Das Ritual in der Humanistischen Freimaurerei - Hans-Hermann Höhmann - E-Book

Das Ritual in der Humanistischen Freimaurerei E-Book

Hans-Hermann Höhmann

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Beschreibung

Mit der Erörterung der Rolle des Rituals setzt Hans-Hermann Höhmann seine Studien und Vorschläge zu einer Humanistischen Freimaurerei fort. Im Rahmen dieser Konzeption ist das Ritual für ihn keineswegs die ganze Freimaurerei. Doch es ist das, was Freimaurerei von anderen Bünden unterscheidbar macht. Das Ritual besitzt keinen Offenbarungscharakter, vermittelt keine Heilslehren und hat keine magische Qualität. Es begründet keine Religion und sollte auch keine ersatzreligiösen Funktionen übernehmen. Das Ritual ist ein spezifisches Medium der Kommunikation. Es vermittelt Denkanstöße, öffnet das Bewusstsein des Maurers für ein Wahrnehmen bisher verborgen gebliebener Schichten der Persönlichkeit, lehrt durch Symbole und rituelle Handlungen und vermittelt der sozialen und diskursethischen Praxis der Loge eine die Gesamtperson des Bruders erfassende spirituelle Grundlage. Resultat ist eine Freimaurerei, die Gemeinschaft, Ethik und Ritual als Einheit umfasst. Insbesondere Gedankenwelt und Ritual stehen sich in der Humanistischen Freimaurerei nicht mehr unvermittelt gegenüber.

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Das Ritual in der Humanistischen Freimaurerei

Funktion, Struktur, Praxis

Hans-Hermann Höhmann

Inhalt

Vorbemerkung

1. Einleitung

2. Herkunft: Entwicklung der Humanistischen Freimaurerei in Deutschland

3. Humanismus und Aufklärung in der Freimaurerei der Gegenwart

4. Das Ritual in der Humanistischen Freimaurerei

Inhaltliche Aspekte des freimaurerischen Rituals, freimaurerische Spiritualität

Drei zentrale Bilderwelten

Symbolische Ordnung, symbolischer Raum, symbolische Zeit

Primat der alten symbolischen Handwerksgrade

Kernsymbole: Die drei „Großen Lichter“ der Freimaurerei

5. Das Ritual der Freimaurer im Spiegel der Ritualforschung

Die Rückkehr des Rituellen

„Die neue Kraft der Rituale“

Zum Verhältnis zwischen Ritualforschung und Freimaurerei

Ritualdimensionen und ihre freimaurerische Bedeutung

Exkurs Ritualmusik

Die Ambivalenz des Rituellen

Anmerkungen

Prof. Dr. Hans-Hermann Höhmann

eBook EPUB: ISBN 978-3-96285-106-4

Print: ISBN 978-3-943539-42-4

Originalausgabe

Copyright © 2016/2020 by Salier Verlag, Leipzig

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Gemälde von Petra Talsma

Satz und Herstellung: Salier Verlag, Bastian Salier, Bosestr. 5, 04109 Leipzig

www.salierverlag.de

Die größten Ereignisse −

das sind nicht unsre lautesten,

sondern unsre stillsten Stunden.

Friedrich Nietzsche

„Also sprach Zarathustra“

Vorbemerkung

Mit der Erörterung der Rolle des freimaurerischen Rituals setze ich meine Studien und Vorschläge zum Konzept einer Humanistischen Freimaurerei fort. Im Rahmen dieser Konzeption ist das Ritual keineswegs die ganze Freimaurerei. Doch es gehört wesentlich zur Freimaurerei dazu, und es ist das, was Freimaurerei von anderen humanitären Bünden unterscheidbar macht. Um das Ergebnis meiner Überlegungen vorweg zu nehmen: Das Ritual besitzt keinen Offenbarungscharakter, vermittelt keine Heilslehren und hat keine magische Qualität. Es begründet keine Religion und sollte auch keine ersatzreligiösen Funktionen übernehmen. Es ist ein spezifisches Medium symbolischer Kommunikation. Es vermittelt Denkanstöße, öffnet das Bewusstsein des Maurers für ein Wahrnehmen bisher verborgen gebliebener Schichten der Persönlichkeit, lehrt durch Symbole und rituelle Handlungen und vermittelt der sozialen und diskursethischen Praxis der Loge eine die Gesamtperson des Bruders erfassende spirituelle Grundlage.

