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Lieber Leser! Die vorliegende Lebensbeschreibung habe ich schon seit einer Reihe von Jahren zu wiederholten Malen im lateinischen Original gelesen, und die Überzeugung hat sich bei mir stets gesteigert, es gäbe kaum ein Buch ähnlichen Inhalts, das diesem ebenbürtig an die Seite gestellt werden könnte. Es wird ja in diesem Buch nicht bloß das Leben eines der größten und ruhmwürdigsten Heiligen der Kirche Gottes dargestellt, sondern der Verfasser desselben ist selbst ein großer Heiliger und berühmter Lehrer der Kirche. Dieser Verfasser ist kein anderer, als der ruhmreiche heilige Bonaventura. Diese beiden Vorzüge kennzeichnen und empfehlen das Buch hinreichend. (...) Möge dieses Buch in allen Lesern die Liebe zum heiligen Franziskus anfachen und vermehren und sie alle mächtig anspornen, an Tugend und Heiligkeit ein anderer Franziskus zu werden! Aus dem Vorwort des Übers.
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Seitenzahl: 264
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Vorrede des Übers.
Vorrede des hl. Bonaventura.
Kap. Von dem Wandel des heiligen Franziskus im weltlichen Stand.
Kap. Von der vollkommenen Bekehrung des heiligen Franziskus zu Gott und der Wiederherstellung dreier Kirchen.
Kap. Von der Stiftung des Ordens und Gutheißung der Regel.
Kap. Vom Fortschritt des Ordens unter der Leitung des heiligen Franziskus und von der Bestätigung der Regel, die früher nur mündlich gutgeheißen war.
Kap. Von der Strenge seines Lebens und dem Trost, den die Geschöpfe ihm gewährten.
Kap. Von der Demut und dem Gehorsam des heiligen Franziskus, und wie sich alles seinem Willen fügt.
Kap. Von der Liebe des heiligen Franziskus zur Armut, und wie auf wunderbare Weise seinen Bedürfnissen abgeholfen wird.
Kap. Von der innigen Frömmigkeit des heiligen Franziskus, und wie die unvernünftigen Tiere ihm besonders zugetan waren.
Kap. Von der feurigen Liebe des heiligen Franziskus und seiner Begierde nach dem Märtyrertod.
Kap. Von dem Gebetseifer des heiligen Franziskus und der Kraft seiner Gebete.
Kap. Von des heiligen Franziskus Verständnis der Heiligen Schrift und von seinem Geist der Weissagung.
Kap. Von der Kraft der Predigt des heiligen Franziskus und von seiner Gabe der Heilung.
Kap. Von den heiligen Wundmalen.
Kap. Von der Geduld des heiligen Franziskus und seinem seligen Tod.
Kap. Von der Heiligsprechung und Übertragung des heiligen Franziskus.
Kap. Von den Wundern, die Gott nach dem Tod des heiligen Franziskus auf dessen Verdienste und Fürbitte gewirkt hat.
LIEBER Leser!
Die vorliegende Lebensbeschreibung habe ich schon seit einer Reihe von Jahren zu wiederholten Malen im lateinischen Original gelesen, und die Überzeugung hat sich bei mir stets gesteigert, es gäbe kaum ein Buch ähnlichen Inhalts, das diesem ebenbürtig an die Seite gestellt werden könnte. Es wird ja in diesem Buch nicht bloß das Leben eines der größten und ruhmwürdigsten Heiligen der Kirche Gottes dargestellt, sondern der Verfasser desselben ist selbst ein großer Heiliger und berühmter Lehrer der Kirche. Dieser Verfasser ist kein anderer, als der ruhmreiche heilige Bonaventura. Diese beiden Vorzüge kennzeichnen und empfehlen das Buch hinreichend. Darum glaubte ich dem christlichen Volk deutscher Zunge und besonders jenen Personen, die zu einem der drei Orden gehören, die der heilige Vater Franziskus gestiftet hat, einen kleinen Dienst zu erweisen, wenn ich ihnen das Leben dieses glorreichen Heiligen in deutscher Sprache vorlegte. Die Söhne und Töchter des heiligen Franziskus finden hier eine neue Gelegenheit, die erhabene Heiligkeit ihres glorreichen Vaters zu sehen und die Höhe, wozu sie als Kinder eines solchen Vaters berufen sind, gleichsam mit Augen zu schauen. Denn, sind wir Kinder des armen, demütigen, seraphischen Vaters Franziskus, dann müssen wir auch seine Werke auszuüben suchen. Möge dieses Buch in allen Lesern die Liebe zum heiligen Franziskus anfachen und vermehren und sie alle mächtig anspornen, an Tugend und Heiligkeit ein anderer Franziskus zu werden! Freilich werden hier viele und große Wunder vom heiligen Franziskus berichtet; aber für ihre Glaubwürdigkeit spricht nicht bloß die Heiligkeit des heiligen Verfassers Bonaventura, der schon längst geboren, als der heilige Franziskus starb, also ein Zeitgenosse jener Männer und Personen