Das kann doch jemand anderes machen! - Sara Weber - E-Book

Das kann doch jemand anderes machen! E-Book

Sara Weber

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Beschreibung

Stell dir vor, es ist Arbeit – und keiner muss hin. Denn deinen Job übernimmt die Künstliche Intelligenz. Schon heute koordiniert KI die Bevorratung im Lager, baut für uns Präsentationen oder diagnostiziert Tumore. Und das ist erst der Anfang. Längst ist klar: Künstliche Intelligenz hat das Potential für sehr große Veränderungen. KI plant nicht nur unsere Reisen und schlägt uns die nächste Serie vor, sondern schmeißt auch unsere Arbeitswelt um. Ein bedeutender und durchaus besorgniserregender Umbruch, aber einer, der genau zum richtigen Zeitpunkt kommt. Denn angesichts allgemeiner Erschöpfung und des zunehmenden Mangels an Arbeitskräften brauchen wir dringend Lösungen jenseits eines »Wenn alle etwas mehr machen, ...«.  Zum Wunsch nach Entlastung kommt die Sorge, dass KI einem gleich den ganzen Job wegnimmt. Dabei werden wir alle im KI-Zeitalter mehr gebraucht denn je. Fest steht: Wie die Zukunft unserer Arbeitswelt aussieht, haben wir selbst in der Hand. Sara Weber beschäftigt sich seit Jahren mit der neuen Arbeitswelt. Sie ist davon überzeugt, dass KI nicht nur Risiken bringt: Wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und jetzt die richtigen politischen Weichen stellen. Denn am Ende ist KI nur ein Werkzeug. Wenn wir es für positive und gerechte Veränderung nutzen, schaffen wir uns die Arbeitswelt unserer Träume – und können endlich besser arbeiten als je zuvor.

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Sara Weber

Das kann doch jemand anderes machen!

Wie KI uns alle sinnvoller arbeiten lässt

Kurzübersicht

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Titelseite

Über Sara Weber

Über dieses Buch

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

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Über Sara Weber

Sara Weber, geboren 1987, ist Deutsch-Amerikanerin und lebt in München. Sie studierte Publizistik und Buchwissenschaft in Mainz und besuchte die Deutsche Journalistenschule in München. Nach ihrer Zeit als freie Autorin für u. a. Zeit und Süddeutsche Zeitung arbeitete sie fünf Jahre bei LinkedIn. Sie schreibt die Spiegel-Kolumne »ÜberArbeiten«. Ihr erstes Buch Die Welt geht unter und ich muss trotzdem arbeiten? war 2023 ein Bestseller.

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Über dieses Buch

Stell dir vor, es ist Arbeit – und keiner muss hin. Denn deinen Job übernimmt die Künstliche Intelligenz. Schon heute koordiniert KI die Bevorratung im Lager, baut für uns Präsentationen oder diagnostiziert Tumore. Und das ist erst der Anfang.

Längst ist klar: Künstliche Intelligenz hat das Potential für sehr große Veränderungen. KI plant nicht nur unsere Reisen und schlägt uns die nächste Serie vor, sondern schmeißt auch unsere Arbeitswelt um. Ein bedeutender und durchaus besorgniserregender Umbruch, aber einer, der genau zum richtigen Zeitpunkt kommt.

Denn angesichts allgemeiner Erschöpfung und des zunehmenden Mangels an Arbeitskräften brauchen wir dringend Lösungen jenseits eines »Wenn alle etwas mehr machen, ...«. Zum Wunsch nach Entlastung kommt die Sorge, dass KI einem gleich den ganzen Job wegnimmt. Dabei werden wir alle im KI-Zeitalter mehr gebraucht denn je. Fest steht: Wie die Zukunft unserer Arbeitswelt aussieht, haben wir selbst in der Hand.

Sara Weber beschäftigt sich seit Jahren mit der neuen Arbeitswelt. Sie ist davon überzeugt, dass KI nicht nur Risiken bringt: Wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und jetzt die richtigen politischen Weichen stellen. Denn am Ende ist KI nur ein Werkzeug. Wenn wir es für positive und gerechte Veränderung nutzen, schaffen wir uns die Arbeitswelt unserer Träume – und können endlich besser arbeiten als je zuvor.

Inhaltsverzeichnis

Motto

Einleitung

Wovon sprechen wir überhaupt?

Die Gefahren von künstlicher Intelligenz

1. Halluzinationen und Desinformation

2. Emissionen und Umweltfolgen

3. Ausbeutung von Arbeitskräften

4. Diskriminierung

Kapitel 1 GESTERN

These 1: Technologischer Fortschritt sorgt für bessere Arbeitsbedingungen. Außerdem profitieren die Arbeitskräfte finanziell.

These 2: Jobs, die durch technologischen Fortschritt verschwinden, werden durch bessere Jobs ersetzt. So wird die Arbeitswelt gerechter.

These 3: Wenn immer mehr Jobs automatisiert werden können, werden wir irgendwann alle arbeitslos sein.

Kapitel 2 HEUTE

Jetzt stellt die KI ein!

Der Kampf für mehr Beteiligung

Die durchgetaktete Arbeitswelt

Sinnvoller arbeiten mit KI

Kapitel 3 MORGEN

Brauchen wir noch Lehrkräfte?

Werden wir bald von Robotern gepflegt?

Ersetzt KI unsere Vorgesetzten?

Welche Jobs wird es künftig noch geben?