Resultat ist eine Freimaurerei, die Gemeinschaft, Ethik und Ritual als Einheit umfasst. Insbesondere Gedankenwelt und Ritual stehen sich in der Humanistischen Freimaurerei nicht mehr unvermittelt gegenüber. Ich sehe in der Humanistischen Freimaurerei eine Konzeption, von der nicht nur Impulse in Richtung einer geordneten und widerspruchsfreien Struktur und Praxis des Freimaurerbundes ausgehen könnten, sondern auch ein klares, von okkulten Entstellungen und politischen Verdächtigungen freies Freimaurerbild für die Öffentlichkeit.

Es ist mein Anliegen, das freimaurerische Ritual nicht isoliert, sondern in seiner Beziehung zu den anderen Strukturelementen der Freimaurerei und zum Gesamtkonzept der Humanistischen Freimaurerei zu betrachten. Auch interessieren mich die vielen, immer wieder in Ritualunterweisungen dargestellten Details der freimaurerischen Symbolik weniger als die Bedeutung, die das Ritual als gemeinsames symbolisches Handeln für die Festigung der Logengruppe und die Herausbildung eines individuellen „freimaurischen Habitus“ besitzt. Deshalb habe ich mich auch – was in der Freimaurerei selten geschieht – eingehend mit der Frage beschäftigt, was die moderne Ritualtheorie zum Verständnis der freimaurerischen Rituale beitragen kann.

Selbstverständlich ist alles, was ich hier – in Weiterentwicklung und Fortschreibung bisheriger Überlegungen und Analysen – ausführe, vorläufig und als Einladung zum Diskurs gedacht. Zu danken habe ich vielen Brüdern, Freunden und Berufskollegen, die mein Denken angeregt haben, insbesondere aber meinen Freunden Thomas Forwe, der das Manuskript kritisch durchgesehen hat, und Bastian Salier, der auch diese Arbeit in das Programm seines Verlages aufgenommen hat.

Köln, im Januar 2016

Hans-Hermann Höhmann

1. Einleitung

Wie kann die Freimaurerei heute – nach bald 300 Jahren einer wechselhaften, phasenweise dynamisch-expansiven, zuweilen aber auch diffus-stagnierenden Geschichte – als sozial und kulturell bedeutsame Gemeinschaft, Idee und rituelle Ausdrucksform verstanden und nach innen und außen überzeugend praktiziert werden? Wie kann die Freimaurerei Menschen ansprechen, die humanistische Werte bejahen, mitmenschlich handeln wollen und für ihr Leben Sinn suchen? Um welche Kultur der Geselligkeit, um welche konzeptionellen Grundlagen, um welche rituelle Praxis hätte sich eine solche Freimaurerei zu bemühen?

Vermutlich gibt es mehr als eine Antwort auf diese Fragen, und je offener und innovativer die Freimaurer (und inzwischen ja auch die Freimaurerinnen) in den von ihnen geführten Diskursen über Gegenwart und Zukunft ihres Bundes sind, desto eher wird es gelingen, Entwürfe zu erarbeiten, die einerseits bewährten Überlieferungen der freimaurerischen Tradition folgen, doch andererseits tauglich sind, viele Ungereimtheiten und Widersprüche zu überwinden, die heute in der Freimaurerei anzutreffen sind, und die gleichfalls Bestandteil der historischen Erbschaft des Bundes sind.

Meine Modellvorstellungen für eine gegenwartstaugliche Freimaurerei, über die ich wiederholt publiziert habe1, sind an den Traditionen von Humanismus und Aufklärung orientiert, wie es meine freimaurerische Heimat, die Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (GL AFuAM) ja auch vermuten lässt. Dabei bin ich mir allerdings bewusst, dass das innerhalb der Großloge üblich gewordene Bekenntnis zu diesen Traditionen nicht genügen kann. Es reicht auch nicht aus, sich mit humanistisch-aufklärerischen Traditionen vergangener Epochen zu beschäftigen. Was Humanismus und Aufklärung heute bedeuten, was ihre Quellen und Bezüge in der Gegenwart sind und auf welche Weise sie der Freimaurerei im Hier und Jetzt der zur digitalen Gesellschaft werdenden Moderne Profil geben, insbesondere auch der Praxis der Freimaurerei, das müsste viel klarer erarbeitet und kommuniziert werden als bisher.

