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Willigis Jäger richtet in seinem Buch sein Augenmerk auf die für uns Menschen existenziellen Fragen: Gibt es hinter allem Sichtbaren und Vergänglichen etwas, das bleibt? Was geschieht nach dem Tod? Gibt es so etwas wie Auferstehung? Oder Wiedergeburt? Kann man Katastrophen - wie die Flutkatastrophe in Südasien - verstehen? Warum geschieht so etwas? Was ist Heilung? Gibt es einen Unterschied zwischen Glück und Heil? Tief in der mystischen Tradition des Christentums und den Lehren des Zen verwurzelt, zeigt Willigis Jäger neue Horizonte und Wege auf für all jene, die in den traditionellen Vorstellungen und Konzepten der Religionen keine überzeugenden Antworten mehr finden. Sein Buch ist ein wichtiger Baustein einer neuen, integralen Spiritualität.
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Seitenzahl: 109
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Das Leben endet nie
Über das Ankommen im Jetzt
Willigis Jäger
Über das Ankommen im Jetzt
Willigis JägerDas Leben endet nie. Über das Ankommen im Jetzt© Theseus Verlag in J.Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld [email protected] - www.weltinnenraum.de
E-Book-Ausgabe 2013Print ISBN978-3-89901-337-5E-Book ISBN978-3-89901-842-4
OriginalausgabeLektorat: Ursula RichardUmschlaggestaltung: Morian & Bayer-Eynck, Coesfeld, www.mbedesign.de unter Verwendung eines Fotos von © Core Agency/Getty ImagesTuschbilder © Katharina Shepherd-Kobel, www.tuschmalerei.chGestaltung und Satz: Grafikstudio Scheffler, Berlin
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
»Ganz gegenwärtig«
Aus tiefstem Herzen sage ich euch allen:
Leben und Tod sind eine ernste Sache.Alle Dinge vergehen schnellund kein Verweilen kennt der Augenblick.Darum seid achtsamund ganz gegenwärtig. (Abendspruch im Zen-Sesshin)
Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen.Ich gehe, euch eine zu bereiten. (Joh. 14,2)
Herzlichen Dank sage ich Christa Spannbauer und Ursula Richard, ohne deren Hilfe dieses Buch nicht zustande gekommen wäre.
Mein Dank gilt auch Beatrice Grimm, die dem Abdruck eines Beitrages zugestimmt hat, der als CD erschienen ist.
Vorwortvon Bruder David Steindl-Rast
Einführungvon Ursula Richard
Unser Urgrund
Gott ist die Quelle, die uns hervorbringt
Krankheit und Heilung
Die heilende Kraft unseres tiefsten Wesens
Alter oder die Chancen der zweiten Geburt
Der Goldene Wind oder Vollende deine Geburt
Ein anderer wird dich gürten
Tod – Sterben – Auferstehung
Ewig ist das Leben, nicht die individuelle Form
Es gibt keinen Tod
Verlieren, um zu gewinnen
Weltuntergang und Weltaufgang
Auch ein Weltuntergang schmeckt nach Gott
Wie kann Gott das nur zulassen?
Wer kann Texte von Willigis Jäger lesen, ohne zu sehen, wie sehr es ihm darum geht, uns über Schwierigkeiten hinwegzuhelfen? Er ist im tiefsten Herzen Lehrer. Es liegt ihm daran, verstanden zu werden; mehr noch: Es kommt ihm darauf an, in uns selbst beim Lesen ein Verstehen zu wecken, das durch Worte nicht vermittelt werden kann, und das doch nur geweckt werden muss, weil es ja in unserem Innersten schon schlummert – mystisches Verstehen.
Ja, in unserem Herzen schlummert mystische Begabung. Es kann nicht oft genug gesagt werden – und ich weiß, dass Willigis darin völlig mit mir übereinstimmt: Ein Mystiker ist kein besonderer Mensch, sondern jeder Mensch ist ein besonderer Mystiker. Woher kommen dann unsere Schwierigkeiten, die Willigis als Mystiker und Lehrer der Mystik zu überwinden sucht? Es scheint mir, dass uns ein doppeltes Hindernis im Wege steht: Wir haben einerseits etwas Falsches gelernt; wir haben anderseits auch versäumt, etwas zu lernen, was uns jetzt schmerzlich fehlt.
