Das Netzwerk der Feen - Marten Steppat - E-Book

Das Netzwerk der Feen E-Book

Marten Steppat

4,9

Beschreibung

Nachdem die Menschen auf dem Planeten Kumono damit begonnen haben, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten, steht ihnen jetzt wieder mit jedem neuen Tag mehr Technik zur Verfügung. Diese wurde einst unbrauchbar durch die große Katastrophe, deren Ursache noch immer nicht geklärt ist. Gnome und Feen - Hilfsroboter - unterstützen sie bei ihrer täglichen Arbeit. Das Leben könnte nun endlich einfacher, sicherer und bequemer werden. Doch ihre neue Freiheit passt nicht jedem. Plötzlich verschwinden Leute aus den Dörfern und wilde Kreaturen verbreiten Angst und Schrecken. Ein weiteres Mal müssen Ion und seine Freunde aufbrechen, um sich unbekannten Gefahren zu stellen und die Probleme zu lösen, deren Wurzeln bereits weit zurückliegen. Auf der Suche nach Antworten erfahren sie mehr über ihre Vorfahren, über die Welt um sich herum und vor allem über sich selbst. Doch das Abenteuer wird zu einer gefährlichen Zerreißprobe. Eine Geschichte mit Künstlicher Intelligenz und echtem Herz.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Ein neuer Zyklus

Kapitel 2: Zusammentreffen

Kapitel 3: Lernen

Kapitel 4: In die Tiefe

Kapitel 5: Engel

Kapitel 6: Zerstörung

Kapitel 7: Kräfte bündeln

Kapitel 8: Schlacht um Geroda

Kapitel 9: Trümmer

Kapitel 10: Himmel und Hölle

Kapitel 11: Geheimnisse

Kapitel 1: Ein neuer Zyklus

Im bereits warmen Licht der Morgensonne, auf dem Ast eines Dornenbaumes breitete der Regenbogenschmetterling zum ersten Mal seine Flügel aus, die so breit waren wie ein Mensch mit ausgestreckten Armen. Frisch aus seinem Kokon geschlüpft sah er die Welt zum ersten Mal auf diese Weise. Er richtete seine Flügel aus, sodass sie die Strahlen der Sonne einfingen und die Wärme ihm half, Blut in die bunten Flügel zu pumpen.

Die Engelsebene erwachte langsam zum Leben. Ein kleiner, dicker Hornplattenmarder stolperte leise schimpfend durch das hohe Gras, in der Ferne sang ein Nebelsänger sein Morgenlied. Eine kleine Windbrise kam auf und kitzelte den Schmetterling unter den Flügeln. Er schlug einmal mit ihnen. Bunter Staub löste sich in einer kleinen Wolke von ihnen ab und der Flügelschlag trieb das Blut schließlich ganz in die Flügel hinein. Der Schmetterling war nun startklar.

Purpurpilze standen jetzt nicht mehr auf seinem Speiseplan. Es war ab sofort Nektar, nach dem es ihm gelüstete. Nach kurzer Orientierung erhob er sich in die Luft und begann sein neues Leben. Das alte ließ er hinter sich wie eine leere Hülle, ohne nochmal einen Gedanken an das frühere Leben als Regenbogenraupe zu verschwenden.

Der zurückgelassene Kokon löste sich von dem Baum. Auf dem Weg nach unten streifte er eine Flug-Erkundungs-Einheit - kurz Fee -, welche ebenfalls auf dem Baum gesessen hatte, um das Licht der Sonne einzufangen und die Energie einzuspeichern. Durch den Stoß verlor sie das Gleichgewicht und rutschte von ihrem Ast. Sie reagierte sofort, fing ihren Sturz ab und nahm das Ereignis zum Anlass, ihren Flug fortzusetzen.

Das nächste ausgewählte Ziel ihrer Erkundungen war ein mit Rankenpflanzen recht zugewucherter und damit relativ gut getarnter, kreisförmiger Tunnel, der sanft abwärts in einen kleinen Hügel hinein führte. Sie manövrierte sich durch die Ranken hindurch und fand auf der anderen Seite Feen-Zeichen an der Tunnelwand vor, die kundgaben, dass schon andere Feen vor ihr hier gewesen waren. Die kleine fliegende Erkundungseinheit bewegte sich zu den Stempeln aus gepresstem Blütenstaub und scannte sie mit ihren Sensoren ab.

Hier im Tunnel hatte die Fee keinen Kontakt zum Netzwerk und konnte ihre Entdeckung sowie ihr Vorhaben nicht mitteilen. So fuhr sie ihren eigenen Stempel aus und setzte ihr Zeichen unter die anderen. Es beinhaltete in codierter Form unter anderem die Bezeichnung der Fee , den Zeitpunkt und den Grund ihrer Erkundung. Der Stempel glühte kurz auf und erhitzte den Blütenstaub für einen Augenblick. So verschmolz das Material, wurde fest und blieb lange erhalten. Der Stempel löste sich von dem Feen-Zeichen. Eine winzige Rauchwolke stieg auf und verflüchtigte sich.

