Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Das Narrenschiff von Sebastian Brant ist ein bedeutendes Werk der deutschen Literatur des frühen 16. Jahrhunderts. Das Buch ist eine allegorische Satire, die die menschlichen Schwächen und Dummheiten kritisiert. Brant verwendet eine Vielzahl von fiktiven Charakteren, um verschiedene Gesellschaftsgruppen zu parodieren und auf ihre Fehler hinzuweisen. Sein Schreibstil ist lebhaft und humorvoll, aber auch scharf und kritisch, was dem Werk eine zeitlose Relevanz verleiht. Das Narrenschiff ist in Versen verfasst und wurde mit Holzschnitten illustriert, was zur Verbreitung und Beliebtheit des Buches beitrug.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 223
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Books
Zu Schyff Zu Schyff Bruder. Eß gat! es gat
Zů nutz vnd heylsamer ler / vermanung vnd ervolgung der wyßheit / vernunfft vnd gůter sytten: Ouch zů verachtung vnd straff der narheyt / blintheyt yrrsal vnd dorheit / aller ståt / vnd geschlecht der menschen: mit besunderem flyß ernst vnd arbeyt / gesamlet zů Basell: durch Sebastianum Brant. in beyden rechten doctor.
Alle Lande sind jetzt voll heiliger Schrift Und was der Seelen Heil betrifft: Voll Bibeln, heiliger Väter Lehr Und andrer ähnlicher Bücher mehr, So viel, daß es mich wundert schon, Weil niemand bessert sich davon. Ja, Schrift und Lehre sind veracht't, Es lebt die Welt in finstrer Nacht Und tut in Sünden blind verharren; Alle Gassen und Straßen sind voll Narren, Die treiben Torheit an jedem Ort Und wollen es doch nicht haben Wort. Drum hab ich gedacht zu dieser Frist, Wie ich der Narren Schiff' ausrüst: Galeeren, Füst, Krack, Naue, Bark, Kiel, Weidling, Hornach, Rennschiff stark, Auch Schlitten, Karre, Schiebkarr, Wagen: Denn ein Schiff könnt nicht alle tragen, So groß ist jetzt der Narren Zahl; Ein Teil sucht Fuhrwerk überall, Der stiebt herbei gleichwie die Immen, Versucht es, zu dem Schiff zu schwimmen: Ein jeder will der erste sein; Viel Narren und Toren kommen drein, Deren Bildnis ich hier hab gemacht. Wär jemand, der die Schrift veracht't, Oder einer, der sie nicht könnt lesen, Der sieht im Bilde wohl sein Wesen Und schaut in diesem, wer er ist, Wem gleich er sei, was ihm gebrist. Den Narrenspiegel ich dies nenne, In dem ein jeder Narr sich kenne; Wer jeder sei, wird dem vertraut, Der in den Narrenspiegel schaut. Wer sich recht spiegelt, der lernt wohl, Daß er nicht weise sich achten soll, Nicht von sich halten, was nicht ist, Denn niemand lebt, dem nichts gebrist, Noch der behaupten darf fürwahr, Daß er sei weise und kein Narr. Denn wer sich selbst als Narr eracht't, Der ist zum Weisen bald gemacht, Wer aber stets will weise sein, Ist fatuus, der Gevatter mein, Der sich zu mir recht übel stellt, Wenn er dies Büchlein nicht behält. Hier wird an Narren nicht gespart, Ein jeder findet seine Art, Und auch, wozu er sei geboren, Warum so viele sind der Toren; Welch hohes Ansehn Weisheit fand, Wie sorgenvoll der Narren Stand. Hier findet man der Welten Lauf, Drum ist dies Büchlein gut zum Kauf. Zu Scherz und Ernst und allem Spiel Trifft man hier Narren, wie man will, Ein Weiser