Das Tagebuch der Madelaine - Claudia Varrin - E-Book

Das Tagebuch der Madelaine E-Book

Claudia Varrin

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Beschreibung

Die New Yorker SM-Autorin Claudia Varrin lotet auch in ihrem neuesten Buch die Facetten von BDSM (kurz für: Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism) aus. Sie lebt SM mit Leib und Seele und erkundet die mannigfaltigen Möglichkeiten der Szene. Das 'Tagebuch der Madelaine' setzt dort an, wo 'Die Kunst der weiblichen Unterwerfung' aufgehört hat, basierend auf den intimen Tagebuchnotizen der Autorin geht es von der Theorie zur Praxis. BDSM-Anfänger, aber auch Fortgeschrittene werden Anregungen für eigene Spiele mitnehmen können. Neugierige können einen Blick über den eigenen Tellerrand wagen und eine Spielart von Sexualität entdecken, die nur wenige wirklich zu leben wagen. Claudia Varrin reist nach London, um sich dort einem bekannten SM-Master als Sklavin Madelaine zu unterwerfen. Er ist äußerst erfahren und fantasievoll, ihre gemeinsamen Spiele werden immer extremer. In einem englischen Landhaus wird sie professionell abgerichtet, und später führt ihr Master sie in die Londoner SM-Szene ein. Madelaine überschreitet bei den erotischen Machtspielen ihre eigenen Grenzen und erfährt dabei, dass sie viel weiter gehen kann, als sie je geahnt hatte. Sie entdeckt Tiefen ihrer Lust, die ihr verborgen waren, aber sie muss dafür die immer krasseren Wünsche ihres Masters bedingungslos erfüllen. Das Tagebuch der Madelaine gewährt einen tiefen Einblick in die vielfältigen Ausprägungen menschlicher Sexualität.

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Seitenzahl: 469

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Claudia Varrin

Das Tagebuch der Madelaine

Wenn Unterwerfung Wirklichkeit wird: Eine Domina lebt ihre devoten Wünsche

Übersetzt von Nadine Bunske

Schwarzkopf & Schwarzkopf

Haftungsausschluss

Dieses Buch enthält Schilderungen kontroverser, riskanter, mitunter auch gefährlicher sexueller Praktiken aus dem Tagebuch der Autorin. Der Inhalt der folgenden Seiten dient einzig und allein der Unterhaltung, nicht als Anleitung. Ihre Veröffentlichung bedeutet nicht, dass diese Praktiken mehr sein könnten als die rein persönlichen Erlebnisse einer Frau. Die Autorin und der Verlag übernehmen keinerlei Verantwortung für den Fall der Ausübung oder falschen Anwendung der in diesem Buch beschriebenen Praktiken.

Anhänger von BDSM-Praktiken haben ein ausgeprägtes Bewusstsein für die körperlichen und seelischen Gefahren ihres Tuns. Damit Risiken minimiert, Probleme vorhergesehen und gegebenenfalls verstanden werden können – vor allem aber, damit sie gar nicht erst auftreten –, sind größtmögliche Sorgfalt und die Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen geboten. Vor und nach der Lektüre dieses Buches empfehlen wir die Beschäftigung mit weiterführender Literatur.

Im Übrigen besteht für BDSMer ein ganz realer und klarer Unterschied zwischen einvernehmlichen, für beide Seiten lustvollen Akten unter Erwachsenen und jeder Form von Gewalt gegen Partner, die damit nicht einverstanden und / oder minderjährig sind. Wer einem Partner gegen dessen Willen eine sexuelle Handlung aufzwingt, handelt unmoralisch, verwerflich und abstoßend und erfüllt in manchen Ländern den Straftatbestand der Vergewaltigung. Die entsprechenden Gesetze sind von Land zu Land verschieden. In manchen Ländern sind die genannten Aktivitäten auch zwischen einvernehmlichen Erwachsenen illegal.

Einleitung

Madelaine? Mad elaine!

Darf ich mich Ihnen vorstellen? Mein Name ist Claudia Varrin, doch als Sub hieß ich Madelaine. Im Spaß nannte ich mich manchmal »Mad Elaine«, die verrückte Elaine. Daran hatte ich allerdings nicht gedacht, als ich den Namen wählte. Ich entschied mich für ihn, weil ich seinen Klang mochte, wenn man ihn mit französischem (oder einem anderen europäischen) Akzent aussprach. Ich fand, er klang schön, und ich wollte mit einem schönen Namen angesprochen werden, wenn ich die submissiven Sehnsüchte erforschte, die ich schon mein Leben lang hegte. Ob Sie beim Lesen wohl erkennen, wann ich »Madelaine« war und wann »Mad Elaine«?

Wenn Sie Die Kunst der weiblichen Unterwerfung gelesen haben, wissen Sie schon ein bisschen über sich und über mich. Mein öffentliches Eingeständnis, dass ich professionell zwar Domina war, privat aber lieber die submissive Rolle spielte, hat mir Ärger an allen Fronten eingehandelt. Weibliche Doms behaupteten, ich könne ja »keine richtige Dom« sein, wenn ich submissive Fantasien hegte oder die Rolle der Sub einnahm. Männliche Doms wollten, dass ich mich ihnen unterwerfe. Weibliche Subs guckten blasiert und dachten: »Wusste ich’s doch!« Unzählige männliche Doms, von denen ich die meisten gar nicht kannte, behaupteten, sie seien mein Meister gewesen. Ehrlich gesagt, sehe ich mich weder als Dom noch als Sub, sondern als Autorin, als »Kreative«, und ein bisschen auch als Bohemien, die mit ihren sexuellen Erfahrungen das Leben anderer bereichern kann.

Aber das war noch nicht alles. Als Die Kunst der weiblichen Unterwerfung herauskam, wurde das Buch überhaupt sehr falsch verstanden. Dominante Männer spotteten über die »Fantasien einer Vanilla-Frau« und erfahrene submissive Frauen meinten abwinkend, es sei ja wohl »nichts Neues« darin. Aber Die Kunst der weiblichen Unterwerfung war weder für die einen noch für die anderen gedacht, sondern für »Vanilla-Frauen«. In Hinblick auf die sexuelle Unterwerfung war ich zum Zeitpunkt dieser Erlebnisse selber eine Vanilla-Frau. Ich hatte noch nie mit einem Meister gespielt und meine Wünsche als Sklavin erforscht.

Jeder ist vanilla, bis er seine ersten Erfahrungen macht, und die hier geschilderten Erfahrungen haben mich dazu ermutigt, Die Kunst der weiblichen Unterwerfung zu schreiben. Erfahrene weibliche Subs hatten das Buch nicht nötig, weil sie, nun ja, weil sie schon Erfahrung hatten, klar? Und die Männer? Wenn ihre Kritik nicht so dämlich gewesen wäre, hätte ich darüber nur gelacht.

Die Kunst der weiblichen Unterwerfung war für Frauen gedacht, die in ihren geheimsten, verborgensten Fantasien Sexsklavinnen oder Sklavenmädchen waren oder vielleicht auch das verwöhnte Haustier eines dominanten Mannes. Es sollte sie stolz machen auf ihre sexuelle Unterwerfung in einer Gesellschaft, in der man weibliche Unterwerfung nur lächerlich macht und in Klischees presst. Als mir eine Leserin schrieb, sie würde sich seit der Lektüre des Buches nicht mehr für ihre sexuell submissiven Wünsche schämen und habe aufgehört, sich selbst zu verstümmeln, ging mir das Herz über vor Freude.

Das Tagebuch der Madelaine ist ein ganz besonderes Buch, das für mich die Zeit zurückdrehte und mich an ferne Orte führte: Orte von nervenzerfetzender Erotik und einvernehmlichem Sadismus, die ich schon allzu lang nicht mehr besucht hatte; ferne und exotische Orte, die meinen Geist beflügelten und jubeln ließen über das, was ich hatte, und zum Weinen brachten um das, was ich nicht mehr hatte. Ich vertraue Ihnen das Tagebuch an, das ich auf dieser wilden, wundervollen Reise in die Mitternachtswelt führte, die manchmal auch zu einer Achterbahnfahrt wurde. Während ich diese Aufzeichnungen abschrieb und die Protagonisten ausarbeitete, durchlebte ich plötzlich Emotionen und sogar körperliche Zustände, die ich seit Jahren nicht mehr gekannt hatte. Sehnsüchte, gegen die ich mich immun geglaubt hatte, kamen an die Oberfläche und stellten eine Verbindung her zwischen mir und der zögerlich-begierigen Kind-Frau aus den Aufzeichnungen.

