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Wie in seiner Prosa versteht es Hesse auch im Gedicht, innovative Inhalte durch traditionelle Ausdrucksformen zu vermitteln.
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Seitenzahl: 104
Hermann Hesse
Das Lied des Lebens
Die schönsten Gedichte
Ausgewählt von Volker Michels
Insel Verlag
Das Lied des Lebens
Frühling
Spätblau
Der alte Garten
August
Valse brillante
[Aus »Hermann Lauscher«]
Elisabeth
Die Stunde
Die frühe Stunde
Philosophie
Es gibt so Schönes
Über die Alpen
Fremde Stadt
Wie eine Welle
Der Kreuzgang von Santo Stefano
Die leise Wolke
Ravenna
Wetterleuchten
Traum
Einsame Nacht
Landstreicherherberge
Nacht
Die Birke
Kennst du das auch?
Ausklang
Soirée
Frühlingsnacht
Eine Geige in den Gärten
Schwarzwald
Venedig
Schönes Heute
Auf einer Nachtwanderung
Weiße Wolken
Julikinder
Sommers Ende
Berge in der Nacht
[Wenn des Sommers Höhe überschritten]
Im Nebel
Allein
Manchmal
Dem Ziel entgegen
Frühling
Glück
Schicksal
Windiger Tag im Juni
Nacht
Wir leben hin …
Vorfrühling
Morgen
Mückenschwarm
Vergiß es nicht
Wanderschaft
Dorfkirchhof
Spruch
Zu spät
Februarabend
Jugendgarten
Mittag im September
Die Flamme
Schönheit
Der Künstler
Wie sind die Tage …
Beim Schlafengehen
Reiselied
Gegenüber von Afrika
Kein Trost
Gewitter im Urwald
Ski-Rast
Zusammenhang
Jeden Abend
Die Kindheit
Die ersten Blumen
Gute Stunde
Elegie im September
Fahrt im Aeroplan
Der Blütenzweig
Im Grase liegend
Ode an Hölderlin
Der Dichter
Keine Rast
Im Kreuzgang
Friede
November 1914
Neues Erleben
An die Freunde in schwerer Zeit
Tag im Gebirg
Auf einem nächtlichen Marsch
Im Altwerden
Beim Wiederlesen des Maler Nolten
Frühling in Locarno
Blume, Baum, Vogel
Regen
Wiedersehen
Im vierten Kriegsjahr
Andacht
Bekenntnis
Malerfreude
Bücher
Voll Blüten
Abends
Sommernacht
Bruder Tod
Magie der Farben
Schicksalstage
Nelke
Weg nach innen
Vergänglichkeit
Falter im Wein
Altwerden
Häuser, Felder, Gartenzaun
Der Maler malt eine Fabrik im Tal
Gestutzte Eiche
Gang im Spätherbst
Erster Schnee
Alle Tode
Liebeslied
Bei einem Abschied
Manchmal
März
Der Liebende
Der Pilger
Liebeslied
Irgendwo
Schizophren
Paradies-Traum
Die Unsterblichen
Verführer
Weg zur Mutter
Ahnungen
Bei der Toilette
Verwelkende Rosen
September
Der Tod als Angler
Brief von einer Redaktion
Pfeifen
Bulletin
Blauer Schmetterling
Sprache
Älterwerden
Ich weiß von solchen …
Zu einem Blumenstrauß
Kranker Künstler
Verfrühter Herbst
Sommerabend vor einem Tessiner Waldkeller
Ende August
Wollust
Dorfabend
Auf den Tod eines kleinen Kindes
Zu Jugendbildnissen
Bei der Nachricht vom Tod eines Freundes
Karfreitag
Sprache des Frühlings
Altern
Spätsommer
Doch heimlich dürsten wir …
Blumen nach einem Unwetter
Häuser am Abend
Heißer Mittag
Höhe des Sommers
Leben einer Blume
Schmetterlinge im Spätsommer
Hundstage
Nächtlicher Regen
Rückgedenken
Welkes Blatt
Besinnung
Klage
Widmungsverse zu einem Gedichtbuch
Ausflug im Herbst
Entgegenkommen
Orgelspiel
Roter Pavillon
Morgenstunde im Dezember
Nachtgedanken
Müßige Gedanken
Flötenspiel
Spätsommer
Der Heiland
Stufen
Prosa
Leb wohl, Frau Welt
Beim Wiederlesen von ›Heumond‹ und ›Schön ist die Jugend‹
Im Schloß Bremgarten
Oktober 1944
Aufhorchen
Späte Prüfung
Dem Frieden entgegen
Wache Nacht
Skizzenblatt
Pavillon im Winter
In Sand geschrieben
Herbstgeruch
Grauer Wintertag
Märzsonne
Regen im Herbst
Der alte Mann und seine Hände
Ein Traum
Uralte Buddha-Figur in einer japanischen Waldschlucht verwitternd
Kleiner Knabe
Müder Abend
Der erhobene Finger
Junger Novize im Zen-Kloster
Einst vor tausend Jahren
Nachts im April notiert
Kleiner Gesang
Knarren eines geknickten Astes
Zu dieser Ausgabe
In dämmrigen Grüften
Träumte ich lang
Von deinen Bäumen und blauen Lüften,
Von deinem Duft und Vogelgesang.