Es gab einen Blitz und einen Knall. Der Stempel und ein paar andere kleine Feen-Bauteile flogen zwischen den Ranken hindurch nach draußen.

*

Elegant durch die Lüfte gleiten. Linksneigung und Rechtsneigung, um die Bewegungsfähigkeit zu testen. Schnell geradeaus über die Bäume hinweg, über ein Meer von Grün hinweg rasen. Einen Bogen um den ersten Felsen herum machen. Dann langsamer die steile Wand des Plateaus hinauf. Die Pflanzen bewundern, die an der steilen Wand Halt finden und wachsen. Die Spitze des Plateaus erreichen und direkt in das Gesicht einer erstaunten Echse schauen. Ausweichen. Orientieren.

Das Rotstein-Plateau. Sand und Steine. Büsche und Echsen.

Mit einem Mal wurde das Bild schlecht. Es sah so aus, als wenn eine Gestalt auf einem großen Stein saß. In Augenschein nehmen. Die Gestalt schien irgendwie größer zu werden und sich der Fee zuzuwenden, dann nach ihr zu greifen. Ein Ring aus Licht schien sich für einen Augenblick um ihre Hand herum zu bilden, aber das musste ein Effekt des zunehmend schlechter werdenden Bildes sein. Ein Blitz. Dann nichts mehr.

Ion probierte hektisch verschiedene Funktionen an seinem Helm mit Fernsicht aus, aber die Übertragung zu der Fee war abgebrochen. Kein gesendetes Signal vermochte die Verbindung wieder herzustellen und das Bild wieder aufzubauen. Enttäuscht klappte er das Visier hoch und blickte mit seinen eigenen Augen über den Wald hinweg zum Rotstein-Plateau in der Ferne.

„Technische Probleme?“, fragte eine raue Stimme. Ein Mann mit breiten Schultern in der Rüstung eines Richters näherte sich Ion und winkte. „Ich habe gehört, ich finde dich hier“, erklärte er. Ion betrachtete ihn einen Augenblick lang und fragte sich, wie er wohl einen Helm aufsetzen würde. Der Mann hatte recht lange, rotblonde Haare. Sie hingen ihm jedoch nicht am Kopf runter, sondern standen gerade nach oben, als ob sie sich der Schwerkraft widersetzten.

„Ich bin Samush, Richter aus Feuertal“, stellte sich der Fremde vor. Ion musste sich zusammenreißen, um nicht ununterbrochen auf die Haare zu schauen.

„Hallo, ich bin Ion, Richter aus Geroda“, erwiderte Ion schließlich, obwohl er das Gefühl hatte, dass seine Vorstellung unnötig war. Doch so irritiert von den Haaren wusste er auf die Schnelle nichts anderes zu sagen.

„Ich weiß“, entgegnete Samush, was Ion ebenfalls unnötig vorkam. Unbehagen stieg in ihm auf.

Samush sah das. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Horngel“, sagte er. Es klang wie eine Erklärung, eine Antwort auf eine nicht gestellte Frage. Ion zwang sich, dem Neuankömmling fest in die Augen zu sehen anstatt auf seine Haarpracht. Ratlos schüttelte er den Kopf, um zu verstehen zu geben, dass er mit dieser Antwort nichts anzufangen wusste.

„Die Haare“, sagte Samush grinsend und deutete auf seine himmelwärts gerichtete Frisur. „In Feuertal stellen wir Horngel her, damit können wir unsere Haare formen und härten“, erklärte er schließlich. Er neigte den Kopf. „Vielleicht willst Du sie mal anfassen“, schlug er vor. Ion schaute ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Zögerlich fasste er die Haare von Samush an.

„Steinhart“, entfuhr es ihm überrascht.

Der Richter aus Feuertal nickte zufrieden. „Sicher haben wir ein wenig Überschuss und können die eine oder andere Packung Horngel entbehren und nach Geroda bringen. Ihr werdet es lieben!“, behauptete Samush überzeugt.

„Ah“, antwortete Ion, weil er nichts anderes zu antworten wusste und versuchte, dabei möglichst freundlich zu klingen. Er war keineswegs überzeugt und hatte das Gefühl, dass das wachsende Unbehagen früher oder später schon dafür sorgen werde, dass ihm die Haare von ganz alleine hoch standen. Er fühlte sich in seine Kindheit zurück versetzt. Als er einmal eine defekte Lichtkugel angefasst hatte, standen ihm auch die Haare zu Berge.

„Ich war entsetzt, als ein Roboter unser Dorf kontaktiert hat und mich darüber informierte, dass Du ihn zum Richter von Tekion ernannt hast“, erklärte Samush.

„Droide“, verbesserte Ion.

Samush ignorierte seine Aussage und fuhr fort: „Auch wenn wir in Feuertal alle begeistert davon sind, dass unser Leben von nun an offensichtlich einfacher und sicherer werden wird, sollten solche schwerwiegenden Entscheidungen, die folgenreiche Konsequenzen nach sich ziehen, mit allen Richtern gemeinsam abgesprochen werden.“

„Wir wussten zu dem Zeitpunkt noch nichts von eurem Dorf“, wandte Ion ein.