war, die mit dem heiligen Vater lebten, an denen diese Wunder gewirkt worden, und die sie mit eigenen Augen gesehen hatten; für ihre Glaubwürdigkeit spricht nicht bloß die Sorgfalt, die der heilige Bonaventura nach einem eigenen Zeugnis anwendete, um in allem die volle Wahrheit und nur Wahrheit zu erfahren; sondern auch die außerordentliche Heiligkeit jenes glorreichen Mannes, von dem diese zahlreichen Wunder berichtet werden, legt Zeugnis ab für die Wahrheit derselben. Denn Franziskus hat nicht bloß durch Kampf gegen den alten Menschen das Gift der Sünde aus seiner durch Adams Sünde verderbten Natur herausgepreßt, die Leidenschaften überwunden und gänzlich ausgerottet und so das Bild des ersten Menschen durch Gottes Gnade in sich vollkommen erneuert, sondern er ist auch über des ersten Menschen Unschuld weit erhoben, in das Bild der ewigen Schönheit des Gottmenschen Jesus Christus innerlich und äußerlich möglichst vollkommen umgewandelt worden. Dem Leib des heiligen Franziskus wurden ja die Wundmale Jesu Christi durch eine geheimnisvolle Einwirkung des gekreuzigten Seraphs aufgedrückt; diese Wundmale gaben dem heiligen Mann äußerlich am Leib die größte Ähnlichkeit mit dem Gottmenschen Christus und waren zugleich ein von Gottes Hand geschriebenes Zeugnis von einer Ähnlichkeit mit Christus innerlich im Herzen. Ist es da zu verwundern, wenn der heilige Franziskus, der an Unschuld den Adam übertrifft, an Adams Macht über die Natur teilnimmt? Kann es da noch befremden, wenn der beste Freund des Bräutigams Anteil an den Rechten des Bräutigams, und wenn das vollkommene Ebenbild unseres Jesus, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, auch ein Mitbesitzer dieser Macht ist? Und wenn Jesus eben darum, weil er sich verdemütigt hat und gehorsam geworden ist bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz, einen Namen erlangt hat, der da ist über alle Namen, auf daß im Namen Jesu sich beugen müssen alle Knie im Himmel, auf der Erde und unter der Erde; ist es da nicht durchaus entsprechend, daß Gott, der Liebhaber der Demut und des Gehorsams, den so demütigen und gehorsamen Franziskus mit der Herrlichkeit seines Eingeborenen umgibt und ihn zur Verherrlichung seines wesensgleichen, gehorsamen und demütigen Sohnes im Himmel und auf Erden groß macht durch große Wunder? Möge des heiligen Franziskus große Herrschaft über die ganze Natur uns antreiben, wenigstens dahin zu streben, daß wir uns selbst beherrschen; möge dieser mächtige und erbarmungsvolle Heilige uns großes Zutrauen zu seiner Macht und Liebe einflößen, und mögen wir alle durch seine Fürbitte das erlangen, was uns zum zeitlichen und ewigen Heil ersprießlich ist.
Was die Übersetzung angeht, so habe ich mich möglichst genau an das Original gehalten und eine ganz einfache Sprache gewählt. Möge das Buch eine günstige Aufnahme beim Publikum finden; möge es die Ehre Gottes und den Ruhm des heiligen Franziskus mehren; möge es bei den Lesern recht viel Nutzen schaffen!
Das wünscht herzlich
der Übersetzer.
ES erschien die Gnade Gottes unseres Erlösers in diesen letzten Tagen an seinem Diener Franziskus allen wahrhaft Demütigen und Liebhabern der heiligen Armut. Diese verehren in ihm die überfließende Barmherzigkeit Gottes und werden durch sein Beispiel unterwiesen, der Gottlosigkeit und den weltlichen Dingen von Grund aus zu entsagen, Christus gleichförmig zu leben und mit unermüdlichem Verlangen nach der himmlischen Glückseligkeit zu dürsten. Denn auf ihn, den wahren Armen und Büßer, hat Gott mit solch liebevoller Herablassung geblickt, daß er ihn, den Dürftigen, nicht bloß aus dem Staub des Weltlebens hervorzog, sondern auch zum Beobachter, Führer und Herold der evangelischen Vollkommenheit erkor, und den Gläubigen als Leuchte aufstellte, damit er Zeugnis gebe vom Licht und dem Herrn den Weg des Lichtes und Friedens zu den Herzen der Gläubigen bereite. Und in der Tat, er war wie der Morgenstern in Mitte des Nebels, strahlend durch den hellen Glanz seines Lebens und seiner Lehre, und führte durch das so leuchtende Licht, das von ihm ausstrahlte, die in Finsternis und Todesschatten Sitzenden zum Licht; er war gleichsam ein glänzender Regenbogen zwischen herrlichen Wolken, an sich darstellend das Zeichen des Bundes mit dem Herrn, verkündigte den Menschen Frieden und Heil, und war selbst ein Engel des wahren Friedens.
