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1944: Nach einer Flugzeug-Notlandung in Niederländisch-Neuguinea, einer harten Auseinandersetzung mit dem faschistischen Kapitän eines Seelenverkäufers, einem heftigen Taifun und einem Schiffbruch werden T.N.T Smith und sein Freund, der Pilot Italo Gasponi, von einem japanischer Zerstörer an Bord genommen. Ein deutsch-japanischer Geheimdienstoffizier veranlasst ihre Beförderung auf das Schlachtschiff Musashi, das gerade zu einer Seeschlacht im Golf von Leyte ausläuft. An Bord werden Smith und Gasponi mit dem durchgedrehten irischen Militärberater Lancaster konfrontiert – einem Unsterblichen, der wirre Geschichten über eine Arktisexpedition erzählt, bei der eine außerirdische Bastion entdeckt wurde...
T.N.T. SMITH. Die beinharte Science Fiction-Serie spielt vor der atemberaubenden Kulisse des Zweiten Weltkriegs und führt den Leser in rasanten Abenteuern um die ganze Welt.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
RONALD M. HAHN
T.N.T. Smith, Band 10:
Das Labyrinth des Schweigens
Roman
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
Der Autor
DAS LABYRINTH DES SCHWEIGENS
Das Abenteuer geht weiter!
1944: T.N.T. Smith nimmt in Bombay die Spur des Unsterblichen Andrassy auf und gerät erneut mit der Organisation Ragnarök aneinander. Die wüste Schlacht überleben nur der britische SS-Mann Wellington und die tückische Stephanie Rousseau. Beide schlagen sich ins Ajanta-Gebirge durch, wo der Gesuchte in einer alten Tempelfestung haust. Smith erreicht das Gebirge mit einem Zeppelin und stößt in einem abgelegenen Tal auf Ippolita, die Schwester seines Freundes Gasponi. Ippolitas Onkel berichtet von Begegnungen mit mysteriösen Nichtmenschen... Wellington ist gezwungen, sich mit Smith zu verbünden. Doch plötzlich landet ein Raumschiff in der Einsamkeit der indischen Berge...
T.N.T. SMITH. Die beinharte Science Fiction-Serie spielt vor der atemberaubenden Kulisse des Zweiten Weltkriegs und führt den Leser in rasanten Abenteuern um die ganze Welt.
Ronald M. Hahn, Jahrgang 1948.
Schriftsteller, Übersetzer, Literaturagent, Journalist, Herausgeber, Lektor, Redakteur von Zeitschriften.
Bekannt ist Ronald M. Hahn für die Herausgabe der SF-Magazine Science Fiction-Times (1972) und Nova (2002, mit Michael K. Iwoleit) sowie als Autor von Romanen/Kurzgeschichten/Erzählungen in den Bereichen Science Fiction, Krimi und Abenteuer.
Herausragend sind das (mit Hans-Joachim Alpers, Werner Fuchs und Wolfgang Jeschke verfasste) Lexikon der Science Fiction-Literatur (1980/1987), die Standard-Werke Lexikon des Science Fiction-Films (1984/1998, mit Volker Jansen), Lexikon des Horror-Films (1985, mit Volker Jansen) und das Lexikon des Fantasy-Films (1986, mit Volker Jansen und Norbert Stresau).
Für das Lexikon der Fantasy-Literatur (2005, mit Hans-Joachim Alpers und Werner Fuchs) wurde er im Jahr 2005 mit dem Deutschen Fantasy-Preis ausgezeichnet. Insgesamt sechsmal erhielt Hahn darüber hinaus den Kurd-Laßwitz-Preis – dem renommiertesten deutschen SF-Preis - , u.a. für die beste Kurzgeschichte (Auf dem großen Strom, 1981) und als bester Übersetzer (für John Clute: Science Fiction – Eine illustrierte Enzyklopädie, 1997).