„Natürlich ist es überhaupt bereits ein gewaltiges Risiko, all diese Technik – Gnome, Feen, Trolle und Roboter – einfach so wieder zu aktivieren, ohne zuvor genauestens geprüft zu haben, ob diese Geräte nicht vielleicht gefährlich sind und nicht bereits damals die große Katastrophe ausgelöst hatten. Keiner will, dass sich die Geschichte wiederholt“, ergänzte der Richter aus Feuertal.

Ion hatte das Gefühl, sanft ausgeschimpft zu werden, und das Unbehagen wuchs. Ihm ging der Gedanke durch den Kopf, dass Samush gar nicht alles wusste, was ihn hätte aufregen können. Er behielt den Gedanken für sich.

„Wir mussten Entscheidungen treffen“, entschied er als vage Erklärung abzugeben.

Eigentlich wurde er bisher immer für diese Entscheidungen gelobt, sogar geradezu besungen und als Held gefeiert. Nun fühlte er sich deswegen gescholten von diesem Richter aus Feuertal, der doch ebenfalls zugeben musste, dass er und sein Dorf von den Konsequenzen dieser Entscheidungen profitierte. Und dann diese Haare… Er musste schmunzeln.

„Die Gnome kommunizieren alle untereinander - ohne, dass wir wissen, worüber sie sich unterhalten“, fuhr Samush in einem Unheil verheißenden Ton fort, „und dann dieses System künstlicher Intelligenz, das den ganzen Planeten kontrollieren will und bereits die Herrschaft über die Insel Tekion an sich gerissen hat!“

Es wurde Ion langsam zu bunt. Er machte eine Geste, um Samush zum Schweigen zu bringen.

„Jedenfalls bin ich hier, weil wir eure Hilfe brauchen“, sagte Samush schließlich zu Ions Überraschung. „In letzter Zeit werden wir vermehrt angegriffen, ja, geradezu heimgesucht von wilden Tieren. Und es sind nicht die Tiere, die bisher bei uns heimisch waren. Es sind zwar teilweise größere und gefährlichere Arten von ihnen, aber viele auch ganz neue und unbekannte Kreaturen – und sie sind richtig böse!“

Der plötzliche Themenwechsel verwirrte Ion und er schüttelte den Kopf, um wieder klare Gedanken fassen zu können.

„Natürlich, wir helfen Euch!“, entgegnete er schließlich. „Auch in Geroda und ebenso in Liberin hat man das bereits beobachtet. Es scheint, dass es eine große Wanderung von Tieren aus dem Westen gibt. Ich habe das Problem erst gestern bei meinem letzten Gespräch mit Erom angesprochen. Er wird sich heute wieder bei mir melden und Lösungsvorschläge anbieten. Vielleicht möchtest Du mit mir zusammen nach Geroda gehen und dem Gespräch beiwohnen.“

Bei der Erwähnung des Droiden verzog der Richter aus Feuertal die Miene. „Unbedingt“, bestätigte er.

„Gut, fahren wir“, schlug Ion vor. Er deutete zu dem Transportfahrzeug, mit dem er hierher gefahren war. Sie stiegen ein. „Der Weg ist ein wenig uneben, halte Dich besser gut fest“, riet er Samush im Plauderton, als er auf den Startknopf drückte.

Dann grinste er, ging er umgehend auf Maximalgeschwindigkeit und schlug das Steuer hart ein.

*

Hallo Kumono! Hier ist 'Abenteuer Kumono', der Radiosender für all die Forscher und Entdecker dort draußen. Dies ist unsere erste Sendung. Wir sind Yenna aus Liberin und Ordon aus Geroda, Eure Moderatoren auf Tekion. Wir sind erst vor drei Tagen auf der Insel Tekion eingetroffen und werden wohl die ersten sein, die sich hier wieder bis auf Weiteres ansiedeln werden.

Wir haben vor, die Insel näher zu erkunden und Euch laufend davon zu berichten. Natürlich werden wir in den ersten Sendungen aber vor allem von den Ereignissen berichten, die uns das alles hier ermöglicht haben: Die Abenteuer von Ion und seinen Freunden, ihre Erlebnisse mit dem ersten Gnom, die Begegnungen mit der dem Droiden Erom – einem freundlicher Roboter mit künstlicher Intelligenz –, wie sie es geschafft haben, das technische System neu zu starten, das bald unseren gesamten Planeten wieder zu einem komfortableren und sichereren Ort macht, sowie ihre Entdeckungen unterwegs, auf dem Kontinent und auf Tekion.

Wir werden die Aufzeichnungen von ihnen besprechen, die sie mittlerweile angefertigt haben und in die … Datenbank des Informations- und Kommunikationssystems Aerie …ähm… eingelegt haben. Entschuldigung, die Fachbegriffe sind uns noch nicht immer ganz so geläufig. Dann werden wir hoffentlich auch mal die Helden selbst zu sprechen kriegen, auch der Droide Erom soll hier zu Wort kommen, bei dem wir uns schon mal ganz herzlich dafür bedanken, uns hier alles gezeigt zu haben und in die Funktionsweise der Radiostation eingewiesen zu haben.