Dieses Buch ist keine Fortsetzung von Die Kunst der weiblichen Unterwerfung, man könnte es aber durchaus als Vorgeschichte bezeichnen. Ich gebe Ihnen einen Einblick in die Gedanken und Ereignisse, die zur Kunst der weiblichen Unterwerfung führten. Jeder Eintrag wurde sorgfältig von den handschriftlichen Aufzeichnungen übertragen, die ich noch am selben Tag meiner Erlebnisse verfasst hatte, damit auch nichts in Vergessenheit geriet. Ich denke, ich schrieb dieses Tagebuch insgeheim auch mit der Vorstellung, ich könnte diese Erfahrungen eines Tages auch anderen Frauen mitteilen wollen. Sie waren jedoch emotional so intensiv und der Grund der Spirale lag so tief, dass es acht Jahre dauerte, bis ich den Mut aufbrachte, diese Aufzeichnungen wieder hervorzuholen; acht Jahre, bis ich in der Lage war, den Menschen, der ich damals war, mit dem Menschen, der ich heute bin, in Einklang zu bringen – und das mit begrenztem Erfolg. Ich gebe unumwunden zu, dass mich die Gefühle verwirren und beunruhigen, die die Arbeit an diesem Buch an die Oberfläche brachte. Ich gebe unumwunden zu, dass ich der Fantasie beinahe wieder erlegen wäre und mich gerade noch rechtzeitig zurückhalten konnte.

Nachdem ich mich entschlossen hatte, mein Tagebuch zu veröffentlichen, musste ich in die Vergangenheit zurück, um »Madelaine« zu suchen. Um Madelaine zu finden, musste ich wieder Kontakt zu Niles aufnehmen, um ihn zu der romantischen Hauptfigur zu machen, die er für mich sein musste. Als ich Madelaine schließlich gefunden hatte, musste ich noch einmal Madelaine werden, und dazu musste ich mit dem Meister zusammen sein. Das war ein gefährliches Spiel. Trotz der glühenden Bewunderung, mit der ich ihn hier schildere, trotz der Befreiung meines Geistes und der masochistischen Abwärtsspirale, die mich so viel über mich lehrte und so sehr verwirrte, war das Ganze (und damit meine ich meine gesamte Erfahrung als sexuell submissive Frau) vor allem ein Forschungsprojekt. Da ich mich in den Meister verliebte, betrachte ich es als das einzige Forschungsprojekt, an dem ich je gescheitert bin. Ein Forscher darf sich nicht in sein Studienobjekt verlieben. Und was können nicht alles für eigenartige Dinge passieren, wenn die Sache so sehr aus dem Ruder läuft. Lesen Sie also weiter, denn ich habe diese Reise unternommen, um Ihnen davon zu berichten. Was für eine lange und seltsame Reise …

Weibliche Unterwerfung

Wie beschreibt man die Suche nach einem Meister? Lässt sie sich mit der Suche nach einem Vanilla-Partner vergleichen? Ich kenne beides und würde sagen: »Nein, eher nicht.« Natürlich gibt es gewisse Überschneidungen, und bis der Richtige kommt und die ganze Welt zum Strahlen bringt, ist die Suche in den meisten Fällen genauso unergiebig und frustrierend. Wer allerdings in die Mitternachtswelt männlicher Dominanz und weiblicher Unterwerfung eintaucht, sucht in einem Meister etwas ganz anderes als in einem Freund. Ich will das ein bisschen ausführen.

Bei der Suche nach einem Freund überlegt man vielleicht, ob er »das Zeug zum Heiraten« hat, ob er ein »guter Versorger«, ein »geeigneter Vater« oder – hier das »M«-Wort – monogam ist. Bei einem Meister muss keines dieser Kriterien eine Rolle spielen. Hier ist es unter Umständen wichtiger, dass er ein erfahrener Dom ist, dass er kreativ ist oder stark, aber auch sensibel, und dass er pure erotische Macht verströmt. Manchmal liegt seine Anziehungskraft gerade darin, dass er für andere Frauen begehrenswert ist. Dann ist Monogamie kein Thema. Ob er »das Zeug zum Heiraten« hat, ist belanglos, weil es nicht um das Bedürfnis nach einem Dach über dem Kopf geht, sondern um die Befriedigung der eigenen sexuellen Bedürfnisse. Bei vielen Beziehungen zwischen männlichen Doms und weiblichen Subs geht es nicht um das Häuschen am Ende der Straße mit weißem Lattenzaun, Doppelgarage, großem Wuschelhund und zwei Komma drei Kindern, sondern darum, die dunklen Seiten der sexuellen Psyche zu erforschen.

Möglicherweise ist der Meister, der diese Anforderungen erfüllt, einer von den »bösen Buben«, ein »gefährlicher Kerl«, derjenige, »vor dem die Mutter immer gewarnt hat«. Sie kennen die Sorte. Wir alle haben unseren speziellen Typ, der von Frau zu Frau so verschieden sein kann, wie die Frauen untereinander. Sicher könnten wir Vergleiche anstellen und sie in Jungsche Archetypen einteilen, aber wo bliebe dann der ganze Spaß? Wir erkennen unsere bösen Jungs und ihre Qualitäten, sobald sie den Raum betreten. Manche von uns nehmen Reißaus vor ihnen wie die Rehe vor einer Feuersbrunst im Wald. Sind das die Klügeren? Wer weiß? Ich gehöre nicht dazu. Andere spielen mit ihrem bösen Buben und sagen sich ein ums andere Mal, dass sie ihre Wünsche im Griff haben und jederzeit damit aufhören können. Manchmal funktioniert das sogar. Manchmal.

Und dann sind da schließlich noch wir anderen. Wir, die, sobald sie Gefahr sehen, ins Zimmer laufen und sie umschwirren wie die Motten das Licht. Ich bin eine Motte, wenn auch eine ziemlich attraktive. Und ganz egal wie oft ich mir die Flügel verbrenne, schwöre ich mir immer, dass »es« beim nächsten Mal anders sein wird. Manchmal, sehr selten, ist es das wirklich. Leute wie mich nenne ich »hoffnungsvolle Romantiker«. Das ist mir sympathischer, weil ich lieber eine hoffnungsvolle Romantikerin bin als eine »hoffnungslose«, das klingt immer so negativ. Wer keine Hoffnung mehr hat, stürzt sich mitunter in die verbitterte Promiskuität der enttäuschten Romantiker. Ich bin keine von diesen unglücklichen Seelen. Ich bin eine Motte und eine hoffnungsvolle, aber vorsichtige Romantikerin.

Meine Flamme, mein gefährlicher Kerl ist körperlich erreichbar, doch emotional komme ich nicht an ihn heran. Diese Unerreichbarkeit macht ihn so anziehend für mich. Ich werde die sein, die seine Mauern zum Einsturz bringt, diejenige, der er verfällt. Und dann fällt er tief.

Dieser Mann kann viele Gesichter haben. Ganz egal, wie andere sein Äußeres finden, er muss für mich gut aussehen, unverfälschte erotische Macht verströmen, von sich und seinen Fähigkeiten absolut überzeugt sein und meine sehnlichsten Fantasien mit mir inszenieren können, ohne dass er eine minutiöse Anleitung braucht. Ein Meister, um genau zu sein, der den Romantischen Sadisten geben kann, eine größere, attraktivere Version des Marquis de Sade. Einer, der im Spiel richtig hart werden kann und mich dorthin bringt, wo ich hin will, indem er meinen Körper liest. Ein Meister, der nie daran denken würde innezuhalten und zu fragen, ob alles »okay« ist. Ein Meister, der mich mit seinem Charme versklaven, mit einem Blick zum Schweigen bringen und mir den harten Sex besorgen kann, nach dem ich mich verzehrt habe. Ein Meister, der in der Lage ist, in meine Seele zu blicken, die darin lauernde romantische submissive Masochistin zu entdecken und diese sexuelle Identität mit aller Macht zum Vorschein zu bringen. Ein Meister, der mich erniedrigen kann und trotzdem mit Stolz erfüllt ist, weil ich seine Sub bin.

Die Ansprüche, die ich hier formuliere, mögen recht hoch wirken, aber im Prinzip waren das die Eigenschaften und Fähigkeiten, die ich in meinem Meister suchte. In einem Mann fand ich die meisten davon. Im Laufe der Zeit lernte ich, dass er zu jeder Mahlzeit Fleisch mochte, und wenn er Whiskey trank, gemein wurde. Ich studierte jeden Zentimeter seines Körpers und entdeckte seine Schönheit: von der gefurchten Narbe am Haaransatz bis zu seinem wohlgeformten festen Hintern, von seinem unbehaarten Oberkörper mit dem flachen Bauch bis zu den schlanken Füßen, deren zweiter Zeh länger war als der erste. Die Füße des Meisters sind die einzigen, denen ich je gehuldigt, die ich je in den Mund genommen habe. Ich lernte, dass der Meister nach Belieben diese Pheromone produzieren konnte, die mich in den Wahnsinn trieben, und dass zwei entwaffnende Grübchen seine Wangen zierten, wenn er lächelte.

