom gesunden Umgang mit dem Ego
Knaur e-books
Widmung
Meiner Mutter in tiefer Verbundenheit, die mein wohl größter Lehrer war und nun, nachdem sie ihre Aufgabe auf Erden erfüllt hat, in die geistige Welt zurückkehren durfte.
Ein Cherokee-Häuptling erklärt seinem Enkel etwas Wichtiges über das Leben:
»Mein Sohn, der Kampf zwischen zwei Wölfen tobt in jedem von uns. Einer ist böse. Er ist voller Neid, Ärger, Eifersucht, Sorge, Bedauern, Gier, Arroganz, Angst, Selbstmitleid, Schuld, Missgunst, Minderwertigkeit, Wut, Lügen, falschem Stolz und Egoismus. Der andere ist gut. Er ist Freude, Frieden, Liebe, Hoffnung, Gelassenheit, Demut, Toleranz, Güte, Wohlwollen, Harmonie, Mitgefühl, Großzügigkeit, Wahrheit, Mut, Vertrauen, Dankbarkeit, Vergebung, Weisheit und Glaube.« Der Enkel dachte eine Weile darüber nach und fragte seinen Großvater dann: »Und welcher Wolf gewinnt?« Der alte Häuptling antwortete: »Der, den du fütterst.«
So unterschiedlich wir Menschen in all den verschiedenen Kulturen auch sind, es gibt doch ein paar Dinge, die uns alle miteinander verbinden. Wir suchen nach Zufriedenheit, Selbstbestimmung, Liebe und Glück. Und allen Menschen steht bei dieser Suche ein Persönlichkeitsanteil mehr oder weniger im Weg: das sogenannte Ego. Wir stolpern über Ängste, Zweifel, Schuldgefühle und kommen darum oft nicht an das ersehnte Ziel. Warum ist das so? Was genau ist das Ego? Wie entsteht es, und wie geht man am besten damit um?
Das Ego hat viel mit Selbstbestimmung und Selbstermächtigung zu tun – also mit Macht. Das Streben nach Macht und der Umgang damit waren immer schon und sind sicherlich immer noch mit die größten Herausforderungen des Menschseins. Schließlich entscheidet der Einsatz unserer gottgegebenen Kraft und Macht, wie sich Dinge zukünftig entwickeln und verändern werden: Entweder zum Wohle aller oder lediglich zum Wohle Einzelner. Da wir uns letztlich alle auf ein und derselben Erdkugel befinden, halte ich es persönlich für sinnvoll, unsere Kraft zum Wohle aller einzusetzen, denn dann ist auch für den Einzelnen gesorgt. Umgekehrt ist das leider nicht der Fall.
Das ist auch einer der Hauptgründe, warum ich dieses Buch geschrieben habe. Vielleicht kann ich auf diesem Wege etwas dazu beitragen, dass wir in Zukunft bewusster und achtsamer mit unserem Geschenk, dem Leben, umgehen und dass sich so die Lebensqualität vieler Menschen verbessert.
Damit Sie überhaupt wissen, warum es sich lohnt, sich mit diesem Thema zu befassen, möchte ich Ihnen zu Beginn ein paar grundlegende Dinge erläutern. Oft höre ich den Satz: »Mein Ego hab ich längst im Griff«, oder auch Bemerkungen wie: »Mit dem Thema bin ich durch«, fallen nicht selten. In der »spirituellen Szene« meinen Menschen manchmal, ihr Ego bereits überwunden und es mitunter sogar schon aufgelöst zu haben. Das wäre aber ziemlich kontraproduktiv. »Ego« bedeutet wörtlich schließlich nichts anderes als Ich. Im alltäglichen Sprachgebrauch ist das Wort jedoch meist negativ behaftet. Dabei ist das Ego in Wirklichkeit unser Überlebenswille, unser Kampfgeist. Es wäre also ziemlich lebensverneinend und hinderlich, dieses Potenzial einfach zu ignorieren oder gar aufzulösen. Viel förderlicher ist es, wenn man sich das Ego zum Freund macht und so in einem umfassenden Sinne aus dieser Kraftquelle schöpfen kann. Es abzuschaffen ist keine Lösung. Man sollte vielmehr den Versuch wagen, es zu verstehen und dann sinnvoll ins Leben zu integrieren.
