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»Die Seele ist unsterblich« Kim-Anne Jannes gibt hier Einblicke in das Jenseits und seine Gesetzmäßigkeiten und erklärt, wie ihr eigener Kontakt zu Verstorbenen funktioniert. Sie beschreibt, wie sie diese ungewöhnliche Begabung an sich selbst entdeckt und schrittweise weiter ausgebaut hat. Außerdem beantwortet das Medium die häufigsten Fragen, die ihr in Einzelsitzungen und Seminaren immer wieder gestellt werden. Denn: Je mehr man über das Leben nach dem Tod weiß und Gewissheit hat, dass nach dem Sterben nicht einfach alles vorbei ist, umso besser kann man auch die Angst vor der Endlichkeit bewältigen unn ein erfülltes diesseitiges Leben führen. Mit Wahrnehmungsübungen lernt man zudem, wie man seine eigene Intuition schulen kann. Das Jenseits und die geistige Welt von Kim-Anne Jannes: im eBook erhältlich!
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Seitenzahl: 300
Kim-Anne Jannes
Das Jenseits und die geistige Welt
Meine Arbeit als Medium
Knaur e-books
Dieses Buch ist meinen Kindern gewidmet, da sie mich immer wieder das Wunder des Lebens begreifen lassen.
Schon als Jugendliche habe ich immer gesagt: »Irgendwann schreibe ich mal ein Buch!« Allerdings habe ich das mehr aus Spaß geäußert, wenn mal wieder etwas Ungewöhnliches in meinem Leben passiert war. Seltsamerweise hatte ich trotzdem hin und wieder das Gefühl, dass es wirklich einmal so sein könnte. Damals hatte ich keine Ahnung, was das Leben noch alles für mich bereithalten würde, und das war auch gut so. Nun ist inzwischen eine Menge zusammengekommen und es scheint an der Zeit zu sein festzuhalten, was mir so alles widerfahren ist. In diesem zweiten Buch habe ich versucht, die wichtigsten Dinge rund um das Thema Geistige Welt und Kontakt mit dem Jenseits einfach und verständlich zu beschreiben. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, Ihnen damit viele interessante Einblicke und unterhaltsame Momente zu bescheren. Es wäre mir jedenfalls eine große Freude. Und vielleicht kann ich Ihnen mit meinen Zeilen auch etwas Trost spenden, wenn Sie möglicherweise gerade um einen geliebten Menschen trauern.
Der Tod ist nur eine Tür, durch die wir alle irgendwann gehen, und es gibt tatsächlich keinen reellen Grund, um sich davor zu fürchten. Denn ohne den Tod würde es auch dieses wunderbare Leben nicht geben.
In tiefer Verbundenheit, Ihre
Kim-Anne Jannes
Während ich dieses Buch schrieb, bat ich immer wieder Menschen aus meinem Umfeld, Passagen daraus zu lesen. Es war mir wichtig zu erfahren, ob das, was ich geschrieben hatte, einfach zu verstehen war oder ob ich das eine oder andere noch abändern musste. Nachdem meine Schwiegermutter einen großen Teil gelesen hatte, sagte sie: »Mir gefällt es sehr gut, und ich verstehe auch, was du schreibst. Aber eine Frage habe ich doch noch: Woher weißt du das eigentlich alles über den Tod und das Jenseits? Ich meine, du führst ein ziemlich normales Leben – auch nicht wesentlich anders als ich. Und trotzdem habe ich keinen blassen Schimmer von all diesen Dingen.«
Ich erkannte, dass ihre Frage tatsächlich berechtigt war. Da es für mich völlig normal war, hatte ich mir diese Frage noch nie stellen müssen. Dass es ein Jenseits gibt, war für mich schon immer eine Selbstverständlichkeit. Die Frage nach dem Warum? hatte sich mir daher nie gestellt. Ich dachte eine Weile darüber nach, und schnell wurde mir klar, worin der Grund dafür lag: Seitdem ich als Mensch auf dieser Welt bin (genau genommen schon, als ich im Bauch meiner Mutter heranwuchs), konnte ich immer wieder einmal einen Blick durch die Tür zur geistigen Welt werfen. Tatsächlich glaube ich, dass sie mir schon immer offen stand. Und das ist die einfache Erklärung dafür, dass ich dieses umfassende Wissen über das Leben nach dem Tod bereits als Kind hatte. Deshalb kam es auch nicht zu einer Trennung zwischen meiner geistigen Existenz und meinem körperlichen Dasein, wie das normalerweise der Fall ist. Ich musste mich nicht, wie die meisten Menschen, erst wieder mühsam an alles erinnern und dieses Wissen um die geistige Welt freischaufeln, sondern konnte von Anfang an darauf zurückgreifen und es mehr oder weniger bewusst einsetzen. Darum nehme ich auch meinen geistigen Helfer sehr deutlich wahr, wir waren von Anfang an eng miteinander verbunden.