Trotz alldem – seinem Charme, seinem Geschick, seiner Kreativität als Dom und seiner zerklüfteten Schönheit – war da auch noch seine emotionale Unzugänglichkeit, und die forderte mich ungemein heraus. Aber wie kann man bei einem, der emotional verschlossen bleibt, auf die große Romantik hoffen? Man kann es nicht. Inzwischen ist mir das klar und ich betrachte die Zeit mit ihm als eine Zeit der Freude und des Zaubers, in der er mir gab, was er nur konnte, und meinen Traum mit mir lebte. Aus diesem Traum bin ich erwacht, doch aus der süßen Erinnerung werden schon fast wieder Fantasien.

Als ich meinen Meister, den Fantastischen Herrscher, kennenlernte (den ich so nenne wegen seiner unheimlichen Gabe, mir in die Seele zu blicken, mir genau das zu geben, was ich will, und ein Szenario bis ins kleinste Detail zu planen), beging ich den verhängnisvollen Fehler und vermengte Fantasie und Wirklichkeit. Ich projizierte alle menschlichen Charakterzüge und Eigenschaften, die ich mir wünschte, auf den Meister und schrieb sie ihm zu, als wären sie Teil seiner realen Persönlichkeit. Ich nahm einen Mann aus Fleisch und Blut, machte aus ihm den überragenden und extremen Meister, nach dem es mir gelüstete, und verknallte mich Hals über Kopf in diese Fantasie. Es ist nicht so, dass der Meister auch nur ein kleines bisschen weniger wundervoll, kreativ und gutaussehend war, als ich es auf diesen Seiten (und in Die Kunst der weiblichen Unterwerfung) beschreibe, und bis zum heutigen Tag raubt er mir den Atem mit seinem Charme. Aber dem Ausbund an Sünde und Tugend, den mein fabrizierter Meister, mein persönlicher Marquis de Sade, verkörperte, hätte kein Mann der Welt gerecht werden können.

Derart gewappnet mit meinem fantastischen Meister, sprang ich kopfüber ins größte Dunkel der Mitternachtswelt, ohne auch nur eine Sekunde über die Folgen eines Lebens in dieser Intensität nachzudenken. Davor muss ich aber noch erzählen, wie alles begann, wie ich nach London kam und wie ich auf meinen Meister, den Fantastischen Herrscher, traf. Meine Reise in die Mitternachtswelt begann in New York City, gut acht Monate vor der Nacht in einem Londoner BDSM-Club, wo ich meinen Meister traf. Herzlich willkommen in meiner Welt.

Eins

Ein fremder Meister

Wie fast jede Suche nach einem Menschen begann auch die nach meinem Meister nahe der Heimat, und zwar in New York City, wo ich damals lebte. Wie hätte ich, als ich mich auf diese Suche machte und meine submissiven Wünsche erforschen wollte, wissen sollen, dass sich in der näheren Umgebung keiner der Meister als geeignet erweisen würde? Ein ums andere Mal vermisste ich nach diesen Treffen den zündenden Funken, irgendeinen Grund, weshalb ich mich ihnen hätte unterwerfen wollen. Ihre Wünsche und die meinen passten nicht zusammen.

Dann kam dieses Wochenende, an dem ich Oliver kennenlernte, der aus Deutschland stammte und damals in England lebte. Er war wegen eines großen BDSM-Wochenendes nach New York gekommen, an dem auch ich und mein Freund Walt teilnahmen. Oliver war jung, sah auf eine blond-blauäugig-germanische Art gut aus und verströmte ganz eindeutig unverfälschte erotische Macht. Da er Deutscher war, wusste ich, dass er präzise war – was ausgezeichnet ist für einen Meister und Ausbilder. Seine Macht ließ mich schockiert und verschüchtert verstummen. Er faszinierte mich, obwohl er körperlich nicht mein »Typ« war. Da, wo ich herkam, konnte ihm keiner das Wasser reichen.

Da Oliver Deutscher war und extra für diesen Event aus England anreiste, legten sich alle mächtig ins Zeug, um mit ihm zu reden. Sie fühlten sich natürlich geschmeichelt, weil er den weiten Weg für ihre Jahresfeier auf sich genommen hatte. Dass er ein deutscher Meister war, machte ihn umso attraktiver, und im Handumdrehen hatte er eine Entourage. Walt war ein wenig neidisch, weil Oliver so viel Aufmerksamkeit bekam. Auch er war ein dominanter Mann und empfand Oliver als Konkurrenz, und das völlig zu Recht. Walt konnte nicht verstehen, »was an diesem Typ so attraktiv sein soll«, und sagte jedem seine Meinung, den sie interessierte. Auch ich spürte den starken Sog von Olivers Anziehung, doch ich war mit Walt da und wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen und einfach abhauen, um mich Olivers stetig wachsender Gefolgschaft anzuschließen. So stand ich einfach nur starr vor Ehrfurcht da, als er mit seinem Hofstaat im Schlepptau an mir vorbeizog. Dann war die Gelegenheit vorbei, aber ich wusste, es würde nicht die letzte sein. Das ganze Wochenende über gab es Partys, und bestimmt würde ich Oliver auf einer davon wiedersehen.

Am nächsten Abend fand in einem der kunstvollsten und exklusivsten SM-Tempel New Yorks eine Privatparty statt. Walt fragte mich, ob ich mit ihm hingehen wolle, und bejahte, dass Oliver auch dort sein würde, wobei er erneut sein Unverständnis über die Anziehungskraft »dieses Typen« zum Ausdruck brachte. Er klang mir ein bisschen zu gereizt, weshalb ich beschloss, allein zu gehen, und da er mich nicht davon abhalten konnte, wollte ich versuchen, Oliver kennenzulernen. So hätte ich die Gelegenheit, mit Oliver ins Gespräch zu kommen und ihm vielleicht meine Telefonnummer zu geben.

Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, was ich an diesem Abend trug, was ausgesprochen seltsam ist. Wenn man bedenkt, wie wichtig mir die Sache war und was für eine eitle Kleidertante ich bin, wie ich schamlos eingestehe, hätte sich mir meine Aufmachung eigentlich einprägen müssen. Woran ich mich allerdings erinnere, sind die kleinen Zöpfe, die ich mir ins nasse Haar flocht und wieder ausbürstete, als es trocken war. Mehr Locken waren bei meinen furchtbar glatten Haaren einfach nicht drin, aber sie kamen gut an. Von den Zöpfen bekam ich Kopfschmerzen, aber dafür fühlte es sich sooo gut an, wenn ich sie aufmachte und ausbürstete. Erwähnte ich bereits, dass ich eine kleine Masochistin war?

Ich konnte mich an diesem Abend tatsächlich mit Oliver unterhalten, und er nahm sogar meine Telefonnummer an, wozu ein Gentleman/Meister absolut nicht verpflichtet ist. An einem Nachmittag Ende Juni trafen wir uns in meiner Wohnung. Wir sonnten uns auf dem Dach – die New Yorker nennen es den »Teerpappenstrand« – und gingen anschließend in ein mexikanisches Restaurant in der Nachbarschaft. Nach dem Essen kehrten wir in meine Wohnung zurück, und Oliver untersuchte, wie ich auf ihn reagierte, indem er meine Brustwarzen mit den Fingern zwickte – erst ganz langsam, dann immer stärker. Mit meiner Reaktion zufrieden, beschloss er, dass wir zunächst eine Meister-Sklavin-Beziehung per Post und Telefon pflegen würden, bevor ich ihn in England besuchen käme. Er war bei Wetherole, der lokalen Größe von Susingham, zu Gast, und ich sollte mit den beiden in dessen Herrenhaus wohnen. Oliver gab mir eine Aufgabe, die ich jeden Tag sieben Minuten lang ausführen musste: Ich sollte auf die Knie gehen, die Beine spreizen, Kopf und Schultern auf den Boden legen und die Hüften in die Höhe recken. Dann musste ich mir an die Hinterbacken greifen, sie spreizen und meinen Anus so präsentieren, dass mein Loch offen stand. Diese Position musste ich halten und dabei an ihn und daran denken, dass ich seine Sklavin war. Das tat ich brav jeden Tag, und es hatte die beabsichtigte Wirkung auf mich. Ich dachte immer öfter daran, mich ihm zu unterwerfen.