Was wir falsch gelernt haben, betrifft unser Gottesverständnis. »Wir haben den Trennungsgraben zwischen Gott und Welt zu weit aufgerissen«, sagt Willigis. »Unser dualistisches Weltbild hat uns von Gott getrennt.« Unserem tiefsten menschlichen Erleben widerspricht diese Trennung aber. In Gott »leben wir und bewegen wir uns und sind wir« (Apg. 17:28). Dieser Satz spricht aus, was wir im innersten Herzen wissen, und der Heilige Paulus stimmt dem voll zu. Im Augenblick aber, in dem wir uns auf diese Ur-Einsicht einlassen, haben wir den Trennungsgraben übersprungen, der uns nicht nur von Gott trennt, sondern auch von unserem eigenen wahren, sinnerfüllten Leben. Mit diesem Sprung wird aus dem »An-Gott-Glauben« ein »Aus-Gott-Leben«. Auf jeder Seite dieses Buches macht Willigis uns auf immer neue Weise Mut zu diesem Sprung.
Doch wir müssen noch ein zweites Hindernis überwinden – einen Mangel. Der Welt, in der wir leben, fehlt weitgehend der Sinn für Poesie. Keine andere Sprache als die poetische aber kann der Gotteserfahrung Ausdruck geben, wenn auch sie freilich am Unsagbaren versagen muss. Beim Lesen dieses Buches ist es von größter Wichtigkeit, keinen Augenblick lang zu vergessen, dass poetische Sprache nicht wörtlich genommen werden darf. Wenn jemand sagt: »Ich schenke dir mein Herz«, so hat das nichts mit einem chirurgischen Eingriff zu tun. Mystische Theologie verhält sich zur Theologie der Textbücher, wie Poesie sich zur Literaturkritik verhält. Und Willigis ist mystischer Theologe.
Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort.
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.
Willigis trifft das Zauberwort, von dem Eichendorff hier spricht. Darum ist ihm die Welt »ein heiliger Organismus«. Und in dieser Welt ist Gott »der Atem allen Atems«, wie Kabir sagt. Nur diese Schau kann unserer armen, kranken Welt Hoffnung geben auf Heil und Heilung.
Rechtes Gottesverständnis und rechtes Weltverständnis sind untrennbar miteinander verbunden.
Nicht nur für Kritiker von Willigis, sondern für alle, die diese Einführung lesen, habe ich mir eine Prüfung ausgedacht, die man bestehen muss, bevor man in diesem Buch weiterblättern darf. Mystik drückt sich poetisch aus, sagten wir. Und Poesie – auch die ernsteste – ist spielerisch. (Das Kind in uns weiß ja noch, dass es nichts Ernsteres gibt als spielen.) Meine spielerische Prüfung beginnt nun damit, dass wir uns von Christian Morgenstern – der übrigens ein tiefer Mystiker war – wie Kinder bei der Hand nehmen lassen. Er führt uns in einer Mondnacht an einen ganz geheimnisvollen Ort und öffnet uns die Augen:
Drei Hasen tanzen im Mondschein
im Wiesenwinkel am See:
Der eine ist ein Löwe,
der andre eine Möwe,
der dritte ist ein Reh.
Wer fragt, der ist gerichtet,
hier wird nicht kommentiert,
hier wird an sich gedichtet;
doch fühlst du dich verpflichtet,
erheb sie ins Geviert,
und füge dazu den Purzel
von einem Purzelbaum,
und zieh aus dem Ganzen die Wurzel
und träum den Extrakt als Traum.
Dann wirst du die Hasen sehen
im Wiesenwinkel am See,
wie sie auf silbernen Zehen
im Mond sich wunderlich drehen
als Löwe, Möwe und Reh.
»Wer fragt, der ist gerichtet«, weil hier eben gedichtet wird und nicht diskutiert. Wer nicht zu fragen braucht, hat die Prüfung bestanden und darf Das Leben endet nie lesen. Wie sollte denn jemand, der dieses Kinderspiel nicht versteht, das kosmische Spiel Gottes verstehen, in dem die eine göttliche Wirklichkeit sich in immer neuen Formen darstellt? Gerade darauf aber kommt es an bei Dichtung und Mystik.