Weiterhin möchten wir allgemeine Tipps geben, was den nutzbringenden Gebrauch von Radios, Handgeräten, der ganzen Technik überhaupt und dem Aerie-System betrifft. Vielleicht wird das aber auch eine eigene Sendung für sich.

Und schließlich möchten wir auch Euch dazu ermutigen, diese Radiosendung aktiv zu unterstützen. Wir möchten Euch dazu ermutigen, ebenfalls auf Erforschungs- und Entdeckungsreise zu gehen, wo immer ihr seid. Ihr könnt uns Eure Berichte zukommen lassen oder über das Radio selbst an unserer Sendung teilnehmen. Vielleicht findet Ihr ja geheimnisvolle Orte, eine Pflanzen- oder Tierart, die noch nicht erfasst worden ist, ein fantastisches und besonders nützliches technisches Gerät oder möchtet aus anderen Gründen mit uns Kontakt aufnehmen. Bitte macht das, wir freuen uns darüber!

Noch ein ganz wichtiger Hinweis: Natürlich geht Sicherheit immer vor! Geht nicht einfach alleine in die Wildnis für abenteuerliche Erkundungen, es sei denn, Ihr seid Jäger. Ansonsten nehmt am besten einen Jäger mit oder begleitet Jäger auf deren eigener Mission. Geht in Gruppen und seid immer gut auf alles vorbereitet.

Und schlussendlich laden wir Euch natürlich ganz herzlich nach Tekion ein! Es ist ein bezaubernder Ort und der inzwischen schon wieder fast berühmte Turm von Tekion steht kurz vor seiner Fertigstellung. Um kein falsches Bild zu vermitteln: Die Insel ist durchaus kein ungefährlicher Ort. Wer sich bereits mit den Abenteuern von Ion auseinandergesetzt hat, der hat auch schon einen kleinen Einblick erhalten. Aber der Turm bietet Sicherheit und Komfort, und der nette Droide Erom ist immer bereit zu helfen.

Wohnräume und eine medizinische Einrichtung stehen zur Verfügung. Ihr könnt zu Besuch kommen und an unserer Sendung teilnehmen, und Ihr könnt Euch überlegen, dauerhaft hierher zu ziehen. Wir brauchen auch dringend noch Moderatoren, schließlich können wir zwei alleine nicht den ganzen Tag über die Sendung … ähm, senden. Natürlich hoffen wir auch auf abenteuerlustige Jäger und Wächter, die uns dabei helfen können, den Ort und die Umgebung ein wenig sicherer zu machen.

Falls Ihr also Interesse habt, setzt Euch einfach mit uns in Kontakt und wir holen Euch auf die Insel.

*

Die Jäger Ura und Lennast erkundeten das Tal der Dryaden. Lennast war noch kein vollwertiger Jäger; er hatte die Prüfung der Jäger-Gilde noch nicht absolviert und ließ sich von seiner Begleiterin durch verschiedene Gebiete führen, in denen er mehr über die Tier- und Pflanzenwelt lernen konnte. Das Tal der Dryaden war die letzte Station ihrer viertägigen Reise, anschließend wollten sie planmäßig in die Gilde zurückkehren. Ura erklärte ihrem Schüler die Besonderheit des Tals und lenkte ihn dabei in eine bestimmte Richtung, in welcher sie anscheinend ein interessantes Studienobjekt bemerkt hatte.

"Dryaden sind Pflanzen, die in der Lage sind, eigenständige Bewegungen auszuführen. Wir unterscheiden zwischen Pflanzen mit lediglich dryadischen Eigenschaften, Volldryaden und Superdryaden. Manche Pflanzen ziehen sich durch Berührungen zusammen oder richten ihre Blüten nach dem Sonnenstand aus; das sind lediglich dryadische Eigenschaften, und wenn man genau schaut, dann besitzen ziemlich viele Pflanzen solche Fähigkeiten.“

Ura hielt an. Sie standen in geringer Entfernung vor einer Pflanze, die mit mehreren dunkelgrünen Rankenarmen den Boden bedeckte. Sie wuchs nicht in die Höhe, war aber so breit und lang, dass ein Mensch scheinbar bequem darauf hätte liegen können. Die gefächerten, breiten Rankenarme glänzten matt im Sonnenlicht und waren verstreut mit dicken, hellen Haaren versehen. Aus der Nähe sah man winzige Widerhaken an ihnen. In der Mitte der Pflanze war eine runzelige, schwarz glänzende Halbkugel zu sehen, die fast wie ein gewöhnlicher Schrumpelpilz aussah und sogar danach roch.