Außerdem brachte es mich auf die Idee, ein silbernes Döschen zu kaufen. Eines Abends stutzte ich mein Schamhaar über einem Blatt Wachspapier und packte es vorsichtig in das Döschen. Dieses Geschenk wollte ich ihm bei der passenden Gelegenheit überreichen.

Über Monate hinweg führte ich zu den unmöglichsten Tages- und Nachtzeiten Ferngespräche mit Oliver, und viele Stunden saß ich vor dem Computer und verfasste Geschichten über einen Meister und seine Sklavin. Ich lud eine Freundin ein, damit sie Polaroids von mir in jedem Anputz machte, den ich besaß, (manchmal ließ ich den Anputz auch weg) und schickte sie Oliver, zusammen mit den Geschichten und anderen Dingen, über die er sich vielleicht freuen würde. Das alles half mir, die Zeit zu überbrücken, und das Gleiche galt für das Ritual, meinen Tagesjob und die Domina-Sessions in der Nacht und an den Wochenenden. Ach ja, und die Fantasien. Jede Menge Fantasien.

Zwei

Reise nach England

Dann kam endlich der Tag der Abreise. Ich war so nervös, dass ich die Reise beinahe storniert hätte, aber da schon alles gepackt war und Oliver mich erwartete, nahm ich all meinen Mut zusammen und machte mich auf den Weg zum Flughafen. Damit Oliver nicht allzu früh aufstehen musste, um mich abzuholen, nahm ich den letzten Nachtflug von New York nach Heathrow. Ich fand das sehr rücksichtsvoll, und außerdem wollte ich Oliver damit beeindrucken, wie umsichtig ich war. Leider war der Flug wider Erwarten sehr voll, aber wenigstens kreischten keine Babys quer über den Atlantik, und ich fand etwas Schlaf. Ich wachte früh genug auf, um eine Toilette in Beschlag zu nehmen, wo ich in die frischen Kleider aus meiner Reisetasche schlüpfte, mich schminkte und insgesamt ein bisschen frisch machte. Ich wollte Oliver nicht völlig zerzaust und übernächtigt unter die Augen treten. Ich suchte keinen Partner, sondern einen Meister – ich suchte IHN – und mit diesem Gedanken im Kopf hatte ich meine Vorbereitungen getroffen. War es möglich, dass dieser Oliver, der da am Gate auf mich wartete, dieser Eine und Einzige war?

Nach der chaotischen Checkout-Prozedur suchte ich aufgeregt die wartenden Gesichter nach Oliver ab, und schließlich fand ich ihn in Begleitung des Hausherrn, Wetherole. Wetheroles Spitzname war Toby, und er freute sich immer über Gäste. In den langen Monaten, die zwischen Olivers und meiner Abmachung und meiner Ankunft in London vergangen waren, hatten Toby und ich uns schon oft unterhalten. Ich begrüßte zuerst Oliver mit dem in Europa üblichen Kuss auf beide Wangen, dann wandte ich mich Toby zu, tat dasselbe noch einmal und dankte ihm herzlich, dass er gekommen war und mich als Gast bei sich aufnahm. Oliver übernahm mein Gepäck und schob den Wagen die Rampe hinauf, während Toby und ich hinter ihm hergingen. Sein Hintern sah toll aus in seinen pechschwarzen Jeans, und ich lächelte vor mich hin. Auch Toby studierte Olivers Hintern eingehend, und als unsere Blicke sich trafen, grinsten wir wie zwei Verschwörer. Dann flüsterte Toby mir zu, er trage Olivers Halsband und diene nur ihm als Sklave. Überrascht, wenn auch nicht schockiert, sagte ich ihm, er könne sich glücklich schätzen. Bis zu diesem Moment hatte ich keine Ahnung gehabt, dass Toby und Oliver bi waren. Dass Oliver auf Frauen und Männer stand, fand ich mehr als nur ein bisschen aufregend. Ehrlich gesagt, machte es mich richtig scharf.

Auf der Fahrt zum Herrenhaus kam ich mir vor wie in der Twilight Zone. Ich wache unheimlich gern unter einem fremden Himmel auf, aber die Landschaft um Heathrow sah fast so aus, als wäre ich in New Jersey! Als wir weiter nach Süden kamen, ähnelte sie zunehmend dem »England«, das ich erwartet hatte. Und als wir schließlich Susingham erreichten, hätte ich mir den Ort nicht idyllischer ausmalen können. Die von einer Hecke gesäumte einspurige Straße zum Herrenhaus diente gleichzeitig als Zaun für das Vieh, von dem Toby als Landherr eine Menge besaß. Der Herrensitz war eine reizende Ansammlung alter Gebäude, ein gutes Stück weg von der Straße. Linkerhand lagen die Ställe und das Kutschenhaus mit zwei Wohnungen für den Verwalter und den Gärtner im Obergeschoss. Das flachere Kutschenhaus beherbergte Tobys getunte Autos. Das Herrenhaus lag direkt vor uns und hatte zwei Eingänge. Der eine war für die Herrenfamilie, der andere führte in den Küchentrakt und war für die Diener, die es nicht mehr gab. Wir nahmen den Dienstboteneingang, schliefen aber alle im zweiten Stock des »Familientrakts«. Hinter dem Haus gab es einen Teich, einen bezaubernden Garten und ein kleines Labyrinth. Ich war zum ersten Mal im Haus eines »Lords« und war fasziniert.

Es war alles sehr hübsch, aber am meisten interessierte mich der Luftschutzkeller, den Oliver mit beachtlichem Zeitaufwand zu einem Verließ umgebaut hatte. Ich fand die Vorstellung einer Party in diesem privaten Kerker mit so versierten und erfahrenen Spielern ungemein erregend. Es war einer der Gründe, weshalb ich meine Nervosität bekämpft, mir ein Herz gefasst und diese Reise unternommen hatte. Ich hatte zwar noch nie als Sklavin gespielt, aber als Domina wusste ich natürlich, wie ich die Rolle ins Gegenteil drehen und das Sklavenmädchen geben konnte. Beim Betreten des Hauses wandte ich mich noch einmal um, blickte auf den Luftschutzbunker-Kerker und fragte mich, welche Geheimnisse meiner selbst ich in diesen zeitlosen Mauern wohl enthüllen würde. Ich kam mir vor widfe in Roissy, dem berühmten Schloss der Sklavenerziehung aus der Geschichte der O. Toby und Oliver lachten, als sie meine vor Neugier großen Augen sahen. Oliver sagte, bis zu meinem ersten Mal müsse ich nicht lange warten, er habe für die kommende Nacht, nach einem Ausflug in einen BDSM-Club, eine private Kerker-Party geplant. Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich die Schwelle des Hauses überschritt.

Jeder mit einem Gepäckstück in der Hand erklommen wir die Treppe zum Familientrakt im zweiten Stock. Oliver und Toby führten mich in ein kleines, aber reizendes Zimmer mit einem intakten Kamin, einem Schrank, einem Schreibtisch und einem Doppelbett voller weicher Decken und Kissen. Von meinem Zimmer aus überblickte man den vorderen Teil des Hauses und den von Bäumen gesäumten Weg zum Luftschutzkeller mit seinem während der Bombardements vor vielen Jahren zur Tarnung mit Gras bewachsenen Dach. Die anderen Zimmer waren viel größer und eleganter eingerichtet als meines und boten Ausblick auf den Garten, den Teich oder auf das Labyrinth. Aber für mich war mein Zimmer das beste im ganzen Haus, weil es an das von Oliver grenzte. Ich fand es sehr passend, dass die Sklavin allzeit bereit neben dem geräumigen Zimmer des Meisters in einem kleineren Raum schlief und die Verbindungstür sich nur von seiner Seite aus abschließen ließ. In einem britischen Herrenhaus schlafen und einem attraktiven und versierten Meister dienen – mehr konnte sich eine hoffnungsvolle Romantikerin wie ich nicht wünschen.

Drei

Erste Nacht im Herrenhaus

Nachdem ich mich eingerichtet hatte, lud Oliver mich auf ein Nickerchen in sein Zimmer ein. Wie herrlich – ein Nickerchen im von Kissen und daunenweißen Bettdecken überquellenden Riesenbett des Meisters! Ich war so müde von der Reise und der Gewöhnung an die neue Umgebung, dass ich dachte, ich würde auf der Stelle eindösen. Aber meine nervöse Erregung war stärker, und Olivers Nähe und seinen warmen, starken Körper an meinem zu spüren, war eher ablenkend als beruhigend. Irgendwann legte sich das, und ich nickte ein. Wir schliefen durch, bis Toby uns zum Dinner rief. Ich war zuerst wach und weckte Oliver sanft auf. Auf wackeligen Beinen stolperten wir zur Treppe, wie Welpen, die hören, wie man ihren Napf füllt. Unten war der riesige Küchentisch im Gesindetrakt wunderschön für drei gedeckt. Toby hatte mit »Hühnchen Libanon« eine seiner Spezialitäten und Olivers Lieblingsgericht gekocht, und es schmeckte hervorragend. Mit »Kartoffeln Lyonnaise« hatte er, ohne es zu wissen, auch eine meiner Leibspeisen gemacht, und ich pries seine Kochkunst in den höchsten Tönen. Ich fing an über das Haus zu plaudern und erkundigte mich nach seiner Geschichte, vor allem, ob es irgendwelche Hausgeister gebe. Lächelnd befriedigte Toby meine Neugier, aber als er sagte, er wüsste nichts von irgendwelchen Geistern, war ich doch ein wenig enttäuscht. Nach dem Essen warteten wir, dass das Teewasser kochte, und Oliver und ich rauchten zur Entspannung eine Zigarette. Ich hatte Zeit, mich in der Küche umzusehen.