Im Konzept einer Humanistischen Freimaurerei, so wie ich sie verstehe und vertrete, sind die Logen der Freimaurer Wertegemeinschaften und keine Glaubensgemeinschaften. Sie sind auch keineesoterischen Zirkel. Die Freimaurer teilen Werte, sie müssen in ihren Auffassungen aber nicht im Hinblick auf die Quellen übereinstimmen, aus denen sich diese Werte individuell speisen, wie zum Beispiel einen religiösen Glauben. Humanistische Freimaurerei kann auch säkular verstanden werden.

Für mich findet Humanistische Freimaurerei in einem vierfachen Selbstverständnis ihren Ausdruck, wobei sich die genannten Aspekte gleichrangig miteinander verbinden:

Auf der Basis einer in der Loge eingeübten Kultur der Mitmenschlichkeit ist Frei­maurerei Pflege von Freundschaft und Geselligkeit. Die Logen der Freimaurer sind Gemeinschaften, die „gute und redliche Männer, Männer von Ehre und Anstand, ohne Rücksicht auf ihr Bekenntnis oder darauf, welche Überzeugungen sie sonst vertreten mögen“ (Alte Pflichten2) über alle weltanschaulichen, politischen, nationalen und sozialen Grenzen hinweg miteinander verbinden wollen. Die Logen und die Menschen in ihnen wollen sich miteinander und mit anderen Men­schen und Menschengruppen vernetzen, denn nur durch eine solche Vernetzung von Mensch zu Mensch können in moder­nen komplexen Gesellschaf­ten mit ihrer Tendenz zu diffuser Anonymität und Aggressivität über­sichtliche und humane Lebens­welten geschaffen und erhalten werden.In der Tradition von Humanismus und Aufklärung sind die Logen der Freimaurer ethisch orientierte Assoziationen, in denen ge­meinsam laut nachgedacht werden kann, um Wege zuLebenssinn und Motivation zu moralischem Handeln ausfindig zu machen. Freimaurer stimmen darin überein, dass sie Werten verpflichtet sind, die sie – im Sinne von Orientierungsrahmen – mit alten humanistisch-aufklärerischen Begrifflichkeiten wie Humanität, Brüderlichkeit, Toleranz, Gerechtigkeit und Friedensliebe umschreiben. Sie bemühen sich darum, für diese Werte zeitgemäße Ausdrucksformen zu erarbeiten und auf dieser Grundlage an gesellschaftlichen Diskursen und moralischer Praxis auch außerhalb der Loge teilzunehmen. Die weltanschaulich-religiöse Begründung von Werten überlassen sie jedoch strikt dem einzelnen Bruder.Die Logen der Freimaurer bieten einen auf Symbole und Rituale gegründeten spiri­tuellen Wahrnehmungs-, Handlungs- und Erfahrungsraum, in dem die Ziele und Ideen des Freimaurerbundes im Bewusstsein und im Habitus der Brüder ver­ankert werden. Das Ritual ist keineswegs die ganze Freimaurerei, doch es ist das, was Freimaurerei von anderen Bünden mit humanitärer Einstellung unterscheidbar macht. Es besitzt keinen Offenbarungscharakter, vermittelt keine Heilslehren und hat keine magische Qualität. Das Ritual begründet keine Religion und sollte auch keine ersatzreligiösen Funktionen übernehmen. Es ist ein spezifisches Medium symbolischer Kommunikation. Es vermittelt Denkanstöße, es öffnet das Bewusstsein des Maurers für ein Wahrnehmen bisher verborgen gebliebener Schichten der Persönlichkeit, es lehrt durch Symbole und rituelle Handlungen und rundet so die soziale und diskursethische Praxis der Loge durch eine die Gesamtperson des Bruders erfassende spirituelle Dimension ab.Durch die Zusammenfassung der drei vorgenannten Elemente in einem aufeinander abgestimmten Gesamtkonzept wird Freimaurerei zu einer Lebenskunst der Praxis, die freundschaftliches Miteinander und ethisch-moralische Daseinsorien­tierung durch Symbole und Rituale in der Gemeinschaft der Loge sowohl ratio­nal erfassbar als auch emotional erlebbar macht. Freimaurerische Lebenskunst zielt darauf hin, Beziehungen herzustellen und Umgangsstile zu entwickeln: Stile des Umgangs mit sich selbst, wie Selbstrespekt, verbunden mit Selbsterkenntnis und Selbstkritik; Stile des Umgangs mit anderen Menschen: Mitmenschlichkeit, tolerantes Verstehen ohne Unterwerfung und Symbiose; Stile des Umgangs mit den Dingen der Welt: Verantwortung übernehmen für Gesellschaft und Umwelt; schließlich Stile des Umgangs mit Transzendenz, was letztlich meint, im Hinblick auf letzte Fragen Frieden zu finden.

