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Nach ihrem Buch über weibliche Dominanz erscheint nun Claudia Varrins Ratgeber über die Kunst weiblicher Unterwerfung. Varrin, professionelle Dominatrix, die aber selbst die Vorzüge weiblicher Unterwerfungsrituale kennengelernt hat, richtet sich an monogam lebende Paare, die sich in den Bereich der sexuellen Dominanz und Unterwerfung vorwagen möchten. Varrin ermutigt Frauen, ihre geheimen Wünsche innerhalb einer liebevollen und gleichberechtigten Partnerschaft auszuleben. Schließlich kann das Spiel mit Dominanz und Unterwerfung in einer langjährigen Beziehung für Knistern und Gänsehaut sorgen. Das Buch nähert sich dem Phänomen der weiblichen Unterwerfung mit größtem Einfühlungsvermögen. Bildhaft schildert Varrin den Sadomasochismus als einen geheimnisvollen und exotischen dunklen Garten. Ausführlich erklärt sie die psychologische Grundlage der zu dieser sexuellen Spielart gehörenden Mentalität und räumt mit gängigen Vorurteilen auf. Sie gibt praktische Tipps, macht Vorschläge und vermittelt Wissen. Die Kunst der weiblichen Unterwerfung ist ein Ratgeber für Anfänger, die nichts mit der SM-Szene zu tun haben und es vorziehen, die ersten Schritte in die geheimnisvolle Welt des Sadomasochismus innerhalb der eigenen vier Wände zu machen. Der Inhalt Die Kunst der weiblichen Unterwerfung wendet sich an die "normale" Frau mit einem ganz "normalen" Sexualleben. Zu Beginn zerstreut die Autorin Vorurteile und ermutigt dazu, die heimlichen Fantasien zuzulassen, statt sich ihrer zu schämen. Sie hilft herauszufinden, ob "frau" ihre devoten Fantasien tatsächlich ausleben möchte, und gibt Tipps, um dem Partner spielerisch die eigenen Bedürfnisse mitzuteilen. Varrin gibt einen Überblick über die verschiedenen Praktiken des sogenannten BDSM (Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism), stellt verschiedene Rollenspiele vor, schildert ihre eigenen devoten Fantasien und beflügelt die Vorstellungskraft des Lesers mit fiktionalen erotischen Kurzgeschichten. Sie stellt die SM-Szene vor, informiert über Literatur, Clubs und Internetforen. Dabei rät sie jedem Paar, individuell zu entscheiden, die eigenen Vorlieben privat oder in der Szene auszuleben. Claudia Varrin geht mit ihrem Thema offen, aber sensibel um. Es gelingt ihr, jeder Leserin ein eigenes Tempo zu ermöglich, um die verborgenen Wünsche ans Licht zu bringen. Sie erinnert an ihr eigenes Coming-out und beschreibt ihre Gefühle und Fantasien. Die Kunst der weiblichen Unterwerfung ist auf die interessierte Frau zugeschnitten, aber wendet sich ebenso an Paare, die sich ganz am Anfang einer faszinierenden Entdeckungsreise befinden.
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Seitenzahl: 442
Claudia Varrin
Für Meris
Dieses Buch handelt von der Erkundung kontroverser und risikoträchtiger sexueller Aktivitäten. Die im Buch genannten Vorsichtsmaßnahmen machen deutlich, dass man ein ausgeprägtes Bewusstsein für die bestehenden Risiken benötigt und größtmögliche Vorsicht walten lassen muss, um diese zu minimieren, Probleme vorherzusehen, sie gegebenenfalls zu verstehen und – was am wichtigsten ist – sie zu vermeiden. Die Autorin gibt in den entsprechenden Kapiteln lediglich grundlegende Sicherheitshinweise, um die Leser und Leserinnen an mögliche Risiken zu erinnern.
Es besteht ein ganz realer und klarer Unterschied zwischen einvernehmlichen, für beide Seiten lustvollen Akten zwischen Erwachsenen und jeglicher Form von Gewalt, die gegen den Willen eines Partners ausgeübt wird. Es ist abstoßend und unmoralisch, wenn man einem zögernden Partner eine sexuelle Handlung aufzwingt. Zwingt man sie ihm gegen seinen Willen auf, ist es eine Straftat.