Auch wenn jedes menschliche Wesen solch eine geistige Unterstützung in Form eines Helfers an seiner Seite hat, ist es nicht selbstverständlich, dass der Draht zueinander so gut funktioniert wie bei mir. Viele wissen leider nicht einmal, dass sie diesen geistigen Helfer haben. Vielleicht hilft das Buch ja dabei, dass einige von Ihnen sich diesen Bereich wieder erschließen können. Es wäre mir jedenfalls eine Ehre, einen Teil dazu beigetragen zu haben.
Mein Weg zur Medialität
Ich habe mich oft gefragt, warum mich der liebe Gott mit einer solchen Gabe ausgestattet hat. Wahrscheinlich habe ich zu laut Hier geschrien, als es im Himmel vor meiner Geburt um die Verteilung der Wahrnehmungsfähigkeit ging. Ich hätte Gott möglicherweise doch etwas besser zuhören sollen. Bei der Verteilung der Geduld bzw. der Langsamkeit war ich wohl gerade auf der Himmelstoilette. Und dementsprechend begann auch mein Leben hier als Erdenbürger. Ich hatte es so eilig, dass meine Mutter es nicht einmal bis zur Haustür schaffte, nachdem die Wehen eingesetzt hatten. Schon verschaffte sich mein Kopf bereits Luft, und so kam ich zwei Wochen zu früh zur Welt. Die Fruchtblase hatte ich ordentlich wie ein Mützchen auf meinem Kopf.
Diese Schnelligkeit sorgte auch nach meiner Geburt immer wieder aufs Neue für allerlei Schreckenssekunden in meiner Familie. Ein Satz, der oft fiel, wenn ich plötzlich wieder einmal unauffindbar war – und das geschah häufiger –, war folgender: »Sie war doch gerade noch da!«
Meinen Schutzengel muss ich nach dem Kriterium der Geschwindigkeit ausgewählt haben, anders kann ich mir seine Leistung nicht erklären. Ich befand mich öfter in lebensbedrohlichen Situationen und jedes Mal kam im entscheidenden Moment wie bestellt Hilfe um die Ecke. Es hätte wirklich eine Menge Gelegenheiten für mich gegeben, zurück in die geistige Welt zu gehen. Ich beneide meinen Schutzengel (oder besser: meinen lieben geistigen Helfer, wie ich ihn heute nenne) nicht um seinen Job, denn er hatte alle Hände voll zu tun, dafür zu sorgen, dass ich am Leben bleibe, damit ich heute meine Lebensaufgabe erfüllen kann.
Die Lebensbedrohlichkeit all dieser Situationen habe ich angenehmerweise gar nicht als solche wahrgenommen, da es ja immer gut für mich ausgegangen ist. Auch diesbezüglich hat mein Helfer ganze Arbeit geleistet.
Einen schlimmen Autounfall verschlief ich beispielsweise und wurde erst wach, als das Auto stand und mein Vater rief: »Schnell raus hier, Kind!« Keiner von uns war verletzt worden, obwohl wir uns mehrmals gedreht hatten und eine Böschung hinuntergesaust waren. Wie durch ein Wunder hatten wir uns nicht überschlagen. Eine weitere für mein Leib und Leben kritische Begebenheit ereignete sich im Urlaub auf einer Nordseeinsel. Ich war vielleicht vier Jahre alt. Meine Eltern, mein Bruder und ich machten einen Spaziergang, als ich weiter entfernt auf einer Koppel ein tolles Pferd entdeckte. Ich rannte los und hatte nur noch ein Ziel: das Pferd. Meine Eltern bemerkten erst, dass ich nicht mehr in ihrer Nähe war, als es bereits zu spät war. Wieder fiel der Satz: »Sie war doch gerade noch da!« Der schwarze Schweif des Tieres zog mich magisch an. Ich stellte mich hinter das Pferd und ließ die Haare immer wieder über mein Gesicht gleiten. Zum Schrecken meiner Mutter, da sie bereits ahnte, dass der Hengst – unruhig wie er war – versuchen würde, mich irgendwie loszuwerden. Genau das passierte im nächsten Moment. Das Tier verpasste mir einen gezielten Tritt ins Gesicht, und ich flog ein paar Meter weit. Meinen Eltern blieb fast das Herz stehen, da sie das Geschehen aus der Distanz tatenlos mit ansehen mussten. Erstaunlicherweise wurde ich weder bewusstlos, noch hatte ich mir ernsthaft weh getan. Natürlich weinte ich, allerdings mehr vor Schreck. Beim Arzt stellte sich dann heraus, welch unsagbares Glück ich dabei gehabt hatte. Der Huf des Pferdes hatte mich so günstig getroffen, dass heute lediglich eine kleine Narbe neben dem Auge an das Ereignis erinnert. Mein Auge, mein Gehirn, mein Genick, all das blieb unversehrt. Das Augenpflaster, das mir der Arzt auf die kleine Platzwunde klebte, setzte ich noch am gleichen Abend geschickt ein, um mit Menschen, die im gleichen Restaurant wie wir aßen, Kontakt zu knüpfen und ins Gespräch zu kommen, was natürlich bestens funktionierte.