Verstärkt KI die Ungleichheiten im Arbeitsmarkt?

Rettet KI die Mittelschicht?

Kapitel 4 ÜBERMORGEN

Wie werden wir 2030 arbeiten?

Wie werden wir 2050 arbeiten?

10 Forderungen für eine bessere Arbeitswelt

Zum Schluss

Leseliste

Deutschsprachige Bücher

Englischsprachige Bücher

Danksagung

»Nicht alles, mit dem wir konfrontiert werden, kann geändert werden, aber nichts kann geändert werden, wenn es nicht konfrontiert wird.«

James Baldwin

Einleitung

Wie schön wäre es, wenn jemand anderes unsere Arbeit machen könnte? All das, was uns nervt und uns nachts wach liegen lässt? Wenn wir uns zurücklehnen könnten, statt uns kaputtzuarbeiten – und uns auf andere Dinge konzentrieren könnten, die uns wichtig sind?

Auch wenn der Titel dieses Buchs verspricht, dass unsere Arbeit vielleicht künftig von jemand anderem gemacht werden könnte: Damit habe ich ein wenig übertrieben. Denn es ist viel wahrscheinlicher, dass nicht ein Jemand übernimmt, sondern ein Etwas: KI, künstliche Intelligenz.

Wir haben eine Technologie in unseren Händen, die grundlegend verändern kann, wie wir arbeiten. Die uns in einer perfekten Welt von all den Aufgaben befreien kann, die uns stressen, erschöpfen und anstrengen oder einfach nur langweilen. Die uns so Zeit freischaufeln kann für anderes: für Gemeinschaft und Fürsorge, für Nachdenken und Kreativität.

KI an sich ist nicht neu, aber die Technologie ist auf einmal so zugänglich und weit verbreitet wie nie zuvor. Man kann mit KI reden, schreiben, interagieren, ohne programmieren zu können oder sich besonders gut mit Technik auszukennen. Es hat sich etwas verschoben. Und daran ist vor allem ein Programm schuld: ChatGPT.

Am 30. November 2022 ging der Chatbot des US-Unternehmens OpenAI live. Im Januar 2023 hatte GPT-3.5 bereits 100 Millionen Nutzer*innen – so schnell hatte zu diesem Zeitpunkt keine andere Verbrauchersoftware diese Zahl erreicht. Wenige Monate später folgte dann das bessere, schnellere, stärkere Modell GPT-4.

Auch ich gehöre zu den Menschen, deren Arbeitsabläufe sich in den vergangenen Monaten verändert haben. Bis vor Kurzem hat KI meine Arbeit nur am Rande berührt. Dann kam ChatGPT, und ich war im ersten Moment überfordert und sogar verängstigt davon, wie gut die Ergebnisse waren, die ich selbst auf eine einfache Frage erhielt. Und jetzt? Übersetze ich Texte mit DeepL und lasse meine Interviews mit der Spracherkennungs-AI Whisper transkribieren. Wie ich diese installieren kann, obwohl ich die Programmiersprache Python nicht beherrsche, habe ich mir Schritt für Schritt von ChatGPT erklären lassen. Ich bitte ChatGPT auch regelmäßig, mir komplexe Konzepte oder Zusammenhänge so zu erklären, als wäre ich zwölf, oder mir wissenschaftliche Aufsätze zusammenzufassen. Ich stelle Perplexity.ai Fragen, auf die Google keine Antwort hat, und lasse mir bei Dall-E Bilder erstellen, die meine Wunschutopie zeigen. Mit all diesen KI-Programmen habe ich mir quasi einen digitalen Praktikanten gebaut, der mir Arbeit abnimmt, mit dem ich Ideen durchspielen kann und der mir hilft, eine bessere Formulierung oder ein klareres Beispiel zu finden. Keine Angst: Ich habe in diesem Buch nicht den super lustigen Trick angewandt, einen Absatz oder ein Kapitel von ChatGPT schreiben zu lassen, auch wenn das möglich gewesen wäre und ich es beim dritten Lesen vielleicht schon selbst nicht mehr gemerkt hätte. Dafür spielte KI hinter den Kulissen eine Rolle.

Das ist die Veränderung, die ich im Kleinen sehe, in meinem persönlichen Berufsalltag. Damit bin ich nicht alleine: Ende 2023 hat ein Drittel der Deutschen ChatGPT bereits genutzt, ein weiteres Drittel konnte sich vorstellen, dies künftig zu tun, wie eine Befragung des IT-Branchenverbands Bitkom zeigt. Zwei Drittel glauben, dass ChatGPT und Co unser Leben grundlegend verändern werden, auch im Job. Rund die Hälfte der ChatGPT-Nutzer*innen setzt das Tool bereits für berufliche Zwecke ein. Regeln dafür, wie solche generative KI am Arbeitsplatz eingesetzt werden darf, kennt jedoch nur ein Viertel der Erwerbstätigen aus dem eigenen Betrieb.[1]

Künstliche Intelligenz verändert schon jetzt, wie wir leben. KI sagt mir, wann ich aus dem Haus gehen muss, damit ich trotz Stau pünktlich zum Kaffee bei meiner besten Freundin bin. Sie schlägt mir die Serie vor, die ich unbedingt als Nächstes anschauen sollte, weil sie genau meinen Geschmack treffen könnte. KI ist ein ganz normaler Bestandteil unseres Lebens geworden, den wir oft gar nicht mehr bemerken. Natürlich ist KI viel mehr als ChatGPT oder Google Gemini oder Microsoft Copilot – oder wie all die anderen Programme heißen, die mittlerweile überall sind. Diese Chatbots alleine werden nicht für die große Revolution sorgen. Aber sie haben selbst den Menschen, die sich davor gar nicht für KI interessiert haben, bewusst gemacht, wie weitreichend die Veränderung sein wird, die uns da bevorsteht – und die auch vor der Arbeitswelt nicht haltmachen wird.