„Volldryaden“, setzte Ura ihre Erklärungen fort, „können teilweise erstaunliche Bewegungen ausführen und sie je nach Art und Situation auch variieren. Dies hier ist ein Siebenarmiger Reißer, eine fleischfressende Pflanze. Sie ist darauf angewiesen, dass ihr Arbeitsfeld frei von störenden Objekten bleibt.“

Mit diesen Worten kramte sie in ihren Taschen und förderte schließlich eine große Teenuss zu Tage. Langsam und vorsichtig ging sie vor der Pflanze in die Knie und rollte die Teenuss sanft auf die Ranken, und zwischen zwei der Ranken blieb die Nuss liegen.

Die beiden Ranken begannen, sich leicht zu bewegen. Es sah aus, als würden sie langsam zur Mitte der Pflanze gezogen, wo sie sich dadurch ein wenig wölbten. Dann ging eine Wellenbewegung durch die Rankenarme, von der Mitte nach außen, durch welche die Teenuss von der Pflanze heruntergerollt wurde. Die Bewegung endete und die Pflanze sah wieder aus wie vorher. Lennast wirkte beeindruckt.

Ura nahm die Teenuss wieder an sich. „Die Pflanze unterscheidet nicht bewusst zwischen Tieren und Teenüssen. Es kommt auf das Gewicht an, beziehungsweise auf die Kraft“, erklärte sie. Mit einer Handbewegung gab sie Lennast zu verstehen, den Abstand zum Siebenarmigen Reißer zu erhöhen. Sie ging selbst einen großen Schritt zurück, zielte und warf die Teenuss auf die Mitte der Pflanze.

Lennast erschrak, als die sieben starken Rankenarme blitzschnell reagierten und sich mit einem lauten Rauschen spiralförmig um das Zentrum der Pflanze wanden. Dort verharrten sie und bildeten eine dichte, dunkelgrüne Kugel, zuckten jedoch ein wenig hin und her, vermutlich in einem Versuch, das vermeintliche Opfer durch seine mit Widerhaken besetzten Haare zu verletzen.

„Es sind nicht nur die Widerhaken, mit denen die Pflanze angreift“, führte Ura aus, „die Haare sind gefüllt mit einer giftigen Säure. Das Tier wird betäubt, und gleichzeitig wird sein Gewebe zersetzt. Durch die Betäubung spürt es nur geringe bis gar keine Schmerzen.“

„Wie nett“, kommentierte Lennast mit einem bitteren Ton in der Stimme.

„Viele Tiere überleben das sogar, soweit unsere noch spärlichen Informationen darüber Aufschluss geben. Sie können sich wieder befreien und die Pflanze lässt ihre Opfer wohl auch irgendwann wieder los. Und trotzdem: der Reißer kann auch einem Menschen gehörigen Schaden zufügen. Also pass auf, wo Du hintrittst!“, antwortete die Jägerin mit einem Augenblinzeln.

„Besonders hier“, bekräftigte ihr Schüler und schaute sich sorgsam um. „Und Superdryaden sind dann laufende, menschenfressende Bäume?“, fragte er mit gespielt übertriebener Sorge und fasste sich dabei an den Hals.

Ura lachte. Sie lehnte sich an einen Baumstamm, dessen eines Ende in die Luft ragte, während die andere Seite im Gras lag. „Nein, sie fressen keine Menschen“, antwortete sie.

Lennast machte große Augen. „Aber es sind Bäume, die laufen können?“, fragte er ungläubig nach.

Ura grinste frech. Sie kostete den Augenblick noch kurz aus, bevor sie antwortete. Der Siebenarmige Reißer bewegte sich und hatte so wieder kurz die Aufmerksamkeit der Jäger. Die Pflanze schien erkannt zu haben, dass sie kein Tier gefangen hatte. Die Rankenarme gingen auseinander und machten sich daran, wieder ihre ursprünglichen Positionen einzunehmen. Vorher wischten jedoch noch drei der Arme nacheinander über die Mitte der Pflanze und entfernten damit die Teenuss, die ins Gras rollte.

„Laufende Bäume sind noch nicht gesichtet worden“, erläuterte Ura in einem gespielt beruhigenden Tonfall, „aber Superdryaden können tatsächlich ihre Position wechseln und sich fortbewegen.“

Sie musste wieder lachen, als Lennast sich ihr zuwandte und seine Augen groß und starr wurden. „Keine Angst –“, fing die Jägerin in einem nochmal besonders beruhigendem Tonfall an.

Sie hatte nicht bemerkt, dass der scheinbare Baumstamm, an dem sie lehnte, große schwarz glänzende Augen bekommen hatte. Der mehrere Schritt lange Körper der Kreatur bewegte sich im Gras und das andere Ende des Wesens stieg in die Luft auf. Ein großer Stachel ragte für einen Moment über Ura, dann stieß er zu und schlug kraftvoll in die Schulter der Jägerin.

Sie stieß einen Schmerzensschrei aus, griff intuitiv nach dem Stachel und blickte sich benommen um. Unter den schwarzen Augen öffnete sich ein Maul mit spitzen Zähnen. „Was...“, hauchte sie.

„Lass sie los“, brüllte Lennast und zog sein Schwert. Tatsächlich riss die Kreatur ihren Stachel wieder aus Ura heraus, die mit einem weiteren Schrei zu Boden ging. Ein weiteres als Baumstamm getarntes Wesen öffnete in der Nähe seine Augen.

