Das Mädchen mit den zwei Blutgruppen - Martina Frei - E-Book

Das Mädchen mit den zwei Blutgruppen E-Book

Martina Frei

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Beschreibung

Wussten Sie, dass sich eine verrutschte Kunstlinse durch eine Fahrt mit der Achterbahn wieder in die richtige Position bringen lässt? Dass man auch mit einem 30 Zentimeter langen Messer im Rücken meilenweit laufen kann? Dass ein Arzt während einer Notoperation den Patienten vor einer tödlichen Hirnblutung mit dem Kaugummi des Assistenten rettete?

Die Ärztin und Wissenschafts-Journalistin Martina Frei hat in diesem Buch die schrägsten und unglaublichsten Fallgeschichten aus der Welt der Medizin gesammelt.Nach der Lektüre werden Sie wissen: Heilung ist möglich. Manchmal sogar ohne Arzt.

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Seitenzahl: 278

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Vorwort

Überraschende Heilverfahren

Die Pantoffelbehandlung

Therapie mit Nervenkitzel

Genesen wie im Märchen

Rasend schnell kuriert

Unbekannte Diagnosemethoden

Pinkeln mit Köpfchen

Singend zum Befund

Ein hellhöriger Arzt

Der Fischer, der zu langsam ruderte

Diagnose auf dem Golfplatz

Diagnostik auf vier Pfoten

Katzen mit todsicherem Riecher

Die Frau, die eine Katze am Hals hatte

Eine Nase für Krebs

Der Schnüffeltest

Das alte Haus

Geheimnisse des Körpers

Das Zwicken im Bauch

Ein beinahe tödliches Häppchen

Aus dem Auge, aus dem Sinn

Fünfhundert Tabletten und sieben Puppenköpfe

Liebe und Sex

Der Kuss, der es in sich hatte

Ein reizender Ehemann

Paartherapie

Tücken des Alltags

Eine herzergreifende Einkaufstour

Vom Kobold gepackt

Die aufgeblasene Patientin

Golfernippel und Königskobra

Schreibtischopfer

Wer schön sein will, muss leiden

Das Schönheitssalon-Syndrom

Die ungeschminkte Wahrheit

Ein tödlicher Nagel

Ärger mit den dritten Zähnen

Der Patient mit der lockeren Schraube

Auf den Zahn gefühlt

Gute Haftung, teuer erkauft

Gefährliche Metalle

Drei Seemänner in Not

Thunfisch und Tee

Die neue Hüfte

Gift aus dem Kanonenrohr

Schwerer als Gras

Ansteckungsgefahren

Der Mann, der nicht mehr schlafen konnte

Der Stinkfinger

Schwein gehabt

Verräterische Spuren

Treu bis in den Tod

Transplantationen mit Folgen

Der verpflanzte Krebs

Die Secondhandallergie

Das Mädchen mit den zwei Blutgruppen

Farbverirrungen

Stoff für blaue Stunden

Gelb ist die Fürsorge

Alles mit anderen Augen sehen

Eine Großmutter zum Fürchten

Auf die Dosis kommt es an

Salat und Brownies

K.o. durch Cola

Erregender Genuss

Tödliche Verbindung

Vorsicht, Tiere!

Das Torbogenphänomen

Von Samtpfoten misshandelt

Tatort Wohnung

So ein Käse

Unfälle und Verletzungen

Rätselhafte Nadeln

Gefahr im Rücken

Die Wanderkugel

Ins Herz geschlossen

Eine unscheinbare Wunde

Kaugummi mit Nebenwirkungen

Jesus leistet Erste Hilfe

Die Frau, die sich dünn kaute

Geballte Energie

Am falschen Ort

Riskante Speisen

Das Zünglein an der Waage

Sandwich bis zum Abwinken

Fischkampf mit Spätfolgen

Schrot(t) im Darm

Schlimme Bescherung

Kopf und Hirn

Eine tolle Frau

Die Massenvergiftung

Magische Kopfschmerzen

Von Mördern verfolgt

Der geheilte Stalker

Brotlose Medizin

Zucker im Keller

Ein kleines Organ spielt verrückt

Vergessene Pediküre

Wenig Hirn, aber viel Grips

Freizeitfallen

Neues Spiel, neues Leid

Perlen, made in China

Mundgeruch von der Plastikpistole

Nierenschaden vom Schrottplatz

Die Krankheit des Zauberers

Der lustigste Grund umzukippen

Wenn Patienten in die Röhre gucken

Verwirrende Abendunterhaltung

Horror vor dem Fernseher

Eine TV-Show, die an die Nieren ging

Die Kraft der Musik

Durchs falsche Loch geblasen

Wenn der Druck steigt

Wenn Musik ins Blut geht

Mitreißende Klänge

Trommeln ohne Ende

Politik und Gesundheit

Ein strahlender Urlauber

Ohnmächtig vor Zorn

Die Folgen der Wiedervereinigung

Verhängnisvolle Vorsorge

Ein gesundheitsbewusster Mensch

Ivan der Schreckliche

Take-home-Vergiftung

Wenn’s bei der Arbeit läuft wie geschmiert

Hobbydoktoren

Ein steinreicher Patient

Das unerklärliche Zucken

Der Amateursportler

Selbstbehandlung, die ins Auge geht

Allergiestreiflichter

Reizende Hunde

Eiweißspritzen

Effektvolle Sporen

Üble Verwandtschaft

Unsanftes Ruhekissen

Atemberaubende Farben

Zu viele Kondome

Nichts zum Aussitzen

Das Pfannkuchen-Syndrom

Quiz

Der Schatten im Rachen

Erbrechen, Durchfall, Tod

Das verwirrte Ehepaar

Der Killer in der Lunge

Lösungen zum Quiz

Der Schatten im Rachen

Erbrechen, Durchfall, Tod

Ein verwirrtes Ehepaar

Der Killer in der Lunge

Quellen

Dank

Register

Über das Buch

Wussten Sie, dass sich eine verrutschte Kunstlinse durch eine Fahrt mit der Achterbahn wieder in die richtige Position bringen lässt? Dass man auch mit einem 30 Zentimeter langen Messer im Rücken meilenweit laufen kann? Dass ein Arzt während einer Notoperation den Patienten vor einer tödlichen Hirnblutung mit dem Kaugummi des Assistenten rettete? Die Ärztin und Wissenschafts-Journalistin Martina Frei hat in diesem Buch die schrägsten und unglaublichsten Fallgeschichten aus der Welt der Medizin gesammelt.Nach der Lektüre werden Sie wissen: Heilung ist möglich. Manchmal sogar ohne Arzt.