Dieser wichtige Persönlichkeitsanteil des Menschen entwickelt sich besonders stark in den folgenden zwei Lebensphasen eines Kindes: in der Trotzphase (im Alter von etwa zwei bis vier Jahren) und dann noch einmal im Laufe der Pubertät (mit elf bis sechzehn Jahren). Beides sind Abschnitte, in denen Kinder realisieren, dass sie selbstdenkende Menschen mit einem eigenen Willen sind und der Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen. Sie fühlen sich dann als das Zentrum der Welt und benehmen sich oft auch genau so. Damit üben sie, sich selbst zu behaupten, damit sie diese Notwendigkeit in ihrem späteren Leben beherrschen.
Das Ich (Ego) wird optimal ausgeprägt, wenn Eltern ihren Kindern dabei helfen, diese wichtige Durchsetzungskraft richtig zu kanalisieren. Auch wenn die genannten Entwicklungsphasen für Eltern extrem anstrengend sein können, ist es sehr wichtig, sich gerade in dieser Zeit mit den Kindern zu befassen und sie ernst zu nehmen. Wenn ein Kind dann nämlich – trotz Auseinandersetzungen und Reibereien – gefördert wird, kann es sich später als Erwachsener sehr gut selbst motivieren und seine Ziele erreichen.
Werden Kinder in diesen Phasen jedoch zu stark gehemmt oder unterdrückt, so richten sie später oft ihre Kraft gegen sich selbst und unterdrücken ihre eigenen Bedürfnisse. Kinder sind in diesen Entwicklungsabschnitten meist eine große Herausforderung. Wenn Sie als Eltern Ihr Ego aber gut im Griff haben, dann ist diese Aufgabe zu meistern. Steht Ihnen Ihr Ego jedoch im Weg, dann werden es Ihnen die lieben Kinder gleichtun und Ihnen Ihre eigene unerlöste Kraft unmissverständlich spiegeln.
Damit das noch verständlicher wird, möchte ich Ihnen einige Beispiele geben, wie sich ein ungesundes Ego auf den Alltag auswirken kann. Eine klassische Situation für einen Menschen, der gegen sich selbst (und somit auch gegen andere) arbeitet, ist die folgende:
Eine Frau möchte endlich den Beruf ihres Herzens ausführen und sich als Künstlerin selbständig machen. Sie ist mit ihrem stressigen Bürojob überfordert und hat keinen Spaß daran. Aber immerhin beschert ihr die Tätigkeit im Büro ein sicheres Einkommen, das ihr und der Familie zwei Urlaube im Jahr ermöglicht. Zudem ist ihr Mann nicht besonders begeistert von ihrer Idee, sich beruflich verändern zu wollen. Klarer Fall: Aus Sicht der Frau ist der Ehemann schuld, dass sie mit ihrem Job unglücklich ist und nicht das tun kann, was sie von Herzen gerne würde. Das wirkt sich natürlich auf die Partnerschaft aus, denn sie fühlt sich nicht ernst genommen und unverstanden. Diese Stimmung macht auch vor der heimischen Atmosphäre nicht halt, und so bekommen die Kinder ebenfalls etwas von der Unzufriedenheit ihrer Mutter zu spüren.
Hätte die Frau den Mut, ihren Wunsch in die Tat umzusetzen und ihren Kampfgeist zum Erreichen ihrer Ziele zu nutzen, so müsste sie nicht dem Mann die Schuld geben, nicht an ihrer Partnerschaft zweifeln, und die Stimmung zu Hause wäre auch wesentlich besser. Das Einzige, was die Frau in Kauf nehmen müsste, wäre ein Mann, der vielleicht ab und zu einen Kommentar zu ihrer Berufswahl fallen ließe (was sich mit der Zeit aber auch legt!), und der zweite Familienurlaub im Jahr wäre eventuell auch nicht mehr drin. Dafür würde sie aber jeden Morgen frohen Mutes zur Arbeit gehen und abends zufrieden einschlafen. Ihre Angst vor Ablehnung bekäme so keine weitere Energie.
Dieses Beispiel zeigt, dass die zugrundeliegende Kraft in beiden Fällen die gleiche ist, nur die jeweilige Auswirkung ist eine völlig andere. Den beruflichen Herzenswunsch zu realisieren wäre jedoch für alle Beteiligten eindeutig die bessere Wahl.
Möchte man weiter alte Überzeugungen pflegen, die die Selbstverwirklichung sabotieren und einen davon abhalten, seinen Beitrag in dieser Welt zu leisten? Oder möchte man lieber selbst dafür sorgen, dass es einem gutgeht und man Dinge tut, die das Leben mit Sinn erfüllen und auch anderen Menschen zugute kommen? Das ist jedenfalls möglich, wenn man die hemmenden Aspekte der eigenen Persönlichkeit erkennt und in fördernde Kräfte umwandelt. Genau dazu dient die intensive Auseinandersetzung mit sich und seinem Ego.