Nun liegst du erschlossen
In Gleiß und Zier
Von Licht übergossen
Wie ein Wunder vor mir.
Du kennst mich wieder,
Du lockst mich zart
Es zittert durch all meine Glieder
Deine selige Gegenwart.
O reine, wundervolle Schau,
Wenn du aus Purpurrot und Gold
Dich ebnest friedvoll, ernst und hold,
Du leuchtendes Späthimmelblau!
Du mahnst an eine blaue See,
Darauf das Glück vor Anker hält
Zu seliger Rast. Vom Ruder fällt
Der letzte Tropfen Erdenweh.
Mitternacht und Geisterzeit.
Tore öffnen festlich weit
Schmiedeeiserne, goldgeränderte,
Grünbekränzte, rotbebänderte
Hohe Flügel mit leisem Klingen,
Ein ganzer Heerstaat von bunten Dingen
Strömt rauschend ein.
Mit spitzen Zöpfen
Und zierlich frisierten Puderköpfen
Ein Zug geschmückter Herren und Damen
Mit Seideröcken und welschen Namen,
Mit glatten Reden und zarten Gesten,
Mit blauen Fräcken und roten Westen
Die Herren, mit rosa und himmelblauen
Gewändern und großen Fächern die Frauen.
Man arrivieret in stattlichen Reihen,
Unterteilt sich plaudernd zu zwei und zweien,
Begegnet lächelnd und nickend einander,
Ergötzt sich spielend am Sagen galanter
Bonmots und an zärtlich gewandten Allüren,
Lacht, kichert, verführt und läßt sich verführen,
Betrachtet mit Kennerblick die Konturen
Der schneeweiß glänzenden Götterfiguren.
Ausruhend sich labend an Aprikosen
Bewirft man sich mit zerflatternden, großen
Purpurnen, weißen und gelben Rosen.
Die Glocke schlägt, die Paare zerstieben;
Ich blicke durchs Fenster. Zurückgeblieben
Ist nur in Lüften ein animiertes
Flüstern und noch ein parfümiertes,
Zärtliches Duften von seidenen Roben.
Ein Wind entführt's nach dem Walde droben.
Zerstreut und verblättert mit wenig Zügen
Alle die Scherze, die höflichen Lügen,
Die süßen Blicke, die halben Gefühle,
Die rosigen Masken verschleierter Kühle.
Mir aber war noch lang im Bette
Zumut, als tanzte man Menuette
Und führte altmodische Reden drunten,
Und endlich hatt' ich den Schlaf gefunden.
Das war des Sommers schönster Tag,
Nun klingt er vor dem stillen Haus
In Duft und süßem Vogelschlag
Unwiederbringlich leise aus.
In dieser Stunde goldnen Born
Gießt schwelgerisch in roter Pracht
Der Sommer aus sein volles Horn
Und feiert seine letzte Nacht.
Ein Tanz von Chopin lärmt im Saal,
Ein wilder, zügelloser Tanz.
Die Fenster leuchten wetterfahl,
Den Flügel ziert ein welker Kranz.
Den Flügel du, die Geige ich,
So spielen wir und enden nicht
Und warten angstvoll, du und ich,
Wer wohl zuerst den Zauber bricht.
Wer wohl zuerst einhält im Takt
Und von sich weg die Lichter schiebt,
Und wer zuerst die Frage sagt,
Auf die es keine Antwort gibt.
Aller Friede senkt sich nieder
Aus des Himmels klaren Weiten,
Alles Freuen, alles Leiden
Stirbt den süßen Tod der Lieder.