Auch ward er wie ein zweiter Vorläufer von Gott dazu bestimmt, den Weg zu bereiten in der Wüste der höchsten Armut, und Buße zu predigen durch Wort und Beispiel. Darum kam ihm Gott zuvor mit den Gaben himmlischer Gnaden, bereicherte ihn dann mit den Verdiensten unbesiegter Tugend, erfüllte ihn auch mit dem Geist der Weissagung und bestimmte ihn zum englischen Dienst; durchglühte ihn ganz mit seraphischer Liebesglut und zog ihn als einen zu den seligen Geistern Gehörenden im feurigen Wagen nach oben, wie aus dem Verlauf seines Lebens deutlich erhellt. Dieses liefert uns den Beweis, Franziskus sei im Geist und in der Kraft des Elias gekommen.
Deshalb wird er auch in der wahrhaftigen Weissagung des Evangelisten Johannes, des anderen Freundes des Bräutigams, nicht mit Unrecht gezeichnet und dargestellt unter dem Bild eines Engels, der vom Aufgang der Sonne aufstieg und das Siegel des lebendigen Gottes hatte. Bei der Eröffnung des sechsten Siegels, sagt der heilige Johannes1, sah ich einen anderen Engel aufsteigen von Sonnenaufgang, der das Zeichen des lebendigen Gottes hatte. Daß aber dieser Bote Gottes kein anderer war, als der Knecht Gottes Franziskus, geliebt von Christus, nachahmungswürdig für uns, wunderbar der Welt, können wir mit unzweifelhafter Gewißheit schließen, wenn wir bei ihm den Gipfel der erhabenen Heiligkeit betrachten, in welcher er unter Menschen lebend die Engel an Reinheit nachahmte, und so allen vollkommenen Nachfolgern Christi zum Beispiel aufgestellt wurde.
Diese gläubige und fromme Meinung veranlaßt zunächst sein Beruf, den er hatte: zum Weinen, zum Wehklagen und zur Anlegung des Bußsackes aufzumuntern; ferner seine Gewohnheit, die Stirn der Büßer und Trauernden mit dem griechischen T zu bezeichnen, welches das Zeichen der Buße ist und mit dem Kreuz eine große Ähnlichkeit hat; vor allem aber wird diese Meinung bekräftigt und durch das unwiderlegliche Zeugnis der Wahrheit bestätigt, indem ihm durch Eindrückung der Wundmale das Bild des gekreuzigten Heilandes eingeprägt wurde. Diese Zeichen sind ja seinem Leib eingedrückt, weder durch die Kraft der Natur, noch durch das Genie des Künstlers, sondern vielmehr durch die wunderbare Macht des Geistes des lebendigen Gottes.
Da ich mich nun durchaus unwürdig und unfähig fühle, dieses so heiligen Mannes Leben, das aller Nachahmung höchst würdig ist, zu schreiben, so würde ich diese Arbeit auch gar nicht unternommen haben, hätte mich nicht die feurige Liebe der Brüder, die einmütige und dringende Aufforderung des ganzen Generalkapitels und endlich meine eigene pflichtmäßige Andacht zum heiligen Vater dazu bewogen. Ich wurde ja als Knabe, wie mir noch frisch im Gedächtnis ist, durch seine Gebete und Verdienste dem Rachen des Todes entrissen und müßte fürchten, der Undankbarkeit beschuldigt zu werden, wenn ich es unterließe, sein Lob nach Kräften zu verkünden. Auch das ist mir ein vorzüglicher Grund zur Übernahme dieser Arbeit, daß ich durch ihn das Leben des Leibes und der Seele von Gott bewahrt erhalten und seine Kraft an mir selbst erfahren habe, wie ich dankbar anerkenne. Daher beginne ich seines Lebens Tugenden, Taten und Worte, die als Bruchstücke teils übersehen, teils zerstreut waren, wenn auch nicht vollständig, so doch nach Kräften zu sammeln, auf daß sie mit dem Absterben der Zeitgenossen des Dieners Gottes nicht zugrunde gehen.
Damit ich aber die Wahrheit seines Lebens, die ich der Nachwelt überliefern soll, desto gewisser und klarer erführe, so ging ich dorthin, wo der Heilige geboren war, wandelte und starb; ich pflog mit seinen Vertrauten, die noch am Leben waren, häufige Unterredungen, besonders mit jenen, welche sowohl seine Heiligkeit kannten, als auch vorzügliche Nachahmer derselben waren, und welchen darum wegen ihrer Kenntnis der Wahrheit und erprobten Tugend unzweifelhafter Glaube gebührt.
Bei der Beschreibung dessen, was Gott gnädigst durch seinen Diener getan hat, glaubte ich übrigens einen gekünstelten Stil vermeiden zu müssen; da ja die Andacht des Lesers mehr gewinnt durch einfältige
Sprache, als durch schönklingende Worte. Auch habe ich, um Verwirrung zu vermeiden, bei Abfassung dieser Lebensbeschreibung nicht immer Rücksicht genommen auf die Ordnung der Zeit, sondern vielmehr das zusammengestellt, was zu demselben Gegenstand gehört, wiewohl es zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten geschehen war. Anfang, Fortgang und Ende dieser Lebensbeschreibung werden in 15 Kapiteln abgehandelt.
