Das Loch in der Schwarte - Mikael Niemi - E-Book

Das Loch in der Schwarte E-Book

Mikael Niemi

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Beschreibung

Geschichten aus der fernen Zukunft: grandios komisch, ungeheuer verwegen, absolut unterhaltsam

Pajala ist überall! Der Autor des Bestsellers „Populärmusik aus Vittula“ legt nach und die schwedische Presse ist wieder begeistert: „Wir wussten es schon immer. Nun sind die letzten Zweifel beseitigt: Mikael Niemi spinnt. Aber auf so verdammt brillante Weise, dass wir ihm bedingungslos folgen, wohin immer er geht.“ Diesmal führt er uns in die ferne Zukunft, in einen Alltag, der in all seiner Skurrilität, seinen Irrungen und Wirrungen doch sehr dem Leben im nördlichen Schweden ähnelt.

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Seitenzahl: 306

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Buch

Pajala ist überall! Mikael Niemi, Autor des Bestsellers »Populärmusik aus Vittula«, hat sich wieder zu Wort gemeldet. Und seine Anhänger sind erneut begeistert. Norrländska Socialdemokraten schreibt: »Wir wussten es schon immer. Nun sind die letzten Zweifel beseitigt: Mikael Niemi spinnt. Aber er tut das auf so verdammt brillante Weise, dass wir ihm bedingungslos folgen, wohin immer er geht.« Diesmal führt Niemi uns in die ferne Zukunft, in fremde Galaxien – und einen Alltag, der in all seiner Skurrilität, den Irrungen und Wirrungen seiner Bewohner, doch sehr an das Leben im nördlichen Schwedisch erinnert. Merke: Das Ferne ist oft ganz nah, und die menschliche Natur ist immer exotisch! Ganz nebenbei beantwortet Niemi manch wichtige Frage der Menschheit. Wie ist das Weltall entstanden? Mit welchen Problemen hatten die frühen Raumfahrer zu kämpfen? Wie kam es zur Religionsgemeinschaft der Steinanbeter? Und was, um Himmels willen, verbirgt sich hinter den »Kurts«, jenen winzigen, kleinen Wesen, denen der geniale Wissenschaftler Emanuel auf der Spur ist? Niemi at his best: aberwitzig komisch, ein echter Lesegenuß.

»Fantastisch, skurril und urkomisch!«

TV movie

Autor

Mikael Niemi, Jahrgang 1959, wuchs im hohen Norden Schwedens in Pajala auf, wo er heute noch lebt. Im Jahr 2000 erschien sein erster Roman »Populärmusik aus Vittula«, für den er den angesehenen »Augustpreis« bekam. Es war das spektakulärste Debüt, das Schweden je erlebt hatte. Das Buch stand monatelang auf Platz 1 der Bestsellerliste, verkaufte sich über 800.000 mal und wurde in 24 Sprachen übersetzt.

Inhaltsverzeichnis

Über den AutorWidmungAbschied von LiviöjokiDie ErdePonoristenTraumsafesSteineBig BangPauseEmanuelEisDas RoadermanifestGaganetDas Loch in der SchwarteStopp!AndroidenRutvikDie GalaktosmethodeNachtschicht0,002Der letzte Winkel der ZeitCopyright

ZUR ERINNERUNG AN TOMAS BOSTRÖM, 1959–2004

Abschied von Liviöjoki

Der Erzähler besucht bei Liviöjoki die Sauna und nimmt für dieses Mal Abschied vom Tornedal.

Die Sonne stand tief im Norden über dem Waldhorizont. Die rote, zitternde Scheibe spiegelte sich im Wasser und wurde in dicke, rote Pinselstriche gespalten, die auf der dahinfließenden Oberfläche schaukelten. Ich saß am Strand und ließ den Schwermut aus mir hinausrinnen. In der Luft lag ein schwerer Duft nach Schlamm und Juligewächsen. Es war eine Viertelstunde nach Mitternacht, die Ruhe war vollkommen, kein Wind, nicht eine Bewegung im Blattwerk des Erlenbusches. Nur das mächtige Rauschen des Flusses. Tausende Tonnen von Wasser, die sich ihren Weg durch den Wald suchten, ein Wasserrücken in alle Ewigkeit. Man konnte ihn betrachten, so lange man wollte. Die ständige Veränderung des Flusses, obwohl es doch der gleiche blieb. Genau wie Feuer. Das menschliche Lagerfeuer. Millionen von Jahren der Freundschaft.