Weitere Werke sind u.a. die Kurzgeschichten-Sammlungen Ein Dutzend H-Bomben (1983), Inmitten der großen Leere (1984) und Auf dem großen Strom (1986) sowie – als Übersetzer – der Dune-Zyklus von Frank Herbert.
Ronald M. Hahn lebt und arbeitet in Wuppertal.
Ronald M. Hahn
1. Kapitel
Nampur, Indien, Januar 1944
Mitternacht ist gerade vorüber, als der fünfunddreißig Jahre alte Monsignore Camillo Gasponi ein Stöhnen hört.
Geschwind schaut er von dem teuren Privatdruck auf, in dem er seit einer Stunde bei Kerzenschein schmökert. Sind Lita und Pater Rumpelmeyer etwa noch nicht im Bett?
Da der geistliche Herr von chronischer Schlaflosigkeit gebeutelt wird, pflegt er vor dem Einschlafen stets noch ein paar Seiten zu lesen. Seine diesmalige Lektüre, die Memoiren eines britischen Wüstlings, die unter dem Titel Geißel des Fleisches erschienen sind, ist so haarsträubend, dass sich sein Körper sogar an Stellen versteift, an denen er es für unmöglich gehalten hat. Als Vertreter des Heiligen Stuhls im indischen Hinterland ist ihm dies mehr als peinlich, und so wartet er, bis seine Glieder sich entspannen, bevor er das obszöne Buch zuklappt und aufsteht.
Schon vernimmt er das Stöhnen erneut. Es verändert sich nun zu einem jämmerlichen Ächzen, das sein Haupthaar langsam zu Berge stehen lässt.
„Was hat das zu bedeuten?“, murmelt Monsignore Camillo vor sich hin. Hat sich ein indischer Vagabund zur Mission verirrt? Er schüttelt den Kopf. Wohl kaum. Eher handelt es sich um Lieutenant-Colonel MacDonald. Seit die Royal Dragoons ihn vorzeitig in den Ruhestand versetzt haben, ist der wackere Soldat dem Trunke verfallen, denn seine Pension reicht weder zum Leben noch zum Sterben. Es wäre nicht das erste Mal, dass er sich vor Monsignore Camillos Tür übergibt.
Obwohl Monsignore Camillo nichts so sehr hasst wie den Alkohol, ist er eine mildtätige Seele, was man schon daran erkennt, dass er auch armen Heiden, wenn sie in Not geraten, Hilfe nie versagt. Also schlüpft er auch diesmal in seine schwarze Kutte und greift zur Laterne. Kurz darauf huscht er die altersschwache Treppe der Mission hinab und tastet sich in Richtung Haustür.
Das merkwürdige Ächzen wird lauter. Es hört sich an, als läge jemand sterbend in seinem Blute. Monsignore Camillo schiebt mit klopfendem Herzen den Schlüssel in die Tür und öffnet sie. Dann steht sein Herz für eine Sekunde still.
Die Luft ist lau. Auf dem finsteren Weg vor der Mission liegt eine eindeutig umgestürzte Leiter. Die Stirn des frommen Monsignore runzelt sich, er schaut an der Hauswand nach oben und erblickt das offene Fenster des Raumes, in dem seine brave Kusine Ippolita schläft. Heiße Empörung wallt in ihm auf, so dass sich seine Wangen aufblasen. Schließlich fällt sein Blick nach unten.
Im Silberlicht der Sterne hockt die dunkel vermummte Gestalt vor ihm, die allem Anschein nach mitsamt der Leiter auf den Hosenboden gefallen ist und sich nun vor Schmerzen krümmt.
Geschieht dir Recht, du Lüstling, denkt der Monsignore, doch dann hebt die Gestalt den von einer Kapuze bedeckten Kopf und mustert ihn aus roten Augen. Nun hat der wackere Camillo in seinem Leben schon in viele Säuferaugen geschaut – doch noch nie ist ihm ein Trinker begegnet, der gleich drei hat. Seine Visage sieht aus eine runzlige schwarze Kartoffel, sein faltiger, lippenloser Mund öffnet sich zu einem schiefen Grinsen. Camillos verdutzter Blick fällt auf zwei wie angespitzt wirkende Zahnreihen. Dann zuckt ihm ein knochiger Arm entgegen, der kaum dicker ist als ein Besenstiel. Merkwürdig an der daran befindlichen Hand ist nur, dass ihre Finger wie Tentakel aussehen – wie Fangarme eines Kraken.