Freimaurerei ist nach meinem Verständnis somit keineswegs primär Kultgemeinschaft oder gar religiöse Vereinigung, wie gelegentlich postuliert wird.3 Die Logen sind vielmehr in erster Linie ethisch orientierte Gemeinschaften, in denen sich humanistische Gesinnung und humanitäre Praxis im Sinne einer auch im Alltag tauglichen Lebenskunst entfalten können.

2. Herkunft: Entwicklung der Humanistischen Freimaurerei in Deutschland

Was sind die Hauptelemente einer Humanistischen Freimaurerei heute? Wie lässt sich für Maurer und Maurergruppe eine im Inneren praktizierbare und nach außen vermittelbare humanistische Identität begründen?

Erinnern wir uns an die Ausgänge, auf die wir uns beziehen:

Humanismus wurde historisch präsent durch Bemühen um Humanität im Sinne einer der Menschenwürde und der

freien Entfaltung der Persönlichkeit entsprechenden Gestaltung von Leben und Gesellschaft. Bildung und Erziehung sowie die Schaffung der dafür notwendigen Lebens- und Umweltbedingungen sollten dabei eine besondere Rolle spielen. Im Kontext der Geschichte meint Humanismus die Geisteshaltung, die zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert die historische und kulturelle Epoche der Renaissance kennzeichnete. In Anlehnung an die Antike zielte Humanismus auf das Idealbild eines Menschen, der seine Persönlichkeit auf der Grundlage allseitiger theoretischer und moralischer Bildung frei entfalten kann.

Aufklärung hat bleibende Bedeutung für die Freimaurerei als anstoßgebende, Ende des 17. Jahrhunderts beginnende geistesgeschichtliche Epoche („Zeitalter der Aufklärung“) und zugleich als die den Bund – gemeinsam mit anderen Faktoren1 – prägende Richtung des Denkens, die von England („Enlightenment“) und Frankreich („Lumières“) ausgehend das europäische Geistesleben der nach ihr benannten Epoche bestimmte. Charakteristisch für das Denken der Aufklärung ist ein Erkenntnisprozess, der traditions- und institutionskritisch dem Grundanliegen verpflichtet ist, dem Menschen mit Hilfe der Vernunft zum „Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (I. Kant) zu verhelfen. Die Anfänge der Aufklärung finden sich in Ansätzen schon in Renaissance, Humanismus und Reformation.

Was bedeutet es heute, in der Tradition von Humanismus und Aufklärung zu stehen?