sieht, was ihm behagt, Ein Narr gern von den Brüdern sagt. Hier hat man Toren, arm und reich, Schlim schlem, gleich findet gleich. Ich schneidre Kappen manchem Mann, Der meint, es gehe ihn nichts an, Hätt ich mit Namen ihn genannt, Spräch er, ich hätt ihn nicht erkannt. Doch hoff ich, daß die Weisen alle Drin finden werden, was gefalle, Und sagen dann mit Wissenheit, Daß ich gab recht und gut Bescheid. Und da ich das von ihnen weiß, Geb ich um Narren einen Schweiß; Sie müssen hören Wahrheit alle, Ob ihnen es auch nicht gefalle. Wiewohl Terentius saget, daß Wer Wahrheit ausspricht, erntet Haß; Und wer sich lange schneuzen tut, Der wirft zuletzt von sich das Blut; Und wenn man coleram anregt, So wird die Galle oft bewegt. Darum beacht ich, was man spricht Mit Worten hinterm Rücken, nicht, Noch wenn man schmäht die gute Lehr: Ich habe solcher Narren mehr, Denen Weisheit nicht gefället wohl, Von solchen ist dies Büchlein voll. Doch bitt ich jeden, daß er mehr Ansehn wolle Vernunft und Ehr Als mich oder mein schwach Gedicht. Ich hab fürwahr ohn Mühe nicht So viele Narrn zu Hauf gebracht: Gar oft hab ich gewacht die Nacht, Die schliefen, deren ich gedacht, Oder saßen vielleicht bei Spiel und Wein, Wo sie wenig gedachten mein; Ein Teil in Schlitten fuhr umher Im Schnee, wo sie gefroren sehr; Ein Teil trieb Kindereien just; Die andern schätzten den Verlust, Der sie desselben Tags betroffen, Und welchen Gewinn sie könnten hoffen, Oder wie sie morgen wollten lügen Mit Geschwätz, verkaufen und manchen betrügen. Um diesen nachzudenken allen, Wie mir solch Art, Wort, Werk gefallen, Hab ich, kein Wunder ists, gar oft Gewacht, wann niemand es gehofft, Damit man tadle nicht mein Werk, In diesen Spiegel sollen schauen Die Menschen alle, Männer, Frauen; Die einen mit den andern ich mein': Die Männer sind nicht Narrn allein, Man findet auch Närrinnen viel, Denen ich Kopftuch, Schleier und Will Mit Narrenkappen hier bedecke. Auch Mädchen haben Narrenröcke; Sie wollen jetzt tragen offenbar, Was sonst für Männer schändlich war: Spitze Schuh' und ausgeschnittne Röcke,
1. Im Narrentanz voran ich gehe, Da ich viel Bücher um mich sehe, Die ich nicht lese und verstehe.
Daß ich im Schiffe vornan sitz, Das hat fürwahr besondern Witz; Nicht ohne Ursache ist das: Auf Bücher ich mich stets verlaß, Von Büchern hab ich großen Hort, Versteh ich selten auch ein Wort, So halt ich sie doch hoch in Ehren: Will ihnen gern die Fliegen wehren. Wo man von Künsten reden tut, Sprech ich: » Daheim hab ich sie gut!« Denn es genügt schon meinem Sinn, Wenn ich umringt von Büchern bin. Von Ptolemäus wird erzählt, Er hatte die Bücher der ganzen Welt Und hielt das für den größten Schatz, Doch manches füllte nur den Platz, Er zog daraus sich keine Lehr. Ich hab viel Bücher gleich wie er Und lese doch nur wenig drin. Zerbrechen sollt ich mir den Sinn, Und mir mit Lernen machen Last? Wer viel studiert, wird ein Phantast! Ich gleiche sonst doch einem Herrn, Kann zahlen einem, der für mich lern'! Zwar hab ich einen groben Sinn, Doch wenn ich bei Gelehrten bin, So kann ich sprechen: »Ita! – So!« Des deutschen Ordens bin ich froh, Dieweil ich wenig kann Latein.