Ein anderes Mal war ich mit meiner geliebten Oma Hilde unterwegs zur Turnhalle, wo gerade eine kleine Sportveranstaltung stattfand, die wir uns ansehen wollten. Ich kannte den Weg durch die Umkleiden blind, da meine Großeltern Hausmeister in der angrenzenden Schule waren und meine Mutter als Sportlehrerin dort unterrichtete. Die Turnhalle war an einen Hang gebaut, und so musste man vom Eingang Treppen hinunter zu den Umkleiden und von dort aus zur Halle weitere Treppenstufen hinab bis zur Turnhallentür. Ich nahm also Anlauf und rannte die Stufen zur Umkleide hinunter, durch die Umkleide und die nächsten Stufen hinab. Inzwischen hatte ich so viel Schwung, dass ich den Kontakt zum Boden verlor und zielstrebig auf die geschlossene Hallentür zuflog. Meine Oma hatte keine Chance, mich noch einzuholen und musste auf ein Wunder hoffen. Was dann auch geschah. Kurz bevor ich gegen die Türe prallen konnte, ging sie auf und ein Südländer kam um die Ecke. Er erfasste blitzschnell die Situation, öffnete die Arme und fing mich fast wie geplant auf. Meine Oma bekam weiche Knie und überschüttete den Retter zuerst mit Dankesreden und anschließend mit Pralinen.
Das sind nur ein paar wenige Beispiele, aber diese Geschichten ließen sich beliebig fortsetzen. Alle haben sie allerdings eines gemeinsam: Am Ende passierte immer ein kleines bis mittelgroßes Wunder, das stets dafür sorgte, dass ich unversehrt blieb. Ich habe mir schon einige Male überlegt, was auf meinem Grabstein stehen sollte, wenn ich gestorben bin. Der typische Ausspruch meiner Familie – »Eben war sie doch noch da!« – kommt auf jeden Fall in die engere Auswahl.
Mir selbst fiel in der Kindheit mein Talent, mit der geistigen Welt in Kontakt zu sein, nicht sonderlich auf. Ich bin lange Zeit davon ausgegangen, dass jeder Mensch die gleichen Dinge wahrnimmt wie ich, weshalb ich mich auch nie als Sonderling oder so etwas in der Art gefühlt habe. Ich nutzte meine erweiterte Wahrnehmung, um meinen kindlichen Alltag mit all seinen Herausforderungen möglichst gut zu meistern. Mein Leben war früh geprägt von Leistungssport, worüber ich heute sehr froh bin, da ich dort Disziplin und ein starkes Körpergefühl entwickeln konnte, was mir heute bei der Ausübung meiner Berufung sehr hilfreich ist.
Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, fallen mir im Nachhinein einige Dinge auf, die meine Eltern hätten stutzig werden lassen müssen. Meine Mutter fragte mich beispielsweise als Kind oft um Rat, wenn sie irgendwelche Gegenstände nicht finden konnte. Als ich sie vor einigen Jahren mal gefragt habe, ob sie sich nicht gewundert hätte, dass ich stets wusste, wo danach zu suchen war, sagte sie nur: »Das war praktisch, und ich dachte einfach, du hättest die Sachen versteckt und wüsstest deswegen, wo sie sind.« Im Gespräch fanden wir allerdings heraus, dass manche Gegenstände viel zu hoch deponiert waren, als dass ich sie dort hätte hinlegen oder sehen können.
Als ich ihr einmal von einer freundlichen, alten Dame mit langem, weißem Haar berichtete, die abends an meinem Bett saß, obwohl ich genau genommen völlig allein in meinem Zimmer war, schrieb sie es einfach meiner blühenden Phantasie zu. Inzwischen weiß ich, dass es sich dabei um meine Uroma handelte, die mir seitdem oft erschienen ist, um mir zu helfen. Sie starb, bevor ich überhaupt geboren wurde, und war mir somit zu diesem Zeitpunkt auch nicht bekannt. Ich empfinde bis heute eine große Verbundenheit zu ihr, denn sie war und ist so etwas wie ein guter Geist für mich. Von meiner Mutter erfuhr ich, dass diese Frau ein sehr spezieller Mensch gewesen war. Für die damaligen Verhältnisse hatte sie sehr fortschrittlich gedacht und schon zu jener Zeit homöopathische Mittel zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt.
Mein Leben war zudem immer schon geprägt von Déjà-vus. Als meine Familie und ich beispielsweise einen Urlaubsausflug zur damals noch jugoslawischen Insel Brac machten, kamen wir auf dem Weg dorthin durch ein sehr altes, kleines Fischerdorf. Alles dort kam mir irgendwie so vertraut vor, und ich wusste immer schon einige Momente vorher, woran wir als Nächstes vorbeifahren würden. Ich dachte: Ach ja, gleich kommt ein kleiner Laden, dann ein Brunnen, dann auf der anderen Seite der Hafen usw. Ich kannte das Dorf und den Weg zum Hafen, ohne in diesem Leben jemals dort gewesen zu sein. Ich fand das zu diesem Zeitpunkt ganz normal und darum sprach ich auch nicht darüber. Heute weiß ich, dass ich in diesem Dorf in einem früheren Leben einmal gelebt habe und ich mich deshalb an viele Details erinnerte.