Über die Autorin

Dr. Martina Frei, geboren 1965, hat in Freiburg und München Medizin studiert. Acht Jahre lang arbeitete sie als Ärztin in Deutschland und der Schweiz. Ungefähr nach der 1368. Mittelohrentzündung wechselte sie auf die Ringier-Journalistenschule und arbeitet heute als Wissenschafts-Redakteurin beim Zürcher Tages-Anzeiger. Die unglaublichen Medizin-Fälle erscheinen seit Oktober 2009 als wöchentliche Kolumne im Tages-Anzeiger. Martina Frei lebt in Zürich.

MARTINA FREI

DAS MÄDCHENMIT DENZWEI BLUTGRUPPEN

Unglaubliche Fallgeschichtenaus der Medizin

Erweiterte und überarbeitete Ausgabe

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2009, 2017 by Bastei Lübbe AG, KölnÜberarbeitete NeuausgabeTitelillustration: © FinePic/shutterstockUmschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, MünchenSatz: Urban SatzKonzept, DüsseldorfGesetzt aus der Adobe Caslon ProDruck und Verarbeitung: CPI books GmbH, Leck – GermanyPrinted in Germany

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-6171-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Vorwort

Seit der Erstauflage dieses Buchs sind bereits acht Jahre vergangen. In mindestens einem Fall hat es geholfen, ein ungewöhnliches medizinisches Problem rasch zu klären. Die Patientin mit einer Lungenentzündung hatte unwissentlich einen Zahn in der Lunge. Ihre behandelnde Ärztin erinnerte sich beim Anblick des Röntgenbilds an die passende ungewöhnliche Fallgeschichte auf Seite 63. Das Beispiel zeigt, wie hilfreich die Lektüre für Ärzte wie Patienten sein kann.

Dieses Buch beschreibt Gefahren für Leib und Seele, von denen die meisten keine Ahnung haben. Kaum jemand kennt zum Beispiel das Risiko, das von Friseursalons ausgeht. Oder von gegrillten Fleischröllchen. Und wer weiß schon, dass eine Spielzeugpistole zu jahrzehntelangem Mundgeruch führen kann? Hier wird schonungslos aufgeklärt.

Gleichzeitig gibt dieses Buch Tipps. Zahlreiche diagnostische Methoden werden bislang kaum genützt, weil fast niemand sie kennt. Mussten Sie schon mal beim Arzt »Only the good die young« vorsingen – »Nur die Guten sterben früh«? Wohl kaum. Dabei könnte Ihr Gesang einiges über den Zustand Ihrer Herzarterien offenbaren. Auch Ärzte dürften bei der Lektüre neue diagnostische Möglichkeiten entdecken.

Wer umgekehrt seinen Arzt mal mit etwas anderem als Husten-Schnupfen-Heiserkeit beeindrucken will, findet auf den folgenden Seiten eine Fülle an Ideen. Das gilt ganz besonders für hypochondrisch veranlagte Menschen. Spüren Sie in sich hinein: Reibt da nicht ganz fein etwas unter dem Augenlid? Das könnte die Kontaktlinse sein, die Sie vor Jahren – vermeintlich – verloren haben.

Dieses Buch warnt aber nicht nur, es beruhigt auch: Man kann zum Beispiel mit einem 31 Zentimeter langen Messer im Rücken noch durch die Gegend laufen. Ganz zu schweigen von den innovativen Therapien, dank denen Menschen in Not auf wundersame Weise Hilfe erfuhren.

Egal ob Schwindel, Rückenschmerzen, unangenehme Körpergerüche oder andere Leiden: Heilung ist möglich. Oft braucht es dazu nicht einmal einen Arzt.

Überraschende Heilverfahren

Eine Fülle unglaublicher Behandlungsmethoden sind den Ärzten entweder unbekannt, oder sie schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie nur davon hören. Dabei handelt es sich teilweise um Heilverfahren im wahrsten Sinn des Wortes. Wer im Krankheitsfall nicht alles dem Arzt überlassen will und gern selbst Hand anlegt, sei auf die folgenden Methoden verwiesen. (Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.)

Die Pantoffelbehandlung

Wer schlecht sieht, könnte zum Beispiel seinen Partner bitten, einen Schuh zu schmeißen, so wie im Fall eines alten Ehepaares mit Hund in Großbritannien.

Genervt vom Kläffen seines Hundes warf der Ehemann einen Pantoffel nach dem Tier. Dummerweise traf er stattdessen seine Ehefrau am Auge – woraufhin diese besser sah: Ihre Welt war mit einem Mal bunter, die Farben leuchteten stärker, und das Tageslicht blendete sie weniger. Der trübe Schleier vor ihrem Auge hatte sich endlich gelüftet, dank dem beherzten Wurf.

Deshalb sah die 86-Jährige auch zunächst keinen Grund, zum Doktor zu gehen. Als sie nach einer Woche schließlich doch Augenärzte zurate zog, wurde aus dem wundersamen Ereignis eine »traumatische Dislokation der Augenlinse« – die Wucht des fliegenden Pantoffels hatte ihre getrübte Augenlinse aus der Sehachse befördert.