Der Boden war mit dachziegelgroßen Schieferplatten ausgelegt, die kalt waren und leicht uneben und ziemlich alt, aber gut zu der rustikalen Einrichtung passten, die man in einer Gesindeküche erwarten würde. Der verschrammte und abgenutzte Holztisch war sehr groß und bot problemlos Platz für zwölf Personen. An den Wänden hingen zahlreiche Holzschränke, zum Teil mit gläsernen Türen, in denen sich die üblichen Küchenutensilien befanden. Auf einer langen Anrichte stand eine beeindruckende Sammlung silberner Teeservice mit Tabletts, Teekesseln in diversen Größen, Deckeldosen mit weißen und braunen Zuckerklumpen, Sahnekännchen, winzigen Zuckerlöffeln, Tassen und Untertassen. Ein großer, hölzerner Geschirrschrank präsentierte Tobys Porzellansammlung. Zwar gab es eine Mikrowelle und eine moderne Doppelspüle unter einem großen Fenster, aber so etwas wie diesen Herd hatte ich noch nie gesehen. Er war riesig, und die Kochflächen wurden mit Holz und Kohle befeuert, während der Ofen und der Grill mit Gas funktionierten.

Offenbar gab es nur eine einzige Hausregel, und Toby setzte mir die sogenannte »Türpolitik« sorgfältig auseinander. Wenn jemandes Zimmertür offen stand, konnte man einfach eintreten. War sie angelehnt, klopfte man an, meldete sich und trat ein. Wenn die Tür aber zu war, klopfte man an und wartete, bis man hereingerufen oder die Tür geöffnet wurde. Ich fand diese Regel so vernünftig wie höflich und hielt sie außerdem für eine wunderbare Art, die Privatsphäre zu wahren, so dass ich sie für mich selber übernahm. Wie sollte man sich denn sonst arrangieren, wenn man mit mehreren Leuten zusammenwohnt?

Nach dem Tee verließen Oliver und Toby die Küche und zogen sich auf ihre Zimmer zurück, um auszuspannen. Ich blieb mit den Überresten des Essens zurück. Ich räumte den Tisch ab und spülte das Geschirr und freute mich gleichzeitig hier zu sein und ein bisschen Zeit für mich zu haben, um dieses neue Abenteuer auf mich wirken zu lassen. Als ich in der Küche fertig war, ging ich nach oben in mein kleines Sklavenzimmer, wo ich mich gemütlich duschen und mir etwas Frisches anziehen wollte. Es war ziemlich kühl in meinem Zimmer, und ich wünschte, ich hätte Toby gebeten, mir zu zeigen, wie man ein Kaminfeuer macht. Ich hatte auch noch keine Ahnung, dass eine »Dusche« nicht sehr britisch war und nichts mit einer Dusche in den Staaten zu tun hatte. Aber das sollte ich bald herausfinden.

Das Badezimmer lag neben meinem Zimmer und hatte alles, was sich Frauen in einem Badezimmer wünschen. Ein Traum. Wirklichkeit. Nicht das übliche enge Zwei-Quadratmeter-Kämmerchen, das man aus so vielen Großstadtwohnungen kennt. Es war groß genug, um neben dem obligatorischen Waschbecken, einer Toilette und einer Badewanne auch noch Platz für einen alten Toilettentisch mit Stuhl, eine Kommode für Schaumbäder, Shampoos, Seifen und dergleichen sowie für eine Kiste aus Zedernholz zu bieten, in der Handtücher aufbewahrt wurden.

Es gab ein großes, von Spitzengardinen eingerahmtes Fenster, und an der Wand gegenüber befand sich ein hübscher Kamin, der auch genutzt wurde. Das Beste aber war, dass man sich vor dem Feuer auf dem Aubusson-Teppich wie eine Katze ausstrecken konnte! Ich kam mir vor, als wäre ich in die Vergangenheit gereist und im 19. Jahrhundert gelandet. Ich war völlig verzückt.

Ich beschloss, ein »Vogelbad« zu nehmen, bei dem ich ein paar Zentimeter Wasser mit Schaumbad in die Wanne lasse und mir mit der Duschbrause die Seife vom Körper und das Shampoo und die Pflegespülung aus den Haaren wasche. Hinterher stellte ich fest, dass ich mich mit einem Vollbad hätte gründlich aufwärmen können, was ich danach auch immer machte. Der Schritt aus der Wanne, die von einem Vorhang umschlossen wurde, in das eiskalte Zimmer war ein regelrechter Schock für meinen Körper, und ich trocknete schleunigst mein Haar, zog mir einen hauchdünnen, schwarzen, knöchellangen Jacquard-Bademantel über und schminkte mich dezent.

Als ich das Badezimmer verließ, stellte ich erfreut fest, dass Olivers Tür weit offen stand. Ich trat ein und spürte, während ich das Zimmer durchschritt, seine Augen auf mir, die mich von oben bis unten musterten und genossen. Ich hatte den Blick niedergeschlagen, doch ich benutzte den jeder Sub bekannten alten Trick: Man blickt den Dom verstohlen durch die Wimpern an. Oliver trug nur dunkelviolette Shorts. Ich kniete mich neben sein Bett, den Kopf gebeugt, die Hände auf dem Rücken, und wartete darauf, dass er mich zur Kenntnis nahm.

Oliver erhob sich und ließ mich aufstehen. Er lächelte sehr hübsch und bog mich mit den Händen in eine wunderbar unbequeme Stellung, in der mein Hintern hervorstand und meine Brüste herunterbaumelten wie reife Pfirsiche. Dann trat er hinter mich, hob meinen Bademantel und spreizte meine Backen. Er fing an, sein schwellendes Glied zwischen ihnen zu reiben, und ich spürte, wie ich feucht wurde. Plötzlich schob er mir den Arm zwischen die Beine, hob mich in die Höhe und drehte mich auf den Kopf! Er wirbelte mich herum wie einen Tambourstock, ein, zwei, drei Mal, bis er mich richtig herum in den Armen hielt und auf die Füße stellte. Ich fühlte mich wunderbar leicht und ein wenig schwindelig und musste mich setzen, damit das Gefühl nicht verflog. Ich wünschte, ich könnte genau beschreiben, wie er das anstellte, aber obwohl ich später noch einmal jemanden getroffen habe, der diesen Trick beherrscht, kann ich ihn nicht rekonstruieren.

Als ich wieder fest auf den Beinen stand, bat Oliver mich um eine nicht zu feste Rückenmassage. Ich freute mich über diesen Dienst. Ich hatte Massageöle dabei und wusste um mein natürliches Talent als Masseuse. Als ich mit den Ölen zurückkam, suchte er sich eines aus, dessen Geruch und Konsistenz er am liebsten mochte: Mandelessenz. Ich verrieb das Öl vor der Massage zwischen den Händen, damit es warm wurde. Seine Haut war warm und blass und fast frei von Haaren, und sie war weich wie die eines Jungen. Ich durfte mich rittlings auf ihn setzen, weil ich ihn auf diese Weise leichter gleichmäßig auf beiden Seiten massieren konnte. An seinen Seufzern und dem leisen Stöhnen hörte ich, dass ihm meine Behandlung gefiel, und das freute mich. Dann waren Hintern, Beine und Füße an der Reihe. Als ich von ihm herunterstieg und er sich umdrehte, bemerkte ich auf seinen violetten Shorts einen feuchten Fleck. Als ich ihn lachend darauf aufmerksam machte, sagte er, er würde sich über Nacht eine Strafe überlegen und mich dann morgen züchtigen. Ich war mir nicht sicher, ob er es vergessen würde.