Dass meine erweiterte Wahrnehmung von meiner Familie in die SchubladePhantasie gesteckt wurde, hatte jedoch einen entscheidenden Vorteil: So konnte ich sie im Alltag einsetzen und dachte, das wäre normal, da Phantasie ja mehr oder weniger jeder besitzt. Also gehörte diese Gabe in meinen Augen zur normalen Ausstattung eines Menschen. Das war wohl auch der Grund, warum ich mich als Kind niemals ängstigte, wenn ich meine Uroma oder etwas anderes eigentlich nicht Sichtbares wahrnahm. Ich war diesen Erscheinungen gegenüber völlig unvoreingenommen. Schließlich hatte mir niemand in irgendeiner Weise vermittelt, dass dies gruselig, seltsam oder sonst irgendwie negativ wäre. Ich betete jeden Abend und sprach mit dem lieben Gott. Ich wusste, dass er mir zuhörte und mir half, wenn ich ihn wirklich brauchte. Auch dass ich sehr hilfreiche Antworten in Form von Gedanken bekam, gehörte für mich zu meinem Alltag. Heute bin ich sicher, dass ich nicht mit Gott direkt, sondern mit meinem geistigen Helfer kommuniziert habe.
Ein wenig schwieriger wurde es dann in der weiterführenden Schule. Im Religionsunterricht hatte ich immer das Gefühl, dass irgendetwas an dem nicht stimmte, was der Lehrer uns vermitteln wollte. Sein Bild vom Leben, vom Tod und vom Himmel passte gar nicht zu meiner Wahrnehmung, und so kam es öfters vor, dass meine Mutter beim Lehrer vorsprechen musste, weil ich mal wieder zu oft warum? gefragt hatte.
Ich fragte grundsätzlich bei allem, was mich wirklich interessierte, so lange warum?, bis ich eine befriedigende Antwort erhielt. Man kann sich vorstellen, dass solch ein Kind hin und wieder sehr nervtötend sein kann, aber meine Eltern trugen ihr Schicksal mit Fassung. Einerseits waren sie froh, solch ein wissbegieriges Kind zu haben. Andererseits dachten sie sich, dass auch diese Warum-Phase irgendwann wieder vorbeigehen würde. Was das anging, haben sich meine Eltern allerdings geirrt.
Ansonsten fiel ich lediglich durch meine mitfühlende, hilfsbereite und soziale Art auf. Ich gehörte nie zu einer bestimmten Gruppe. Auch wenn es dann und wann mal eine Ausnahme gab, mochte ich im Prinzip schon damals alle Wesen dieser Welt. Selbst die Kinder, die regelmäßig andere verprügelten und deshalb sehr unbeliebt waren, zählten teils sogar zu meinem engsten Freundeskreis. Irgendwie fühlte ich für jeden und jede Sympathie, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich empfinde für alle Menschen und Lebewesen ein Grundmaß an Liebe und Verständnis. Natürlich gibt es manche, die mir näher stehen als andere, aber ich habe schon als Kind Gefühle wie Hass oder Neid nicht gekannt. Umso irritierter war ich deshalb, als ich mich mit Neid das erste Mal bewusst konfrontiert sah. Ich musste begreifen und akzeptieren, dass es Menschen gibt, die Neid und Missgunst empfinden – auch wenn mir das nicht gerade leichtgefallen ist.
Nun könnte der Eindruck entstehen, ich wäre besonders behütet aufgewachsen, was zu einer gewissen Naivität geführt haben könnte. Allerdings kann ich nicht gerade behaupten, mit Samthandschuhen angefasst worden zu sein. Auch mein fünfeinhalb Jahre älterer Bruder hat mich nicht wirklich geschont. Während er sich durch Kraft und Körpergröße hervortun konnte, musste ich List und Tücke einsetzen, um mich gegen mein geliebtes Bruderherz durchzusetzen. Wir stritten uns leidenschaftlich, hielten andererseits aber auch wie Pech und Schwefel zusammen. Je nachdem, was gerade an der Tagesordnung war.
Ich glaube inzwischen, dass Gott mich mit einer gewissen Naivität ausgestattet hat, damit ich die Liebe zu den Menschen nicht verliere. Es ist gewissermaßen ein Schutz. Denn würde ich nicht an das Gute im Menschen glauben, so könnte ich viele Aspekte meiner heutigen Arbeit gar nicht authentisch ausüben. Wenn ich Wunder für unrealistisch halten würde, dann wären auch keine Hoffnung und kein Glaube mehr in mir.
Auch den Tod oder das Sterben habe ich nie als etwas Negatives oder gar Bedrohliches empfunden. Die ersten Berührungen mit diesen Themen hatte ich, als Tiere, die auf dem Bauernhof meiner Großeltern lebten, irgendwann starben. Ich empfand das als natürlich und wäre niemals auf die Idee gekommen, deshalb mit Gott zu hadern. Die Tiere, die mir nahe standen und starben, bekamen ein ordentliches Begräbnis und somit gehörte der Tod für mich schon immer zum Leben dazu.