Wie nahezu alle über 65-Jährigen hatte auch die Frau des Pantoffelwerfers Grauen Star. Meist ist die Katarakt, wie der Graue Star im Medizinerlatein heißt, altersbedingt. Das Eintrüben der Linse kann auch Folge von Augenverletzungen sein, von Stoffwechselstörungen wie Diabetes, zu viel Cortison-ähnlichen Medikamenten oder Röntgenstrahlen. Es kommt sogar bei Kindern vor, zum Beispiel wenn sie im Mutterleib eine Rötelninfektion durchgemacht haben.

Eine Behandlungsmethode war bereits im alten Babylon bekannt – wenn auch nicht mit dem Hausschuh, sondern mit einem spitzen Gegenstand. Der »Starstecher« setzte seitlich an der Augenhornhaut einen Schnitt, schob eine spitze Starnadel bis zur Linse vor und drückte diese aus der Sehachse nach unten, in den Glaskörper des Auges. Nach getaner Arbeit machte sich der Operateur tunlichst aus dem Staub, um nicht für die oft folgende Augeninfektion haften zu müssen.

Heute arbeiten die Augenärzte gründlicher: Sie entfernen meist den vorderen Teil der Linsenkapsel und das trübe Linsenmaterial. Weil die Linse eine Brechkraft von etwa 18 Dioptrien hat, wird dem Patienten bei der Operation in der Regel noch eine Kunstlinse eingesetzt, andernfalls wäre er stark weitsichtig.

Wird die Linse nur in den Augenglaskörper verschoben, wie bei der 86-Jährigen, steigt ziemlich sicher der Druck im Sehorgan oder es kommt zur Entzündung. Das kann ins Auge gehen und zur Erblindung führen, auch wenn die Sehkraft sich kurzfristig bessert. Deshalb rieten die Augenärzte der Seniorin zur Operation.

Der Ehemann der Patientin, der sich ungewollt als Starstecher betätigt hatte, litt übrigens ebenfalls beidseitig am Grauen Star – was vielleicht seine mangelnde Wurfgenauigkeit erklärt.

Therapie mit Nervenkitzel

Sollte die Kunstlinse jemals verrutschen, gibt es eine sehr vergnügliche Behandlung. Entdeckt hat sie vor einigen Jahren ein junger Mann. Normalerweise sah der 19-Jährige die Welt durch gleichmäßig runde Pupillen, damals aber war eine seiner Pupillen schräg schlitzförmig.

Schuld daran war ein Schlag auf das rechte Auge. Dabei wurde seine Kunstlinse aus der Augenkammer hinter der hellblauen Iris vor diese katapultiert. Die künstliche Linse war ihm im Alter von acht Jahren eingesetzt worden, weil seine eigene infolge eines Unfalls eingetrübt war.

Am Zürcher Universitätsspital tröpfelten die Ärzte dem jungen Mann ein Medikament ins Auge, das die Pupille erweiterte. Dadurch, so hofften sie, würde die Linse ihren Weg zurückfinden. Leider glückte das nur bedingt – die diskusförmige Kunstlinse rutschte zur Hälfte wieder an den richtigen Ort. Die andere Hälfte aber war weiterhin in der vorderen Augenkammer zu sehen, und das rechte Auge des Mannes ähnelte nun eher einem Schlangenauge als dem eines Menschen. Also wurde ein Operationstermin anberaumt.

Am Wochenende davor gönnte sich der 19-Jährige in einem Vergnügungspark noch drei Fahrten im Silver Star, eine der größten Achterbahnen Europas. Bis auf eine Höhe von 73 Metern werden die Wagen dort hochgezogen – dann stürzen sie mit fast 130 Kilometer pro Stunde in die Tiefe, um kurz darauf raketengleich wieder nach oben zu jagen. Fliehkräfte von bis zu vier g, der vierfachen Fallbeschleunigung, wirken dabei auf die Passagiere.

Durch den Nervenkitzel weiteten sich bei dem Patienten vermutlich die Pupillen – eine Wirkung des Stresshormons Adrenalin, das in solchen Situationen ausgeschüttet wird. Die enormen Kräfte in der Achterbahn erfassten auch seine Kunstlinse. Einige Stunden nach dem Höllenritt fiel dem 19-Jährigen auf, dass sie wieder am richtigen Ort saß. Dank dem Silver Star war sie in die hintere Augenkammer zurückgedrückt worden. So sparte die Krankenkasse des Patienten viel Geld. Außerdem waren die Fahrten bedeutend schöner als diejenige in den Operationssaal.

Noch ist die Achterbahntherapie allerdings eine Außenseitermethode, fern der offiziellen Anerkennung. Dabei könnten auch andere Patienten davon profitieren, wie die folgende Geschichte zeigt.

Genesen wie im Märchen

Wenn künftig Schwindelkranke auf Jahrmärkte pilgern, können sich die Schausteller bei einem Wissenschaftler in Bayern bedanken. Er hat eine höchst unterhaltsame Behandlungsmethode gegen die lästigen Gleichgewichtsstörungen entdeckt. Und er ist ein Paradebeispiel für eine geradezu märchenhafte Heilung.

Kaum setzte er sich auf, schwindelte dem damals 42-jährigen Mann. Bewegte er den Kopf nach links: Schwindel. So ging das seit rund vier Wochen, und es wurde immer schlimmer. Die Schwindelattacken traten mehrfach täglich auf und dauerten bis zu zehn Minuten. Sogar nachts erwachte er mit Schwindel und Brechreiz.