1 Apok. 7, 2.
1.
ES lebte in der Stadt Assisi ein Mann, Franziskus genannt, dessen Andenken in Segen ist; denn Gott kam ihm gütig zuvor mit seinen süßen Segnungen, entriß ihn huldvoll den Gefahren des gegenwärtigen Lebens und erfüllte ihn überschwenglich mit den Gaben himmlischer Gnaden. Wiewohl er nämlich unter eitlen Weltkindern lebte, auch in seiner Jugend zur Eitelkeit erzogen, und nach einiger Ausbildung in den Wissenschaften der gewinnbringenden Kaufmannschaft gewidmet ward; so ging er, von oben beschützt, doch nicht den fleischlichen Gelüsten nach, obgleich er unter ausgelassenen Jünglingen lebte und sich den Vergnügungen ergab; noch setzte er unter habsüchtigen Kaufleuten, obschon auf Gewinn bedacht, seine Hoffnung auf Geld und Gut; denn des jungen Franziskus Brust war ein Zug milden Erbarmens gegen die Armen von Gott eingehaucht, und dieses Erbarmen wuchs mit ihm von Kindheit an und erfüllte seine Seele mit so großer Güte, daß er schon als angehender Jüngling nicht ein tauber Anhörer des Evangeliums war und sich vornahm, jedem Almosen zu geben, der ihn bäte, besonders wenn er um der Liebe Gottes willen bitten würde.
2.
Da er aber einmal, von den geräuschvollen Handelsgeschäften ganz in Anspruch genommen, einen Armen, der um der Liebe Gottes Willen um Almosen gebeten, gegen seine Gewohnheit unbeschenkt abgewiesen hatte; kehrt er sogleich in sich, läuft dem Armen nach, gibt ihm in aller Milde ein Almosen und macht Gott dem Herrn das Versprechen, von jetzt an, wo es nur möglich wäre, niemanden etwas abzuschlagen, der ihn bei der Liebe des Herrn um etwas bitten würde. Dieses Versprechen hielt er beharrlich bis zum Tod und verdiente hierdurch einen reichlichen Zuwachs an göttlicher Liebe und Gnade. Auch versicherte er später, da er Christus bereits vollkommen angezogen hatte, schon als Weltmann habe er das Wort Liebe Gottes kaum aussprechen hören können, ohne innerlich umgewandelt zu werden. Ja, seine Sanftmut und Milde, verbunden mit feinen Sitten, seine mehr als menschliche Geduld und Gefügsamkeit, seine maßlose Freigebigkeit, welche seine Kräfte überschritt: alle diese herrlichen Anlagen und Tugenden, welche man an dem Jüngling blühen sah, schienen sichere Anzeichen zu sein, daß Gott späterhin seine Segnungen über ihn in noch reichlicherer Fülle ausgießen werde.
3.
Als ein gewisser Mann von Assisi, freilich recht einfältig, aber, wie man glaubt, von Gott unterwiesen, dem Franziskus in der Stadt begegnete, nahm er seinen Mantel ab, breitete sein Kleid zu dessen Füßen und sprach: Franziskus werde aller Achtung würdig sein; denn in Bälde werde er Großes vollbringen und deshalb von allen Gläubigen große Ehren empfangen. Indes Franziskus erkannte noch nicht die Absichten, welche Gott mit ihm hatte, weil er einmal nach des Vaters Willen sich nach außen beschäftigen mußte, dann aber auch, weil er durch die in Adam verdorbene Natur nach unten gezogen und ohne Fähigkeit war, die himmlischen Dinge zu betrachten, noch sich gewöhnt hatte, das Göttliche zu verkosten. Da aber Leiden dem geistigen Ohr Verständnis geben, so kam die Hand des Herrn über ihn und sein Leib ward geschlagen mit langwierigen Krankheiten, um die Seele vorzubereiten auf die Salbung des Heiligen Geistes. Nachdem er wieder zu Kräften gekommen und sich in gewöhnlicher Weise anständige Kleider angeschafft hatte, begegnete er draußen einem Soldaten, der zwar edel, aber arm und schlecht gekleidet war. Beim Anblick desselben wurde er von Mitleid gerührt, zog schnell seine Kleider aus und schenkte sie dem Bedürftigen. So wollte er in einem Werk zu gleicher Zeit einen zweifachen Liebesdienst verrichten, nämlich die Blöße des edlen Kriegsmannes bedecken und der Dürftigkeit eines armen Menschen abhelfen.
4.