Sie wird uns alle betreffen, egal, in welchem Job oder in welcher Branche wir arbeiten. Und diese Veränderung wird sehr schnell kommen. Das wird uns als Gesellschaft vor neue Herausforderungen stellen, ganz klar. Deutschland ist nicht gerade dafür bekannt, die Digitalisierung perfekt gemeistert zu haben. Das wissen alle, die in den letzten Jahren auf dem Amt eine neue Adresse melden oder einen Ausweis erneuern wollten, die jedes Quartal mit ihrer Versichertenkarte in eine Arztpraxis rennen müssen oder die einfach per E-Mail ein Abo kündigen wollen, aber denen gesagt wurde, dass das nur per Brief oder Fax (!!) gehe. Aber die KI-Welle wird kommen, und die Frage ist, ob wir darauf richtig vorbereitet sind – und was wir heute tun müssen, damit wir morgen auf der Welle surfen können, statt von ihr überrollt zu werden.

Ich habe in den vergangenen Monaten viele Gespräche und Diskussionen über Arbeit geführt. Darüber, wie wir heute arbeiten und wie wir in Zukunft arbeiten werden. Über das, was gut funktioniert, und das, was von Grund auf geändert werden muss. Eine Frage, die dabei immer häufiger aufkam, war die folgende: »Nimmt KI mir meine Arbeit weg? Muss ich mir Sorgen machen?« Oder ganz konkret: »Was soll ich heute studieren, damit ich morgen noch einen Job kriege?«

Da ich seit Jahren über Technologie und Digitalisierung schreibe, zeitweise selbst im Technologiekonzern LinkedIn gearbeitet habe und, zugegeben, ein ziemlicher Nerd bin, hatte ich zwar immer eine schnelle Antwort parat, aber so richtig befriedigend fand ich sie nie. Ich wollte tiefer in das Thema eintauchen und mit Menschen sprechen, die KI bereits im Arbeitsalltag nutzen, die zu künstlicher Intelligenz forschen und die sich Gedanken um die Zukunft unserer (Arbeits-)Welt machen. Ich wollte wissen: Was wäre eigentlich, wenn KI uns wirklich einen Teil unserer Arbeit abnehmen würde? Welche Branchen verändert das? Welche Berufe bleiben davon (vermeintlich) unberührt? Und was macht es mit uns, wenn wir künftig anders über Arbeit nachdenken müssten, und über den Stellenwert, den sie in unserem Leben hat?

Ich bin fest davon überzeugt, dass KI unsere Arbeitswelt nicht nur anders, sondern besser machen kann. Und dass dieser Umbruch zum genau richtigen Zeitpunkt kommt. Denn wir brauchen diese Veränderung dringend: Arbeit, wie sie heute funktioniert, macht uns krank und müde. Unsere Arbeitswelt ist kaputt. Der demografische Wandel bringt einen Mangel an menschlichen Arbeitskräften mit sich. Wir haben also zwei Optionen: Entweder arbeiten alle noch mehr, um das auszugleichen. Manche sehen mehr Bock auf Arbeit oder mehr Lust auf Überstunden als Lösung – und ignorieren die Gefahr, dass wir so noch stärker ausbrennen, als das jetzt schon der Fall ist. Oder wir nutzen KI, um unsere Arbeitswelt komplett umzugestalten, und zwar so krass, wie die Menschheit es seit der Dampfmaschine nicht mehr gesehen hat.

Wir haben mit KI eine neue Partnerin an unserer Seite. Oft wirkt diese Technologie ziemlich menschlich – auch weil sie eine immer größere Rolle auf unseren Smartphones und bei unserer Internetnutzung einnimmt. Deshalb reden wir auch so über sie: dass sie denke oder etwas wolle oder etwas tue. Dabei hat keine KI menschlichen Gefühle oder Gedanken – auch wenn in der künstlichen Intelligenz jede Menge menschliche Intelligenz steckt. Wir übertragen in der Art, wie wir über KI sprechen, menschliche Eigenschaften auf die Technologie. Kein Wunder, schließlich wurde sie mit menschlichem Wissen trainiert, mit Dingen, die Menschen geschrieben, geschaffen, gesagt, gedacht und sogar gefühlt haben. Davon zu sprechen, dass KI etwas tue oder denke, fühlt sich deshalb kaum vermeidbar an, wie in diesem Buch immer wieder zu sehen sein wird.

Das bringt allerdings die Gefahr mit sich, dass wir vergessen, dass KI nicht wirklich für sich selbst denken, entscheiden, agieren kann, sondern dass hinter ihr immer Menschen stehen, die sie entwickeln, ihr ein Weltbild mitgeben und entscheiden, welchen Zweck die Maschine hat. Diese Entscheidungen werden von Menschen mit viel Macht getroffen, die so wiederum besonders viel Einfluss darauf haben, wie wir unsere (Arbeits-)Welt gestalten. In diesem Falle gilt das für die Menschen, die die Unternehmen leiten, in denen die größten KI-Anwendungen entwickelt werden, die an ihrer Nutzung verdienen und Geschäftsmodelle gestalten, von denen sie besonders profitieren.