„Lauf weg“, stöhnte sie, aber ihr Schüler rannte bereits schreiend und mit gezogener Waffe auf das Wesen zu, das mit atemberaubender Geschwindigkeit seinen Oberkörper um die eigene Achse drehte und sich so zu einer Spirale zusammen wand. Kraftvoll schleuderte es sein mit dem tödlichen Stachel bewehrtes Ende durch die Luft.

*

Die ausgeklügelte Mechanik des Fahrzeugs tat alles, um die Stöße abzudämpfen, doch sie hatte ihre Grenzen. Normalerweise war Ion ein sehr ausgeglichener Fahrer, beschleunigte sanft und fuhr umsichtig und vorausschauend. Doch im Augenblick war ihm nach einem ganz anderen Fahrstil zumute. Ihm war nach hoher Geschwindigkeit und plötzlichen, harten Kurven, und er fuhr auch nicht den Weg, den er gekommen war. Er fuhr absichtlich durch unwegsameres Gelände und legte einen rauen Ritt hin.

Er hatte ein wenig Aggression aufgestaut und fand nun gerade einen hervorragend geeigneten Weg, diese wieder abzubauen. Was besonders gut dabei half, war der angespannte bis leicht ängstliche Gesichtsausdruck seines Beifahrers. Ion grinste fast den ganzen Weg über und kam entspannt und gut gelaunt wieder in Geroda an.

Wenig später saßen sie bereits zusammen mit Ions Frau Shana sowie den Jägern Morafey und Naga an der Feuerstelle auf dem Ratsplatz und machten sich bekannt. Nach der aufregenden Fahrt wirkte Samush in Ions Augen gleich wesentlich entspannter und nicht mehr so großspurig, wie er ihn zu Beginn wahrgenommen hatte.

Zufrieden ging er hinüber zur Tech-Säule, als diese das Signal von sich gab, das einen eingehenden Anruf ankündigte. Obwohl der Richter mit der steinharten Frisur ihm nun viel umgänglicher vorkam, war Ion doch froh darüber, dass dieser in ein Gespräch mit den anderen verwickelt war und ihn nicht zur Säule begleitete, um dem Gespräch mit Erom beizuwohnen.

Ion legte einen Finger auf eine sanft aufleuchtende Sensorfläche an der Tech-Säule. Eine Verblendung fuhr herunter und offenbarte einen Bildschirm, auf dem der Droide Erom zu sehen war. Er sah aus wie eine Rüstung aus Metall in Blau und Silber. Zwei kreisrunde, blau leuchtende Kameras strahlten aus dem Kopf heraus. Hinter ihm erkannte Ion den Hauptcomputer der Insel Tekion, ein Raum voller Glaskästen, gefüllt mit blinkender Elektronik.

„Hallo Erom“, begrüßte Ion den Droiden. Die mit Humor ausgestattete künstliche Intelligenz machte mit einer Hand das Symbol für Frieden und antwortete: „Liebe und Frieden, Bruder.“

Ein Holo-Wesen materialisierte sich aus dem Nichts vor dem Droiden und schaute Ion mit großen Augen an; eine Gestalt aus Licht, kaum größer als eine menschliche Faust, mit Ohren, die nochmal so hoch wie das Wesen selbst waren und in die Höhe ragten. „Hallo Neo Bunny“, begrüßte Ion das Hologramm.

„Ein Schwarm von Feen ist auf dem Weg zu Euch“, informierte Erom den Richter von Geroda. „Sie werden dabei helfen, die Gegend zu erkunden, die Tiere zu erforschen und deren Verhalten zu protokollieren. Weiterhin ist ein Richter aus dem Dorf Feuertal auf dem Weg zu Euch. Die Leute dort haben ebenfalls unter vermehrten Angriffen aggressiver Tiere zu leiden.“

„Ja, der ist schon hier eingetroffen“, sagte Ion wenig begeistert mit einem Blick zu Samush.

„Ausgezeichnet“, antwortete der mechanische Richter, und seine Augen vergrößerten sich. Ion glaubte, für einen Augenblick eine weiße Gestalt hinter Erom zwischen den Glaskästen gehen zu sehen. Er stutzte und zeigte auf die entsprechende Stelle an seinem Bildschirm. Doch bevor er etwas sagen konnte, sprach dieser schon weiter.

„Ich habe mir erlaubt, eine neue Produktionsreihe zu starten“, erwähnte der Droide. „Der erste Prototyp ist fertiggestellt und wirkt vielversprechend. Ich werde Euch bald jemanden zu eurer Unterstützung schicken können, um die Probleme in den Griff zu bekommen.“

„Gut“, sagte Ion, der nicht genau wusste, worum es geht, aber auch zu abgelenkt war, um nachzufragen. Er zeugte erneut auf den Bildschirm und öffnete den Mund, aber wieder kam ihm Erom zuvor.