Der Mensch denkt oft: »Entweder ein sicheres Einkommen oder ein glückliches Leben.« Diese Entscheidung steht allerdings gar nicht zur Debatte, wenn man seine Kraft für die Gabe einsetzt, die einem in die Wiege gelegt wurde. Dann kann man sich sicher und glücklich fühlen. Aber hartnäckige Zweifel und Ängste sind wie Sandkörner im Getriebe des Lebens und stellen das Glück immer wieder auf die Probe. Dabei liegt genau in den schwierigen Phasen des Lebens die große Chance zu wachsen. Sie machen jeden letztlich nur stärker, weil man durch sie zu Höchstleistungen angespornt wird.
Es gibt unendlich viele Beispiele, in denen ein unerlöstes Ego das Zepter übernommen hat und das Leben beherrscht. Hier ein weiteres:
Ein Mann ist mit einer sehr dominanten Frau verheiratet. Er hat sich inzwischen in sein Schicksal ergeben und hofft, dass sich seine Probleme irgendwann von selbst lösen. Seine Gefühle unterdrückt er den Kindern zuliebe, weil er keinen Unfrieden stiften will. Er zieht sich aus Angst vor Konflikten immer wieder in seine Werkstatt zurück, vor allem, wenn wieder dicke Luft herrscht. Scheinbar ist das eine durchaus vernünftige Reaktion, und doch ist sie vom Ego aus motiviert. Denn was bedeutet dieses Verhalten für seine Kinder, die so der Laune der Mutter ausgeliefert sind? Sie verlieren langsam die Achtung vor ihrem Vater und würden sich wünschen, dass er der Mutter mit ihrer dominanten Art einmal Einhalt gebietet und ordentlich auf den Tisch haut. Dann würden sie sich geschützt und unterstützt fühlen. Stattdessen zieht er sich aber zurück und wartet, bis der »Anfall« seiner Frau vorüber ist.
Die Tochter wird als Erwachsene kaum Achtung vor Männern haben. Der Sohn wird große Probleme bekommen, sich als Mann durchzusetzen, zu behaupten und zu definieren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden die Kinder auch in ihrer eigenen Partnerschaft auf Dauer nicht zurechtkommen. Zumindest so lange, bis sie ihre Prägung durchschauen und schließlich durchbrechen.
Würde dieser Mann gegenüber seiner Frau gesunde und sinnvolle Grenzen setzen, dann wäre nicht nur er glücklicher, sondern auch seine Frau und seine Kinder wären es.
Genau genommen sind alle Situationen, in denen man seine wahren Gefühle und Wünsche unterdrückt und durch »gute« Argumente ersetzt, Hinweise auf ein Ego, das die eigene Entwicklung sabotiert. Selbst wenn noch so viele Argumente für etwas sprechen – solange das eigene Gefühl etwas anderes sagt, kann sich eine Sache auf Dauer nicht positiv entwickeln.
Oft stehen einem aber auch Schuldgefühle im Weg, wie das folgende Beispiel veranschaulicht:
Eine Frau hat sich nach einer schwierigen Beziehung von ihrem Partner, dem Vater ihres Kindes, getrennt. Das gemeinsame Kind lebt jetzt bei ihr. Sie trägt Schuldgefühle in sich, weil sie für ihren Lebensweg eine ganz andere Vorstellung hatte. Nämlich die, dass ihr Kind in einer intakten Familie mit viel Geborgenheit und Liebe aufwächst.
Nun ist es ihr aber unmöglich, weiterhin mit diesem Partner zusammenzubleiben, da dieser ihr Vertrauen massiv missbraucht hat. Wenn sie sich ihren eigenen Schuldgefühlen stellt und sie auflöst, wird sich ihr Kind trotz der Trennung unbefangen entwickeln können. Tut sie das aber nicht, wird das Kind ihre unterschwelligen Selbstvorwürfe wahrnehmen und versuchen, diese für seine Zwecke zu nutzen. Das Kind gerät dann ungewollt in eine Machtposition, die ihm gar nicht zusteht. Die Mutter kann nicht so konsequent sein, wie es nötig wäre, was starke Auswirkungen darauf haben wird, wie sich ihr Kind später als Erwachsener verhalten wird. Es wird dann nämlich sooft wie möglich versuchen, diese Machtposition in Beziehungen einzufordern und aufrechtzuerhalten. Dass dieses Verhalten keine gesunde Grundlage für eine glückliche Partnerschaft ist, versteht sich von selbst.