Zum Abschluss der Massage deckte ich ihn mit einem Daunenbett zu, damit er in der Wärme entspannen konnte. In Erwartung seines nächsten Befehls kniete ich neben dem Bett nieder. Nach einer kurzen Weile war er wieder auf der Erde und wandte sich mir lächelnd zu. Er bat mich, aufzustehen und den Bademantel fallen zu lassen, wobei er einräumte, dass es ein wenig kalt im Zimmer sei, aber ich würde seinem Willen doch sicher Folge leisten. Er sagte, er wolle sein neues Lustspielzeug betrachten. Ich war überglücklich, dass ich mich ihm endlich präsentieren konnte. Ich wusste um meine schöne Figur: ein schlanker Körper mit den trainierten Beinen der Tänzerin, die ich einmal war, ein hübscher runder Hintern und Brüste von mittlerer Größe. Er sollte meinen Körper sehen. Er sollte ihm gefallen und das Begehren in ihm wecken, mich als Spielzeug zu benutzen. Ich spürte seine blauen Augen auf meinem Fleisch, keine kalten blauen Augen, sondern Augen, die glühten. Und plötzlich war mir nicht mehr kalt.

Ich konnte in seinen Augen lesen, was er über meinen Körper dachte, und mein Herz machte einen Sprung. Er ließ die Hände über mich gleiten, berührte mich intim, drang aber nicht in mich ein. Stattdessen brachte er mich in verschiedene Stellungen, die mich bloßstellen und jeder noch verbleibenden Scham berauben sollten, die ich unter seinem Blick verspürte. Wenn er mit einer Position zufrieden war, ließ er mich darin verharren und rieb sein Glied an mir. Dann drehte er mich auf den Bauch, spreizte meine Beine weit und ließ mich minutenlang so liegen. Ich spürte seinen Blick. Mein dicker, trüber Saft fing an zu fließen und sammelte sich in einer kleinen Pfütze unter mir. Bald hörte ich, wie er sich ein Kondom überzog.

Neue Wärme durchströmte mich, als Oliver sich zum ersten Mal zwischen meine gespreizten Schenkel kniete. Mein Atem ging schneller und unregelmäßig, und ich wartete darauf, dass er in mich eindrang. Sein Stoß war heftig, denn er wollte mir weh tun und sehen, wie ich reagierte. Sein Glied war zwar nur durchschnittlich groß, was mich enttäuschte, aber dafür war es gepierced – ein Prinz-Albert-Piercing mit einem großen dicken Ring, um genau zu sein. Der Ring machte die dringend nötigen paar Zentimeter wieder wett. Er nahm mich hart und rammte ihn tief in mich hinein. Während er auf mich einstieß, reckte ich ihm die Hüften entgegen. Ich bin klein und eng, und wegen seiner Größe tat es nicht besonders weh, aber für mich war es der wunderbarste leichte Schmerz, den ich je gespürt hatte. Er massierte mich mit seinem Ring, ohne den er nicht an meinen Punkt gelangt wäre, und ich hatte viele kleine Orgasmen. Mein Hirn schaltete auf Hochtouren, ich ging richtig ab. Ich wölbte den Rücken und reckte die Hüften noch weiter in die Höhe, ich stöhnte wie ein Tier, und meine Hände verkrallten sich in der Daunendecke unter mir. Ich merkte, dass Oliver zum finalen Schlag ansetzte. Mit einem besonders tiefen Stoß berührte er meinen heißen Punkt und besorgte mir einen umwerfenden Orgasmus, um gleich darauf selber zu kommen.

Langsam zog sich Oliver heraus und nahm, zwischen meinen gespreizten Schenkeln kniend, den Überzieher ab. Er machte einen Knoten hinein und warf ihn treffsicher in den Papierkorb. Dann streckte er sich neben mir aus. Ich schmiegte mich an ihn, den Kopf an seiner Schulter, und gab weiter kleine Seufzer von mir. Er lachte fröhlich auf und griff nach den Zigaretten. Er machte uns beiden eine an, und wir rauchten schweigend, mit dem Aschenbecher auf seiner glatten Brust. Nach ein paar Minuten fragte er mich, ob ich die Nacht bei ihm im Bett verbringen wollte. Schon in meiner ersten Nacht! Ich war glücklich, dass ich ihm trotz meiner ersten Nervosität so gut gefallen hatte. Es war himmlisch, nach der langen Zeit des Wartens mit ihm zu schlafen und einfach nur in seiner Nähe zu sein. Ich war mir sicher, ich hatte die richtige Entscheidung getroffen.

Vier

Der Rivale im Whiplash

Am nächsten Morgen erwachte ich nach herrlichem Schlaf in Olivers Bett. Kurz darauf kam Toby herein und wollte das Zimmer putzen. Ich stand auf und half ihm dabei, während Oliver amüsiert zusah, wie wir herumwuselten und uns für ihn abplagten. Dann fiel ihm ein, dass er mir ja eine Strafe »schuldete« – wahrscheinlich hatte ihn unsere Putzerei inspiriert. Meine Strafe, verkündete er, bestünde darin, seine Wäsche zu waschen. Dann trug er lachend einen Kleiderberg zusammen, sieben Ladungen insgesamt. Ich machte mich sofort an die Arbeit, aber ohne Wäschetrockner dauern sieben Waschladungen ganz schön lange, schließlich musste ich nach jeder Ladung in den Heizkeller rennen, um die nassen Kleider aufzuhängen. Während die Maschine lief, half ich Toby bei den üblichen Hausarbeiten und wischte Staub, saugte, bürstete die Teppiche, spülte ab und dergleichen mehr. Als wir damit fertig waren und alle sieben Wäscheladungen auf der Leine hingen, machte Toby Lammkoteletts zum Abendessen, über die wir drei uns hermachten wie ausgehungerte Raubtiere.

Oliver und ich wollten am Abend zu einer Party im »Whiplash«-Club gehen, die, wie in Großstädten üblich, bis vier Uhr morgens ging, wobei die coolen Leute zwischen halb zwölf und zwölf auftauchten. Danach gab Toby in seinem Luftschutz-Kerker die Party für geladene Gäste, von der Oliver gesprochen hatte. Wir beide legten uns eine Weile hin, damit wir genügend Energie hatten, um ohne Ende zu feiern. Dann war es Zeit, sich anzukleiden. Ich fragte Oliver, was ich anziehen sollte, und er wählte ein schwarzes Schlauchkleid aus Latex mit langen Ärmeln, hochgeschlossenem Hals und einem Rückenausschnitt, der bis zur Hüfte ging. Vor dem Bad überreichte ich ihm das silberne Döschen mit meinem abrasierten Schamhaar. Er hatte noch nie etwas Vergleichbares geschenkt bekommen und freute sich sehr über die originelle Idee und den Gedanken dahinter. Ich fiel auf die Knie und küsste ihm die Füße. Er wusste, dass meine Muschi nicht glattrasiert war, und befahl mir, das nachzuholen, während ich in der Wanne lag. Prickelnde Spannung durchfuhr mich. Eine derartige Anweisung sprach man in unserer »Szene« nicht so ohne weiteres aus. Eine rasierte Muschi war ein Zeichen der Bindung.

Der Club war nur für Mitglieder, und Oliver stellte mich den beiden Promotern, Adam und Roger, vor, die im Scherz darauf bestanden, dass ich zum »Dresscode-Check« meinen Mantel aufknöpfte. Natürlich war das von Oliver ausgewählte Latexkleid genau das Richtige, und ich bestand den Test mit Bravour. Drinnen war ich sofort fasziniert. In den Staaten gab es nichts auch nur annähernd Vergleichbares! Als Oliver meine vor Neugier großen Augen sah, ließ er mich allein auf Erkundungstour gehen. Der Club hatte zwei Ebenen. Unten gab es im vorderen Bereich eine Bar, die auf eine gut beleuchtete Tanzfläche führte. An den dunklen Rändern der Tanzfläche und in den tiefen Winkeln des Raumes befanden sich diverse Fesselungsanlagen wie Andreaskreuze, Spanking-Bänke, Bondage-Stühle und andere Gerätschaften, deren Zweck ich kannte, ohne ihre Namen zu wissen. Die zweite Ebene war eine »Chill-Zone« mit vielen großen Sesseln und bequemen Sofas, in der nur rotes Licht leuchtete. In der Luft hing der Duft von Räucherstäbchen, und die Musik war ruhiger. Die Atmosphäre gab mir das Gefühl einer Lasterhöhle, in der geheime Wünsche ausgesprochen und Stelldicheins und Dienste verabredet wurden und wo man bei Bedarf – unter den Augen aller oder in einer halbprivaten Ecke – die körperliche Kompatibilität überprüfen konnte.