Monsignore Camillo würde am liebsten schreien, doch er bringt keinen Laut hervor. Der Vermummte erhebt sich nun zu voller Größe, und Camillo stellt fest, dass er ihn um eine ganze Haupteslänge überragt.
Gütiger Herrgott... Camillo weicht zurück. Der Anblick ist zu viel für ihn. Er wäre auch zu viel für jeden anderen Menschen. Die Laterne entfällt seiner Hand. Im Nu ist die Schreckensgestalt bei ihm, schlingt einen unbarmherzigen Arm um seinen Hals und nimmt ihn in den Schwitzkasten.
„Ungl... Ungl...“ Monsignore Camillo spürt, dass er keinen Boden mehr unter den Füßen hat. Unmenschliche Kräfte heben ihn in die Luft. Der Hof der Mission wird strahlend hell; so hell, dass er die Augen schließt, um nicht geblendet zu werden. Das Blut führt in seinen Adern einen heißen Tanz auf. Seine Muskeln spannen sich. Zu seiner absoluten Überraschung erigiert auch seine Pfeife und er erinnert sich an dem Tag, an dem er sein Keuschheitsgelübde abgelegt hat. Dann ertönt gleich neben seinem rechten Ohr die verdutzte Stimme seines Amtskollegen Pater Rumpelmeyer: „Beim Arsche des Propheten! Was, um alles in der Welt, ist das?“
Bevor Monsignore Camillo die Sinne völlig schwinden, wird er urplötzlich losgelassen. Er sieht noch, dass sein unheimlicher Peiniger auf äußerst merkwürdige Art und Weise davonläuft – als hätte er sechs Beine. Dann hört er das trockene Krachen von Rumpelmeyers Karabiner.
Als Lita Gasponi aus dem abscheulich verdorbenen und doch wahnsinnig schönen Traum hochschreckt, der die letzten zwei Minuten ihres Schlafes versüßt hat, spürt sie, dass es zwischen ihren Schenkeln heftig zuckt. Sie stöhnt auf, gibt sich der plötzlichen Explosion hin und sieht den Mann vor sich, nach dem sie sich seit Jahren verzehrt: Es ist der hübsche schnauzbärtige Engländer, den Italo Fratello nennt.
Sein wirklicher Name ist Theodore Nathaniel Thomas Smith, und er ist der beste Freund ihres strengen Bruders, der seit dem Ableben ihrer Eltern über ihre Ehre wacht. Ah, Smitti... Lita liebt ihn seit ihrem dreizehnten Geburtstag abgöttisch, und auch im fernen Indien vergeht kein Tag, an dem ihre Gedanken nicht bei ihm sind. In dem Traum, dessen Nachwirkungen ihren Schoß noch immer zucken lassen, hat er herrlich schweinische Dinge mit ihr angestellt.
Boah, war das toll, denkt Lita wollüstig. Sie schmiegt ihr heißes Schößlein fest an die Matratze. Wärst du doch jetzt bei mir, Smitti... Erst dann hört sie den Schuss. Sie ist mit eine Schlag hellwach, springt splitternackt auf und stürzt ans offene Fenster.
„Madonna mia!“, Ihr Blick fällt auf eine Leiter und eine Gestalt in wehender Kutte, die eilig ins Dunkel der Nacht entflieht. Ein Einbrecher? Pater Rumpelmeyer stürzt hinter der Gestalt her und schwenkt ein noch rauchendes Gewehr. Ihr frommer Vetter Camillo kniet totenbleich vor der Mission und schlägt das Kreuzzeichen.