Vorwort
Als ich mein Buch Die Kunst der weiblichen Dominanz schrieb, ging es mir darum, der angehenden Domina und ihrem frischgebackenen submissiven Partner neben praktischen Ratschlägen auch Selbstvertrauen zu geben und psychologische Einblicke zu bieten. Ich schrieb darin über die Energie und Erfüllung, die aus einer dominant-submissiven oder SM-Beziehung erwachsen können, in der die Frau als »Top« den dominanten Part übernimmt. Zwar wurde dabei auch die submissive Sicht der Dinge gestreift, aber das Buch war eben für Frauen geschrieben, die »oben« sein wollten. Es gab nur einen flüchtigen Eindruck von der Freiheit und der Heiterkeit, die ein submissiver Partner in einvernehmlicher sexueller Unterwerfung erleben kann, und welch ehrenvolle Position ihm dabei zukommt. Es enthielt nur gelegentliche Hinweise auf die intensiven Emotionen, die wogende Leidenschaft, die spirituellen Expeditionen und die transzendente Befriedigung erotischer Ergebenheit. Es bot keine Ratschläge, wie man eine sexuell submissive Rolle so gut wie nur möglich ausfüllen kann.
So wie es mir im ersten Buch darum ging, angehenden dominanten Frauen den Rücken zu stärken, will ich nun mit diesem Buch jenen Frauen Mut machen, die ihre submissive Seite gerade erst entdecken. Lassen Sie mich von meinem Leben als Top erzählen, und wie es dazu kam, dass ich zur »Switch« wurde und die Seiten wechselte.
Einer der Gründe, weshalb ich meine Arbeit als professionelle Domina liebte, war am Ende auch ein Grund für meinen Rückzug. Es machte mich sehr traurig, dass die meisten Männer, die zu mir kamen, ihre submissiven Wünsche nicht auch mit ihren Partnerinnen erforschen konnten, obwohl die dabei möglichen Entdeckungen eine Wohltat für ihren emotionalen Haushalt gewesen wären. Glücklicherweise konnte ich diese Traurigkeit mit meinem eigenen Verlangen nach sexueller Unterwerfung verbinden und in eine höchst befriedigende und emotional bereichernde Erfahrung verwandeln. So wurde ich ermutigt, dieses Buch zu schreiben, denn ich bin mir sicher, dass es viele Frauen gibt, die sich dafür interessieren.
Sexuelle Unterwerfung ist auch in der heutigen Zeit nicht »politisch unkorrekt«, denn das Ausleben der eigenen Sexualität ist eine Frage rein persönlicher Entscheidungen: Ihrer Entscheidungen. Ich weiß, dass manche Leserinnen durch sexuelle Unterwerfung in einem romantischen SM-Szenario zu mehr Intimität, größerem Vertrauen und besserer Kommunikation in ihrer Beziehung finden werden. Ich weiß, dass sie ihr Leben und ihr Liebesspiel bereichern wird. Für diese Frauen schreibe ich dieses Buch.
Als ich professionelle Domina wurde, war ich begeistert von den Männern, die zu mir kamen, und unseren gemeinsam inszenierten Fantasien, und ich bezog viel Kraft daraus. Alles war sehr neu und ungewohnt, jede Session eine neue Herausforderung, und jede Rolle bot Gelegenheit für eine weitere oscarreife Darbietung. Nach einer umfangreichen Ausbildung durch meine Mentorin Ava Taurel, die ich noch fortführte, als ich bereits Kunden hatte, stieg ich in die Club- und Partyszene ein und suchte mir eigene Kunden. Ich war Model auf Fetisch-Modenschauen, ließ mich in den Clubs mit den richtigen Leuten sehen, kam auf die Listen von Privatpartys und nahm an Fetisch-Wochenenden teil. Nachdem ich mir jahrelang ein echtes SM-Liebesleben erträumt hatte, durch das ich nicht mehr von den typischen Zufallsbekanntschaften abhängig gewesen wäre, war ich endlich auf (richtig viele) Menschen mit gleichen oder ähnlichen Interessen gestoßen.