2. Wer sich auf Macht im Rate stützt Und dem Wind folgt, der grade nützt, Der stößt die Sau zum Kessel itzt.
Viel sind, die trachten früh und spat, Wie sie bald kommen in den Rat, Die doch vom Rechte nichts verstehn Und blindlings an den Wänden gehn. Den guten Chusi man begrub, Zum Rat man Achitophel hub. Wer richten soll und raten schlecht, Der rat und stimm allein nach Recht, Auf daß er nicht ein Zaunpfahl bleibe, Der nur die Sau zum Kessel treibe. Fürwahr, sag ich, es hat nicht Fug: Es ist mit Raten nicht genug, Womit verkürzet wird das Rechte; Das Bessere billig man bedächte Und forschte nach, was man nicht weiß. Denn wird verdreht des Rechts Geleis, So stehst du wehrlos da vor Gott, Und glaube mir, das ist kein Spott! Wenn jeder wüßt, was folgt darnach, War er im Urteil nicht so jach; Denn mit dem Maß wird jedermann Gemessen, wie er hat getan. Wie du mich richtest und ich dich, So wird Gott richten dich und mich. Ein jeder wart' in seinem Grab Des Urteils, das er selbst einst gab, Und wer damit das Recht verletzt, Dem ist auch schon die Frist gesetzt, Wo er ein kräftig Urteil find't:
3. Wer setzt die Lust in zeitlich Gut, Sucht darin Freud und guten Mut, Der ist ein Narr mit Fleisch und Blut.
Der ist ein Narr, wer sammelt Gut Und hat nicht Freud noch frohen Mut Und weiß nicht, wem er solches spart, Wenn er zum finstern Keller fahrt. Ein größrer Narr ist, wer vertut Mit Üppigkeit und leichtem Mut Das, was ihm Gott gab als das Seine, Darin er Schaffner ist alleine, Wovon er Rechnung geben muß, Die mehr einst gilt als Hand und Fuß. Ein Narr läßt seinen Freunden viel, Die Seele er nicht versorgen will; Er fürchtet Mangel in der Zeit Und sorgt nicht für die Ewigkeit. O armer Narr, wie bist du blind: Die Räude scheust du – findst den Grind!
Ein andrer sündigem Gut nachrennt, Wofür er in der Hölle brennt: Das achten seine Erben klein, Sie helfen nicht mit einem Stein, Sie spendeten kaum ein einzig Pfund, Und läg er tief im Höllengrund. Gib, da du lebst, zu Gottes Ehr, Nach deinem Tod wird ein andrer Herr. Ein Weiser hat noch nie begehrt Nach Reichtum hier auf dieser Erd, Wohl aber, daß er selbst sich kenne:Den Weisen mehr als reich du nenne! Zuletzt geschah's, daß Crassus trank
4. Wer neue Moden bringt durchs Land, Der gibt viel Ärgernis und Schand Und hält den Narren bei der Hand.
Was vormals war ein schändlich Ding, Das schätzt man schlicht jetzt und gering: Sonst trug mit Ehren man den Bart, Jetzt lernen Männer Weiberart Und schmieren sich mit Affenschmalz Und lassen am entblößten Hals Viel Ring' und goldne Ketten sehn, Als sollten sie vor Lienhart stehn. Mit Schwefel und Harz pufft man das Haar Und schlägt darein dann Eierklar, Daß es im Schüsselkorb werd' kraus.Der hängt den Kopf zum Fenster 'raus,Der bleicht das Haar mit Sonn' und Feuer, Darunter sind die Läus nicht teuer. Die können es jetzt wohl aushalten, Denn alle Kleider sind voll Falten: Rock, Mantel, Hemd und Tuch dazu, Pantoffeln, Stiefel, Hosen, Schuh', Pelzkragen, Mäntel, Besatz daran: Der Juden Brauch fängt wieder an. Vor einer Mode die andre weicht, Das zeigt, wie unser Sinn ist leicht Und wandelbar zu aller Schande, Und wieviel Neuerung ist im Lande, Mit schändlich kurz geschnittnen Röcken, Die kaum den Nabel mehr bedecken! Pfui Schande deutscher Nation, Daß man entblößt, der Zucht zum Hohn, Und zeigt, was die Natur verhehlt!