Was ist passiert? Ein Überfall? Litas Herz pocht heftig. Ein Schwindelgefühl ergreift sie. Sie stützt sich auf dem Fensterbrett ab.
Ein plötzlicher Windstoß wirft die Kapuze des Flüchtlings nach hinten und entblößt seinen Kopf. Madonna mia, was für eine Fratze! Ein unglaublich dürrer Arm packt den dunklen Stoff und reißt ihn schnell nach vorn.
Lita würgt in eiskaltem Grauen.
I was lying in a burnt-out basement, with the full moon in my eyes, I was looking for replacement, when the sun burst through the skies...
Fünf Jahre nachdem eine verschlagene Brut vorwiegend adeliger Offiziere ihn bei völliger körperlicher und geistiger Gesundheit aus den Reihen der ruhmreichen Royal Dragoons entfernt hat, ist Lieutenant-Colonel Scottie MacDonald mehr denn je davon überzeugt, dass das Ende der Welt nahe ist: Die Sterne über seinem Kopf glitzern so kalt und bedrohlich wie schon lange nicht mehr. Die Nacht ist wie geschaffen für eine Invasion. Höchstwahrscheinlich werden die Marsmenschen mit ihren tödlichen Fluggeräten noch vor dem Morgengrauen zum letzten Schlag gegen die Menschheit ausholen. Der Tag der Abrechnung ist nicht mehr fern. Er spürt es deutlich in den Knochen. Er spürt auch das Zittern, das ihn jedes Mal überkommt, wenn die letzte Flasche leer ist. Und er verwünscht sein Gedächtnis, das immer mehr zu einem Schweizer Käse wird.
Früher, in der glorreichen Zeit des Empire, als er noch bei den Dragoons war, war die Welt noch in Ordnung und voller Feuerwasser. Doch seit seiner Zwangspensionierung und dem Umzug an den (seien wir ehrlich) After der Welt vergisst er immer öfter, dass er keinen Burschen mehr hat, der für Nachschub sorgt. In Indien müssen arme Menschen dürsten und bis zum Morgen, wenn die Destillen öffnen, das grausige Zittern überstehen.
MacDonald mustert die leere Flasche mit einem traurigen Blick, dann zuckt er die Achseln und wirft sie hinter sich.
Er hört ein dumpfes Aufklatschen, einen schrillen, von Schmerzen kündenden Schrei und fährt so schnell herum, dass er fast von dem Findling stürzt, auf dem er Platz genommen hat, um die Landung der Marsmenschen zu beobachten.
Auf dem unbefestigten schmalen Weg, der zum Palast des verruchten Deutschen hinaufführt, greift sich eine vermummte Gestalt an den Schädel, die er in der Finsternis zunächst für einen Eingeborenen hält. Doch dann, als die Wolken über ihm aufreißen und das Silberlicht des Mondes sie beleuchtet, erblickt er eine Visage, die so grässlich ist, dass der noch unverdaute Whisky wie eine Fontäne aus seinem Magen hervorspritzt.
„Alle Wetter!“
„Agrahhh!“
Die grauenhaft anzusehende Gestalt – der wackere Lieutenant-Colonel zweifelt nicht daran, dass ein Aussätziger vor ihm steht – hebt zwei Arme, die kaum dicker sind als Besenstiele und reißt ein von nadelspitzen Zähnen wimmelndes Maul auf, das frappierend einer Hundeschnauze gleicht. Es sieht so aus, als wolle sie sich in unkontrollierter Wut ihr Gegenüber stürzen, so dass MacDonald flink nach dem neunschüssigen Le Mat-Kartätschenrevolver greift, der an seinem Gürtel baumelt.
„Verzeihung“, murmelt MacDonald und legt mit bebender Hand und verschleiertem Blick auf den Fremdling an. „Es war keine Absicht... Ich entschuldige mich in aller Form.“
„Agraahhh!“
„Ich weiß, es tut weh, wenn man von einer Flasche am Kopf getroffen wird“, fährt MacDonald beschwichtigend fort. „Aber es ist nun mal passiert und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.“