Um meinen Heißhunger zu stillen, hielt ich mir regelmäßig persönliche Sklaven. Schon als Kind und als Teenager hatte ich von einer sadomasochistischen Beziehung geträumt, und wie damals las ich alles, was ich in die Finger bekam. Allerdings hatte ich nun die Zeit, nach Büchern zu suchen, das Geld, sie zu kaufen, und einen frisch emanzipierten Geist, durch den ich sie mit den richtigen Augen las. Ich kaufte Peitschen und Reitgerten, Rohrstöcke und Paddel, Lederkleidung in rauen Mengen und Latex und PVC (ein glänzend elastischer Vinylstoff) noch obendrauf. Ich kaufte Nippelklammern und Schwanzkäfige, Hodengewichte und Augenbinden, Fetisch-High-Heels und Plateauschuhe und ich fand es herrlich. Ich verschlang das alles förmlich. Wenn ich »begehrt« wurde, erkundigte ich mich sorgfältig nach den Details der Session: Welche Kleidung, welches Verhalten schwebte dem Klienten vor? Jede Buchung war ein kleines Epos, und ich führte die Regie.
Damals, als das alles neu war, hegte ich sogar eine Art unbestimmter Liebe für diese Männer, die mir erlaubten, sie zu fesseln, zu bestrafen, in Frauenkleider zu stecken und auf ihnen herumzutrampeln, sie in meinem Natursekt zu duschen und auf unzählige Arten zu foltern und zu erniedrigen, die zum Teil von ihnen selbst, meist aber von mir erdacht waren. Doch bevor all das stattfand, wollten die Herren – die zu 95 Prozent echte Gentlemen waren – stets ein paar Minuten ihrer Stunde mit der Herrin reden. Ein Teil dieser Zeit diente zur Besprechung der jeweiligen Fantasie, der Rest nicht: Zunächst wollten die Männer mich »kennenlernen«, dann wollten sie, dass ich sie »kennenlernte«. Diese Buchungen hatten große Ähnlichkeit mit Therapiesitzungen.
Die Fragen waren meistens dieselben: Hatte ich einen anderen, einen alltäglichen Beruf? Ja. Ging es mir nur ums Geld? Nein, ich liebe es, die Fantasien anderer Leute kennenzulernen. Mein eigenes Sexleben, meine Fantasien waren durch die Fantasien, die ich mir anhörte und mit ihnen zusammen auslebte, um vieles reicher, ausgefallener und hemmungsloser geworden. Viele sagten, wie wundervoll sie mein »bereichertes Liebesleben« fanden, und erzählten daraufhin mit neuer Zuversicht von ihrer Fantasie. Ganz oft kam vor oder nach der Session die Frage, ob ich so eine Fantasie schon einmal gehört hätte. Der Mensch hat ein ausgeprägtes Bedürfnis, ausgefallene Sexfantasien zu legitimieren. Ich sagte dann immer: »Nun, es gibt ähnliche Themen, ein gemeinsames Grundmotiv. Aber Ihre Fantasie hat etwas ganz Besonderes, sie besitzt Ihren Stil, und das macht sie einmalig.« Mit so einer Antwort konnte ich nichts falsch machen, bot sie doch die Legitimation der Fantasie (»ähnliche Themen«), die jeder Mann wollte – und brauchte –, und ging noch weit darüber hinaus: Besonderheit, Stil, Einmaligkeit. So erhielten sie neben der Legitimation auch noch ein nettes Kompliment!
Bei anderen wehte allerdings ein Hauch von Depression durch den Kerker, wenn ich von meinem sadomasochistischen Liebesstil berichtete. Die Männer erzählten, ihre Frau oder Freundin hätte ja keine Ahnung von ihren Vorlieben. Sie wussten nicht, was passieren würde, wenn sie es herausfände. Entweder rechneten die Männer nicht mit dem Verständnis ihrer Partnerin oder die Frau hatte ihrerseits nie irgendwelche Andeutungen gemacht. Im letzteren Fall wagten die Männer nicht, den ersten Schritt zu tun, weil sie keinen Anhaltspunkt auf eine wohlwollende oder ablehnende Reaktion hatten. Dieser Mangel an Vertrauen und Aussprache allein war schon traurig genug. Noch viel bedrückender war allerdings, wie milde viele der von mir inszenierten Fantasien waren. Wenn ein hart arbeitender, gebildeter Mann und guter Familienvater seiner Lebenspartnerin nicht erzählen kann, dass er von erotischen Fußmassagen träumt, sehe ich da ein ernsthaftes Problem. Solche milden und zärtlichen Fantasien sind weit verbreitet. Legendäre Sequenzen populärer Filme drehen sich um Fußmassagen, andere Filme enthalten Fußfetischismus-Szenen, und wieder andere treiben ihre ironischen Späße mit dem Thema. Wenn das seine Fantasie ist, wo liegt da das Problem, sie zu erfüllen?