Aber es gibt auch andere Menschen, die Macht haben: weil sie durch Wahlen damit ausgestattet wurden. Weil sie als Konsument*innen entscheiden, unter welchen Umständen sie welche Produkte nutzen wollen – oder eben nicht. Weil sie sich mit anderen zusammenschließen, um gemeinsam ihre Macht zu demonstrieren. Dass Arbeitsbedingungen auf diese Art gestaltet werden können, kennen wir von Betriebsräten und Gewerkschaften. Diese Menschen – wir alle – können und sollten diese neue Technologie mitgestalten.

Was wir in der Diskussion um Technologie – und vor allem um künstliche Intelligenz – oft vergessen: Es ist ein Werkzeug, bei dem wir uns entscheiden können, ob und wie wir es einsetzen. Nur weil eine Technologie existiert, heißt das nicht, dass wir sie benutzen müssen – oder dass die Technologie für uns entscheidet, wie wir sie benutzen. Wir entwickeln und gestalten diese neue Welt. Wir entscheiden, in welche Richtung wir gehen wollen. Wir entwickeln Normen, Regeln, Gesetze und Regularien. Wir entscheiden, ob wir uns überrollen lassen oder aktiv mitgestalten. Und wir entscheiden, ob wir eine positive, gerechte und menschenzentrierte Entwicklung wollen oder eine, in der einige wenige profitieren und alle anderen schlechter, ärmer, geschaffter zurückbleiben als zuvor.

Wenn wir uns darauf besinnen, dass wir die Fäden in der Hand haben, können wir eine sinnstiftende und bessere Arbeitswelt bauen – und damit die Fehler berichtigen, die sich in unserer Arbeitskultur in den letzten Jahren und Jahrzehnten zementiert haben: die massive Ungleichheit, die unbezahlten Überstunden, der ständige Druck, noch produktiver werden zu müssen, das Gefühl, zwischen Erwerbsarbeit und Sorgearbeit zerrieben zu werden. KI kann uns dabei helfen, eine gerechtere Arbeitswelt zu schaffen und unsere Zeit sinnvoller zu verbringen. Schließlich kann uns Arbeit so viel geben: Teilhabe, Struktur, Gemeinschaft, das Gefühl, einen Beitrag zu leisten. Eines der großen Versprechen der Digitalisierung war, dass wir endlich mehr Zeit und Raum haben würden. Passiert ist das nicht, im Gegenteil: Die Schere ist noch weiter aufgegangen zwischen Arm und Reich, zwischen formal hoch und gering qualifizierten Arbeitskräften. Aber was, wenn wir KI nutzen könnten, um den Klassenunterschied in der Arbeitswelt zu verringern, statt ihn weiter zu vergrößern?

Dieser Umbruch, der uns bevorsteht, ist ein besonderer: Er betrifft nicht nur Menschen, deren Arbeit bereits stark automatisiert wurde. Sondern er trifft vor allem diejenigen, die in schicken Bürojobs und Berufen arbeiten, für die man »was Ordentliches« studieren musste. Die Menschen, die unsere Steuer machen, uns rechtlich beraten, unsere Krankheiten diagnostizieren. KI geht ans Mark der Wissensarbeit, die angeblich so viel menschliche Denkkraft braucht, dass Maschinen sie nie übernehmen könnten. Von wegen. Die Maschinen sind da, sie sind verdammt gut, und sie sind bereit für den Job – wenn wir sie richtig darauf vorbereiten!

Die Digitalisierung hat uns eine Arbeitswelt versprochen, in der wir lästige Aufgaben auslagern und uns ein nettes Leben machen. Stattdessen erfinden wir am laufenden Band neue Bullshit Jobs, um nicht darüber nachdenken zu müssen, was bei der Arbeit alles schiefläuft. Hauptsache Vollbeschäftigung, Hauptsache, niemand kommt auf dumme Ideen. Doch damit ist jetzt Schluss! Denn KI wird bei diesen Jobs einmal rigoros abräumen. Ganze Branchen werden sich verändern, und zwar in Rekordgeschwindigkeit. Und wenn wir es richtig machen, können wir am Ende besser dastehen als zuvor, in einer gerechteren Arbeitswelt mit weniger Klassendiskriminierung und mehr sozialer Gerechtigkeit. Wir können es so sogar schaffen, zwei der größten Probleme, die uns in der Arbeitswelt in den kommenden Jahren und Jahrzehnten begleiten werden, zu lösen: den Fachkräftemangel und die Pflegekrise. Doch dafür müssen wir ran, und zwar jetzt. Wir müssen gemeinsam eine Vision entwickeln, wie wir uns die Arbeitswelt der Zukunft vorstellen – und dann Schritt für Schritt in diese Richtung gehen.

 

Wie genau diese Utopie aussehen kann und wie wir dahin kommen, darum geht es in diesem Buch. Ich nehme euch mit auf die Reise in eine Zukunft, in der KI ganz selbstverständlicher Teil unseres Arbeitslebens ist – so wie Google Maps selbstverständlicher Teil unserer Reisen ist.