Ein letzter Fall soll zeigen, wie sich Angst vor der eigenen Stärke auswirken kann:
Ein Mann hat einen gut bezahlten Job. Allerdings muss er dafür einen sehr unangenehmen Chef in Kauf nehmen. Sein Einkommen erlaubt ihm jedoch ein komfortables Leben. Er kann sich den Golfclub, ein schickes Auto und auch Cluburlaub auf den Malediven leisten. Alles wäre perfekt, wenn da nicht dieser Chef wäre. Einerseits würde er ihm so gerne mal Paroli bieten, um damit seine Würde wiederzuerlangen. Aber andererseits sind da die vielen Annehmlichkeiten, der Golfclub, das schicke Auto, das Ansehen …
Der Mann hat nun mehrere Möglichkeiten. Er kann weiter in den sauren Apfel beißen und siebzig Prozent seines Tages diesem Job opfern, damit er die Vorzüge weiterhin genießen kann. Oder aber er bringt den Mut auf, seinem Chef respektvoll die Stirn zu bieten, und riskiert damit vielleicht sogar den Job. Ob der Chef wirklich negativ darauf reagieren würde, ist aber gar nicht gesagt.
Alternativ könnte der Mann sich jedoch auch einen neuen Job suchen, mit dem er vielleicht weniger verdienen würde, hinsichtlich des Arbeitsklimas aber unter Umständen viel zufriedener wäre. Auf diese Weise würde er weniger von seiner wertvollen Lebensenergie vergeuden.
Es bleibt jedem selbst überlassen, ob er sich von vermeintlichen Annehmlichkeiten hemmen lässt oder nicht.
Stellen Sie sich doch öfter einmal die Fragen: Wer oder was in mir hat gerade entschieden? War es die Angst, die Schuld, die Gier, der Zweifel oder sogar der Hass? Was wäre, wenn ich diese Entscheidung mit Liebe, Mut und Vertrauen getroffen hätte? Was würde das ändern? Es ist nicht immer leicht, ehrlich zu sich selbst zu sein, aber letztendlich setzt sich die innere Wahrheit auf Dauer ja doch durch. Wozu also weiterhin so viel wertvolle Energie verschwenden, um sich selbst etwas vorzumachen, wenn es ja früher oder später sowieso ans Licht kommt?
Es gibt immer einen Weg, seine Erfüllung zu finden, ohne dass andere dafür leiden oder bezahlen müssen.
Ich möchte Ihnen meinen persönlichen Weg sowie die Hintergründe dazu, wie diese Arbeitsmethode entstanden ist, natürlich nicht vorenthalten. Immer wieder erlebe ich während meiner Arbeit Erstaunliches und Berührendes. Es ist wunderbar zu sehen, wie Menschen sich mittels der Methode für den gesunden Umgang mit dem Ego ihre Lebenskraft zurückerobern und lernen, sie sinnvoll einzusetzen. Zeuge solcher persönlicher Durchbrüche und Erfolgserlebnisse zu werden macht mich zu einem dankbaren und glücklichen Menschen. Auch weil mein eigener Kampf mit dem Ego demnach offenbar alles andere als umsonst gewesen ist.
Meine Geschichte möchte ich mit dem Zeitpunkt meiner Trotzphase beginnen, die ich mehr oder weniger ausließ. Meine Wutanfälle hielten sich sehr in Grenzen und blieben die Ausnahme, da ich lauter starke Charaktere um mich herum hatte. Ich wartete einfach auf einen besseren Zeitpunkt, um unbequem zu werden.
All denjenigen, die sich unter Trotzphase nichts vorstellen können, möchte ich kurz erklären, wovon genau die Rede ist. Es handelt sich dabei um die Phase in der Entwicklung von Kleinkindern, in der die Eltern völlig entnervt, also kurz vor dem Durchdrehen sind und sich immer wieder in Erinnerung rufen müssen, dass sie ihre Kinder eigentlich lieben! Es ist ein Abschnitt in der Erziehung, in der Eltern des Öfteren mit ihrem Latein am Ende sind und alle bisherigen Erziehungsmaßnahmen in die Tonne schmeißen können. Es kommt in dieser Zeit sogar vor, dass sonst sehr ruhige und gelassene Eltern anfangen, ihre Süßen lauthals anzubrüllen, weil der kleine Liebling sich standhaft weigert, etwas zu tun, was bisher nie ein Problem gewesen war, und weshalb sie schon wieder viel zu spät dran sind.