Die göttliche Weisheit sagt von sich selbst im Buch der Sprüche, dass sie von Beginn der Schöpfung an ihre Lust darin fand, zu spielen. Es ist ein Spiel unablässiger Verwandlungen. Um dieses Spiel von Wandlung und Verwandlung geht es letztlich in diesem Buch. Rilke ermutigt uns:
Wolle die Wandlung. O sei für die Flamme begeistert,
drin sich ein Ding dir entzieht, das mit
Verwandlungen prunkt;
jener entwerfende Geist, welcher das Irdische
meistert,
liebt in dem Schwung der Figur nichts wie den
wendenden Punkt.
Wer den Mut hat, sich auf Wandlung einzulassen, wird sich reich beschenkt finden von diesem Buch und »ankommen im Jetzt« – am Wendepunkt.
Als mein Vater im Sterben lag und wir – meine Mutter und meine beiden Schwestern – mehrere Tage und Nächte lang an seinem Bett waren, haben wir zumeist in Stille einfach dagesessen. Diese Stille war sehr kraftvoll, ließ uns sehr präsent sein und schenkte uns sehr tief greifende Erfahrungen, aber in manchen Momenten habe ich mir gewünscht, wir hätten eine von allen geteilte gemeinsame Vorstellung von Sterben und Tod, von Auferstehung oder Wiedergeburt, die uns in dieser Situation das »Richtige« hätte tun lassen oder in der wir zumindest gemeinsam Trost hätten finden können.
Zeitweise habe ich, muss ich gestehen, mit einem leichten Gefühl von Neid an die gläubigen Christen gedacht, für die die Vorstellung einer auch körperlichen Auferstehung nach dem Tode selbstverständlich ist, oder an die tibetischen Buddhisten, die den Sterbenden in dieser Situation durch das Vorlesen des Tibetischen Totenbuches begleiten würden. Wir hatten in unserer Familie keine solche gemeinsame Glaubensvorstellung.
Meine Eltern waren sozial engagierte Katholiken, konnten aber mit den Konzepten von Himmel, Hölle, Fegefeuer und leiblicher Auferstehung nicht mehr so arg viel anfangen. Was meine Schwestern glaubten, wusste ich gar nicht so genau, wir sprachen nie darüber; ich selbst fühlte mich dem Zen-Buddhismus nahe, hatte aber Probleme mit der buddhistischen Vorstellung von Wiedergeburt.
Einige Zeit danach habe ich mich eingehender mit Willigis Jäger und seinen Schriften beschäftigt und blieb immer wieder an seinen Ausführungen zu Tod und Sterben hängen. Sie berührten mich tief. Ich hatte das sichere Gefühl, dass sie die uns Familienmitglieder verbindende spirituelle Grundlage hätten sein können, ja vielleicht damals letztlich sogar unausgesprochen waren, und ich bedauere es sehr, dass mein Vater in seinen letzten Monaten nicht mit den Büchern von Willigis Jäger in Kontakt gekommen ist.
Willigis Jäger hat meines Erachtens die besondere Fähigkeit, die allen Traditionen gemeinsame spirituelle Essenz für die Menschen von heute sichtbar zu machen. Er deutet die alten Bilder und Heilsgeschichten neu. Tod, Auferstehung oder auch Wiedergeburt erscheinen in einem ganz neuen Licht, können ganz neu verstanden werden, so dass sie nicht mehr Widerspruch stehen zu unserer modernen Weltsicht, die sich doch um einiges unterscheidet von der Weltsicht, in der die Glaubensdogmen der christlichen Kirche entstanden sind. Willigis Jäger macht immer wieder deutlich, warum das Leben letztendlich nie endet und es den Tod nicht gibt, obwohl ein jeder von uns in seiner Personalität sterben wird. Seine Worte können zur Wegweisung werden für zweifelnde Christen und spirituell Suchende aller Couleur gleichermaßen.