Ich will einen Raum eröffnen, um darüber zu sprechen, wie unsere Arbeitswelt in Zukunft aussehen könnte: Was wir wollen und was wir nicht wollen. Wie wir das Werkzeug KI sinnvoll einsetzen können. Ob wir überhaupt so weiterarbeiten wollen wie bisher – oder ob wir finden, dass wir in der heutigen Arbeitswelt unsere menschlichen Qualitäten, Träume und Wünsche gar nicht so nutzen können, wie wir wollen und sollten. Über diese Fragen müssen wir nachdenken, damit wir in einer utopischen Version der Arbeitswelt der Zukunft landen und nicht in einer dystopischen.

Diese utopische Zukunft ist nicht grau, trist und von Maschinen regiert, sondern sie stellt endlich wieder die Menschlichkeit in den Fokus. Pflege, Fürsorge, Kunst, Kultur lassen sich nicht automatisieren. Sie werden die Aufwertung erfahren, die sie verdient haben. Es sind diese Bereiche, die uns als Menschen ausmachen und für die wir endlich wieder Zeit und Kraft haben können. Der Traum von der technologischen Arbeitslosigkeit könnte endlich wahr werden – aber wir müssen ihn gestalten, damit er nicht zum Albtraum wird.

Um für die Zukunft zu lernen, müssen wir in die Vergangenheit schauen. Es ist nicht das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, dass sich Arbeit massiv und grundlegend verändert: Die erste industrielle Revolution nahm ihren Anfang im 18. Jahrhundert und begründete die Arbeitswelt, wie wir sie heute kennen. Die Dampfmaschine veränderte damals die Produktion von Gütern. Im 19. Jahrhundert bescherte uns Elektrizität den nächsten Umschwung. Darauf folgten erst Computer, dann das Internet. Wenn wir die kommenden Veränderungen verstehen wollen, lohnt es sich, auf die Veränderungen der letzten 250 Jahre zu blicken – und zu verstehen, dass diese Veränderungen nicht immer gut für die Menschen waren, die sie durchlebten. Dass es schon immer Jobs gab, die durch Technologie verändert oder ersetzt wurden. Dass wir Menschen schon immer Angst davor hatten, dass uns Maschinen ersetzen könnten – und warum das nicht unbedingt so schlimm wäre.

 

Wir sehen an unserer heutigen Arbeitswelt, welche Probleme der Vergangenheit wir wiederholen – aber auch, wie es besser gehen könnte.

Die Erkenntnisse von gestern und heute müssen wir mit in die Zukunft nehmen. Wie wird sich unsere Arbeitswelt in den nächsten Monaten und Jahren verändern? Warum wird diese Veränderung ausgerechnet durch KI angestoßen? Welche Jobs sind betroffen und vor allem: Welche Stellschrauben müssen wir drehen, damit wir Veränderungen sehen können, von denen nicht nur einige wenige profitieren? Welche Rolle spielen wir als Gesellschaft, welche Rolle spielen Politik und Wirtschaft?

Am Ende des Buches möchte ich einen Blick nach vorne werfen – und zwar einige Jahrzehnte nach vorne. Wie werden wir 2050 arbeiten? Wenn die technologische Arbeitslosigkeit wirklich kommt, was bedeutet das für uns als Menschheit: Wie müssen wir Arbeit neu denken? Wie gestalten wir unsere Gesellschaft, wenn die 40-Stunden-Woche nicht mehr als Norm gesehen wird? Und wie finanzieren wir dann unser Leben?

Auch ich habe keine magische Glaskugel, die mir zeigt, wie unser Leben in 25 oder 30 Jahren aussehen wird. Aber ich kann dabei helfen, ein Bild zu zeichnen, wie eine solche Utopie aussehen könnte. Wie wir dafür sorgen könnten, dass wir künftig besser und gerechter leben können, ohne uns kaputtzuarbeiten, aber auch ohne uns von Technologie den Takt vorgeben zu lassen.

Ich bin nicht naiv, aber ich bin optimistisch. Ich glaube daran, dass wir Menschen eine bessere Welt gestalten können, wenn wir gemeinschaftlich definieren, was uns wichtig ist und wie wir leben wollen. Ich weiß, dass das in der Vergangenheit nicht immer so geklappt hat, wie es wünschenswert gewesen wäre. Aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir die Kurve kriegen können und dass jetzt die richtige Zeit dafür ist. Weil sich der Wandel nicht aufhalten lässt. Aber er lässt sich gestalten. Von uns.

Wovon sprechen wir überhaupt?

Künstliche Intelligenz ist mitten in unserem Leben angekommen – nicht nur im Alltag, sondern auch in der Arbeitswelt. Den Mitarbeitenden ist das oft gar nicht bewusst. Das Wirtschaftsforschungsinstitut DIW Berlin hat 2021 Menschen nach ihrer beruflichen Nutzung von KI gefragt.[2] Die Frage, ob sie bereits mit KI arbeiten, bejahten nur rund 20 Prozent der Beschäftigten. Wenn sie nach konkreten Programmen gefragt wurden, war die Antwortquote jedoch deutlich höher: So sagten 45 Prozent, dass sie Systeme zur Erkennung von Sprache, Bild und Text oder zur Beantwortung von Fachfragen nutzten. Mittlerweile dürften diese Zahlen noch deutlich höher sein. Laut Oliver Giering, Co-Autor der Studie, wird beim Stichwort KI häufig an futuristische Roboter gedacht. Deshalb sei »vielen oft nicht bewusst, dass KI-basierte Systeme bereits jetzt alltäglicher Teil ihrer Arbeit sind«.