Selbst als mein geliebter Opa Herbert schwer erkrankte und immer wieder ins Krankenhaus musste, hatte ich keine Angst um ihn. Ich wusste ja, wo er hingehen würde, wenn er sterben würde. An meinen letzten Besuch bei ihm im Krankenhaus erinnere ich mich noch heute sehr gut. Er hatte ein weißes Krankenhaushemd an und trug weiße, lange Thrombosestrümpfe. Die ganze Zeit über machte er Quatsch und Spaß mit mir. Er sagte, es seien seine Ballettstrümpfe, damit er besser über den Flur tanzen könne. Ich war mir unsicher, ob ich ihm das glauben sollte, aber die Vorstellung, dass mein Opa über den Gang hüpfte wie eine Primaballerina, fand ich doch sehr lustig. Von diesem Tag an gab es für mich leider keine Gelegenheit mehr, ihn noch einmal zu sehen. Irgendwann sagte meine Mutter mir, dass es ihm sehr schlecht gehe und fragte mich, ob ich ihm nicht einen Brief schreiben wolle. Den würde sie ihm dann vorlesen, sobald sie bei ihm wäre. (Ich durfte wegen Streitigkeiten meiner Eltern nicht mehr zu ihm und meiner Oma, da es die Eltern meiner Mutter waren und mein Vater mir den Kontakt zu ihnen verboten hatte.) So schrieb ich also einen Brief – jedes Wort in einer anderen Farbe und in sehr großen Buchstaben, da er nur noch schlecht sehen konnte. Für mich war es eine Art Abschiedsbrief, allerdings ohne Trauer. Ich empfand einfach Freude darüber, dass ich ihm noch mal etwas Gutes zur Aufmunterung tun konnte und dass ich ihm auf diese Weise mitteilen konnte, wie lieb ich ihn hatte. Kurz darauf verstarb er, ohne dass wir uns noch mal gesehen hätten. Ich durfte leider nicht zur Beerdigung, was ich mit inzwischen neun Jahren überhaupt nicht verstehen konnte. Denn schließlich war es ja das Abschiedsfest zu Ehren meines Opas. Aber mein Vater sah das wohl anders. Er meinte, dass Kinder auf einer Beerdigung nichts zu suchen hätten. In den nächsten Jahren kristallisierte sich immer deutlicher heraus, dass mein Vater vieles ganz anders sah als ich.
Zu dieser Zeit kriselte es bereits gewaltig zwischen meinen Eltern. Sie stritten sich oft und respektlos, und mein Vater ließ nichts aus, um meine Mutter zu kränken. Er verlor die Kontrolle über sein Leben und versuchte wahrscheinlich genau deshalb, alle anderen zu kontrollieren und zu manipulieren. Das war wirklich sehr schade, denn mein Vater hatte auch viele positive Seiten. Die Rechnung, alle anderen zu kontrollieren, ging für ihn leider nicht auf. Zuerst ging meine Mutter, dann mein Bruder und zuletzt ging auch ich. Mit dreizehn Jahren eröffnete ich ihm, dass ich nun zu meiner Mutter ziehen würde. Ich hatte wochenlang mit Gott gesprochen und ihn um Kraft für diesen Schritt gebeten. Er kostete mich aus verschiedenen Gründen viel Überwindung und Mut. Einerseits hatte mein Vater versucht, den Kontakt zwischen meiner Mutter, meinem Bruder und mir zu unterbinden. Um sein Ziel zu erreichen, erzählte er mir allerlei Geschichten, wie z.B.: »Deine Mutter will gar nichts von dir wissen.« Ich war also etwas unsicher, ob meine Mutter mich überhaupt bei sich haben wolle. Andererseits spürte ich auch, wie sehr mein Vater mich brauchte, um nicht das Gefühl zu haben, völlig gescheitert zu sein. Allerdings vergaß er in seinem persönlichen Rachefeldzug gegen meine Mutter etwas Wesentliches: die Liebe. Egal, was er tat oder sagte, es konnte der Liebe zu meiner Mutter nichts anhaben. Es war nur eine Frage der Zeit, wann unsere innige Verbindung siegen würde. Ich wusste, dass es meinen Vater endgültig zerstören würde, wenn ich ihn allein ließ. Denn er hatte bereits jeden, den er liebte, von sich weggetrieben.