Wie eine weiße Wolke
Am hohen Himmel steht,
So weiß und schön und ferne
Bist du, Elisabeth.
Die Wolke geht und wandert,
Kaum hast du ihrer acht,
Und doch durch deine Träume
Geht sie in dunkler Nacht.
Geht und erglänzt so silbern,
Daß fortan ohne Rast
Du nach der weißen Wolke
Ein süßes Heimweh hast.
Es war noch Zeit; ich konnte gehn,
Und alles wäre ungeschehn,
Und alles wäre rein und klar,
Wie es vor jenem Tage war!
Es mußte sein. Die Stunde kam,
Die kurze, schwüle, und sie nahm
Unwandelbar mit jähem Schritt
Den ganzen Glanz der Jugend mit.
Silbern überflogen
Ruhet das Feld und schweigt,
Ein Jäger hebt seinen Bogen,
Der Wald rauscht und eine Lerche steigt.
Der Wald rauscht und eine zweite
Steigt auf, und fällt.
Ein Jäger hebt seine Beute
Und der Tag tritt in die Welt.
Vom Unbewußten zum Bewußten,
Von da zurück durch viele Pfade
Zu dem, was unbewußt wir wußten,
Von dort verstoßen ohne Gnade
Zum Zweifel, zur Philosophie,
Erreichen wir die ersten Grade
Der Ironie.
Sodann durch emsige Betrachtung,
Durch scharfe Spiegel mannigfalt
Nimmt uns zu frierender Umnachtung
In grausam eiserne Gewalt
Die kühle Kluft der Weltverachtung.
Die aber lenkt uns klug zurück
Durch der Erkenntnis schmalen Spalt
Zum bittersüßen Greisenglück
Der Selbstverachtung.
Es gibt so Schönes in der Welt,
Daran du nie dich satt erquickst
Und das dir immer Treue hält
Und das du immer neu erblickst:
Der Blick von einer Alpe Grat,
Am grünen Meer ein stiller Pfad,
Ein Bach, der über Felsen springt,
Ein Vogel, der im Dunkel singt,
Ein Kind, das noch im Traume lacht,
Ein Sterneglanz der Winternacht,
Ein Abendrot im klaren See
Bekränzt von Alm und Firneschnee,
Ein Lied am Straßenzaum erlauscht,
Ein Gruß mit Wanderern getauscht,
Ein Denken an die Kinderzeit,
Ein immer waches, zartes Leid,
Das nächtelang mit feinem Schmerz
Dir weitet das verengte Herz
Und über Sternen schön und bleich
Dir baut ein fernes Heimwehreich.
Das ist ein Wandern, wenn der Schnee
Der Alpenberge kühl erglänzt,
Indes der erste blaue See
Italiens schon die Sicht begrenzt!
Durch Höhenwind und herbe Luft
Weht eine süße Ahnung her
Von violettem Ferneduft
Und südlich übersonntem Meer.
Und weiter sehnt das Auge sich
Zum hellen Florentiner Dom
Und träumt nach jedem Hügelstrich
Aufsteigend das beglänzte Rom.
Schon formt die Lippe unbewußt
Der fremden schönen Sprache Laut,
Indes ein Meer verklärter Lust
Dir schauernd warm entgegenblaut.
Wie das so seltsam traurig macht:
Ein Gang durch eine fremde Stadt,
Die liegt und schläft in stiller Nacht
Und mondbeglänzte Dächer hat.
Und über Turm und Giebel reist
Der Wolken wunderliche Flucht
Still und gewaltig wie ein Geist,
Der heimatlos nach Heimat sucht.
Du aber, plötzlich übermannt,
Ergibst dem wehen Zauber dich
Und legst dein Bündel aus der Hand
Und weinest lang und bitterlich.
Wie eine Welle, die vom Schaum gekränzt
Aus blauer Flut sich voll Verlangen reckt
Und müd und schön im großen Meer verglänzt –
Wie eine Wolke, die im leisen Wind
Hinsegelnd aller Pilger Sehnsucht weckt
Und blaß und silbern in den Tag verrinnt –
Und wie ein Lied am heißen Straßenrand
Fremdtönig klingt mit wunderlichem Reim
Und dir das Herz entführt weit über Land –
So weht mein Leben flüchtig durch die Zeit,
Ist bald vertönt und mündet doch geheim
Ins Reich der Sehnsucht und der Ewigkeit.