5. Schon steh ich an der Grube dicht, Im Arsch das Schindermesser sticht, Doch – meine Narrheit laß ich nicht!
»Die Narrheit läßt mich nicht sein greis; Ich bin sehr alt, doch ganz unweis, Ein böses Kind von hundert Jahren, Zeig dem die Schellen, der unerfahren, Den Kindern geb ich Regiment Und mach mir selbst ein Testament, Das wird nach meinem Tod mir leid. Mit schlechtem Beispiel und Bescheid Treib ich, was meine Jugend lernte; Daß meine Schlechtigkeit Ehre ernte, Wünsch ich und rühm mich dreist der Schande, Wie ich beschissen alle Lande Und hab gemacht viel Wasser trübe; Im Schlechten ich mich allzeit übe, Es tut mir leid, daß ichs nicht mehr Vollbringen kann so wie vorher. Doch was ich jetzt nicht mehr kann treiben, Soll meinem Heinz empfohlen bleiben; Mein Sohn wird tun, was ich gespart, Er schlägt mir nach wohl in der Art; Es stehet ihm recht stattlich an, Und lebt er, wird aus ihm ein Mann. Er sei mein Sohn, muß man einst sagen; Dem Schelme wird er Rechnung tragen Und wird in keinem Ding sich sparen Und in dem Narrenschiff auch fahren! Es soll mich noch im Grab ergötzen, Daß er mich wird so ganz ersetzen!« – Nach solchem jetzt das Alter trachtet,
6. Wer seinen Kindern übersieht Mutwillen und sie nicht erzieht, Dem selbst zuletzt viel Leid geschieht.
Der ist vor Narrheit wohl ganz blind, Wer nicht drauf achtet, daß sein Kind In guter Zucht man unterweist, Und sich insonderheit befleißt, Daß er sie irrgehn läßt ohn Strafe, Wie ohne Hirten gehn die Schafe; Der ihrem Übermut nicht wehrt Und sie zu strafen nicht begehrt, Dieweil er meint, sie sei'n zu jung, Es hafte nicht Erinnerung In ihrem Ohr, nicht Straf noch Lehre. –
O großer Tor, merk auf und höre: Der Jugend ist nichts zu geringe, Sie merket wohl auf alle Dinge. Der neue Topf hält vom Gericht Geschmack und Duft und läßt ihn nicht. Ein junger Zweig sich dreht und schmiegt, Doch wenn man einen alten biegt, So kracht und bricht er bald entzwei.
Gerechte Straf bringt kein Geschrei, Der Rute Zucht vertreibt ohn Schmerzen Die Narrheit aus des Kindes Herzen. Ohn Strafe selten man belehrt,Das Übel wächst, dem man nicht wehrt. Heli war brav und lebte rein, Doch straft' er nicht die Kinder sein, Drum straft' ihn Gott, daß er mit Klage Samt ihnen starb an einem Tage. Weil man der Kinder Zucht nicht will, Drum trifft man Catilinen viel. Es stände besser um manches Kind, Gäb man ihm Lehrer wohlgesinnt, Wie Phönix, den einst aufgesucht Peleus zu des Achilles Zucht. Philipp durchsuchte Griechenland, Bis er dem Sohn den Meister fand: Dem größten König in der Welt Ward Aristoteles zugesellt, Der hörte Plato manches Jahr, Dem Sokrates einst Lehrer war. Jedoch die Väter unsrer Zeit, Die gehen blind vor Geiz so weit Und nehmen solchen Lehrer schon, Der ihnen zum Narren macht den Sohn Und schickt ihn wieder heim nach Haus Halb närrischer, als er kam daraus. Drum ist zu wundern nichts daran, Wenn närrische Kinder ein Narr gewann. Der alte Crates sprach, wenn ihm Es zuständ, wollt mit lauter Stimm' Er schreien: Narren unbedacht! Aufs Gütersammeln habt ihr acht Und achtet nicht auf euer Kind, Für das ihr doch auf Reichtum sinnt. Aber euch wird zuletzt der Lohn, Wenn in den Rat soll gehn der Sohn Und dort auf Zucht und Ehren achten, Dann wird nach solchem Ding er trachten, Wie man's von Kind an ihn gelehrt; Dann wird des Vaters Leid gemehrt, Der sich verzehrt, weil er ohn Nutzen Erzogen einen Winterbutzen. Die einen gehn zu der Buben Rott' Und lästern dort und schmähen Gott; Die andern hängen sich an Säcke, Die dritten verspielen Roß und Röcke; Die vierten prassen Tag und Nacht.Das wird aus solchen Kindern gemacht, Die man nicht in der Jugend zieht, Mit einem Lehrmeister wohl versieht. Denn Anfang, Mittel, Schluß der Ehre Entspringt allein aus guter Lehre. Ein löblich Ding ist adlig sein, Doch ist es fremd und ist nicht dein: Es kommt von deinem Elternpaar; Ein köstlich Ding ist Reichtum gar, Aber er ist des Glücks Zufall, Das auf und ab tanzt wie ein Ball; Der Ruhm der Welt sich schön anläßt: Doch schwankt er und ist voll Gebrest; Ein schöner Leib steht hoch in Acht