Während er nun in der folgenden Nacht schlief, zeigte ihm der mildreiche Gott einen herrlichen und großen Palast mit Kriegswaffen, geschmückt mit dem Zeichen des Kreuzes Christi, um ihm zum voraus anzudeuten, welch unvergleichlichen Lohn er zu erwarten habe für die Barmherzigkeit, die er dem armen Soldaten aus Liebe zum höchsten König erwiesen. Als er nämlich fragte, wem alles dieses gehörte, ward ihm die göttliche Antwort: Alles sei für ihn und seine Soldaten. Allein sein Geist war noch nicht geübt, die göttlichen Geheimnisse zu erforschen, noch verstand er durch die Bilder der sichtbaren Dinge zum Schauen der unsichtbaren Wahrheit emporzusteigen; darum hielt er bei seinem Erwachen am Morgen dieses außerordentliche Gesicht für ein Anzeichen großen Glückes, und der göttlichen Absichten noch unkundig, entschloß er sich, nach Apulien zu gehen und Dienste zu nehmen bei einem gewissen freigebigen Grafen, unter dessen Fahne er das Kriegsglück zu erlangen gedachte, das ihm im Gesicht schon angedeutet war. Bald trat er die Reise an und ging bis zur nächsten Stadt. Hier hörte er des Nachts den Herrn freundlich zu ihm sprechen: „Franziskus! Wer kann dir Besseres tun, der Herr oder der Knecht? Der Reiche oder der Arme?“ Franziskus antwortete: „Besseres kann mir tun der Herr und der Reiche.“ Hierauf erwiderte sogleich die göttliche Stimme: „Warum verläßt du denn um des Knechtes willen den Herrn und um des armen Menschen willen den reichen Gott?“ Da sprach Franziskus: „Was willst du, Herr, daß ich tue?“ Der Herr antwortete: „Kehre zurück in deine Heimat, denn das Gesicht, das du gesehen, versinnbildet ein geistiges Werk, welches nicht durch menschliche Klugheit, sondern durch Gottes Eingreifen an dir hervorgebracht werden soll.“ Darum kehrte er am anderen Morgen in aller Eile nach Assisi mit freudiger Gewißheit zurück und wartete dort, schon jetzt ein Muster des Gehorsams, auf den Willen des Herrn. Von jetzt entzog er sich dem Gewühl öffentlicher Geschäfte und flehte andächtig die göttliche Milde an, sie möge ihm doch gnädig zeigen, was er zu tun habe. Durch öftere Übung des Gebetes entbrannte in ihm eine mächtige Flamme himmlischer Begierden, und schon jetzt erachtete er aus Liebe zum Vaterland dort oben alles Irdische für nichts. Nun erkannte er, daß er den verborgenen Schatz gefunden, und als kluger Kaufmann dachte er daran, alles zu verkaufen, um die gefundene Perle zu erwerben. Jedoch war es ihm noch unbekannt, wie dies zu machen sei; aber seinem Geist ward immer zugesprochen, der geistliche Handel beginne mit der Verachtung der Welt, und der Anfang im Kriegsdienst Christi sei der Sieg über sich selbst.
5.
Als er einmal über die Ebene nahe bei Assisi ritt, begegnete er einem Aussätzigen, bei dessen Zusammentreffen ihn mächtiger Schauer überfiel. Aber sogleich erinnerte er sich seines Vorsatzes, nach der Vollkommenheit zu streben, und gedachte, man müsse zuerst sich selbst überwinden, wenn man ein Soldat Christi werden wolle. Darum stieg er vom Pferd und lief auf den Aussätzigen zu, um ihn zu küssen. Dieser streckte die Hand aus, als wolle er etwas annehmen, und Franziskus gibt ihm Geld und küßt seine Hand. Schnell schwang er sich jetzt wieder auf das Pferd, und obschon er allenthalben umherschaute, gewahrte er, wiewohl das Feld von allen Seiten offen und frei war, durchaus nirgends den Aussätzigen. Hierüber wurde er von Bewunderung und Freude erfüllt und fing an, in Andacht Gott Loblieder zu singen; auch machte er den Vorsatz, von jetzt an immer nach Höherem zu streben.
6.
Seit diesem Ereignis suchte er einsame Orte auf, geeignet für die Trauer; hier betete er ohne Unterlaß mit unaussprechlichen Seufzern und verdiente nach langem, inständigem Gebet Erhörung bei Gott. Als er sich nämlich eines Tages zum Gebet zurückgezogen hatte und vor übergroßer Inbrunst ganz in Gott versenkt war, erschien ihm, ans Kreuz geheftet, Jesus Christus. Bei diesem Anblick zerschmolz seine Seele und das Andenken an das Leiden Christi ward seinem Herzen so kräftig eingedrückt, daß er von dieser Stunde an beim Gedanken an das Leiden Christi sich kaum äußerlich der Tränen und Seufzer enthalten konnte, wie er selbst gegen Ende seines Lebens vertraulich erzählte. Hierdurch erkannte der Mann Gottes, ihm gelte das Wort im Evangelium: Wenn du mir nachfolgen willst, so verleugne dich selbst, nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach.2 Jetzt zog er an den Geist der Armut, den demütigen Sinn und die Empfindung der innigsten Liebe. Hatte er früher ein heftiges Grauen nicht bloß vor dem Umgang mit Aussätzigen, sondern auch vor ihrem Anblick aus der Ferne, so erwies er ihnen jetzt zur vollkommenen Verachtung seiner selbst und aus Liebe zum gekreuzigten Heiland, der nach dem Wort des Propheten verächtlich wie ein Aussätziger erschien, in wohltätiger Liebe alle Dienste, welche Demut und Menschenliebe nur eingeben können; er besuchte häufig ihre Häuser, spendete ihnen reichliches Almosen und küßte ihnen mit vielem Mitgefühl Hände und Mund. Den armen Bettlern wünschte er nicht bloß seine Habe, sondern auch sich selbst mitzuteilen; denn bald zog er seine Kleider aus und gab sie ihnen ganz, bald zerschnitt oder zertrennte er sie in entsprechende Teile, wenn er nichts anderes bei der Hand hatte zum Verschenken. Auch arme Priester unterstützte er ehrerbietig und liebevoll; vorzugsweise gab er Schmucksachen für den Altar, um so einerseits am göttlichen Dienst teilzunehmen, andererseits aber der Dürftigkeit beim Gottesdienst abzuhelfen.