Oliver in der Menge zu finden war nicht schwer, seine Blässe schimmerte im schwachen Licht und führte mich zu ihm. Als ich bei ihm ankam, stellte er mir Niles, Charmaine, Rowan und Esme vor. Niles und Charmaine hatten eine An-aus-an-Beziehung, und ich fühlte mich sofort zu dem attraktiven Niles mit seinem markanten Gesicht und seiner sexuellen Kraft hingezogen. Seine starken Pheromone hatten eine hypnotische Wirkung auf mich. Ich überlegte, ob ich Oliver betrog, wenn ich Niles attraktiv fand, beschloss aber sofort, dass dem nicht so war. Schließlich war meine Beziehung mit Oliver gerade mal einen Tag alt, denn die acht Monate seit unserer ersten Begegnung zählten für mich nicht als »Beziehung«.

Ich war ein wenig eingeschüchtert, weil ich gleich vier so distinguierten Mitgliedern der Londoner Szene gegenüberstand, aber Charmaine war freundlich und sprudelte förmlich über und nahm mir die Anspannung. Rowan war die Hausherrin und Esme ihre Geliebte und persönliche Sklavin. Rowan hatte eine starke Präsenz und strahlte natürliche Kraft und Stärke aus. Sie war etwa eins zweiundsiebzig groß, hatte große, volle Brüste, eine schmale Taille und einen wunderschönen herzförmigen Hintern. Ihre Augen waren haselnussbraun, ihre Haut wie Sahne, ihre Lippen großzügig und sinnlich und ihr langes, dicht gelocktes Haar von einem tiefen Braun. Sie war prächtig in Latex gekleidet, und ihr eng geschnürtes Korsett betonte ihre schmale Taille und ließ ihre Brüste und den Hintern hervortreten. Mit ihrem weit geschnittenen Mantel aus schwarzem Latex und den kniehohen Pfennigabsatzstiefeln hatte sie die Aufmerksamkeit der anderen voll im Griff. Esme war sehr schlank und hatte den Körper einer Tänzerin oder Schwimmerin. Mit kleinen Brüsten, feingliedrigen Knochen, flachem Bauch, langen Beinen ohne ein Gramm Fett und kurzem, hellem Haar war sie der perfekte Kontrast zu Rowans herrschaftlicher Erscheinung und ihrer üppigen Figur.

Außer Esme hatte Rowan noch andere Sklaven, sechs insgesamt, die durch einen Vertrag an sie gebunden waren. Sobald Rowan ihren Auftritt hatte, näherten sich die Sklaven voller Respekt und boten ihr die geforderten Gaben dar: bunte Schalen voller Trockenfrüchte und Nüsse, Körbe mit Käse, Kräckern und Aufstrichen und langstielige rote Rosen. So gebieterisch wie anmutig legte Rowan jedem Sklaven, der eine Gabe darbot, ein Halsband an und nahm ihn in ihren Dienst. Als alle sechs ein Halsband trugen, zog Rowan eine Kette mit einem Ledergriff und einem großen Ring am anderen Ende hervor. An dem Ring befanden sich sechs Doppel-Karabinerhaken, die jeweils mit der einen Seite im Ring, mit der anderen an einer etwa ein Meter langen Kette eingehakt waren. Am Ende jeder Kette befand sich ein zweiter Doppel-Karabiner, der die Kette mit dem Ring am Halsband des jeweiligen Sklaven verband. Auf diese Weise hatte sie alle vollkommen unter Kontrolle. Nur Esme trug zwar ein Halsband, lag aber nicht an der Kette und half Rowan mit den Sklaven.

Als Rowans gut erzogene Sklavin, wenn auch nicht mit dem Vermögen einer Co-Top, machte Esme den anderen Sklaven vor, wie Rowans kreative und anspruchsvolle Befehle zu befolgen waren. Als aktive Domina war ich immer auf der Suche nach neuen Methoden zur Kontrolle meiner Sklaven und verfolgte die Zeremonie sehr aufmerksam, beeindruckt, wie einfallsreich und gekonnt Rowan so viele Sklaven gleichzeitig im Griff hatte. Ganz offensichtlich spielten die Engländer viel härter als ihre amerikanischen Genossen, und sie nahmen ihre Rollen ernster. Ich würde hier nicht nur als Sub, sondern auch als Domina einiges dazulernen.

Während ich die dunklen Freuden der Nacht in mich aufsog, saß ich plötzlich neben dem gefährlich attraktiven Niles. Nervös und schüchtern versuchte ich auf, wie ich hoffte, spielerische Art eine Unterhaltung anzufangen. Da ich nur mein Latexkleid trug, war mir sehr kalt. Niles dagegen trug eine braune Bomberjacke aus Leder. Ich lehnte mich weit hinüber und machte ihm flüsternd ein Angebot. Ich sagte, mir sei kalt und seine Jacke sehe warm und kuschelig aus, weshalb ich ihm anböte, dass die Drinks heute Abend auf meine Kappe gingen, wenn er mir dafür seine Jacke gebe. Er drehte sich zu mir um, und da sah ich ihm zum ersten Mal in die Augen. Er war eine Flamme, und wie gebannt sog ich verstohlen seine Züge in mich auf, während ich auf seine Antwort wartete. Diese Flamme war von einer zerfurchten Schönheit, war groß und hatte langes, glattes, goldbraunes Haar, das von einer schwarzen Haarspange adrett zusammengehalten wurde. Über seinen wunderschönen grünen Augen wachte eine hohe Stirn mit einer kleinen, ziemlich sexy Narbe am Haaransatz und zwei üppigen Brauen. Sein sinnlich-grausamer Mund lag zwischen einem gespaltenen Kinn und markanten Kieferknochen und einer kräftigen, einst gebrochenen Nase. Seine Lederhose saß so gut, als wäre sie ein Teil seiner Persönlichkeit. Er trug sein Lord-Byron-Hemd in der Hose, und aus dem Ausschnitt und den Ärmeln seines Brokatmantels ergossen sich die Rüschen. Schwarze Lederstiefel umschmiegten seine Füße und Waden. Seine Pheromone waren unglaublich stark: Ich konnte sie von meinem Platz aus riechen. Seine tiefe Stimme, seine präzise Ausdrucksweise und der knackige Londoner Akzent machten ihn nur noch attraktiver – das ist mit britischen Akzenten immer so bei mir.

Dann lächelte er. Ich kicherte vor Freude. Nie hätte ich Grübchen auf seinem kraftvollen Gesicht erwartet. Die Wirkung war absolut bezaubernd, und ich spürte, wie ich seinem Charme verfiel.

Er stand auf, zog seine Jacke aus, legte sie mir über die Schultern und zupfte sie zurecht. Wieder überwältigte mich der Duft seiner Pheromone, und er machte mich etwas benommen. Ich griff lachend nach meiner Handtasche, gab ihm eine Zehn-Pfund-Note und fragte, ob das für den Anfang reiche. Er nahm den Zehner mit einer leichten Verbeugung an und sagte, das sei mehr als genug. Dann dankte er mir und ging zur Bar. Ich wusste zwar nicht, ob er sich wieder zu mir setzen wollte, aber dass er zurückkommen würde, war sicher. Ich hatte ja seine Jacke. Er kam nach seinem Ausflug aber direkt zu mir zurück und fragte, ob ich mit ihm nach oben gehen wollte. Ich sagte sofort zu und folgte ihm die Treppe hinauf in die rot erleuchtete Höhle der Laster und geheimen Tête-à-Têtes. Er wählte einen dicken, gepolsterten Liebessessel und wir setzten uns, Schulter an Schulter, hinein. Außer uns war nur noch eine weitere Person in der Höhle, und mir fiel auf, dass Niles den Mann während unserer Unterhaltung genau im Auge behielt. Nach ein paar Minuten flüsterte er mir zu, dieser Mann sei ein »Bobby«, ein Polizist, und wir sollten wieder nach unten gehen. Obwohl ich sehr enttäuscht war, konnte ich seine Vorsicht gut verstehen.

Als wir wieder nach unten kamen, verschwand er, und ich suchte mir einen Platz mit guter Sicht auf die Tanzfläche, wo Rowan zeigte, was ihre Sklaven konnten. Ich stieß mitten in einer Szene dazu, gerade rechtzeitig, um die Vorbereitungen für die körperliche Bestrafung eines der Sklaven mitzuerleben. Rowan hatte sie alle von der Kette gelassen und ließ die anderen fünf auf allen vieren Seite an Seite, Kopf an Hintern, niederknien und eine menschliche Spanking-Bank formen. Der, der bestraft werden sollte, beugte sich nach vorn und legte den Oberkörper auf die menschliche Bank, wobei er die Hüften in die Höhe reckte, um Meisterin Rowans Flogger ein attraktives Ziel zu bieten. Esme stand am Kopfende der Bank, packte ihn an den Handgelenken und zog seine Arme straff, um seinen Körper zu spannen und den Schmerz der Auspeitschung zu erhöhen. Als er richtig ausgerichtet war, fing Rowan an, seinen Hintern und seinen Rücken mit einem Überkopf-Schlag zu bearbeiten, der dem meinen sehr ähnlich war. Nach jedem Hieb rief der Sklave: »Danke, Meisterin.« Ich kannte diese Praktik, wandte sie selbst aber nicht an, weil ich die Ablenkung zu groß fand. Meine Methode bestand darin, die Strafe schweigend zu verabreichen, bis ich zufrieden war oder der Sklave sein Safewort sagte. Bislang hatte bei mir noch keiner »das Wort« gebraucht. Ich hatte ein Talent dafür zu wissen, wann der letzte Schlag auch wirklich der letzte war.