Auf Anraten eines Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten machte der Patient dreimal täglich eine Übung, bei der er den Kopf zur Seite drehen und sich hinlegen musste. Doch es wurde nur noch schlimmer – bis er einen »Märchenwald« besuchte und dort ein Eichhörnchen ritt.

Seine Kinder durften in dem Freizeitpark bei München nämlich nicht ohne Begleitung Erwachsener Achterbahn fahren. Also opferte sich der Vater für zwei Fahrten in der »Oachkatzelbahn« (Eichkätzchenbahn). Der Erfolg war unmittelbar und dauerhaft: Sein Schwindel war weg.

Die Beschleunigungskräfte der Bahn katapultierten vermutlich kleine Kristalle in seinem Innenohr irgendwohin, wo sie nicht mehr störten. Damit war der »gutartige anfallsweise Lagerungsschwindel«, an dem der Familienvater gelitten hatte, geheilt. Keine andere Schwindelform ist so häufig wie diese.

Schuld daran sind kleine Kalziumkarbonatkristalle, die auf Beschleunigungsrezeptoren im Innenohr sitzen. Das Innenohr besteht (unter anderem) aus drei winzigen, gebogenen Gängen. Sie sind mit Flüssigkeit gefüllt. Bewegt sich der Mensch, bleibt die Flüssigkeit aufgrund ihrer Trägheit zunächst zurück. Feine Sensoren registrieren diese Auslenkung und melden die Beschleunigung dem Hirn.

Bei Erschütterungen (etwa durch einen Kopfball), im Zusammenhang mit manchen Virusinfekten oder auch spontan, können kleine Kristalle abreißen und in der Flüssigkeit schwimmen. Dann gehen die Probleme los.

Bei Bewegungen des Kopfes rutschen die »Ohrsteinchen« mit einer kleinen Verzögerung an die tiefste Stelle in den Bogengängen. Dieses Nachrutschen registrieren die Sensoren, die dem Hirn »Beschleunigung!« melden, wo gar keine (mehr) ist. Gelingt es, die Teilchen in eine Position zu bringen, wo sie nicht mehr stören, ist der Spuk vorüber. Deshalb raten Ärzte zu bestimmten Bewegungsübungen.

Der geheilte Wissenschaftler dagegen schwört auf die Achterbahn. Sicherheitshalber und zur Vorbeugung fährt er noch einmal pro Jahr auf dem Münchner Oktoberfest.

Kaum jedoch hatte er seinen bemerkenswerten Fall in einer Fachzeitschrift bekannt gemacht, meldeten Schwindelexperten aus Berlin Bedenken an. Man könnte nun argwöhnen, sie seien von der Angst um ihre Einnahmen getrieben worden: Was, wenn alle Schwindelpatienten in Zukunft Freizeitparks aufsuchen, anstatt zum Arzt zu gehen? Doch diese Neurologen waren wirklich besorgt.

Sie hatten nämlich genau das Gegenteil gesehen: eine 25-jährige Patientin, die ihren ersten Lagerungsschwindel ausgerechnet durchs Achterbahnfahren bekam. Von dem 50-jährigen Kunstflieger, den sie ebenfalls behandelt hatten, gar nicht zu reden. Just, als er mit dem Flugzeug einen Looping drehte, verwirrten herumschwimmende Ohrsteinchen seinen Gleichgewichtssinn. Selbst »gutartiger« Schwindel kann in so einer Situation ziemlich gefährlich werden.

Rasend schnell kuriert

Überraschend schnelle Heilung winkt in besonderen Fällen auch bei Rückenschmerzen. Für diese Behandlung sind nötig: eine schusselige Krankenschwester, ein abschüssiger Flur und ein Bett auf Rädern. Wer es ganz genau wissen will, frage am besten Frau Hubmann in Köln, die an der Bandscheibe operiert werden sollte.

Die Pflegekraft hatte noch etwas vergessen und parkte deshalb das Klinikbett – mit der Patientin darin – am Rand des leicht abschüssigen Flurs. Dummerweise arretierte sie dieses nicht. Das Bett fing an zu rollen, wurde schneller und schneller, die Patientin kreischte auf – und donnerte am Ende des Gangs in ihrem Bett gegen die Wand. Aber: Ihre Bandscheibenprobleme hatten sich damit erledigt, die Operation wurde abgeblasen.

Orthopäden empfehlen diese Behandlung jedoch nicht. Zudem gibt es für die Methode, den Patienten liegend gegen die Wand zu fahren, keinerlei wissenschaftliche Studien. Erklären lässt sich der Erfolg bei Frau Hubmann vermutlich damit, dass wohl der Teil der Bandscheibe, der zuvor in den Rückenmarkskanal gedrückt hatte, bei dem abrupten Manöver wieder an die richtige Stelle zurückrutschte. Das ist prinzipiell möglich, solange der Schmerzen verursachende Teil nicht komplett vom Rest der Bandscheibe abgerissen ist.

Noch in den 1960er Jahren spannten die Orthopäden einen Teil ihrer Bandscheibenpatienten an Armen und Beinen auf, in der Hoffnung, der verschobene Teil der Bandscheibe möge zurückrutschen. Bäuchlings hingen die Kranken wie ein aufgespanntes Tuch. Da die Prozedur ausgesprochen schmerzhaft war, musste sie in Narkose durchgeführt werden. Bei einem Teil der Behandelten flutschte die Bandscheibe tatsächlich zurück. Bei einem anderen Teil jedoch wurden die Nerven dadurch erst so richtig geschädigt. Deshalb haben die Orthopäden diese Methode wieder aufgegeben.

Je stärker ein Bandscheibenvorfall auf Bein-, Blasen- oder Darmnerven drückt, umso mehr profitieren Patienten von einer Operation. Bei »normaler«, altersbedingter Abnützung der Bandscheiben, die zu Rückenschmerzen führen kann, bringt eine Operation dagegen meist wenig.