Eines Tages kam also die Zeit, in der ich meine verpasste Trotzphase nachholte, und zwar pünktlich mit Beginn der Pubertät. Allerdings weniger in rebellischer und aufmüpfiger Form, sondern indem ich begann, meine eigenen Entscheidungen zu treffen und diese auch konsequent durchzog. So eröffnete ich z.B. meinem Vater mit dreizehn Jahren, dass ich von jetzt an zu meiner Mutter ziehen würde, weil ich mich seit der Trennung meiner Eltern bei ihm nicht mehr wohl fühlte. Ich muss wohl erklärend hinzufügen, dass meine Eltern sich regelrecht bekämpften und mein Vater darum von meiner Entscheidung alles andere als begeistert war. Er meinte: »Lass uns in ein paar Wochen noch einmal darüber sprechen und überdenke diesen Schritt vorerst.« Er wollte damit lediglich Zeit schinden, um mich dann entsprechend zu manipulieren, damit ich von meiner Entscheidung ablassen würde. Aber ich entgegnete nur, dass ich bereits lange genug darüber nachgedacht hätte und ich nun ausziehen würde.
Er gab erstaunlich schnell und kampflos auf. Ich denke, er war wohl mit meinem plötzlich erwachsenen und entschiedenen Auftreten irgendwie überfordert, denn das war er ja bis dahin von mir nicht gewohnt. Ich habe diese Entscheidung nie bereut, denn es war ein wesentlicher Schritt zur Selbstermächtigung. Als es dann nach einigen Jahren, die ich bei meiner Mutter verbracht hatte, Probleme mit ihrem neuen Partner gab, eröffnete ich ihr im zarten Alter von siebzehn Jahren, dass ich ausziehen werde, da sie mich nicht genügend vor ihrem neuen Partner schützen würde. Also suchte ich mir neben der Schule einen Job und zog mit Hilfe meiner Oma mütterlicherseits aus.
Mein Ego half mir in all diesen Situationen, mich emotional über Wasser zu halten und zu überleben. Bis zu diesem Zeitpunkt setzte ich dieses Kraftpotenzial meist auch so ein, wie es sich der liebe Gott wohl gedacht hatte, als er es erfand: nämlich als Antriebskraft. Dann aber lernte ich schließlich auch andere Seiten dieses Persönlichkeitsanteils von mir kennen.
Mein Vater und seine Mutter ließen inzwischen keine Gelegenheit aus, mir das Gefühl zu geben, dass ich durch meinen Auszug schuld an seinem Unglück und seiner Einsamkeit sei. Ich nahm die Schuld vorübergehend an und begann, meine Aggression gegen mich selbst zu richten, weil ich niemanden verletzen oder unglücklich machen wollte. Das Ergebnis war aber, dass ich mich selbst damit am meisten verletzte. Autoaggressive Krankheiten, Schuldgefühle, ein notorisch schlechtes Gewissen, Selbstzweifel und Wut bestimmten mehr und mehr mein Denken und Handeln. So schlug ich mich also die nächsten Jahre gefühlsmäßig irgendwie durch und versuchte immer noch, angepasst, unauffällig und nett zu sein.
Dabei regte sich in mir aber auch ein tiefer Wunsch nach Selbstausdruck und innerer Freiheit, und das war gut so. Denn dieses tiefe Bedürfnis nach mir selbst ließ mich nie zur Ruhe kommen. Ich begann zu suchen, was mir helfen könnte, warum ich nicht glücklich wurde, warum ich krank war … Diese Suche führte mich unter anderem zu meinem spirituellen Potenzial. Ich lernte scheinbar zufällig Menschen kennen, die ein ähnliches Interesse an spiritueller Entwicklung hatten wie ich.