Ein Wändeviereck blaß, vergilbt und alt,
Ehmals von Pordenones Hand bemalt.
Die Bilder fraß die Zeit. Du siehest nur
Mit schwachem Umriß hier und dort die Spur
Verwaschner Fresken noch: ein Arm, ein Fuß –
Vergangener Schönheit geisterhafter Gruß.
Ein Kind mit Augen auf, die lustig lachen
Und den Besucher seltsam traurig machen.
Eine schmale, weiße
Eine sanfte, leise
Wolke weht im Blauen hin.
Senke deinen Blick und fühle
Selig sie mit weißer Kühle
Dir durch blaue Träume ziehen.
Ich bin auch in Ravenna gewesen.
Ist eine kleine tote Stadt,
Die Kirchen und viel Ruinen hat,
Man kann davon in den Büchern lesen.
Du gehst hindurch und schaust dich um,
Die Straßen sind so trüb und naß
Und sind so tausendjährig stumm
Und überall wächst Moos und Gras.
Das ist wie alte Lieder sind –
Man hört sie an und keiner lacht
Und jeder lauscht und jeder sinnt
Hernach daran bis in die Nacht.
Wetterleuchten fiebert fern,
Der Jasmin mit sonderbaren
Lichtern wie ein scheuer Stern
Schimmert bleich in deinen Haaren.
Deiner wundersamen Macht,
Deiner schweren, sternelosen,
Opfern Küsse wir und Rosen,
Atemlose, schwüle Nacht.
Küsse ohne Glück und Glanz,
Die wir kaum geküßt bereuen –
Rosen, die in trübem Tanz
Überreife Blätter streuen.
Nacht, die ohne Tau vergeht!
Liebe ohne Glück noch Tränen!
Über uns ein Wetter steht,
Das wir fürchten und ersehnen.
Es ist immer derselbe Traum:
Ein rotblühender Kastanienbaum,
Ein Garten, voll von Sommerflor,
Einsam ein altes Haus davor.
Dort, wo der stille Garten liegt,
Hat meine Mutter mich gewiegt;
Vielleicht – es ist so lange her –
Steht Garten, Haus und Baum nicht mehr.
Vielleicht geht jetzt ein Wiesenweg
Und Pflug und Egge drüber weg,
Von Heimat, Garten, Haus und Baum
Ist nichts geblieben als mein Traum.
Die ihr meine Brüder seid,
Arme Menschen nah und ferne,
Die ihr im Bezirk der Sterne
Tröstung träumet eurem Leid,
Die ihr wortelos gefaltet
In die blaß gestirnte Nacht
Schmale Dulderhände haltet,
Die ihr leidet, die ihr wacht,
Arme, irrende Gemeinde,
Schiffer ohne Stern und Glück –
Fremde, dennoch mir Vereinte,
Gebt mir meinen Gruß zurück!
Wie fremd und wunderlich das ist,
Daß immerfort in jeder Nacht
Der leise Brunnen weiterfließt,
Vom Ahornschatten kühl bewacht.
Und immer wieder wie ein Duft
Der Mondschein auf den Giebeln liegt
Und durch die kühle, dunkle Luft
Die leichte Schar der Wolken fliegt!
Das alles steht und hat Bestand,
Wir aber ruhen eine Nacht
Und gehen weiter über Land,
Wird uns von niemand nachgedacht.
Und dann, vielleicht nach manchem Jahr,
Fällt uns im Traum der Brunnen ein
Und Tor und Giebel, wie es war
Und jetzt noch und noch lang wird sein.
Wie Heimatahnung glänzt es her
Und war doch nur zu kurzer Rast
Ein fremdes Dach dem fremden Gast,
Er weiß nicht Stadt nicht Namen mehr.
Wie fremd und wunderlich das ist,
Daß immerfort in jeder Nacht
Der leise Brunnen weiterfließt,
Vom Ahornschatten kühl bewacht!
Mit Dämmerung und Amselschlag
Kommt aus den Tälern her die Nacht.
Die Schwalben ruhn, der lange Tag
Hat auch die Schwalben müd gemacht.
Durchs Fenster mit verhaltenem Klang
Geht meiner Geige milder Strich.
Verstehst du, schöne Nacht, den Sang –
Mein altes Lied, mein Lied an dich?
Ein kühles Rauschen kommt vom Wald,