Die Krankheit, an der er letztendlich drei Jahre später sterben sollte, ließ, nachdem ich ausgezogen war, nicht lange auf sich warten. Kurz nachdem er zum zweiten Mal geheiratet hatte (übrigens in der gleichen Kirche, in der er zwanzig Jahre zuvor meiner Mutter das Jawort gegeben hatte), bekam er die Diagnose Krebs. Ich lebte inzwischen bei meiner Mutter und ganz in der Nähe meiner geliebten Oma Hilde, die nach dem Tod meines Opas Herbert den Bauernhof in der Eifel aufgegeben hatte und nach Solingen, in die Nähe meiner Mutter, gezogen war. Eine Woche vor seinem achtundvierzigsten Geburtstag musste mein Vater wegen Rückenschmerzen überraschend zum Arzt. Man hatte jedoch nichts Besonderes feststellen können. Als ich ihn dann an seinem Geburtstag besuchen kam, fand ich ihn im Bett liegend vor. Er hatte starke Schmerzen und sein Bauch war hart wie ein Brett. Das Seltsame war, dass ich ihm ausgerechnet an diesem Geburtstag ein ganz besonderes Geschenk machen wollte. Aus diesem Grund hatte ich ihm Tage zuvor selbst eine Kurzgeschichte geschrieben. Diese Geschichte handelte von einem alten Mann in einem Rollstuhl und einem kleinen Mädchen. Das Mädchen ging oft auf dem Weg zum Markt an ihm vorbei und sie sahen sich dabei jedes Mal intensiv in die Augen. Allerdings sprachen sie nie ein Wort miteinander. Die Geschichte endete dann folgendermaßen:
…Wieder war Markttag. Das Mädchen nahm sich vor, den alten Herrn diesmal anzusprechen. Sie ging voller Vorfreude den wohlbekannten Weg zum Marktplatz. Doch als sie diesmal um die Ecke bog, war der Hauseingang, an dem der alte Mann Samstag für Samstag in seinem Rollstuhl gesessen hatte, leer.
Ich war fest davon überzeugt, das tollste Geschenk der Welt zu haben, denn welches Kind schrieb seinem Vater schon eine Geschichte? Der Kommentar meines Vaters verwunderte mich darum ein wenig. Er meinte: »Das ist aber ein seltsames Geburtstagsgeschenk.« Heute sehe ich das genauso wie er. Aber damals hatte ich inspiriert geschrieben, und die Symbolik der Zeilen war mir gar nicht bewusst gewesen. Mir ging es viel mehr um die Idee.
Jedenfalls wurde im Laufe der folgenden Nacht schnell klar, was sich in meiner Geschichte bereits angekündigt hatte. Mein Vater wurde am selben Abend noch ins Krankenhaus gebracht, und meine Mutter fuhr mich zu ihm. Sie ließ mich mit den folgenden Worten aus dem Auto aussteigen: »Egal, was passiert und egal, was für eine Situation du gleich vorfinden wirst, du bleibst heute Nacht bei ihm und rufst mich an, wenn ich dich morgen holen soll.« Ich verstand die ganze Dramatik nicht so ganz. Meiner Meinung nach wurde wahrscheinlich wie so oft in der letzten Zeit ein riesiges Theater um nichts gemacht. Meine Mutter bestand jedoch darauf, dass ich da bleiben solle. Sie selbst hatte leider keine Erlaubnis mitzukommen. Meine Eltern waren einfach zu zerstritten. Auf dem Weg zur Station begegnete ich einem Arzt. Ich sprach ihn direkt an und wollte von ihm wissen, ob er mir etwas über den Zustand meines Vaters sagen könne. Obwohl ich mit meinen sechzehn Jahren noch recht jung aussah, bekam ich erstaunlicherweise sofort sehr konkrete Auskunft von ihm. Er meinte, dass der ganze Körper inzwischen vom Krebs befallen sei und es nur eine Frage von Stunden oder Tagen sei, bis mein Vater sterben würde. Seltsamerweise war ich nicht geschockt, sondern einfach entsprechend vorbereitet, als ich das Zimmer betrat. Mein Vater schlief und bekam erst eine halbe Stunde, nachdem ich mich zu ihm gesetzt hatte, mit, dass ich bei ihm war. Aber er freute sich sehr, mich zu sehen.
In diesem Moment wurde mir klar, dass ich die Nacht über bei ihm bleiben würde. Mit einem Mal empfand ich ihm gegenüber nur noch Liebe und Mitgefühl, was mich selbst erstaunte, denn unsere Beziehung war zu diesem Zeitpunkt alles andere als gut, da vieles zwischen uns noch ungeklärt war. Die Liebe, die mich durchströmte, war von der gleichen Art wie die, die ich heute fühle, wenn ich Menschen im Sterben begleite oder wenn mich jemand um Hilfe bittet. Ich wusste in dieser Situation intuitiv, was zu tun war, ohne dass es mir jemals jemand erklärt oder beigebracht hätte. So saß ich bei ihm und sprach mit ihm – auch dann noch, als er gegen Mitternacht ins Koma fiel. Ich versuchte, ihm einfach Kraft für seinen nun vor ihm liegenden Weg zu geben, der für mich bereits deutlich zu erkennen war. Mir war bewusst, dass er sich vor lauter Schuldgefühlen mit dem Sterben schwertun würde, und darum versuchte ich, einfach für ihn da zu sein, damit seine Angst weniger wurde.
Seine damalige Frau war zwar auch bei uns, aber sie hatte mit dem bevorstehenden Abschied heftig zu kämpfen. Ich hingegen fühlte mich erstaunlich ruhig und begleitete ihn so auf seinem letzten irdischen Weg. In Gedanken unterhielt ich mich mit ihm und bemerkte dabei, dass er mich sogar verstehen konnte. Nachdem er schließlich seine letzten Atemzüge getan hatte, verließ ich den Raum und informierte meine Mutter und die restlichen Angehörigen.