7.
Um diese Zeit besuchte er aus gläubiger Andacht das Grab des Apostels Petrus und erblickte dort eine Menge Armer vor den Pforten der Kirche. Aus süßer Zärtlichkeit gegen die Armen und aus Liebe zur Armut schenkte er dem Ärmsten seine eigenen Kleider, bedeckte sich dürftig mit den Lumpen desselben und brachte den ganzen Tag unter den Armen mit ungewöhnlicher Freude des Geistes zu; dieses tat er, um den weltlichen Ruhm zu verschmähen und stufenweise zur evangelischen Vollkommenheit emporzusteigen. Auch auf die Abtötung des Fleisches verlegte er sich jetzt eifriger, damit er Christi Kreuz, das er innerlich im Herzen trug, auch äußerlich an seinem Leib trage. Alles dieses vollbrachte der Mann Gottes Franziskus, bevor er in Kleidung und Lebensweise sich von der Welt getrennt hatte.
2 Matth. 16, 24.
1.
BISHER hatte der Knecht des Allerhöchsten im geistlichen Leben keinen anderen Lehrmeister gehabt als Christus, und dieser unterließ nicht, ihn mit den lieblichen Heimsuchungen seiner Gnade zu erfreuen. Als er nämlich eines Tages ausgegangen war zur Betrachtung und auf dem Feld neben der Kirche des heiligen Damian, die Alters wegen einzustürzen drohte, spazieren ging, ward er vom Geist Gottes in die Kirche geführt, um dort zu beten, und, niedergeworfen vor dem Bild des Gekreuzigten, mit großer Tröstung des Geistes beim Gebet erfüllt. Und da er mit tränenvollen Augen zum Kreuz des Herrn aufblickte, hörte er mit leiblichen Ohren eine Stimme vom Kreuz herab dreimal zu ihm sprechen: „Franziskus, geh und stelle mein Haus wieder her, das du ganz zerfallen siehst!“ Weil er aber allein in der Kirche war, so zitterte und bebte er bei dieser wunderbaren Stimme, empfand aber auch im Herzen die Kraft der göttlichen Ansprache und ward im Geist entzückt. Wieder zu sich gekommen, schickt er sich an zum Gehorsam und trifft Anstalten, auf göttlichen Befehl die materielle Kirche wiederherzustellen, wiewohl doch der göttliche Auftrag vorzüglich auf jene Kirche deutete, die Christus durch sein Blut erworben. Diese Erklärung erhielt er späterhin vom Heiligen Geist und teilte sie noch seinen Brüdern mit. Jetzt steht er auf, bewaffnet sich mit dem Zeichen des Kreuzes, und nachdem er aus seines Vaters Laden Tuch genommen, reitet er schnell nach der Stadt Foligno und verkauft dort Tuch und Pferd. Nach Assisi zurückgekehrt, begab er sich ehrerbietig nach der Kirche, die er wiederherstellen sollte; und da er dort einen armen Priester fand, machte er ihm die gebührende Aufwartung und gab ihm zur Wiederherstellung der Kirche und Unterstützung der Armen das empfangene Geld, bat auch demütig, er möge ihm erlauben, eine Zeitlang bei ihm zu bleiben. Der Priester erlaubte nun wohl den zeitweiligen Aufenthalt, aber das Geld nahm er nicht an aus Furcht vor dessen Eltern. Franziskus warf das Geld, das er wahrhaft verachtete und wie Staub ansah, auf eine Fensterbank.
2.