Bis zu diesem Zeitpunkt, inzwischen 24, war ich felsenfest davon überzeugt, verrückt zu sein, wenn ich mal wieder eine außersinnliche Wahrnehmung hatte. Nun begegnete ich aber all diesen Menschen und fühlte mich diesbezüglich zum ersten Mal verstanden, erkannt und ernst genommen. Von da an ließen meine autoaggressiven Krankheiten nach, und ich bekam immer mehr Gelegenheiten, meine Gabe einzusetzen, um Menschen zu helfen. Natürlich meldete sich mein Ego immer wieder in Form von Selbstzweifeln zu Wort. Gedanken wie: »Das bilde ich mir sowieso alles nur ein«, oder: »Was maße ich mir eigentlich an?«, waren an der Tagesordnung und verdarben mir oft die Freude über eine gelungene Beratung. Ich überlegte mir eine Taktik, um diesen bohrenden Selbstzweifeln zukünftig entsprechend zu begegnen. Indem ich einfach weitermachte, hoffte ich, die Zweifel durch Hartnäckigkeit in die Knie zwingen zu können.
Irgendwann kam mir die Idee, dass ich mir psychologische Hilfe suchen könnte, um mir das Leben zu erleichtern. Während dieser Zeit arbeitete ich viel mit inneren Bildern, um mich selbst besser verstehen zu lernen. Ich suchte ein Bild, das meine Kraft und meine Aggression symbolisieren könnte, und plötzlich kam mir das Bild von einem Dämon in den Sinn. Ich ließ es vor meinem geistigen Auge entstehen, und als ich es klar und deutlich sehen konnte, begann ich, es innerlich zu betrachten. Ich fand den Dämon eingesperrt und sehr einsam vor. Genau genommen sah ich das, was ich bisher mit mir selbst und meinen tiefsten Wünschen getan hatte. Ich hatte sie eingesperrt und mir nicht erlaubt, sie zum Ausdruck zu bringen. Also fing ich an, mich dem inneren Dämon zuzuwenden und ihn besser kennenzulernen. Ich baute eine innere Verbindung zu ihm auf, und er begann, sich zu verändern. Das Bild in meiner Vorstellung wandelte sich über die Jahre von einem hässlichen, unbehaarten, fledermausähnlichen Wesen zu einem wunderschönen, schillernden und starken Drachen. Und so wie sich diese Darstellung vor meinem inneren Auge wandelte, veränderte sich auch mein Umgang mit mir selbst.
Dann jedoch hatte ich ein Schlüsselerlebnis, durch das es schließlich zu der Methode kam, die ich Ihnen in diesem Buch vorstellen möchte. Unterwegs zu meiner Nachbarin, mit der ich inzwischen viele spirituelle Erfahrungen teilte und besprach, sah ich plötzlich vor meinem geistigen Auge einen Dämon. Ich ignorierte es und ging zu unserer Verabredung. Von da an begegnete mir dieses Phänomen allerdings ständig. Immer, wenn jemand zu mir kam, um einen Jenseitskontakt oder eine persönliche Beratung zu bekommen, sah ich zuallererst einen Dämon vor meinem geistigen Auge. Bisher kannte ich das ja nur von meiner eigenen Persönlichkeitsarbeit. Ich dachte damals, dass es meine eigenen Bilder seien, die mir halfen, mich selbst zu verstehen. Aber nun tauchten Bilder von verschiedensten Dämonen auch im Zusammenhang mit anderen Menschen auf, und das verunsicherte mich sehr.
Ich dachte mir: »Klarer Fall von Schizophrenie oder Wahnvorstellungen. Also doch verrückt!« Dann fragte ich aber glücklicherweise meinen geistigen Helfer, was das eigentlich solle, denn ich konnte mich seitdem nicht mehr richtig auf die eigentliche Arbeit konzentrieren, und das störte mich sehr. (Ein geistiger Helfer ist ein geistig unabhängiges Wesen, das dem Menschen als Begleiter zur Seite steht, solange er lebt. Für die meisten Menschen sind diese himmlischen Begleiter zwar nicht sichtbar, aber fühlbar. Manche bezeichnen diese Instanz auch als das höhere Selbst.)
Ich befürchtete, meine Arbeit nun nicht mehr machen zu können – eine Vorstellung, die mir einen gehörigen Schrecken einjagte. Mein geistiger Helfer erklärte mir jedoch, dass sich meine Arbeit nun um die nächste Ebene und Dimension erweitern würde. Ich solle mir diesen Dämon genau ansehen und die Bilder, die ich sah, sinnbildlich übersetzen. Genau so, wie ich es für mich selbst ja auch getan hatte. Zwar wusste ich immer noch nicht, wozu diese neue Ebene gut sein sollte, aber ich setzte den Rat trotzdem bei der nächsten Gelegenheit um, da ich selbst keine bessere Idee hatte.