Im Herbst 2023 nutzten 15 Prozent der deutschen Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten KI. Gut zwei Drittel glaubten, dass künstliche Intelligenz die wichtigste Zukunftstechnologie ist. Nur ein Prozent hatte Regeln für die Nutzung von generativer KI wie ChatGPT durch die Beschäftigten festgelegt. Die Planlosigkeit ist groß. Und das ist auch der Grund, warum ich dieses Buch genau jetzt schreibe: Weil es bald keine Branche mehr geben wird, die nicht von KI beeinflusst und umgekrempelt wird. Deshalb müssen wir uns damit auseinandersetzen – auch weil KI eben nicht nur eine Technologie ist, die für sich alleine steht. KI ist eingebettet in politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche Kontexte. Wie sie eingesetzt wird, welchen Regeln sie folgt, das hängt von Gesetzen und Normen ab, davon, wie wir sie nutzen, und natürlich davon, wer sie unter welchen Umständen und mit welchen Zielen entwickelt.

Das hier ist kein Buch über Technologie, sondern darüber, wie wir als Gesellschaft mit ihr umgehen. Trotzdem müssen wir einmal unter die Motorhaube blicken. Denn auch wenn der Begriff künstliche Intelligenz überall ist, heißt das nicht, dass alle dasselbe darunter verstehen.

 

Es ist ein bisschen absurd: Eine offizielle Definition von künstlicher Intelligenz, auf die sich alle einigen können, gibt es nicht.

Zum ersten Mal verwendet wurde der Begriff Artificial Intelligence im Jahr 1955 vom Mathematikprofessor John McCarthy im Förderantrag für ein Forschungsprojekt. Darin schrieb er, die durchzuführende Studie gehe »von der Annahme aus, dass jeder Aspekt des Lernens oder jedes andere Merkmal der Intelligenz im Prinzip so beschrieben werden kann, dass eine Maschine sie simulieren könne«. Das Ziel sei herauszufinden, »wie man Maschinen dazu bringen kann, Sprache zu benutzen, Abstraktionen und Konzepte zu bilden, Probleme zu lösen, die bisher dem Menschen vorbehalten waren, und sich dabei selbst zu verbessern«.[3]

Heute wird der Begriff künstliche Intelligenz für verschiedene Bereiche synonym genutzt, wie die Informatikprofessorin Katharina Zweig schreibt: etwa für das Forschungsfeld, »das Methoden entwickelt, um Computer Dinge machen zu lassen, für die Menschen Intelligenz brauchen würden«, aber auch für die jeweiligen Methoden und die Software, die diese Methoden verwendet.[4]

Wenn zwei Personen von KI sprechen, meinen sie also nicht zwingend dasselbe. Schon der Begriff selbst ist kompliziert. Was genau ist Intelligenz? Ist damit nur menschliche Intelligenz gemeint? Was genau unterscheidet menschliche Intelligenz von der Intelligenz anderer Spezies? KI soll komplexe menschliche Fähigkeiten ausüben, aber was genau darunterfällt, ist längst nicht klar.

Wenn wir im Alltag über KI sprechen, meinen wir meistens Machine Learning (ML). Maschinelles Lernen ist ein Feld von KI, bei dem menschliches Lernen durch Maschinen nachgeahmt wird. Dabei werden Computer nicht explizit programmiert, sondern sie bringen sich selbst bei, wie sie ein Problem lösen können. Früher hat man Computern quasi noch eine Art Kochrezept mitgegeben, eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, mit der sie ein bestimmtes Ziel erreichen konnten. Doch so denken Menschen nicht: Wir können oft gar nicht erklären, wie wir denken oder warum wir bestimmte Entscheidungen treffen. Wenn wir eine Katze sehen, identifizieren wir sie automatisch als Katze, weil wir wissen, wie Katzen aussehen. Wir folgen dabei keiner expliziten Checkliste, auf der Dinge wie vier Beine, Fell, langer Schwanz, spitze Ohren und Schnurrbarthaare stehen.

Diese intuitive Art zu denken versuchen die Maschinen nachzuahmen. Beim Machine Learning füttert man Computer mit massenweise Daten. Um auf das Beispiel mit der Katze zurückzukommen: Man gibt dem ML-Modell sehr viele Bilder von Katzen, die als solche gelabelt sind, und dazu sehr viele gelabelte Bilder von anderen Dingen, und irgendwann lernt die Maschine, Katzen von Hunden oder Orangen oder Stühlen zu unterscheiden. Das nennt man auch Supervised Machine Learning. Beim Unsupervised Machine Learning gibt es keinen Plan, sondern die Maschine sucht in den Daten selbst nach Mustern, die von Menschen noch gar nicht identifiziert worden sind.[5] Das führt dazu, dass selbst die Softwareingenieur*innen, die die Maschinen gebaut haben, nicht immer nachvollziehen können, was genau in deren Innerem abläuft. Wenn das der Fall ist, spricht man von einer sogenannten Black Box. Und die kann sehr ähnliche Vorlieben haben wie wir Menschen. Denn: Die KI liebt Katzen. 2012 schaltete Google X 1000 Computer mit 16.000 Prozessoren in ein neuronales Netz aus mehr als einer Milliarde Verbindungen zusammen und ließ es aufs Internet los, um selbstständig zu lernen. Was am Ende dabei herauskommen würde? Wusste niemand. Gefüttert wurde die KI mit zehn Millionen digitalen Bildern aus YouTube-Videos. Und was dann passierte, überraschte selbst die Wissenschaftler*innen: Die Simulation des menschlichen Gehirns brachte sich selbstständig bei, Katzen zu erkennen.[6] Maschinen, sie sind genau wie wir!