Nachdem der Vater des Dieners Gottes von dessen Aufenthalt bei dem gedachten Priester Kenntnis erhalten, läuft er sogleich zornentbrannt dorthin. Als aber der noch neue Kämpfer Christi die Drohworte seiner Verfolger und ihre Ankunft vernahm, wollte er ihrem Zorn ausweichen und verbarg sich deshalb in eine Höhle, wo er sich mehrere Tage aufhielt und stets unter einem Strom von Tränen den Herrn anflehte, er möge seine Seele erretten aus den Händen der Verfolger und die frommen Wünsche, die er ihm eingegeben habe, durch seinen gnädigen Schutz zur Ausführung bringen. Beim Gebet ward er nun mit übergroßer Freude erfüllt und fing an, sich der Feigheit anzuklagen; dann verließ er, alle Furcht beiseite setzend, die Höhle und begab sich nach der Stadt Assisi. Da ihn seine Mitbürger blaß von Angesicht und verändert am Geist sahen, hielten sie ihn für wahnsinnig, bewarfen ihn mit Gassenkot und Steinen und verhöhnten ihn mit lauten Schimpfworten, wie einen Unsinnigen und Narren. Aber der Diener des Herrn ward durch keine Unbilde gebeugt oder verändert und ging durch alles hindurch wie ein Stummer. Sein Vater hört den Lärm und läuft schnell herbei, nicht um seinen Sohn zu befreien, sondern ihn zu verderben; legt alles Erbarmen beiseite und schleppt ihn nach Hause, wo er ihn erst mit Worten, dann mit Prügeln und Banden peinigt. Jedoch Franziskus wird hierdurch zur Ausführung dessen, was er angefangen hatte, nur bereitwilliger und mutiger gemacht, sich an das Wort des Evangeliums erinnernd: Selig, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden, denn ihrer ist das Himmelreich.3
3.
Nach einiger Zeit machte der Vater eine Reise ins Ausland, und da die Mutter, die ihres Mannes Verfahren mißbilligte, keine Hoffnung hatte, ihres Sohnes unbeugsame Standhaftigkeit zu erschüttern, so entfesselte sie ihn und ließ ihn frei gehen. Franziskus dankte Gott für die Befreiung und kehrte an den Ort zurück, wo er früher gewesen war. Als der Vater heimkehrte und ihn nicht zu Hause fand, überhäufte er erst seine Gattin mit Schmähworten, begab sich dann wütend an jenen Ort, wo sein Sohn verweilte, um ihn aus dem Land zu jagen, wenn er ihn nicht umstimmen könnte. Franziskus aber, von Gott gestärkt, geht dem wütenden Vater freiwillig entgegen und erklärt ganz offen, er erachte seine Bande und Schläge für nichts, und sei auch bereit, um des Namens Christi willen alle Übel mit Freuden entgegenzunehmen. Wie nun der Vater sah, daß er ihn von seinem Vorhaben nicht abbringen konnte, suchte er das Geld von ihm herauszubringen; und da er es am Fenster fand, und hierdurch der Durst seiner Habsucht sich in etwas stillte, ward auch seine Wut bedeutend gemildert.
4.
Hierauf versucht der Vater des Fleisches den Sohn der Gnade, der vom Geld entblößt war, vor den Bischof der Stadt zu führen, damit er vor demselben allem väterlichen Erbe entsage und alles hergebe, was er noch hatte. Hierzu zeigte sich der wahre Liebhaber der Armut bereit; ungesäumt kommt er vor den Bischof und, ohne auf ein Wort zu warten, noch auch ein Wort zu reden, legt er sogleich alle seine Kleider ab und gibt sie dem Vater zurück. Nun entdeckte man auch, daß der Mann Gottes unter seinen feinen Kleidern ein Bußhemd trug. Von einer wunderbaren Glut ergriffen und von himmlischer Wonne trunken, warf er selbst die Unterkleider weg, entblößte sich vor allen Anwesenden und sprach dann zum Vater: „Bisher habe ich dich meinen Vater auf dieser Welt genannt, jetzt aber kann ich zuversichtlich sprechen: Vater unser, der du bist in den Himmeln4; bei diesem Vater habe ich hinterlegt all meinen Reichtum und auf ihn gesetzt all meine Hoffnung.“ Beim Anblick dieser Szene geriet der Bischof in Verwunderung über den Feuereifer des Mannes Gottes, erhob sich sogleich und schloß ihn unter Tränen in seine Arme; dann bedeckte er ihn, weil er ein frommer und lieber Mann war, mit dem Mantel, den er gerade trug, und befahl seinen Leuten etwas herbeizubringen, um den Leib des Franziskus zu bedecken. Diese brachten den ärmlichen und schlechten Mantel eines Ackerknechtes, der beim Bischof diente. Franziskus nahm ihn dankbar an, machte selbst mit Kalk, den er gerade fand, das Kreuzzeichen darauf und weihte ihn zum Kleid eines gekreuzigten Menschen und halbnackten Armen. So war nun der Diener des allerhöchsten Königs nackt zurückgelassen, damit er dem Herrn, der nackt ans Kreuz geschlagen und den er liebte, nachfolgen könnte; und gewiß war er mit dem Kreuz bewaffnet, damit er sich selbst kreuzige und durch das Kreuz dem Schiffbruch der Welt entginge.
5.