Dann geschah etwas Erstaunliches: Ich erwartete eine Frau zu einer Einzelberatung, und wieder sah ich einen Dämon vor meinem geistigen Auge, der allerdings ganz anders aussah als mein eigener. Ich nahm mir die Zeit, ihn zu betrachten, und bekam auf diese Weise unglaublich hilfreiche Informationen über diese Frau. Ich erkannte, dass es ihr persönlicher Dämon war, und verstand plötzlich, wie ich diese Bilder zu deuten hatte. Das gab mir wichtige Einblicke, wie und wodurch sich diese Klientin selbst blockierte und welche Ängste sie beherrschten. Ich formulierte diese Erkenntnisse entsprechend, und wir konnten ganz wunderbare Lösungen erarbeiten, wie sie sich in Zukunft selbst besser erziehen und helfenkonnte. Themen, die sie bisher blockiert hatten, konnten wir gemeinsam lösen und hilfreiche Strategien für ihren Alltag finden.
Zuerst war ich auf der einen Seite etwas traurig, dass die Sitzungen, wie ich sie bisher gekannt hatte, sich nun veränderten. Auf der anderen Seite war ich extrem gespannt, was da noch alles kommen würde, denn diese Methode eröffnete mir auch neue Möglichkeiten. Ich akzeptierte diese Veränderung in meinem Leben und begann, aus ihr zu schöpfen. Dieser neu eingeschlagene Weg und die Arbeit mit dem inneren Dämon waren und sind gleichermaßen eine Befreiung und Bereicherung für mich. Und genau darum möchte ich Ihnen dieses Wissen zur Verfügung stellen, damit auch Ihnen diese innere Freiheit zuteilwerden kann.
Dieses Kapitel bietet konkrete Anregungen für alltägliche Situationen, in denen das unerlöste Ego eine Rolle spielt. Oft ist man sich bewusst, dass man eigentlich anders handeln oder reagieren müsste, aber es fehlt einfach an Ideen, wie man das tun könnte. Damit das in Zukunft anders werden kann, werden hier die wichtigsten Probleme behandelt, mit denen man sich im Alltag meist überfordert fühlt. Am Anfang muss man etwas Mut aufbringen, um anders zu handeln als bisher. Ist diese Hürde jedoch erst einmal genommen, so fällt es in darauffolgenden Situationen bereits viel leichter. Der erste Schritt ist immer der schwerste!
Grundlegend dafür ist vor allem, dass man die Bereitschaft zur Selbstreflexion mitbringt. Ist man offen dafür, sich seine Fehler einzugestehen, dann liegt der unangenehmste Teil bereits hinter einem. Man sollte sich bewusst machen, dass meistens gar nichts Schlimmes passiert, wenn man den Mut zur Aufrichtigkeit hat. Wie heftig die Reaktion des Gegenübers ausfällt, hängt davon ab, wie sehr der eigene Selbstbetrug das Leben des anderen bereits in Mitleidenschaft gezogen hat. Sicherlich wird der Betroffene nicht gerade begeistert sein, wenn man es beispielsweise bereits sehr lange aufgeschoben hat zu sagen: »Es tut mir leid.« Aber gelyncht wird man dafür trotzdem nicht!
In solchen Situationen ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass man, trotz aller Makel und Fehler, liebenswert ist und es auch bleibt – selbst wenn mal etwas danebengehen sollte. Wenn man sich allerdings für das verurteilt, was man getan oder gesagt hat, dann werden das die anderen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch tun. Denn die Mitmenschen gehen immer so mit einem um, wie man mit sich selbst umgeht.
Damit man etwas verändern und verbessern kann, muss man also zuerst einmal erkennen, dass etwas nicht optimal war. Danach erst kann man sich eine neue Strategie überlegen. Ohne Erkenntnis ist leider keine nachhaltige Veränderung möglich.
Die eigenen Bedürfnisse spüren, das klingt sehr einfach, und es leuchtet auch jedem ein, dass das wichtig ist. Aber im alltäglichen Getümmel bleibt davon meist nicht mehr viel übrig. Man rennt von A nach B, schnell noch einkaufen, die Kinder abholen, kochen, essen … Daran ist ja grundsätzlich nichts auszusetzen, vorausgesetzt, man berücksichtigt zwischendurch auch die eigenen Bedürfnisse.