Erwiesenermaßen wirksam sind bei Rückenschmerzen wärmende Umschläge, Akupunktur, Teufelskrallen-, Cayenne-Pfeffer- sowie Weidenrindenextrakte, so das Fazit von Forschern der Cochrane-Vereinigung, die Studien zu allen möglichen Themen sichtet und auswertet. Auch Rückenschule, Tai-Chi, Massagen, sogenannte nicht steroidale Schmerzmittel wie etwa Ibuprofen, kognitive Verhaltenstherapie und Entspannungstraining haben sich zum Beispiel als hilfreich erwiesen. Abzuraten ist dagegen von Bettruhe – außer man heißt Hubmann und rollt mit dem Bett den Flur hinab …

Unbekannte Diagnosemethoden

Vor die Therapie haben die Halbgötter in Weiß die Diagnose gesetzt. Blutuntersuchungen oder ein Belastungs-EKG auf dem Fahrrad sind für den modernen Patienten nichts Neues. Auch Computertomogramme, Röntgenbilder oder Ultraschalluntersuchungen kennt heutzutage fast jedes Kind. Wer als Arzt seine Kundschaft beeindrucken will, muss sich etwas Besonderes einfallen lassen. Er könnte den Patienten zum Beispiel auf den Golfplatz einladen. Oder ihn bitten, etwas zu singen.

Pinkeln mit Köpfchen

Wer wegen Problemen beim Wasserlassen zum Doktor geht, sollte sich nicht wundern, wenn der Arzt ihn künftig zu körperlichen Verrenkungen auffordert. Dieses innovative diagnostische Verfahren entdeckten unabhängig voneinander zwei Briten, ein 18 Monate alter Junge und ein 67-jähriger Mann.

Der Knabe bekam plötzlich Probleme, Wasser zu lassen – außer er stellte sich beim Pinkeln auf ein Bein. Der ältere Herr hingegen machte während des Pinkelns jeweils für fünf bis zehn Minuten einen Kopfstand. Er hatte seit Längerem Schwierigkeiten beim Urinieren: Mittendrin stoppte sein Strahl. Stellte er sich aber für ein paar Minuten auf den Kopf, so hatte er entdeckt, konnte er danach das Pinkeln fortsetzen.

Der Grund für die Beschwerden der beiden waren Blasensteine. Ein einziger großer bei dem kleinen Jungen (er litt an Cystinurie, einer angeborenen Erkrankung, bei der sich schnell Nieren- und Blasensteine bilden) und rund 300 Blasensteine (mit einem Gesamtgewicht von über 400 Gramm) bei dem 67-Jährigen. Sie versperrten den Blasenausgang. Machten die Patienten aber ihre »Körperübungen«, verschoben sich die Steinchen so, dass der Harn wieder fließen konnte.

Singend zum Befund

Bislang schöpfen nicht nur Urologen die diagnostischen Möglichkeiten zu wenig aus. Auch Herzspezialisten bitten ihre Patienten kaum je, etwas vorzusingen. Dabei kann ein Lied wertvolle Hinweise liefern! Bestes Exempel dafür ist – ausgerechnet – ein Arzt.

Im Verlauf von drei Monaten bekam der 50-Jährige zunehmend Mühe, »Only the good die young« zu trällern: »Nur die Guten sterben früh«. Immer wieder musste er zwischendurch Luft holen. Früher war ihm das nicht passiert, und auch der Originalinterpret Billy Joel konnte bekanntlich ganze Abschnitte des Songs durchsingen.

Ursache für die Atemnot des Patienten war eine starke Verengung einer Herzkranzarterie. Solange er sich ruhig verhielt, genügte seinem Herz die Blutversorgung. Bei Anstrengung, wenn das Organ stärker pumpen musste, wurde der Herzmuskel aber nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt. Nachdem seine Kollegen die nahezu vollständig verschlossene Arterie aufgedehnt hatten, konnte der Mann das Lied wieder voll mitschmettern. (Die akustische Qualität, die Ohrenzeugen zufolge auch vorher schon zu wünschen übrig gelassen hatte, verbesserte sich durch den Eingriff angeblich nicht.)

Ein hellhöriger Arzt

Bittet der Arzt einen Patienten zu pfeifen anstatt zu singen, dann ist Feuer unterm Dach. Der australische Arzt Eric R. Dunn rettete mit dieser Methode vermutlich zwei Patienten das Leben.

Einer davon war ein älterer Patient, der eigentlich ins Krankenhaus gekommen war, weil er sich den Finger in einer Stalltür gequetscht hatte. Was den Verletzten aber fast genauso beschäftigte, war sein schwacher Pfiff. Er arbeitete als Berufspfeifer beim Radio. Wenn er seiner Frau morgens quer durch einen Park zupfiff, hörte sie ihn. So war es noch die letzten zwei Tage gewesen. Nicht aber heute. In den Ohren des Arztes, der sich eine akustische Kostprobe geben ließ, klang der Pfiff kräftig – doch es war nicht das Pfeifen, das der Patient von sich gewohnt war. Da vor allem hohe Töne über weite Strecken getragen werden, fehlte dem Pfiff wohl eine bestimmte Tonhöhe, die der Mann sonst zustande brachte, vermutete Dunn. Das führte ihn auf die richtige Spur: beginnender Risus sardonicus. Das »sardonische Lachen« ist ein Lachen, an dem die Seele unbeteiligt ist. Die Betroffenen können nicht anders, als hämisch zu grinsen. Ihre verkrampften Gesichtsmuskeln zwingen ihnen diesen Gesichtsausdruck auf. Und wegen dieser Verkrampfung pfiff der Patient vermutlich nicht mehr wie gewohnt.