Jetzt war der Verächter der Welt gelöst von allen Banden irdischer Begierden; darum verließ er auch die Stadt und eilte sicher und frei in die stille Einsamkeit, um dort allein und schweigend auf die geheimnisvolle himmlische Ansprache zu lauschen. Aber während der Diener Gottes Franziskus durch das Gehölz wanderte und des Herrn Lob in französischer Sprache mit Jubel sang, kamen Räuber aus ihrem Versteck und fielen ihn an; mit tierischem Grimm schnarrten sie ihn an und fragten, wer er sei. Der Mann Gottes antwortete voll Zuversicht und mit prophetischen Worten: „Ich bin der Herold des großen Königs.“ Da schlugen sie ihn, warfen ihn in eine Grube voll Schnee und schrien: „Da liege, du Bauer, du Herold Gottes.“ Nachdem die Räuber davongegangen, sprang er aus dem Graben und sang im Geist hocherfreut mit noch lauterer Stimme dem Schöpfer aller Dinge Loblieder, so daß der Hain davon widerhallte. Hierauf kam er zu einem gewissen benachbarten Kloster, wo er als Bettler um Almosen bat, welches man ihm, dem Unbekannten, mit einer gewissen Verachtung reichte. Von dort begab er sich nach Eugubium, wo er von einem alten Freund, der ihn erkannte, aufgenommen und als Armer Christi mit einem ärmlichen Gewand bekleidet wurde. Von dieser Zeit an ging der Liebhaber aller Demut zu den Aussätzigen und lebte unter ihnen, bediente sie alle auf das sorgfältigste um Gottes willen, wusch ihre Füße, verband ihre Geschwüre, drückte den Eiter aus den Wunden und reinigte dieselben von der faulen Materie; ja er, der bald geistlicher Arzt werden sollte, küßte aus wunderbarer Liebe sogar ihre eiternden Wunden; darum erhielt er auch vom Herrn die so große Gabe, geistige und leibliche Krankheiten mit wunderbarer Kraft zu heilen; aus vielen will ich nur ein Beispiel anführen, wodurch der Ruf des Mannes Gottes sich weithin mit Glanz verbreitete.
6.
In der Grafschaft Spoleto lebte ein Mann, dessen Mund und Wangen vom Krebs schrecklich zerfressen waren und dem keine Arznei Hilfe zu bringen vermochte.
Dieser Mann hatte eine Wallfahrt zum Grab der heiligen Apostel gemacht, um deren Fürbitte anzuflehen, und traf bei seiner Rückkehr mit dem Knecht Gottes zusammen. Aus Ehrfurcht gegen ihn wollte er dessen Füße küssen; aber der demütige Franziskus litt es nicht und küßte vielmehr dem den Mund, der ihm die Füße küssen wollte. Aber kaum hat Franziskus, der Diener der Aussätzigen, in wunderbarer Liebe jene schreckliche Wunde mit heiligem Kuß berührt; da ist auch alle Krankheit verschwunden, und der Leidende hat plötzlich die gewünschte Gesundheit wiedererlangt. Ich weiß nicht, was von diesen beiden mehr zu bewundern ist, die tiefe Demut bei dem so liebevollen Kuß, oder die große Kraft bei diesem staunenswerten Wunder.
7.
Jetzt war Franziskus in der Demut Christi begründet, und nun gedachte er auch des Befehles, der ihm vom Kreuz herab aufgetragen, die Kirche des heiligen Damian wiederherzustellen, und als wahrhaft folgsamer Mann kehrte er nach Assisi zurück, um durch Betteln der Stimme Gottes zu gehorchen. Alle Scham beiseite setzend, bettelt er hier aus Liebe zum armen Gekreuzigten bei denen, unter welchen er im Überfluß gelebt hatte, und gibt seinen vom Fasten geschwächten und ausgemergelten Leib her, schwere Steine herbeizuschleppen. Nachdem nun diese Kirche mit Gottes Beistand und mit Hilfe frommer Bürger aus Assisi wieder hergestellt war, begab er sich, damit sein Leib nach der Arbeit nicht in Trägheit erschlaffe, an die Wiederherstellung einer anderen dem heiligen Petrus geweihten Kirche, die weiter von der Stadt entfernt war. Diese Arbeit unternahm er aus besonderer Andacht, die sein reiner Glaube zum Apostelfürsten hegte. Nach Vollendung dieser Kirche kam er endlich an einen Ort, Portiuncula genannt, wo eine zu Ehren der Mutter Gottes vor alters erbaute Kirche stand, die jetzt aber verlassen war und von niemanden besorgt wurde. Als der Mann Gottes dieselbe so verlassen erblickte, beschloß er aus glühender Andacht zur Herrin der Welt daselbst länger zu verbleiben, um die Kirche wiederherzustellen. Und da er schon aus dem Namen dieser Kirche, die von alters her Heilige Maria von den Engeln genannt wurde, erkannte, daß dieselbe häufig von Engelscharen besucht werde; so schlug er dort aus Verehrung gegen die heiligen Engel und besonderer Liebe zur Mutter Gottes seine Wohnung auf.
8.