„Eine Fee ist vor drei Tagen bei einem Erkundungsauftrag auf dem Kontinent verloren gegangen“, teilte er Ion mit. Seine Augen verkleinerten sich dabei. „Die Umstände sind noch unklar. Zuvor hatte sie jedoch noch Daten übermittelt, die Euch interessieren könnten. Sie scheint eine maschinelle Anlage entdeckt zu haben, die offenbar in Betrieb ist, obwohl noch kein Gnom dort war, seit Du Gnom 33 aktiviert hattest.“

Ion erinnerte sich gut an den kleinen Roboter für Reparaturen und Instandhaltungen, der seit langer Zeit nach der großen Katastrophe wieder auf dem Planeten aktiv geworden war. Er selbst hatte ihn wieder angeschaltet. Allerdings war er nicht der erste, sondern der zweite gewesen. Der erste wurde noch für ein feindlich gesonnenes Wesen gehalten, welches das Dorf angreifen würde. Er war erschossen worden.

„Ich habe vorhin auch eine Fee verloren!“, fiel Ion zu dem Bericht des Droiden ein. „Es war auf dem Rotstein-Plateau. Es sah so aus, als wenn eine Gestalt nach der Fee gegriffen hätte, obwohl sie noch gar nicht in Reichweite war, aber dann brach der Kontakt ab.“

„Hast Du keine weitere Fee hingeschickt, um die Lage zu überprüfen?“, frage Erom.

Zerknirscht schüttelte Ion den Kopf. „Ich hatte keine mehr dabei, und dann auch kam Samush vorbei“, erklärte er.

„Die beiden Vorfälle könnten in Zusammenhang zu stehen. Der von mir erwähnte Vorfall spielte sich ebenfalls in relativer Nähe zum Rotstein-Plateau ab“, erläuterte der Richter von Tekion. „Ich sende Dir die Informationen zu, vielleicht wollt Ihr der Sache nachgehen.“

Auf dem Bildschirm erschien eine Karte. Sie enthielt Markierungen und unvollständige Grundrisse einer von Menschen angelegten Struktur.

„Nehmt jedoch biologische Scanner mit“, riet Erom mit großen Augen. „In einem großen Umkreis um die Anlage herum scheinen keine Pflanzen zu wachsen. Möglicherweise ist die Umgebung für Euch giftig!“

Ion nickte. Er stockte, als er wieder für einen winzigen Augenblick eine weiße Gestalt zu sehen glaubte, die sich Erom von hinten näherte. Dann wurde das Bild zu einem Chaos an Farben und Formen.

„Alles in Ordnung, Erom?“, rief Ion alarmiert. „Ich sehe Dich nicht mehr!“

„Auf dieser Seite der Leitung ist der Wohlfühlfaktor ganz oben“, antwortete der Droide im sachlichen Tonfall. „Der visuelle Datenstrom wird nur gerade missbraucht, wie ich an den Übertragungsprotokollen erkennen kann.“

Die Worte beunruhigten den Richter des Dorfes. Das Bild wurde wieder klar und Erom war wieder deutlich zu sehen. Auf Ions Seite des Bildschirms materialisierte sich Neo Bunny, eines der Holo-Wesen von Tekion, das mit einer künstlichen Intelligenz unterer Stufe ausgestattet war und keinen äußeren Befehlen gehorchte. Ion entspannte sich erleichtert. Die kleine Lichtgestalt schmiegte sich an seine Hand.

„Wenn unser Besucher Dich sieht, regt er sich bestimmt auf“, seufzte er. Ob Neo Bunny ihn verstanden hatte, konnte er nicht sagen, aber das Holo-Wesen hüpfte einfach durch die Wand der Tech-Säule und verschwand dort.

„Passt gut auf!“, warnte Erom. „Zent ist irgendwo dort draußen und ist eine Gefahr für uns alle. Jeder unliebsame Vorfall könnte direkt oder indirekt mit ihm zusammenhängen.“

Ion nickte wieder. Zent war ein gerissener Kopf, ein talentierter Kämpfer und vermutlich völlig verrückt. Ion war ihm auf Tekion begegnet und dachte mit Schaudern daran zurück. Keiner wusste, wo er hergekommen war, aber er hatte sich als skrupellos und egoistisch erwiesen und hielt sich nicht an den Bürger-Kodex; das Werk über akzeptierbares und nicht akzeptierbares Verhalten, wie Menschen miteinander umgehen sollten, um friedlich und kooperativ zum Wohle der Gemeinschaft zusammenleben zu können.

Ion verabschiedete sich von Erom und sah gerade noch verwundert, wie der Droide sich zur Seite drehte und offensichtlich mit jemandem dort sprach, der nicht auf dem Bildschirm zu sehen war. Einen Augenblick lang dachte er darüber nach, dann berührte er achselzuckend den Sensor, wodurch die Verblendung wieder schützend vor den Bildschirm fuhr, und kehrte zur Gruppe zurück.