Nach der Bestrafung mussten die Sklaven aufstehen, und Rowan legte sie mit Esmes Hilfe wieder allesamt an Halsband und Kette. Dann trat sie ein paar Schritte von den Halsbandträgern weg, ließ etwas Spiel in der Leine und befahl ihnen zu tanzen. Und zwar nicht zu einem der üblichen schnellen, vielschichtigen Trance-Stücke, die sonst in den Clubs liefen, sondern zu einem ziemlich bekannten Lied der Rolling Stones. Dazu müsste eigentlich jeder tanzen können. Na ja, jeder bis auf diese recht spezielle Gruppe von Sklaven! Wie’s aussah, hatten die Elvis noch nicht entdeckt und waren vollkommen planlos, denn sie hatten nicht mal so viel Gespür fürs Tanzen, um wenigstens die Knie zu beugen. Wie diese Sechs sich an einem Song abrackerten, zu dem selbst meine steinalte Oma eine flotte Sohle aufs Parkett gelegt hätte, war einfach zum Schießen. Ich wusste, dass Lachanfälle in der Nähe einer Szene sehr leicht alles kaputt machen konnten, und musste mir regelrecht die Hand auf den Mund pressen. Ich bahnte mir einen Weg zu Charmaine, die die Szene auf der Tanzfläche aus einer weiter entfernten Ecke verfolgte. Als ich mich in den Sessel neben ihr plumpsen ließ, lasen wir einander in den Augen und brachen in schallendes Gelächter aus.

Als wir uns von unserem Lachanfall erholt hatten, fingen wir an zu plaudern. Charmaine war etwa so groß wie ich, aber völlig anders gebaut. Sie war ein paar Jahre jünger, hatte winzige Möpschen, einen flachen Bauch mit hervorstehendem Bauchnabel, etwas breite Hüften und sehr schöne Beine. Ihr Haar war sehr kurz und sehr stark gebleicht, und ihre Haut war hell. Ihre zwei schönsten Merkmale aber waren ihre unglaublich blauen Augen und ihr Mund, vor allem, wenn sie lächelte. Charmaine war so bekannt in der Szene, dass sie sich nicht mehr um den Dresscode kümmern musste, wenn sie in einen Club oder auf eine Party ging. Sie erzählte mir, sie sei alleinerziehend und hätte einen Sohn, der in die Grundschule ging. Sie wohnte mit ihm etwa zehn Gehminuten von Niles entfernt in einer »Maisonette«, einem kleinen Haus mit vielen Zwischenebenen und zwei Schlafzimmern im Obergeschoss. Sie verkaufte freiberuflich BDSM-angehauchte Werbung an große Unternehmen und buchte ausgefallene Unterhaltungskünstler für Firmenfeiern. Da diese Party unter der Woche stattfand und der nächste Tag ein Werktag war, wurde es gegen zwei Uhr deutlich leerer im Club. Wir dagegen waren frei von derlei profanen Verpflichtungen und blieben noch, und während immer mehr Leute gingen, verwandelte sich der Club langsam in unsere Privatparty. Wie ich neben Charmaine saß, fiel mir am Rand der Tanzfläche ein Mann auf. Er tanzte mit dem Rücken zu uns, und irgendwann griff er nach hinten und öffnete seine Haarspange. Er schüttelte sein Haar zur Musik auf und tanzte allein und ohne Hemmungen vor sich hin. Er bewegte sich sehr sinnlich, und ich war hypnotisiert von seinem Tanz. Ich konnte den Blick nicht von ihm lassen. Dann drehte er sich um, und ich sah sein Gesicht. Es war Niles. Während er weitertanzte, als würde kein Mensch zusehen, fühlte ich mich noch stärker zu ihm hingezogen. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, dass auch Charmaine ihn beobachtete und dabei lächelte. Ich schmiegte mich enger in seine Jacke, die ich noch immer trug, und sog den köstlichen Duft seiner Pheromone ein.

Fünf

Tobys Kerker

Um drei Uhr war der Club so gut wie leer, und Oliver machte ein Zeichen, dass es Zeit sei zu gehen. Oliver, Niles, Charmaine und ich fuhren in einem Wagen; Rowan und Esme stiegen in ihr eigenes Auto, und los ging’s nach Susingham zur Privatparty im Luftschutz-Kerker. Eine Dreiviertelstunde später wartete Toby an der Tür und hieß uns willkommen. Er sah prächtig aus in seinem eng geschnürten silbernen Korsett und den engen schwarzen Hosen und freute sich sehr über die Ankunft seiner Gäste und Partytiere. Rowan und Esme wollten über Nacht bleiben, und während Toby sie nach oben in ihr Zimmer führte, versammelten sich die anderen in der Küche und machten Tee. Nur ich nicht. So schnell ich in meinem Schlauchkleid nur konnte, rannte ich die Treppe hinauf in mein Zimmer und tauschte das Kleid gegen eine warme Stretchhose und einen Pullover, wobei ich die Kerkerparty aber nicht vergaß, weshalb ich darunter halterlose Spitzenstrümpfe und einen Stringtanga aus Spitze trug. Das Ganze rundete ich mit Stöckelschuhen ab.

Ich gesellte mich zu der Gruppe in der Küche und sah, wie Niles mich und meine durchtrainierte Figur betrachtete. Das freute mich enorm. Kurz darauf stießen auch Rowan und Esme dazu, ebenfalls in Straßenkleidung. Ich setzte mich noch nicht zu meinem Tee, weil ich bemerkt hatte, dass Niles, Charmaine und Oliver rauchten. Ich wusste, dass ich mich bald anschließen würde und dass es keinen Aschenbecher gab. Die einzigen Aschenbecher waren in Olivers und in meinem Zimmer, weshalb ich gleich nach oben rannte, zwei Stufen auf einmal nehmend, um gerade rechtzeitig mit den Aschenbechern zurückzukehren und sie in der Nähe der Raucher abzustellen. Rowan hatte es bemerkt und lud mich ein, mich neben sie zu setzen. Während wir plauderten, sagte sie etwas, das mir damals sehr seltsam erschien. Sie sagte, ich solle auf mein Herz achten. Auch wenn ich nicht verstand, was sie damit meinte, vergaß ich diese Bemerkung nicht.

Oliver hatte als Erster fertig geraucht. Er entschuldigte sich, gab Toby ein Zeichen und verließ den Raum. Sie kamen mit einem hölzernen Kästchen zurück, das sie mit einer Ehrfurcht hielten, als wäre es ein antikes Kultobjekt. Ich war unheimlich neugierig, was es mit diesem Kästchen und dem Getuschel zwischen Oliver und Toby auf sich hatte. Ich sollte es bald herausfinden.

Fast schon zeremoniell öffnete Oliver das Kästchen und reichte jedem von uns eine kleine beige Pille. Es war Ecstasy! Und zwar nichts Aufputschendes, sondern von der Habdichlieb-Sorte. Einem ungeschriebenen Gesetz zufolge durften Doms in einer professionellen Sitzung niemals betrunken oder high sein, doch im privaten Kontext wurde das meistens lockerer gesehen. Natürlich hatte ich schon von Ecstasy gehört und kannte auch Leute, die es nahmen, aber selbst probiert hatte ich es noch nicht. In Großbritannien sagte man »E« dazu, und wenn man es nahm, war man »auf E«. In den Staaten dagegen hieß es »Fahrt«, und wer drauf war, war »in Fahrt«. Während jeder seine Pille von Oliver entgegennahm, schenkte Toby uns kleine Gläser mit Orangensaft ein. Er erklärte mir, Orangensaft sei einer der besten Katalysatoren für Ecstasy. Wir warteten, bis jeder versorgt war, dann warfen wir uns die Pillen ein, toasteten uns zu und tranken auf die Nacht. Ich schloss mich den anderen an und dachte an all die wundervollen Dinge, die ich über die »Fahrt« gehört hatte. Dieser Abend entwickelte sich zu einem Abend der vielen ersten Male.