Maschinelles Lernen steckt hinter Chatbots, autonomen Fahrzeugen und den Vorschlägen, die Netflix uns macht. Social Media, SPAM-Filter, virtuelle Assistenten wie Siri oder Alexa, Autokorrektur und Staubsaugroboter gäbe es nicht ohne Machine Learning. Auch Large Language Models (LLMs), also große Sprachmodelle wie ChatGPT, die zum Generieren von Text, Bildern oder Videos genutzt werden können, basieren auf Machine Learning. Man nennt diese Art von KI auch generative KI. Um neue Texte erstellen zu können, müssen Sprachmodelle zunächst lernen, wie Sprache funktioniert. Dafür wird die KI mit Millionen Texten trainiert: mit Büchern, wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Gedichten, Nachrichtenartikeln, Wikipedia-Einträgen, Songtexten, Reddit-Threads, E-Mails, Fan Fiction. Die Frage, ob urheberrechtlich geschützte Texte ohne explizite Erlaubnis zum Trainieren von KI genutzt werden dürfen, wird übrigens gerade vor Gerichten ausgetragen. Die Ergebnisse dieser Verfahren könnten große Auswirkungen auf künftige Modelle haben.

Wie gut eine KI ist, hängt davon ab, mit wie vielen Daten sie trainiert wurde. ChatGPT kam erstmals in der Version GPT-3.5 auf den Markt und fühlte sich ziemlich futuristisch an. Wenige Monate später folgte das Modell GPT-4, das mit deutlich größeren Datenmengen trainiert wurde und spürbar besser war. Während GPT-3.5 noch in Deutsch und Informatik durchs bayerische Abitur rasselte und Mathe nur knapp bestand, schaffte GPT-4 bereits ein 2er-Abi. Der Sprung, den bessere Trainingsdaten ermöglichen, ist beeindruckend.[7]

Auch wenn ChatGPT Deutschaufsätze, Sonette und Songtexte schreiben kann, hat KI kein echtes Sprachverständnis, sondern nutzt Statistik, um vorherzusagen, welche Worte oder Wortteile (auch Tokens genannt) aufeinander folgen. Wenn ich auf meinem Handy »Alles Gute« tippe, schlägt die KI-basierte Autokorrektur mir wahrscheinlich vor, als Nächstes »zum« und »Geburtstag« einzugeben – und eben nicht »Eiersalat« oder »knallig«. Weil sie das aus ihren Trainingsdaten als wahrscheinlichste Option gelernt hat. Das kann man jedoch schnell vergessen, wenn man vor so einem Chatbot sitzt und vernünftig klingenden, nach und nach erscheinenden Text serviert bekommt, ganz so, als säße da eine echte Person auf der anderen Seite und würde ihre Antworten eintippen.

KI-Tools können manche Dinge ziemlich gut: Sie können Fragen beantworten, Texte übersetzen, Unterhaltungen führen, sogar beim Programmieren helfen. Es fühlt sich manchmal sogar so an, als wären sie kreativ. Manche Tools können nur Texte erstellen, andere sind auf Bilder, Audio oder Videos spezialisiert – und einige sind multimodal. Sie können also mit verschiedenen Datentypen interagieren, so wie wir Menschen auch: Sie können zum Beispiel Sprache verarbeiten, in Echtzeit antworten und Bilder erkennen. Bei ChatGPT-4o ist die Multimodalität sogar Teil des Namens: Das o steht für omnimodal. Damit verschwimmt die Grenze zwischen virtuellem und physischem Raum zunehmend.

Wenn ich in diesem Buch von KI spreche, werde ich damit oft LLMs wie ChatGPT meinen: weil das die Art von KI ist, die in unserem Alltag gerade besonders präsent ist. Das bedeutet aber nicht, dass das die einzige Form von KI ist, die existiert oder in Zukunft existieren wird. Und: Wir verwenden gerade vermutlich die schlechteste KI unseres Lebens. Wenn dieses Buch erscheint, wird die Technologie vermutlich schon deutlich weiter sein als zu dem Zeitpunkt, als ich es geschrieben habe – so schnell ist die aktuelle Entwicklung.

Künstliche Intelligenz ist eine sogenannte Basistechnologie, also eine Technologie, die sich über viele Branchen hinweg ausbreitet, allgegenwärtig ist und damit neue Innovationen hervorbringen kann. Das ist auch der Grund dafür, warum sie so weitreichendes Veränderungspotenzial hat.

Doch wie jede Technologie ist auch KI nur so gut wie die Menschen, die sie bauen, und die Zwecke, für die sie eingesetzt wird. Deshalb will ich hier, direkt am Anfang, auf die Risiken blicken, die mit KI einhergehen. Einige davon werden uns im Laufe dieses Buches immer wieder begegnen. Wenn wir wollen, dass die KI-Revolution eine positive wird, gilt es vor allem, diese Gefahren zu minimieren und Wege zu finden, positive Rahmenbedingungen zu schaffen, damit am Ende die Chancen die Risiken überwiegen.