Der Risus sardonicus ist ein erstes Anzeichen für eine lebensgefährliche Vergiftung. Über eine Wunde gelangen Sporen von Tetanusbakterien in den Körper. Diese Sporen kommen praktisch überall vor, auch in Erde und Straßenstaub. Geschlossene, von Haut und Fleisch bedeckte Stichwunden sind der ideale Platz für sie. Denn bei Abwesenheit von Sauerstoff keimen sie aus und vermehren sich. In der Wunde produzieren die Bakterien namens Clostridium tetani ein teuflisches Gift, das mit einer Geschwindigkeit von rund fünf Millimeter pro Stunde über die Nervenbahnen in Richtung Rückenmark und Hirn wandert. Im Rückenmark hemmt es bestimmte Nervenzellen.

Was dann passiert, lässt sich mit einem Lichtschalter vergleichen, der zusätzlich einen Dimmer hat. Mit solchen Schaltern kann man das Licht sowohl ein- und ausschalten als auch fein regulieren. Das Gleiche passiert normalerweise bei den Muskeln: Ein »Schalter« ist für Ein-Aus zuständig, ein anderer fürs feine Abstimmen, je nachdem, ob man eine zerbrechliche Ming-Vase in der Hand hält oder beim Seilziehen zupacken muss.

Das Tetanusgift bewirkt, dass die Übertragung von hemmenden und die Muskelkraft modulierenden Nervenimpulsen im Rückenmark blockiert wird. Die Folge: Nervenreize aus dem Hirn werden – vom Rückenmark ungebremst und ungefiltert – an die Muskeln weitergeleitet. Um bei dem Bild mit dem Lichtschalter zu bleiben: Das Licht geht entweder voll an oder es bleibt ganz aus. Der Dimmer ist kaputt.

Zunächst fühlt sich Wundstarrkrampf an wie eine Grippe. Dann aber zeigt er sein wahres Gesicht. Beim geringsten Anlass – ein Lichtstrahl, ein Geräusch oder eine Berührung genügen – verkrampfen sich die Muskeln der Erkrankten aufs Heftigste. Wer jemals einen schmerzhaften Waden- oder Zehenkrampf hatte, kann sich ausmalen, wie sich das am ganzen Körper anfühlt.

Da die Nerven, die vom Hirn zum Gesicht führen, kurz sind, machen sich die ersten Anzeichen oft im Gesicht bemerkbar. Später ziehen sich auch die langen Rückenmuskeln zusammen, und der Patient muss, bei vollem Bewusstsein, unwillkürlich eine »Brücke« machen. Schließlich gehen die Verkrampfungen in zuckende Krämpfe über. Unter der extremen Anspannung brechen sogar Wirbel.

Dank der Impfung sind Tetanusfälle in westlichen Ländern sehr selten geworden; in der Schweiz treten jährlich ein bis drei Fälle auf, in Deutschland weniger als 15. Helfen kann man den schwer Leidenden nur bedingt (deshalb empfiehlt sich die Impfung). Wundversorgung, Gabe von Tetanusgift-Antikörpern, muskelentspannende Medikamente, Narkose und notfalls wochenlange, maschinelle Beatmung kommen als Behandlung infrage. Trotzdem sterben 10 bis 20 Prozent der Erkrankten. Der Berufspfeifer überlebte – wohl auch dank seinem hellhörigen Arzt.

Der Fischer, der zu langsam ruderte

Fortschrittliche Hormonspezialisten lassen ihre Patienten weder singen noch pfeifen. Sie gehen mit ihnen rudern. Die Methode geht zurück auf einen jungen Mann in Indien. Der 28-Jährige hatte als Fischer vor der indischen Küste bei Kerala gearbeitet. Nun musste er seinen Job aufgeben. Er konnte nicht mehr richtig rudern, genauer gesagt: Er fiel ständig aus dem Takt.

Vier bis fünf Männer fahren dort jeweils in einem Boot auf die See hinaus und kämpfen dabei gegen starke Strömungen und hohe Wellen an. Der 28-jährige Mann hatte seit fünf Jahren zunehmend Mühe mitzuhalten. Nach der Beugung konnte er seine Arme nicht schnell genug wieder strecken für den nächsten Ruderschlag. Deshalb arbeitete er jetzt in einem Straßenshop.

Beim Arzt sollte der Patient die Finger des Untersuchenden mehrfach hintereinander kurz drücken. Und siehe da: Er bekam Mühe, sie wieder loszulassen – typisches Zeichen einer Myotonie. Bei diesen meist ererbten Muskelkrankheiten können sich die Skelettmuskeln nach der Anspannung nur langsam wieder entspannen. (Dem Laien fällt es eventuell beim Händeschütteln auf: Die fremde Hand löst sich langsamer als gewohnt.) Der Laborwert eines Enzyms, das Muskelschäden anzeigt, war bei dem 28-Jährigen ebenfalls deutlich erhöht. Was der Arzt auch untersuchte – es deutete alles auf eine Myotonie hin. Wäre da nicht die Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel gewesen, die bei der Ultraschalluntersuchung zutage kam. Das passte nicht zu einer reinen Muskelerkrankung. Aber zu einem kleinen Organ im Hals: Die Schilddrüse hatte den ehemaligen Fischer seinen Job gekostet, wie sich herausstellte. Seine Schilddrüsenhormone im Blut waren viel zu niedrig.

Diese lebenswichtigen Hormone spielen in allen Geweben eine Rolle. Sie erhöhen die Muskelkraft, verbessern die Reaktionsfähigkeit der Nerven und steigern den Grundumsatz. Fehlen sie, schlafft der Mensch ab. Er denkt langsamer, und sein Gedächtnis lässt ihn immer öfter im Stich. Die Haare werden spröde, die Haut teigig, das Herz schlägt langsamer. Die Körperfunktionen werden sozusagen »runtergefahren«. Oft klagen Patienten mit Schilddrüsenunterfunktion über Verstopfung und darüber, dass sie zugenommen hätten. Und sie frieren schnell. Manche haben auch – vermeintlich – rheumatische Beschwerden. Zur Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel kann es kommen, weil die feinen Kapillaren mehr Eiweiß aus dem Blut ins Gewebe übertreten lassen. Dieses Eiweiß zieht Wasser nach.

