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In seinem Werk "Das Kloster bei Sendomir" entfaltet Franz Grillparzer eine facettenreiche Erzählung, die tief in die menschliche Psyche und die Fragen von Glaube und Zweifel eintaucht. Die Geschichte spielt in einem klösterlichen Umfeld und beleuchtet die inneren Konflikte der Protagonisten, die zwischen dem Streben nach Spiritualität und den Verlockungen des weltlichen Lebens hin- und hergerissen sind. Grillparzers Stil ist geprägt von lyrischen Passagen und philosophischen Reflexionen, die dem Leser ein eindringliches Gefühl für die existenziellen Dilemmata und die gesellschaftlichen Konventionen seiner Zeit vermitteln. Franz Grillparzer, ein bedeutender österreichischer Dramatiker und Dichter des 19. Jahrhunderts, war zeitlebens von der Auseinandersetzung mit Fragen des Schicksals und des individuellen Freiraums geprägt. Seine Erfahrungen in einer von politischen Umbrüchen geprägten Welt sowie seine eigene Suche nach Identität und Sinn spiegeln sich in den komplexen Charakteren und den ethischen Fragestellungen von "Das Kloster bei Sendomir" wider. Dieses Werk ist sowohl ein literarisches Produkt seiner Zeit als auch ein zeitloses Zeugnis der menschlichen Natur. Lesern, die sich für psychologische Tiefe und philosophische Fragestellungen interessieren, sei "Das Kloster bei Sendomir" wärmstens empfohlen. Grillparzers meisterhafte Erzählkunst lädt zu einer Reflexion über die Dualität des Menschseins und die Natur des Glaubens ein, sodass sie die Leser dazu anregt, eigene Überzeugungen und Werte zu hinterfragen.
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von FRANZ GRILLPARZER
Erzählung
Nach einer als wahr überlieferten Begebenheit
Die Strahlen der untergehenden Sonne vergoldeten die Abhänge eines der reizendsten Täler der Woiwodschaft Sendomir. Wie zum Scheidekuß ruhten sie auf den Mauern des an der Ostseite fensterreich und wohnlich prangenden Klosters, als eben zwei Reiter, von wenigen Dienern begleitet, den Saum der gegenüberliegenden Hügelkette erreichten, und, von der Vesperglocke gemahnt, nach kurzem, betrachtendem Verweilen, ihre Pferde in schärfern Trott setzten, taleinwärts, dem Kloster zu.
Die Kleidung der späten Gäste bezeichnete die Fremden. Breitgedrückte, befiederte Hüte, das Elenkoller vom dunklen Brustharnisch gedrückt, die straffanliegenden Unterkleider und hohen Stulpstiefeln erlaubten nicht, sie für eingeborne Polen zu halten. Und so war es auch. Als Boten des deutschen Kaisers zogen sie, selbst Deutsche, an den Hof des kriegerischen Johann Sobiesky, und, vom Abend überrascht, suchten sie Nachtlager in dem vor ihnen liegenden Kloster.
Das bereits abendlich verschlossene Tor ward den Einlaßheischenden geöffnet, und der Pförtner hieß sie eintreten in die geräumige Gaststube, wo Erfrischung und Nachtruhe ihrer warte; obgleich, wie er entschuldigend hinzusetzte, der Abt und die Konventualen, bereits zur Vesper im Chor versammelt, sich für heute die Bewillkommnung so werter Gäste versagen müßten. Die Angabe des etwas mißtrauisch blickenden Mannes ward durch den eintönigen Zusammenklang halb sprechend, halb singend erhobener Stimmen bekräftigt, die, aus dämpfender Ferne durch die hallenden Gewölbe sich hinwindend, den Chorgesang einer geistlichen Gemeine deutlich genug bezeichneten.
Die beiden Fremden traten in das angewiesene Gemach, welches, obgleich, wie das ganze Kloster, offenbar erst seit kurzem erbaut, doch altertümliche Spitzformen mit absichtlicher Genauigkeit nachahmte. Weniges, doch anständiges Geräte war rings an den Wänden verteilt. Die hohen Bogenfenster gingen ins Freie, wo der in Osten aufsteigende Mond, mit der letzten Abendhelle kämpfend, nur sparsame Schimmer auf die Erhöhungen des hüglichten Bodens warf, indes in den Falten der Täler und unter den Bäumen des Forstes sich allgemach die Nacht mit ihrem dunkeln Gefolge lagerte, und stille Ruhe, hold vermischend, ihren Schleier über Belebtes und Unbelebtes ausbreitete.