Ich harkte das noch schwelende Holz zusammen, sah, wie die Flammen hochschossen. Die Glut glimmte grellrot in der Asche. Der Rauch stieg weiß und leicht, fast durchsichtig nach oben. Er zog langsam stromaufwärts übers Flussbett, ein Gespenst, das sich entlang der Wasseroberfläche aalte, unvermittelt abtauchte, sich wieder erhob, und schon war es verschwunden. Dicht über der Glut hing eine Äsche, auf einen frisch geschnitzten Zweig gespießt. Die Fischhaut siedete in der Gluthitze, ich drehte vorsichtig den Spieß. Die Äsche hatte an der Bachmündung bei Westrinslända angebissen, hatte sich mit ihrer großen, aufgerichteten Rückenflosse gewehrt, und wieder einmal hatte ich das Leben gespürt. Das Leben, ganz nah. Jetzt wurde der Fisch langsam gegrillt, eine Köstlichkeit von vierhundert, vielleicht fünfhundert Gramm. Meine alte Angel mit dem Fliegenköder aus den Kinderjahren stand an eine krumm gewachsene Birke gelehnt, der Stamm zeigte Spuren heftiger Schneeschmelze. Der Fischkopf und die Eingeweide lagen am Flussufer auf silbrigen kleinen Steinen.

Ich zog vorsichtig an der Rückenflosse. Sie löste sich, der Fisch war gar. Am Feuer sitzend, begann ich mit den Fingern zu essen. Ich löste das weiße Fleisch von den nadeldünnen Gräten und stopfte es mir in den Mund. Es war, als äße ich warmen Schnee. Ein zarter Geschmack, ein Hauch von Rauch. Fluss und Feuer. Ich schloss die Augen, um die Erinnerung zu bewahren. Versenkte sie in meinem weichen Herzen.

Satt und zufrieden wanderte ich in Richtung Landungssteg. Die Bretter wiegten sich unter meinem Gewicht, das Wasser gluckste und schwappte. Ich ging auf dem Wasser. Ich spazierte auf der Flusshaut, die direkt unter meinen Füßen strömte. Draußen auf einem Floß schwamm die Sauna selbst, mit Ketten in der Flussströmung verankert. Sie war aus Brettern zusammengenagelt, ein kleines, hübsches Holzhaus, das auf dem Wasser schaukelte.

Die Hitze schlug mir entgegen, als ich in den Vorraum trat. Erwartungsvoll zog ich mich aus, hängte meine Kleider an die Haken. Als Allerletztes öffnete ich mein Saunabier, trank den ersten, schäumenden Schluck. Schmeckte das Malz, die zischende Frische in der Kehle. Dann öffnete ich die Tür zum Saunaraum selbst. Die Hitze war stark und harzig. Ich schob die glühend heiße Ofenklappe mit einem Stock auf, stocherte in ein paar Holzscheiten und kletterte auf die oberste Liege. Die Kupferkelle funkelte im Eimer. Ich ergriff den abgenutzten, glatten Holzgriff und füllte die Kelle, hielt sie einen Moment lang hoch und sah, wie das Flusswasser über die Kante lief.

Dann goss ich. Der Wasserkörper rieselte durch die Luft, schlug auf die Steine auf und wurde in reißenden, beißenden Dampf verwandelt. Ich goss noch einmal und spürte, wie die Ohrläppchen brannten, beugte mich schwerfällig vor und atmete durch die geballte Faust. Meine Finger rochen immer noch nach Fisch. Und ich fühlte so ein Glück. So ein innerliches, verletzliches Glück.

Das Tornedal.

Das sollte es immer geben. Ich würde es mit mir durch Lichtjahre hindurch tragen.

Hinten von Mommankangas ist plötzlich Düsenjetdröhnen zu hören. Etwas Schweres, Dunkles zischt in der Stille, es klingt wie eine P 42, eine von der Bereitschaft. Die letzte Nacht, denke ich. Die letzte Nacht auf der Erde.

Dampfend heiß gehe ich hinaus auf die Plattform. Dort stehe ich, die Abendsonne in den Augen, und stoße mich mit meinen nackten Füßen von den Bodenplanken ab. Dann schieße ich hinaus, kopfüber mit breiten Schulterblättern. Segle.

Mit offenen Sinnen nähere ich mich der Wasseroberfläche. Mein Zeigefinger berührt die Wasserhaut mit der alleräußersten Fingerspitze. Sie wölbt sich, hält jedoch dagegen, diese glänzende Oberflächenspannung. Unten aus der Tiefe steigt mein Abbild im Spiegel herauf. Ein Zwilling, voller Dunkelheit. Es ist der Fluss, der mich anstarrt, der seinen Finger meinem entgegendrückt.