„Ja, ich war dort“, sagte Samush gerade. „Der Roboter hatte mir ein Fluggerät geschickt, das mich nach Tekion gebracht hat. Der Turm war sehr eindrucksvoll, obwohl er sich noch in Reparatur befand. Genervt hatten diese dicken, weißen Informationsroboter, die überall rumstanden und Fragen stellten und über das Wetter geredet haben.“

„Ach, funktionieren die jetzt? Wie schön!“, sagte die Jägerin Morafey fröhlich. „Als wir dort waren, wussten wir nicht, ob das nur Statuen sind oder ob die auch was können.“

„Auf die Nerven gehen können die, und das reichlich“, bestätigte Samush. „Es hat eine Weile gedauert, bis ich einen von ihnen angefahren habe, dass ich nicht mit ihnen reden will. Dann waren sie aber tatsächlich auch still.“

Der Wächter Bero kam von seiner Arbeit und sah seine Freunde und den Neuankömmling an der Feuerstelle sitzen. Beim Näherkommen sah er die Frisur des Besuchers und musste lachen. Er lachte - wie immer - laut, tief und aus ganzem Herzen. Die große und eindrucksvolle Figur des bei weitem stärksten Mannes im Dorf gab einen guten Resonanzkörper ab.

Als der Richter aus Feuertal sich zu ihm umdrehte, erkannte er nicht, worüber Bero lachte, denn der hatte seinen Blick inzwischen von ihm abgewandt und lachte nun seine Freunde an. Doch als der Wächter die Gruppe erreicht hatte, musste er einfach die Frisur von Samush anfassen und lachte erneut los. Schließlich begrüßte er den Besucher mit einem zu festen Handschlag und einem verunsichernd starken Schlag auf die Schulter, und sie stellten sich einander vor.

Bero setzte sich dem Richter aus Feuertal gegenüber. Über dessen Schulter hinweg sah er, wie Norak sich näherte; ein kleiner, dicker Mann aus der Gilde der Wissenschaftler. Er hatte kurze, dunkle Haare und einen Vollbart. Seine großen Augen standen scheinbar nie still und kullerten immerzu zwischen den Leuten und den Dingen vor seiner Nase hin und her.

Er brachte einen weiteren Unbekannten mit. Bei seinem Anblick musste Bero sofort wieder lachen. Es war ein kleiner, drahtiger Mann in schlammfarbener Kleidung mit einem flachen, hellbraunen Hut aus Stracksen-Stroh auf dem Kopf. Es wirkte, als hätte er etwas zu kurze Beine, doch er lief entspannt und in aller Ruhe auf die Gruppe zu, während Norak angestrengt doppelt so viele Schritte machen musste.

„Guten Tag wünsche ich. Ich bin Manjaro, Jäger aus Liberin“, stellte er sich förmlich vor, deutete an seinen Hut zu ziehen und verneigte sich leicht vor der Gruppe. „Ich grüße Euch von Richterin Kessaya, die mir empfohlen hat, Euch aufzusuchen“, sagte er hauptsächlich mit Blick auf Ion.

„Das wird ja anscheinend noch eine richtige Versammlung hier“, kommentierte Shana und stand auf. „Ich werde mal Godina rekrutieren und ein paar Leckereien organisieren.“

Sie ging an Manjaro vorbei, der dies zum Anlass nahm, wieder an seinem Hut zu ziehen und sich zu verneigen, bevor er sich neben Bero setzte, der doppelt so groß wirkte wie der Jäger aus Liberin und ihn breit angrinste. „Und was können wir für Dich tun, kleiner Mann?“, fragte er frech.

*

Kessaya machte ihren Rundgang durch Liberin. Sie war die Richterin des Dorfes und trat so forsch und bestimmt auf, dass jeder auch sofort ihre Rolle akzeptierte. Niemand würde es jemals wagen, den Einwand anzubringen, dass sie doch erst ein kleines Mädchen sei.

Mit Stiefeln, die an ihr schwer und groß erschienen, schritt sie zielsicher voran. Ihr feuriger Blick eilte ihr voraus und strahlte zwischen ihren dunkelroten Locken hervor, die einen schwarzen Zylinder trugen. Die Hosenträger ihrer Hose liefen über ein Hemd mit Spitzen und Rüschen und an einem von ihnen war das richterliche Abzeichen befestigt.

Heute führte ihr Weg sie intuitiv in das technische Lager, das erst vor kurzem eilig und provisorisch eingerichtet worden war, um Liberin schon mal mit technischen Geräten auszustatten, die dem Dorf bis dahin gefehlt hatten und von denen man erwartete, dass sie demnächst wichtige alltägliche Gebrauchsgegenstände werden würden.

Es war noch nicht lange her, dass Kessaya die Insel Tekion erkundet und dort ihre jetzigen Freunde aus Geroda kennengelernt hatte, um die Geheimnisse der verlorengegangenen Technik zu ergründen. Erfolgreich reaktivierten sie gemeinsam das System, welches sich von da an selbst weiter reparieren und versorgen würde, und die Menschheit des gesamten Planeten schlussendlich wieder mit Technik bereichern würde, um Sicherheit und Komfort für jeden zu gewährleisten.

„Naja, fast