Die eigenen Diener der Ritter trugen Wein auf und Abendkost. Ein derbgefügter Tisch, in die Brüstung des geöffneten Bogenfensters gerückt, empfing die ermüdeten Gäste, die, auf hohe Armstühle gelagert, sich bald an dem zauberischen Spiele des Mondlichtes ergötzten, bald, zu Wein und Speise zurückkehrend, den Körper für die Reise des nächsten Tages stärkten.
Eine Stunde mochte auf diese Art vergangen sein. Die Nacht war vollends eingebrochen, Glockenklang und Chorgesang längst verstummt. Die zur Ruhe gesendeten Diener hatten eine düsterbrennende Ampel, in der Mitte des Gemaches hängend, angezündet, und noch immer saßen die beiden Ritter am Fenster, im eifrigen Gespräch; vielleicht vom Zweck ihrer Reise, offenbar von Wichtigem. Da pochte es mit kräftigem Finger an die Türe des Gemaches, und ehe man noch, ungern die Rede unterbrechend, mit einem: Herein! geantwortet, öffnete sich diese, und eine seltsame Menschengestalt trat ein, mit der Frage: ob sie Feuer bedürften?
Der Eingetretene war in ein abgetragenes, an mehreren Stellen geflicktes Mönchskleid gehüllt, das sonderbar genug gegen den derben, gedrungenen Körperbau abstach. Obgleich von Alter schon etwas gebeugt und mehr unter als über der Mittelgröße, war doch ein eigener Ausdruck von Entschlossenheit und Kraft über sein ganzes Wesen verbreitet, so daß, die Kleidung abgerechnet, der Beschauer den Mann eher für alles, als für einen friedlichen Sohn der Kirche erkannt hätte. Haar und Bart, vormals augenscheinlich rabenschwarz, nun aber überwiegend mit Grau gemischt und, trotz ihrer Länge, stark gekräuselt, drängten sich in dichter Fülle um Stirne, Mund und Kinn. Das Auge, klösterlich gesenkt, hob sich nur selten; wenn es aber aufging, traf es wie ein Wetterschlag, so grauenhaft funkelten die schwarzen Sterne aus den aschfahlen Wangen, und man fühlte sich erleichtert, wenn die breiten Lider sie wieder bedeckten. So beschaffen und so angetan, trat der Mönch, ein Bündel Holz unter dem Arme, vor die Fremden hin, mit der Frage: ob sie Feuer bedürften?
Die beiden sahen sich an, erstaunt ob der seltsamen Erscheinung. Indessen kniete der Mönch am Kamine nieder und begann Feuer anzumachen, ließ sich auch durch die Bemerkung nicht stören, daß man gar nicht friere, und seine Mühe überflüssig sei. Die Nächte würden schon rauh, meinte er und fuhr in seiner Arbeit fort. Nachdem er sein Werk vollendet, und das Feuer lustig brannte, blieb er ein paar Augenblicke am Kamin stehen, die Hände wärmend, dann, ohne sich scheinbar um die Fremden zu bekümmern, schritt er schweigend der Türe zu.
Schon stand er an dieser und hatte die Klinke in der Hand, da sprach einer der Fremden: "Nun Ihr einmal hier seid, ehrwürdiger Vater"-"Bruder!" fiel der Mönch, wie unwillig, ein, und ohne sich umzusehen, blieb er, die Stirn gegen die Türe geneigt, am Eingange stehen.
"Nun denn also, ehrwürdiger Bruder!" fuhr der Fremde fort, "da Ihr schon einmal hier seid, so gebt uns Aufschluß über einiges, das wir zu wissen den Wunsch hegen."
"Fragt!" sprach, sich umwendend, der Mönch.
"So wißt denn", sagte der Fremde, "daß uns die herrliche Lage und Bauart Eures Klosters mit Bewunderung erfüllt hat, vor allem aber, daß es so neu ist und vor kurzem erst aufgeführt zu sein scheint."
Die dunkeln Augen des Mönches hoben sich bei dieser Rede und hafteten mit einer Art grimmigen Ausdruckes auf dem Sprechenden.