Schwierig kann die Diagnose sein, weil manche, häufig ältere Patienten nicht dem typischen Bild entsprechen. Sie haben nur wenige Symptome und werden deshalb fälschlicherweise als depressiv oder dement abgestempelt oder wegen »rheumatischer« Beschwerden behandelt. Bei dem 28-Jährigen waren zum Beispiel die Muskelreflexe normal, die sonst meist verlangsamt sind.

Trotzdem war der Kranke seine Beschwerden bald nach dem Arztbesuch los. Er bekam Schilddrüsenhormone zum Einnehmen. Und wieder Arbeit als Fischer im Ruderboot.

Diagnose auf dem Golfplatz

Sorgen sollte man sich als Patient machen, wenn der Arzt einen zum Golfen einlädt. (Vor allem, wenn es sich um einen Neurochirurgen handelt.) Beim Golfspielen können sich schwerwiegende Erkrankungen offenbaren. Das erlebte ein Mann in Großbritannien.

Zu seinem 50. Geburtstag schenkten ihm seine Golfkumpane ein T-Shirt mit der Aufschrift: »Hast du ihn gesehen, wo ist er hin?« Gemeint war der Golfball, den das Geburtstagskind je länger, je schlechter verfolgen konnte. Wich der Ball von der Mittellinie ab und flog eine Kurve, verlor ihn der Mann aus den Augen. Leider schenkte niemand diesem Symptom Beachtung. So gingen Monate ins Land, bis bei einem Routinebesuch beim Augenoptiker die Sehschwäche des Mannes offenbar wurde.

Bei jedem Menschen wird das Gesichtsfeld der Augen von je zwei Nervenbahnen abgedeckt. Eine versorgt das Feld, das der Nase zugewandt ist, die andere jenes, das seitlich liegt. Im Hirn treffen und kreuzen sich die Nervenfasern für die seitlichen Sehfelder.

Alles, was sich in den beiden Gesichtsfeldern vor seiner Nase abspielte, sah der Golfspieler. Was seitlich davon lag, nahm er hingegen nicht mehr wahr. Grund dafür war ein Tumor in der Hirnanhangsdrüse, der sich bis zur Kreuzung der beiden Sehbahnen in der vorderen Schädelgrube ausgedehnt hatte. Er drückte auf die Nerven. Nachdem Neurochirurgen die Geschwulst entfernt hatten, sah der Golfspieler endlich auch wieder, wohin der Ball flog. Und er verbesserte sein Handicap von 18 auf 14.

Diagnostik auf vier Pfoten

Falls Ihr Arzt Sie weder singen noch rudern lässt und sich stattdessen eine Praxis-Katze anschafft, ist höchste Vorsicht geboten! Umso mehr, wenn das Tier sich schnurrend an Sie schmiegt. Haustiere haben bemerkenswerte Fähigkeiten, auch in puncto Früherkennung.

Katzen mit todsicherem Riecher

Dies ist die Geschichte von Oscar, dem Kater. Wenn Oscar sich zu einem Mitbewohner aufs Bett setzt, hat dessen Stunde geschlagen. Nicht, dass Oscar gefährlich wäre, ganz im Gegenteil. Er hat einfach einen feinen Riecher. Er riecht den Tod. Oscar lebt – und arbeitet – in der Abteilung für Demenz des »Steere House Nursing and Rehabilitation Center« im US-Bundesstaat Rhode Island. Mehrere Angestellte des Pflegeheims hatten das grau-weiß gescheckte Tier als kleines Kätzchen adoptiert.

Mittlerweile ist Oscar elf Jahre alt. Etwa seit seinem sechsten Lebensmonat macht er täglich seine Runde im dritten Stock. Springt hier auf ein Krankenbett, schnuppert, zieht weiter zu einem anderen. Lässt er sich bei einer Patientin, einem Patienten auf dem Bett nieder, fängt die Pflegekraft an zu telefonieren. Die Angehörigen werden gerufen.

Denn Oscar ist bekannt dafür, dass seine Vorhersagen fast immer stimmen. Meist stirbt der Bewohner des Pflegeheims, dem Oscar Gesellschaft leistet, innerhalb der nächsten vier Stunden. Mehrere Dutzend demente Patienten hat der Kater bisher beim Sterben begleitet; ob sie es noch bemerkt haben oder nicht, weiß niemand.

Oscar leistet schnurrend und anschmiegsam auch jenen Beistand, die ihre letzten Lebensstunden – mangels Angehörigen – sonst ganz allein verbringen müssten. Im Allgemeinen aber meidet er den Kontakt zu Menschen, außer es ist Fressenszeit.

Für seine Arbeit wird Oscar sowohl vom Pflegepersonal als auch von den Ärzten sehr geschätzt. Eine Hospizagentur hat ihm sogar eine Plakette zur Würdigung seiner Verdienste verliehen. Und eine Familie dankte dem Tier im Nachruf auf die verstorbene Person. Als ihn Angehörige einmal aus dem Sterbezimmer verbannten, tigerte Oscar stundenlang vor der Tür auf und ab und brachte sein Missfallen durch Miauen vor der Tür zum Ausdruck. Schließlich verzog er sich ins Nachbarzimmer, von wo aus er versuchte, sich einen Weg durch die Wand zu kratzen.