Gleich werde ich überspült, im nächsten Moment.

Doch hier wollen wir innehalten, lasst uns diese Szene im sanften Licht betrachten. Eine glänzende Wasserschicht gegen eine steif aufgerichtete Fingerspitze. Ein dampfender Menschenkörper, der auf dieser bebenden Haut balanciert. Ein nacktes, schwebendes Zwillingspaar, und zwischen ihm die Wasseroberfläche wie ein funkelnder Text, ein schwarzer, sich spiegelnder Sternenhimmel.

Die Erde

Ich saß eines unterirdischen Abends im Roadercafé auf dem Asteroid Wichssocke. (Es gibt etwas, das mich bei Science-Fiction-Filmen immer ärgert, und zwar diese langweiligen, stereotypen Namen der fremden, bewohnten Himmelskörper. Alle heißen sie Epsilon, Centaurus und ähnlich fantasielos. Oder noch schlimmer, sie bestehen aus Buchstabenkombinationen, bei denen immer ein X vorkommt, wie XCT, WXQ-Alpha und Ähnliches. In Wirklichkeit haben die Planeten ja fast immer auffällig alberne Namen, die in den Ohren anderer Zivilisationen oft total bescheuert klingen.)

Ich saß also wie gesagt an einem Plastiktisch auf dem Asteroid Wichssocke, nippte an einem Glas vulkanischem Joghurt und glotzte durch die Frontscheibe hinunter auf den schmutzig grauen Beton des Hangars, auf dem wir gelandet waren, um Brennstoff zu tanken. Es gibt nur wenige Orte, die so deprimierend sind wie diese öden Servicestationen entlang des äußeren Erzgürtels. Alles ist nur Warten, blinkende Leuchtstoffröhren, ein Sternenhimmel voll brennender Einsamkeit, eine Ecke mit abgefuckten Spielautomaten, an denen ein vierbeiniger Grubenarbeiter seine sauer verdienten Groschen loswird. Am Kneipentisch nebenan saßen ein paar Gelblinge und schlürften Wachs, mehr, als ihnen gut tat. Schließlich, aus reiner Langeweile, fragten sie, wie denn der Ort heiße, von dem ich komme.

»Erde«, sagte ich.

Fehlanzeige, sie kapierten gar nichts, und das lag nicht allein am Wachs, wie ich nach einer Weile feststellte. Ich übersetzte es in alle zehn Sprachen, die ich im Kopf hatte und noch dazu in weitere 340 aus dem Translator, aber sie hatten ihre Lochöffnungen nur erstaunt weit geöffnet.

»Erde«, gestikulierte ich. »Wo Gras und Blumen wachsen.«

Die Gelblinge guckten noch verständnisloser, und schließlich ging ich zum Eingang, wo die wenigen Gäste ihre Raumanzüge aufgehängt hatten, und holte aus dem Kaktusbeet eine Hand voll magerer Muttererde. Ich kam mit der Erde zurück, kippte sie auf den Tisch und erklärte, dass mein Planet so heiße. Und als sie kapierten, dass es stimmte, dass ich keinen Spaß machte, dass ich nicht einmal versuchte, unverschämt zu sein, da fingen sie an lauthals zu lachen, dass ihre Haarschuppen rasselten, sie schlugen die Tentakel gegeneinander und schnaubten mit ihren Kiefern, wankten vor und zurück, bis das Wachs ihnen aus den Öffnungen spritzte, und schließlich drehte sich ein Bergarbeiter um und fragte, was zum Teufel denn bitte schön so witzig sei, und sie erzählten ihm, dass ich von der Erde käme, und zeigten auf meinen kleinen Erdhaufen, und da fing auch der Bergarbeiter an zu brüllen, lachen und schnauben, dass die Spielchips wie ein Hagelschauer durch den Raum flogen.

Was soll man da machen?

»Wichssocke!«, rief ich und versuchte, auch höhnisch zu lachen, doch keiner kapierte, was ich damit meinte, obwohl es doch ein viel lächerlicherer Name war.