Dann setzte ich mich im Krankenhausflur auf einen Stuhl, und erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, dass mein Vater gerade gestorben war. Ich dachte, ich müsste nun wohl einen Zusammenbruch erleiden oder zumindest heftig in Tränen ausbrechen, aber nichts davon passierte. Im Gegenteil – immer noch verspürte ich ein Gefühl der Ruhe, Liebe und Gewissheit.
Erst heute, viele Jahre später, weiß ich, dass dies meine erste Sterbebegleitung war. Ich empfinde es als Gnade, Sterbenden und Angehörigen in diesen schweren Stunden helfen zu dürfen. Daher war der Tod meines Vaters, ganz anders als man es vielleicht vermuten würde, prägend für mein Leben. Dieses intensive Erlebnis warf mich nicht in tiefste Trauer und Verzweiflung, sondern ich erfuhr Gottes Liebe in diesem Moment. Mir wurde zum ersten Mal bewusst, wie einfach es manchmal sein kann, anderen Menschen zu helfen.
Mein Vater begegnete mir ein letztes Mal einige Wochen nach seinem Tod im Traum, um sich bei mir zu verabschieden. Ich träumte, dass ich in meiner früheren Schule war. Er stand an einer Galerie und schaute mir von oben aus dabei zu, wie ich an den Schauspielproben teilnahm. Plötzlich sah ich ihn dort stehen, lief sofort die Treppe hinauf und fragte ihn sehr überrascht, was er denn hier mache, schließlich sei er doch gestorben. Er antwortete mir, dass er sich bei drei Menschen auf diesem Wege verabschieden dürfe und ich sei eine davon. Ich freute mich sehr über seine Wahl, umarmte ihn und ging wieder hinunter zu den anderen. Ich winkte ihm noch einmal zu und widmete mich dann wieder der Probe. Als ich kurz darauf zur Galerie hinaufsah, war er verschwunden.
Nach dem Tod meines Vaters begann ein neues Kapitel in meinem Leben. Mir war nicht klar, dass meine Wahrnehmungsfähigkeit und meine Gefühlsintensivität durch die Sterbebegleitung meines Vaters aktiviert und verstärkt worden war. Es hatten sich Türen in mir aufgetan, von denen ich gar nicht wusste, dass sie existieren. Von diesem Zeitpunkt an wurde ich so häufig mit dem Tod konfrontiert, dass ich an diesem Thema einfach nicht vorbei kam. Ich musste mich damit auseinandersetzen, ob ich nun wollte oder nicht. Die letzten Stunden mit meinem Vater hatten Schleusen des Mitgefühls und des Trostes in mir geöffnet, und nun wollte diese Kraft weiter in mein Bewusstsein und zu den Menschen vordringen. Da ich mir aber in den Kopf gesetzt hatte, Goldschmiedin zu werden, musste sich der liebe Gott etwas anderes einfallen lassen, damit ich den Weg zu meiner wahren Berufung finden würde.
So kam es, dass ich die nächsten zwei Jahre regelmäßiger Besucher von Beerdigungen wurde. Ein mir nahe stehender Mensch nach dem anderen starb und verließ diese Welt. Egal, ob die Mutter meines Vaters, verschiedene Bekannte oder zu guter Letzt mein lieber Freund Gerhard. Er nahm sich das Leben, indem er Abgase in sein Auto umleitete. Ich hatte ihn die Wochen zuvor immer seltener gesehen, da er endlich eine Freundin hatte, und deshalb dachte ich, es ginge ihm nun endlich gut und er sei glücklich. So stand ich im Alter von achtzehn Jahren wieder einmal auf dem Friedhof – wie das die letzten zwei zurückliegenden Jahre in regelmäßigen Abständen der Fall gewesen war –, um jemanden zu verabschieden und zu Grabe zu tragen.
Als meine Mutter und ich im Anschluss an die Beerdigung gemeinsam nach Hause gingen, wurde ich langsam wütend und fragte sie: »Was soll das eigentlich? Wieso werde ich hier zum Stammgast? Was ist los, dass ich permanent mit dem Sterben konfrontiert werde?« Meine Mutter war ratlos und wusste leider keine Antwort. Anstelle dessen schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: »Kauf dir doch mal ein Buch über das Leben nach dem Tod.« Ich wunderte mich über diesen blöden Einfall, von dem ich heute aber weiß, dass er mein Leben schlagartig verändert hat. Da ich jedoch keine bessere Idee hatte, besorgte ich mir tatsächlich ein Buch über das Jenseits von einem englischen Medium. Als ich eine Weile darin gelesen hatte, dachte ich: »Warum soll ich das denn lesen? Was der Mann hier über die geistige Welt und den Tod schreibt, das weiß ich doch selbst. Ist doch logisch!« Und wieder kam mir ein Gedanke, diesmal in Form einer Frage: »Meinst du, dass das alle Menschen logisch finden?« Und plötzlich wurde mir klar, dass ich irgendwie anders war als andere. Denn ich hatte mich nie gefragt, ob der Tod für andere Menschen genauso selbstverständlich zum Leben dazugehört wie für mich.