Zunächst: Auch eine solche, modern akzentuierte Freimaurerei ist durchaus traditionsbewusst. Sie geht davon aus, dass sich Freimaurerei nur aus ihrer Geschichte heraus legitimieren kann, wobei sie bewusst an die Traditionen von Humanismus und Aufklärung anknüpft. Viele Quellen dafür, die auch heutzutage hoch aktuell sind, vor allem, wenn man kreativ mit ihnen umgeht, findet sie in den freimaurerischen Diskursen der Vergangenheit, insbesondere im klassischen Freimaurerdiskurs, der in den letzten Jahrzehnten des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts geführt wurde,2 als nach Krise und Zusammenbruch der „Strikten Observanz“ eine Neuorientierung der Freimaurerei in Deutschland erforderlich wurde. Für freimaurerische Autoren wie Lessing, Herder, Fichte, Krause, Feßler und Schröder ging es um tragfähige Konzepte für eine Freimaurerei, die sich in den gesellschaftlichen Veränderungsprozessen ihrer Zeit bewähren konnte. Ich habe zum klassischen Freimaurerdiskurs wiederholt publiziert.3 Es genügt daher, an dieser Stelle nur die Hauptgedanken der wichtigsten Diskursteilnehmer zusammenzufassen:

Gotthold EphraimLessing ist von der Freimaurerei seiner Zeit enttäuscht. Doch bleibt Freimaurerei für ihn auch als Institution von Bedeutung, vor allem, wenn sie die ihr zugedachte Funktion der Überbrückung von Konflikten erfüllen kann. Denn die Freimaurerei beruht für Lessing „im Grunde nicht auf äußerlichen Verbindungen, die so leicht in bürgerliche Anordnungen ausarten; sondern auf dem gemeinschaftlichen Gefühl sympathisierender Geister“. Auch Lessing ist von der Faszination der Freimaurerei gefesselt. Auch er kritisiert die kon­krete Form des Bundes, dessen „heutiges Schema ihm gar nicht zu Kopfe“ will. Auch ihn fordert heraus, die Wesenheit der Freimaurerei auf den bestimmten Begriff einer „wahren Ontologie“ zu bringen und aufzuzeigen, „was und warum die Freimaurerei ist, wenn und wo sie gewesen, wie und wodurch sie befördert oder gehindert wird“. Er tut dies – vor allem, aber nicht nur in „Ernst und Falk“4 – als Anwalt einer Kultur der Vermittlung, die Grenzen überschreitet, deren Medium und Ziel Freundschaft und Menschenliebe sind, und die sich in einem offenen Prozess der Wahrheitssu­che realisiert.5

Die philosophischen und pädagogischen Auffassungen Johann Gottfried Herders bilden – so ist Wolfgang Förster zuzustimmen – einen Höhepunkt der deutschen und europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts: „Herders tiefer, universal begründeter Humanismus, seine demokratische Geschichts- und Gesellschaftsinterpretation, seine Ideen von der Gleichheit der Menschen, der Gleichberechtigung und brüderlichen Verbundenheit aller Völker und Nationen, seine Verurteilung des Kolonialismus, seine Ablehnung von Krieg und Gewalt, sein Eintreten für Toleranz und geistige Freiheit enthalten unentbehrliche Orientierungspunkte für die Bewältigung der ungelösten Menschheitsprobleme der Gegenwart.“6 Was die Freimaurerei betrifft, so geht Herder (zunächst) am weitesten über ihre institutionelle Form hinaus: „Alle solche Symbole mögen einst gut und notwendig gewesen sein, sie sind aber, wie mich dünkt, nicht mehr für unsere Zeiten. Für unsere Zeiten ist das Gegenteil ihrer Methode nötig, reine helle offenbare Wahrheit.“7 Herder verändert seine Position jedoch in der Zusammenarbeit mit Friedrich Ludwig Schröder bei dessen Hamburger Ritualreform und postuliert jetzt die humanitäre Gemeinschaft, weil „eine Gesellschaft tausendfach mehr (vermag), als zerstreute Einzelne auch bei der edelsten Wirksamkeit zu thun vermögen“.8

Johann GottliebFichte – mitten im Reformprozess formulierend – bleibt der institutionalisierten Freimaurerei am stärksten verhaftet. Auch ihm ist daran gelegen, „auf die tabula rasa der Freimaurerei etwas zu schreiben, was ihrer wür­dig ist“.9 Ihn beschäftigt die Frage, ob es einen überzeugenden Zweck für die Loge gibt, und er sieht die Antwort in einem humanistischen Bildungsauftrag