Warum ist es so schwierig, diesen Vorsatz im Alltag beizubehalten und den eigenen Anliegen Raum zu geben? Die Antwort ist einfach: Die wenigsten Menschen fragen sich zu Beginn des Tages: Was ist für mich heute wichtig, und was möchte ich gerne tun? Das wird erstaunlicherweise einfach vergessen. Würde man sich diese Frage stellen, dann hätte man auch eine Antwort parat. Wenn man sich diese Frage hingegen gar nicht erst stellt, wird man natürlich auch keine Antwort darauf bekommen.
Ganz kühne Menschen könnten sich auch überlegen, was sie heute glücklich machen würde. Tragisch wäre nur, wenn die Antwort lautete: Mein Partner jedenfalls nicht! Man sollte sich also nur solche Fragen stellen, deren Beantwortung man nicht fürchtet. Andernfalls könnte das die Notwendigkeit der Veränderung der bisherigen Lebensumstände nach sich ziehen, was in manchen Fällen, nebenbei bemerkt, nicht unbedingt das Schlechteste wäre.
Wenn man es schafft, lediglich ein Bedürfnis pro Tag zu stillen, dann ist das schon sehr viel, was sich positiv auf die Lebensqualität auswirken wird. Etwas mehr wäre natürlich wünschenswert. Denn wenn man auf diese Weise für sich selbst sorgen kann, dann muss das kein anderer für einen übernehmen. Das könnten Dinge sein wie etwa ein Spaziergang im Wald, eine Stunde Ruhe, ein heißes Bad, eine Reise, ein klärendes Gespräch, etwas Sport usw.
Wenn morgens die Tagesplanung gemacht wird, stellen Sie sich kurz die Frage nach Ihrem heutigen Bedürfnis. Bringen Sie es dann im Tagesablauf irgendwo unter. Sie werden sehen, dass es möglich ist. Es ist nur eine Frage der Organisation!
Sollten Sie Mühe haben, ein Bedürfnis zu benennen, dann nehmen Sie sich am Abend etwas Zeit und fragen Sie sich einmal, was Ihnen überhaupt Spaß im Leben machen würde.
Sollten Sie nicht einmal mehr wissen, was Ihnen Spaß macht, dann sollten Sie zuerst einmal lernen, sich selbst wieder zu fühlen. Das schafft man beispielsweise durch die Arbeit mit dem inneren Kind.
Weitere hilfreiche Fragen könnten sein:
Was brauche ich jetzt/heute?
Was fehlt mir?
Was möchte ich heute erreichen?
Was ist mir heute wirklich wichtig?
Was würde mir guttun?
Was würde mir Freude bereiten?
Wenn Sie Schwierigkeiten haben, das Vorgenommene auch umzusetzen, weil es Ihnen vielleicht nicht wichtig genug erscheint, dann überlisten Sie sich, indem Sie einen offiziellen Termin mit sich selbst in Ihren Kalender eintragen. Oder Sie lassen sich von Ihrem Handy daran erinnern. Sie können sich auch von einer nahestehenden Person an Ihr Vorhaben erinnern lassen. Wenn Sie diese Verabredung mit sich selbst aber immer wieder verschieben, dann könnte das ein Indiz darauf sein, dass Ihre Eltern Sie als Kind auch immer wieder vertrösteten. Das bedeutet, dass Sie dringend lernen sollten, sich selbst wichtiger zu nehmen, damit Sie sich nicht immer wieder zum Opfer machen müssen.
Wieder einmal hat sich an der Supermarktkasse jemand unsanft vorgedrängelt oder den Parkplatz vor der Haustür weggeschnappt. Die gute Erziehung hat verhindert, einen entsprechenden Kommentar loszuwerden oder sogar lautstark auf sich aufmerksam zu machen. Egal, ob der Partner, die Kinder oder der Hund – irgendeiner wird wieder einmal missachten, was man kurz zuvor besprochen hatte. Und wieder ist da dieses Gefühl, für manch einen Luft zu sein, überflüssig zu sein, sich ignoriert zu fühlen … Solche Situationen sind auf die Dauer ungesund.
Was hält einen eigentlich davon ab, noch klarer auf sich aufmerksam und dem anderen begreiflich zu machen, dass soeben eindeutig eine Grenze überschritten wurde? Dafür sorgt in der Regel unsere gute Erziehung, die in diesem Zusammenhang jedoch leider nicht so gut war, wie es vielleicht den Anschein hat. Sicherlich war diese Form der Erziehung gut für die Eltern, da so vom Kind weniger Widerworte kamen. Für die kindliche Entwicklung war sie jedoch ungesund. Denn es ist wichtig, dass auch das NEIN eines Kindes akzeptiert wird.