Ich begann, die letzten Jahre zu reflektieren und begriff, dass ich mich mit meiner Wahrnehmung tatsächlich sehr von anderen unterschied. So gab es beispielsweise kurz nach dem Tod meines Vaters eine Begebenheit, die ich bis zu diesem erkenntnisreichen Moment erfolgreich verdrängt hatte: Ich war damals mit einem Bekannten zu seinen Freunden gefahren, um mit ihnen gemeinsam ein Konzert zu besuchen. Die Menschen und das Haus, wo wir vor dem Konzertbesuch noch haltmachten, waren mir völlig unbekannt. Als ich das Haus aber betrat, wurde mir schlagartig mulmig zumute. Mir wurde eng um die Brust, und das Atmen fiel mir schwer. Ich nahm eine dunkle Wolke im Raum wahr und hatte das Gefühl, sie regelrecht sehen zu können. Die Wolke verband zwei im Raum stehende Menschen. Es kam mir so vor, als ob zwischen ihnen ein heftiger Streit um Trennung im Gange wäre. Tatsächlich aber waren lediglich freundlich lächelnde Menschen im Raum und nichts deutete auf das Szenario hin, das ich doch so deutlich wahrgenommen hatte. Ich beruhigte mich langsam und dachte, dass ich ganz sicher ein Fall für die Klapsmühle sei. Auf der Fahrt zum Konzert fragte ich meinen Bekannten nach einiger Überwindung dann doch, ob diese beiden ein Paar wären und ob sie mit dem Gedanken spielen würden, sich zu trennen. Es ließ mir einfach keine Ruhe. Er schaute mich völlig entgeistert an und fragte, woher ich das wüsste, denn er sei der einzige, den sie eingeweiht hätten. Ich versuchte, ihm zu erklären, dass es einfach so ein Gefühl war. Er ließ sich mit dieser Antwort glücklicherweise zufriedenstellen, und ich beschloss, solche Wahrnehmungen in Zukunft zu ignorieren, da ich schließlich nicht in einer geschlossenen Anstalt landen wollte.
Aber je mehr ich diese Dinge unterdrückte, umso schlechter ging es mir. Ich bekam chronische, körperliche Beschwerden und Ärzte schickten mich regelmäßig mit den Worten »wir können nichts finden, Sie sind kerngesund« wieder nach Hause, obwohl ich mich vor Schmerzen krümmte. Es waren Symptome wie Herzrhythmusstörungen, Magenkrämpfe sowie starke Rückenschmerzen. Und zwischendurch, wie bereits erwähnt, war immer mal wieder eine Beerdigung. Heute weiß ich, dass mein Körper damals als Ausdrucksorgan gedient hat. Er zeigte Symptome, die ich teilweise von anderen Menschen übernommen hatte, und brachte auf der körperlichen Ebene Wahrnehmungen zum Vorschein, denen ich keine bessere Möglichkeit gab, zum Ausdruck zu kommen.
Vorübergehend entwickelte ich sogar eine seltsame Angst vor dem Sterben. Ich musste mein bisheriges Bild vom Leben, vom Tod und vom Jenseits verdrängen, um nicht zwangsläufig an meine erweiterte Sinneswahrnehmung erinnert zu werden. Damit entstand aber eine Lücke, die ich durch das weit verbreitete Bild füllte, dass nach dem Tode alles vorbei ist. Und genau das löste diese unfassbare Angst in mir aus. In mir wütete ein innerer Kampf, und Widerstand bäumte sich in mir gegen die Vorstellung des Nichts auf. Dass nach dem Leben alles schwarz um mich herum sein würde, erschien mir so unendlich sinnlos. Ich konnte und wollte mir nicht vorstellen, dass diese wunderbare Schöpfung so funktionierte. Es war einfach gegen die Naturgesetze, die man Jahr für Jahr unter anderem am Wechsel der Jahreszeiten immer wieder beobachten kann. Ich fragte mich, wie es möglich sein könne, dass wir Menschen völlig anderen Gesetzmäßigkeiten unterworfen sein sollten. Die Natur erwacht aus jedem Winterschlaf aufs Neue, um weiter zu wachsen. Warum sollte das bei uns Menschen anders sein? Egal, was ich auch versuchte, um dieses Bild vom endgültigen Tod zu akzeptieren (letztendlich um bequemer für andere zu sein), es wollte mir einfach nicht gelingen. Alles, was der Mensch tut, würde so seinen Sinn und Zweck verlieren, und ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Gott dafür solch einen Aufwand betreibt. Ich musste also doch den Mut zur eigenen Wahrheit entwickeln, denn all diese Fragen wollten nicht unbeantwortet bleiben. Sie wurden nämlich nicht leiser, sondern lauter, je mehr ich versuchte, sie beiseitezuschieben.