7. Wer zwischen Stein und Stein sich legt Und viel Leut auf der Zunge trägt, Den Trübsal bald und Schaden schlägt.
Gar mancher hat viel Freude dran, Daß er verwirren jedermann Und bürsten kann dies Haar auf das, Daraus dann Feindschaft wächst und Haß. Mit Afterrede und Lügen groß Gibt er gar manchem einen Stoß, Den der erst lang nachher empfindet, Wenn aus der Freundschaft Haß sich zündet; Und daß ers wohl besiegeln möge, Lugt er, wieviel er noch zulege, Und will es nur beichtweise sagen, Um nicht Verweis davonzutragen; Ja, unter der Rose – beteuert er – Es dir ans Herz geleget wär, Und meint, damit gefall er wohl. Die Welt ist solcher Zwietracht voll, Daß man einen auf der Zunge tragen Kann weiter als im Hängewagen. Wie Chore tat und Absalon, Die wünschten Anhang sich und Kron' Und holten sich nur Schimpf und Schande. Ein Alchymus in jedem Lande Die Freunde entzweit, mit Lügen umringt Und die Finger zwischen die Angeln bringt; Die werden oft geklemmt davon, Wie dem, der wollt empfangen Lohn, Dieweil er Saul erschlagen hätt, Und denen, so schlugen Isboseth. Wie der auch zwischen Mühlsteinen liegt, Der stets an Zwietracht sich vergnügt.
8. Wer nicht kann sprechen ja und nein Und pflegen Rat um groß und klein, Der trag den Schaden ganz allein.
Der ist ein Narr, der weis will sein Und hält nicht Glimpf noch Maße ein, Und wenn er Weisheit pflegen will, So ist ein Gauch sein Federspiel, Viel sind mit Worten weis und klug Und ziehen doch den Narrenpflug. Das macht, weil sie zu jeder Zeit Für klug sich halten und gescheit, Und achten nicht auf fremden Rat, Bis ihnen sich das Unglück naht. Tobias stets den Sohn belehrt, Daß er an weisen Rat sich kehrt; Man riet der Hausfrau Lots wohl gut, Doch voll Verachtung war ihr Mut, Drum ward von Gott sie heimgesucht Und ward zur Säule auf der Flucht. Rehabeam nicht folgen wollte Den alten Weisen, wie er sollte; Den Narren folgt' er, da verlor Er Stämme zehn und blieb ein Tor. Hätt Nebukadnezar auf Daniel gehört, Er wäre nicht in ein Tier verkehrt; Und Makkabäus, der stärkste Mann, Der großer Taten Ruhm gewann, Hätt Jorams Rat er zu Herzen genommen, Er wäre nicht ums Leben gekommen. Wer allzeit folgt seinem eignen Haupt Und gutem Rat nicht folgt und glaubt, Der lässet Glück und Heil beiseit
9. Wer schlecht an Sitte und Gebärde Und guckt, wo er zum Narren werde, Der schleift die Kappe an der Erde.
Viel gehn in Schauben stolz daher Und werfen den Kopf bald hin, bald her, Dann hin zu Tal, dann auf zu Berg, Dann hinter sich, dann überzwerch, Bald gehn sie rasch, dann sehr gemach; Das zeigt als Zeichen und Ursach, Daß sie leichtfertig von Gemüte, Wovor man sich gar billig hüte. Wer klug nach guter Sitte späht, Dem auch sein Wesen wohl ansteht, Und was er auch beginnt und tut, Das dünket jeden Weisen gut. Die echte Weisheit fängt an mit Scham, Ist züchtig, still und friedesam, Es ist bei ihr dem Guten wohl, Drum füllt sie Gott der Gnaden voll. Viel besser hat man gute Gebärde, Denn allen Reichtum auf der Erde, Weil aus den Sitten man bald entnimmt, Wie einer im Herzen ist gestimmt. Gar mancher der Sitten wenig schont, Das macht, sie sind ihm ungewohnt, Er ist erzogen nicht dazu, Drum hat er Sitten wie eine Kuh. Die beste Zierde, der höchste Nam', Sind gute Sitten, Zucht und Scham. Noah wohl guter Sitten pflag, Doch schlug ihm Ham, sein Sohn, nicht nach. Wer einen weisen Sohn gebärt,