Ich habe Willigis Jäger gefragt, ob er sich ein Buch vorstellen könne, in dem er sich thematisch den großen Herausforderungen im Leben der Menschen – Alter, Krankheit und Tod – widmet, also den Aspekten, die auch der Buddha als zentrale Aspekte menschlichen Leidens beschrieben hat. Zu meiner Freude hat Willigis Jäger diesem Buchprojekt zugestimmt.
Seinen Auseinandersetzungen mit Alter, Krankheit und Tod vorangestellt hat Willigis Jäger seine Gedanken zu unseren Gottesbildern und Gottesvorstellungen, denn dieses Verständnis bedingt unseren Umgang mit den oben genannten existentiellen Herausforderungen ganz entscheidend. Das Buch wird abgeschlossen durch seine Betrachtungen zu den großen Katastrophen, die der Menschheit widerfahren, zum Beispiel der Flutkatastrophe zu Beginn dieses Jahres. Solche Katastrophen werfen die Frage nach Gott (»Wo war Gott«), nach dem Sinn und Unsinn menschlicher Existenz radikal neu auf.
Willigis Jäger gibt Antworten, die ebenfalls radikal sind: Auch in der Katastrophe ist Gott zugegen – als diese Katastrophe. Das klingt hart, aber es zeigt auch, dass wir von Gott nie wirklich verlassen sind – im Leben, aber auch im Sterben nicht.
Ursula Richard
Im Laufe der Jahrhunderte kommt eine Religion immer wieder von der ursprünglichen Vision ihres Stifters ab. Es beginnt eine Institutionalisierung. Um ihren Einfluss zu bewahren, muss eine Religion eine Ideologie entwickeln sowie einen unanfechtbaren Anspruch erheben, um diese Ideologie durchzusetzen. Sie hält an ihren Doktrinen fest, unabhängig davon, was sich um sie herum verändert. Allen Religionen ist es so ergangen. Nur die Mystik konnte sich, trotz aller Verfolgung, davon frei halten. Daher ist die Mystik das Instrument für die innere Erneuerung jeder Religion.
Die indischen Weisen fordern: Die wahren Suchenden müssen im Streben nach dem Göttlichen hinter die Namen und Formen gehen. Auch die christlichen Mystiker verlangen, dass wir über alle Begriffe hinaus das Göttliche suchen sollen. Die Stufen zum Aufstieg des Berges bezeichnet Johannes vom Kreuz mit »Nada«. Nicht im Begreifen wird das Göttliche erfahrbar, sondern im Loslassen jeder Vorstellung. Augustinus warnt: »Wenn du Gott begriffen hast, ist es nicht Gott.« (PL. 8.663) Dionysius Areopagita sagt: »Dem unfassbaren Geheimnis des Göttlichen kann der Gott suchende Mensch sich nur durch »die strahlende Finsternis« öffnen. Durch Leerwerden, durch »die Dunkelheit der Seele«. (Bonaventura) »Wer da glaubt, dass er Gott erkannt habe, und dabei irgendetwas erkennen würde, der erkennte Gott nicht.« (Eckhart)
Was wir Gott nennen, ist das, was sich aus einem unfassbaren Hintergrund heraus vollzieht und gestaltet.
Die christlichen Mystiker verwenden eine vielfältige Bildersprache, um diese Einheitserfahrung zu beschreiben: Ich bin »ein Fünklein Gottes« (Meister Eckhart), »ein Tropfen des göttlichen Ozeans« (Teresa von Avila), »eine Flamme des göttlichen Feuers« (Johannes vom Kreuz). »Gott gebiert sich in mir« (Origenes), »Gott wird in mir fruchtbar« (Augustinus). Wir sind NichtZwei. Ich bin eine Flamme des Feuers Gott, eine Welle des Meeres Gott, ich bin das Gefäß des Göttlichen.
13 Milliarden Jahre soll dieses Universum existieren. Natürlich existierte auch vorher ein Universum, sicher ganz anderer Art, denn was wir Gott nennen, ist zeitlos. Zeitlosigkeit ist nicht Ewigkeit. Zeit wird durch unsere Ratio geschaffen, unsere personale Struktur. Wer den Vorhang des Personalen lüften kann, erfährt Zeitlosigkeit. Was wir sind, ist zeitlos, nicht ewig. Es manifestiert sich in der Zeit.
Gott, das ist das, was vor