Die Gefahren von künstlicher Intelligenz

Als größtes Schreckensszenario im Hinblick auf KI wird gerne, warum auch nicht, die Auslöschung der Menschheit genannt: Die Superintelligenz – sehr viel schlauer als Menschen – übernimmt die Welt und beschließt, dass die Menschheit ihr bei ihrem Siegeszug nur im Weg steht. Der schwedische Philosoph Nick Bostrom hat sich zur Veranschaulichung das folgende Gedankenexperiment ausgedacht:[8] Stellt euch eine KI vor, deren Ziel es ist, so viele Büroklammern wie möglich herzustellen. Klingt erst mal banal. Aber: Diese Maschine würde wirklich alles tun, um unendlich viele Büroklammern herzustellen. Alles. Sie würde die ganze Welt, die Menschheit und Teile des Weltraums zu Fabriken verarbeiten, die Büroklammern herstellen. Am Ende gäbe es nur noch Büroklammern, aber eben keine Menschen und keine bewohnbare Erde mehr.

Szenarien wie dieses und ihre ernste und gar nicht so unrealistische Dimension sind der Grund, warum selbst Menschen, die an KI arbeiten, immer wieder vor einer zu schnellen und unbeaufsichtigten Entwicklung warnen. Elon Musk, der CEO von Tesla und Besitzer von X, früher Twitter, ist da gerne vorne mit dabei. Er nennt KI »eine der größten Bedrohungen« für die Menschheit, weil eben nicht klar sei, ob wir Menschen diese Maschinen noch kontrollieren könnten, wenn sie immer größer und schlauer werden – und irgendwann vielleicht schlauer sind als wir. Musk gehörte auch zu einer Reihe von Tech-Manager*innen und Expert*innen, die in einem offenen Brief 2023 die Risiken künstlicher Intelligenz beschworen: Sie warnten davor, dass KI unsere Informationskanäle mit Propaganda und Lügen fluten, alle Jobs wegautomatisieren und die Menschheit die Kontrolle über unsere Zivilisation verlieren könnte. Sie riefen dazu auf, das Trainieren von KI-Systemen, die mächtiger als GPT-4 seien, für mindestens sechs Monate zu pausieren. In dieser Zeit sollten dann etwa gemeinsame Sicherheitsprotokolle entwickelt werden.[9]

Was mich an diesen Warnungen stört? Dass es genau die Menschen sind, die an den Schalthebeln sitzen, die hier Panik schüren. Sie profitieren am meisten davon, wenn ihre Technologie als so wichtig, so mächtig und so unverzichtbar angesehen wird. Ein offener Brief wie dieser, der weltweit Aufmerksamkeit erhielt, ist für sie PR.

Dabei haben es doch genau diese Akteur*innen in der Hand, die Entwicklung zu verlangsamen, striktere Regeln einzuführen, Ethikkommissionen zur Prüfung zu benennen, neue Programme lange und ausführlich zu testen, bevor sie sie veröffentlichen, sich dafür zu entscheiden, bestimmte Modelle gar nicht zu veröffentlichen, und so weiter. Warum tun sie es dann nicht einfach? Weil es den meisten von ihnen am Ende eben doch ums Geld geht.

Im Juli 2023, vier Monate nach der Veröffentlichung des offenen Briefes, verkündete Musk die Gründung des KI-Unternehmens xAI. Im November 2023 veröffentlichte xAI den Chatbot Grok, der auf die Frage, ab wann es in Ordnung sei, Weihnachtsmusik zu hören, mit »wann auch immer du verfickt noch mal willst« antwortete. Wem das nicht passe, der solle sich »eine Zuckerstange in den Arsch schieben und um seinen eigenen Kram kümmern«.[10] Das ist ganz offensichtlich das Gegenteil von »die Füße stillhalten«.

Wer nur darauf hinweist, was mit KI in Zukunft alles schiefgehen könnte, lenkt außerdem von den Dingen ab, die bereits heute negativen Einfluss auf Menschen und unser Zusammenleben haben können – ganz ohne Killerroboter. Das finden auch die renommierten KI-Expertinnen Timnit Gebru, Emily M. Bender, Angelina McMillan-Major und Margaret Mitchell. Sie schreiben in ihrer Antwort auf den offenen Brief: »Diese hypothetischen Risiken stehen im Mittelpunkt einer gefährlichen Ideologie namens Longtermism, die die tatsächlichen Schäden ignoriert, die sich aus dem Einsatz von KI-Systemen schon heute ergeben.«[11] Der offene Brief gehe auf keines dieser aktuellen Probleme ein, weder auf die Ausbeutung von Arbeitskräften noch auf die Explosion synthetischer Medien oder auf die Machtkonzentration von KI-Systemen in den Händen einiger weniger Menschen (die ironischerweise größtenteils den offenen Brief unterschrieben hatten).

Ich möchte mich hier deshalb auf die Probleme konzentrieren, die die Arbeitswelt betreffen. Natürlich hat KI auch einen Einfluss in anderen Bereichen: Es gibt die Gefahr von gefälschten Inhalten und Desinformation, gerade im Hinblick auf politische Meinungsbildung und Wahlen. Dass KI im Krieg eingesetzt wird und mit ihrer Hilfe neue Chemiewaffen entwickelt werden könnten, ist beängstigend. Cybersicherheit ist ein großes Thema, das an Bedeutung noch zunehmen wird. Beim Datenschutz sind noch viele Fragen offen. Es muss juristisch geklärt werden, ob KI