10. Wer Gewalt und Unrecht einem Mann Antut, der Leid ihm nie getan, Da stoßen sich zehn andre dran.
Der ist ein Narr mit töricht Blut, Der einem Menschen Unrecht tut, Weil er dadurch gar manchem dräut, Der sich dann seines Unglücks freut. Wer seinem Freunde Böses tut, Der all sein Hoffen, Vertrauen und Mut Allein gesetzet hat auf ihn, Der ist ein Narr und ohne Sinn. –
Es gibt nicht mehr ein Freundespaar, Wie Jonathan und David war, Patroklus und Achill dabei, Orest und Pylades, die zwei, Wie Demades und Pythias gar Oder der Schildknecht Saulis war, Wie Scipio, Laelius, die beiden. Wo Geld gebricht, muß Freundschaft scheiden; Die Nächstenliebe so weit nicht geht, Wie im Gesetz geschrieben steht: Der Eigennutz vertreibt das Recht, Die Freundschaft, Liebe, Sippschaft, Geschlecht; Es lebt jetzt keiner Moses gleich, An Nächstenliebe wie dieser reich, Oder wie Nehemias Und mit ihm der fromme Tobias.
Wem nicht Gemeinnutz so viel wert Wie Eigennutz, den er begehrt, Den halt ich für einen närrischen Gauch: Denn was gemeinsam, ist eigen auch. Doch Kain lebt jetzt in jedem Stand,
11. Wer jedem Narren glauben will, Da man doch hört von Schrift so viel, Der schickt sich wohl ins Narrenspiel.
Der ist ein Narr, der nicht der Schrift Will glauben, die das Heil betrifft, Und meint, daß er zu Recht so lebe, Als ob's nicht Gott noch Hölle gebe, Verachtend Predigt sowie Lehre, Als ob er gar nicht säh noch höre. –
Stünd einer von den Toten auf, Man liefe hundert Meilen drauf, Damit man hörte neue Märe, Welch Wesen in der Hölle wäre; Ob viele Leut dort führen ein, Ob man auch zapfte neuen Wein Und ander ähnlich Affenspiel. Nun hat man doch der Schrift so viel Vom Alten und vom Neuen Bund, Kein ander Zeugnis zu der Stund Braucht man, noch Kapell und Klausen Des Sackpfeifers von Nickelshausen. Denn Gott spricht nach der Wahrheit sein: »Wer hier gesündigt, hat dort Pein, Und wer sich hier zur Weisheit kehrt, Der wird in Ewigkeit geehrt.« Gott gab, das leidet Zweifel nicht, Gehör dem Ohr, dem Auge Licht; Drum ist erblindet und ertaubt, Der nicht hört Weisheit und ihr glaubt Und lauscht auf neue Mär und Sage. Ich fürcht, es kommen bald die Tage, Daß man mehr neuer Mär werd inne,
12. Wer nicht erst gürtet vor dem Reiten, Nicht weise Vorsicht übt beizeiten, Des spottet man, fällt er zur Seiten.
Der ist mit Narrheit wohl geeint, Wer spricht: »Das hätt ich nicht gemeint!« Denn wer bedenkt all Ding beizeiten, Der sattelt wohl, eh er will reiten. Wer sich bedenkt erst nach der Tat, Des Überlegung kommt meist zu spat; Wer in der Tat sich raten kann, Muß sein ein wohlerfahrner Mann, Oder es haben's ihn Frauen gelehrt, Die solchen Rats sind hochgeehrt. Hätt Adam zuvor bedacht sich baß, Bevor er von dem Apfel aß, Er wär nicht um den kleinen Biß Gestoßen aus dem Paradies. Hätt Jonathas sich recht bedacht, Er hätt die Gaben wohl veracht't, Die Tryphon ihm in Falschheit bot Und ihn darnach erschlug zu Tod. Guten Anschlag wußte alle Zeit Der Kaiser Julius in dem Streit, Doch, als er hatte Fried und Glück, Versäumte er ein kleines Stück, Daß er den Brief nicht las zur Hand, Den man zur Warnung ihm gesandt. Nikanor überschlug gering, Verkaufte das Wildbret, eh ers fing, Drum ging sein Anschlag fehl genug: Zung, Hand und Haupt man ab ihm schlug.
Ein weiser Plan allzeit gut paßt,
13.