»Erde!«, schrien die Gelblinge so laut, dass der Erdhaufen in einem Sturm von Prusten weggeblasen wurde. Ich war gezwungen, das Lokal zu verlassen. Ich konnte unmöglich bleiben. Also ging ich zu der heftig geschminkten Haarkugel an der Kasse und holte mein Elektrotäfelchen heraus, aber da musste ich feststellen, dass auch sie so heftig lachte, dass sie fast vom Haken rutschte, und zwischen den Lachattacken versuchte sie hervorzubringen, dass es für mich gratis sei, denn so viel Spaß habe sie noch nie gehabt und werde ihn vermutlich auch nie wieder haben, bis ich das nächste Mal wiederkomme, und wie mein Planet denn noch einmal heiße?

»Erde, verdammt noch mal.«

Und jetzt wurde es noch schlimmer, sie warfen sich haltlos zu Boden, ein Sumpfmaul am nächsten Tisch klinkte sich ein und ein paar Lederspinnen mit ihren Puppentellern auch, alle wanden sich wie in Krämpfen, sie machten sich nass und lösten sich an ihren Rändern auf.

»Erde!«

Noch schlimmere, noch wahnsinnigere Anfälle, und jetzt starben zwei sogar, die Lederspinnen verschmolzen miteinander und koagulierten, und am Bartresen saß ein Trichtersäufer, wurde ganz lila und hielt sich den Schädel.

»Erde! Erde!«

Und dann verschied der Trichtersäufer mit einem schnalzenden Geräusch und stieß dabei einen sauren Atemstoß aus, und auch die Gelblinge waren an ihre Grenzen gelangt, und ich dachte, wenn ich »Erde« noch einmal sage, dann bringe ich sie um, also sagte ich:

»Erde!«

Und sie schluchzten, platzten innerlich und peitschten mit ihren Gliedern in spastischen Zuckungen, und ich dachte nur, verflucht, nur weg von hier, sonst zermalme ich sie noch alle, ich darf nicht mehr »Erde« sagen, und dann sagte ich: »Erde«, und es war das reinste Gemetzel, und ich flitzte hinaus zu meinem Flieger, startete und hob vom Planeten Wichssocke ab, um nie wieder meinen Fuß darauf zu setzen.

Sie behaupteten, ich hätte die Lebewesen mit Laserwaffen abgeschlachtet, ich wurde wegen Massenmordes gesucht, und als sie mich schließlich zu fassen kriegten, stand es schlecht um mich. Es kam zur Gerichtsverhandlung, und mein einziger Zeuge war die Haarkugel von der Kasse, die für ihr ganzes Leben behindert bleiben würde. Und als der Richter meine Version hören wollte, sagte ich, dass ich vom Planeten Erde komme. Und da begann der Richter laut brüllend zu lachen, und das ganze Gericht und die Zuschauer auch, und die Wachleute und Sekretärinnen, und mitten in dem Chaos starb die Haarkugel vor Lachen, also huschte ich an den sich krampfhaft schüttelnden Wachen vorbei und dachte, dass ich nicht noch mehr Leben auf dem Gewissen haben wollte.

»Erde!«, schrie ich, um einen kleinen Vorsprung zu haben, und es gelang mir, von einem Frachter mitgenommen zu werden, und seitdem habe ich diese Ecke der Galaxis gemieden.

Ponoristen

Abenteurer wird es immer geben. Einzelne, versprengte Existenzen, die sich nicht anpassen können. Die ständig unterwegs sind, nie zur Ruhe kommen, die meistens schon einen Fuß angehoben haben. Wenn sie einen Berg sehen, müssen sie klettern, sehen sie einen Abgrund, müssen sie hinuntertauchen, fängt es an zu stürmen, stellen sie sich mit dem Gesicht in den Wind. Sie spüren ein ewiges Jucken. Ab und zu gelingt ihnen das Unmögliche, die Sonne wärmt ihnen plötzlich das Gesicht. Dann fühlen sie sich augenblicklich leer und erschöpft, verzweifelt vor lauter Überdruss. Sie möchten jemanden lieben, doch das Glück ödet sie an. Leben, das muss wehtun. Die Haut muss sich an Kletterseilen und Satteln scheuern. Die Haarmähne muss nach hinten geblasen werden. Die Welt ist zu klein, ständig schrumpft sie, jeder Job und jede Verpflichtung verwandelt sich sofort in eine Uniform, deren Falten und Nähte jucken.

Es ist diese Sorte Mensch, die es einst wagte, sich dem Feuer zu nähern, die anfing, größere Tiere als sich selbst zu jagen, die jede Wüste, jede Gebirgskette und jeden Ozean als eine Herausforderung ansah. Als Kitzel, dem nicht zu widerstehen war.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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