Wie Oscar den nahenden Tod erkennt, ist ein Rätsel. Es könnte mit einer feinen Veränderung der menschlichen Körpersprache oder mit den Ausdünstungen der Sterbenden zu tun haben. Für beides haben Katzen sehr feine Sinne. Im Verhältnis zum Menschen ist beispielsweise ihre Riechschleimhaut etwa viermal größer.

Oscar ist nicht die einzige Katze, die schon Sterbebegleitungen gemacht hat. Ende der 1980er Jahre setzte Kater Joschi in einem Alters- und Pflegeheim in Wien seine erstaunlichen Fähigkeiten ein. Das eigenwillige Tier war in der Regel unfreundlich gestimmt, wollte sich nicht streicheln lassen und kratzte hie und da – außer bei denjenigen, deren letzte Stunden geschlagen hatten. Dort schmiegte sich Joschi an. Mit seiner Treffsicherheit übertraf das Tier sogar die Ärzte, die den Tod bei manchen dieser Patienten noch nicht erwartet hatten.

Die Frau, die eine Katze am Hals hatte

Dass Haustiere sich als Frühwarnsystem eignen und sogar zur Lebensrettung beitragen können – wenn man die Zeichen zu deuten weiß –, beweist die Geschichte des Perserkaters Sidney.

Kaum kuschelte er sich an ihre rechte Halsseite, wurde Sidneys Besitzerin komisch zumute. Die 87-Jährige fühlte sich augenblicklich unwohl und müde. Da Sidney mit neun Kilogramm ein stattlicher Kater war, könnte man vermuten, dass der zierlichen Seniorin sein schieres Gewicht zu schaffen machte. Dem war aber nicht so. Wählte Sidney nämlich andere Stellen zum Schlafen auf seiner Besitzerin, geschah gar nichts.

Es hätte eine Frühwarnung sein können. Doch niemand beachtete das »Katze-am-Hals-Zeichen«. Dass Sidney als Erster wertvolle, diagnostische Hinweise geliefert hatte, begriffen die Besitzerin und ihre Ärzte erst einen Monat später – als die alte Dame eines Tages fast das Bewusstsein verlor und deshalb in die Notaufnahme kam. Dort klappte sie mehrfach kurz bewusstlos zusammen, mehrfach war sie nahe daran, und sie musste sich übergeben. Jeder dieser Episoden ging voraus, dass sie ihren Hals bewegt hatte. Betastete man ihre rechte Halsschlagader von außen leicht mit dem Finger, passierte dasselbe. Währenddessen setzte ihr Herzschlag für drei bis vier Sekunden aus; die Pulsfrequenz sank abrupt von 65 Schlägen pro Minute auf 25. Beim Beklopfen der linken Halsschlagader passierte hingegen nichts.

Das Problem war ein überempfindlicher »Messfühler« in ihrer rechten Halsschlagader. Damit das Gehirn ausreichend und konstant mit Blut und Sauerstoff versorgt wird, befinden sich in den Halsarterien Druckrezeptoren. Sie registrieren, wenn der Blutdruck zu hoch oder zu niedrig ist, und melden es ans Kreislaufzentrum im Hirnstamm. Dieses sorgt dafür, dass das Herz sofort langsamer oder schneller schlägt und/oder der Blutdruck fällt oder steigt.

Überempfindliche Messrezeptoren aber geben zu heftige Signale, mit der Folge, dass die Herzfrequenz drastisch sinkt oder der Blutdruck absackt. Mehr als ein Drittel der über 65-Jährigen hat angeblich einen überempfindlichen »Druckfühler« im Hals. Das zumindest ergab eine Studie an Patienten in einer Arztpraxis, bei denen die sogenannten Barorezeptoren in der Wand der Halsschlagadern von außen kurz massiert wurden.

Bekannt ist die Erkrankung schon seit Beginn des zweiten Jahrhunderts. Und bereits der persische Arzt Avicenna beschrieb das Syndrom um 1000 n. Chr. in seinem Kanon der Medizin. Es ist ein häufiger Grund für Stürze bei älteren Menschen.

Bei der 87-Jährigen behob ein Herzschrittmacher die lästigen Probleme, auf die Sidney als Erster hingewiesen hatte. Der Schrittmacher sprang in die Herzschlag-Lücken und gab während der Aussetzer den Takt vor. Trotzdem wollte die Katzenhalterin Sidney fortan lieber nicht mehr an ihrem Hals schlafen lassen.

Eine Nase für Krebs

Von Hunden sind ebenfalls erstaunliche diagnostische Fähigkeiten bekannt. Manche können bestimmte Krebserkrankungen mit einiger Sicherheit riechen, vermutlich weil die Krebszellen spezielle, mit feiner Nase erschnüffelbare Substanzen produzieren.

Der Labrador Parker beispielsweise begann etwa 1988, mit seiner Nase immer wieder gegen die Hose seines Besitzers zu stupsen und intensiv am darunterliegenden Ekzem zu schnuppern. Dies veranlasste den Mann, der die Hautveränderung schon seit 18 Jahren hatte, einen Arzt aufzusuchen. Die Diagnose: Hautkrebs. Als der Tumor entfernt war, interessierte sich Parker nicht länger für die Stelle. Ähnliche Geschichten haben sich mit anderen Hunden zugetragen. In einem Experiment gelang es sogar, drei Cockerspaniels, einen Labrador, einen Papillon und eine Promenadenmischung auf das Erkennen von Blasenkrebs zu trainieren. Die Hunde hatten eine Trefferquote von 41 Prozent.

Hundenasen übertreffen das Riechorgan des Menschen bei Weitem. Während unsereins klägliche 20 Millionen Riechzellen besitzt, befinden sich in den Nasen Deutscher Schäferhunde rund 225 Millionen, Foxterrier haben 147 Millionen und Dackel immerhin noch 125 Millionen Riechzellen.

Der Schnüffeltest