Hätten die beiden diese Fantasie gemeinsam umgesetzt, wäre daraus vielleicht ein sagenhaftes Vorspiel und der beste Sex ihres Lebens entstanden. Aber nein, der arme Kerl musste sich einer völlig Fremden anvertrauen – einer Fremden, die seine dunkle Seite und die Welt seiner Träume besser verstand als seine Partnerin! Bei vielen der von mir inszenierten Fantasien handelte es sich um milde und amüsante Sessions mit Fußfetischismus oder Cross-Dressing, leichten Fessel- und Erziehungsspielen oder »Böser Schüler«-Szenarien. Ich leistete bei meinen Sessions als professionelle Domina keinerlei sexuelle Dienste, aber unter Umständen erlaubte ich den Männern, »Druck abzulassen« (selbstverständlich eigenhändig), bevor sie gingen. Viele dieser Szenarien hätten sie einem liebenden Partner anvertrauen und mit ihm inszenieren können – das hätte erstens die Beziehung verbessert und Sex wäre dabei auch noch drin gewesen! Dazu kommt, dass diese Männer absolut kein Verlangen hatten, ihr Leben aufzugeben oder ihre Ehefrauen zu verlassen. Sie liebten ihre Frauen und ihre Familie, und sie waren aufrichtig bemüht, ihre Ehe intakt zu halten. Sie hatten nur dieses Verlangen …
Nach einer Weile begannen mich diese Geschichten voller Mangel an Verständigung, Vertrauen und Intimität zu zermürben. Ich merkte, dass ich alles abblocken musste, was nicht mit der Umsetzung einer Session zu tun hatte. Dann fing ich an, Buchungen abzulehnen, die nicht ganz meinem Geschmack entsprachen oder bei denen der Sub nicht wusste, wie genau er sich unterwerfen wollte. Ich hatte immer weniger Kunden und beschränkte mich zunehmend auf persönliche Sklaven. Mir wurde klar, dass sich meine Affäre mit der professionellen Dominanz ihrem Ende zuneigte. Ich wurde apathisch, weil ich nichts an ihren Lebensumständen ändern konnte – wir konnten lediglich eine Stunde lang so tun als ob. Nachdem sie einmal Blut geleckt hatten, würden diese Männer für den Rest ihres Lebens an SM-Sex denken, und das machte mich traurig. Falls sie keine andere Domina aufsuchten, würden ihnen nur ihre Träume bleiben, und eine Erinnerung.
So schlug eine ehemals liebevolle Beziehung in Apathie um, die sich schließlich in kalte Wut verwandelte. Unser Denken folgt manchmal einer seltsamen Logik, und so war ich wütend auf die Männer, weil sie in meinen Augen ein parasitäres Verhältnis zu mir pflegten. Sie kamen mir plötzlich vor wie psychosexuelle Botenjungen, die mit Einkaufslisten voller Fantasien in meinen supra-sinnlichen Supermarkt kamen und deren Verwirklichung verlangten: ein Wink mit dem Finger, die Wölbung eines Fußes, ein Wölkchen Zigarettenrauch. Es waren so dermaßen konstruierte und endlos durchdachte Fantasien, dass kein normaler Mensch ernsthaft auf ihre Erfüllung hoffen konnte. Im Grunde hätte das nur ein göttliches oder überirdisches Wesen leisten können. Sie verlangten, ich gab. Sie gingen erholt und aufgekratzt von mir; ich blieb ausgelaugt und müde zurück. Ich »arbeitete« immer weniger und verbrachte immer mehr Zeit damit, von sadomasochistischem Sex zu fantasieren und darüber zu schreiben.
Zunächst schrieb ich als Domina, die Männer dominierte. Ich verfasste massenhaft Geschichten über Bondage, Prügel, Cross-Dressing, Fußfetischismus, Sklavenerziehung und Erniedrigung. Unartige Schüler bekamen das Paddel, für böse Kätzchen gab’s die Sprühflasche und ungezogene Hunde kamen in den Käfig. Klugscheißer kriegten den Rohrstock, Polizeibeamte, Postboten, Drill-Sergeants und Spanner wurden mit Forced Feminization bestraft. Buttplugs und Ballknebel, Klammern und Wäscheklammern, Riemenpeitschen und Fetischklamotten bevölkerten meine Geschichten wie die Figuren einer geliebt-gehassten SM-Soap. Ich führte ein erfreulich aktives Sozialleben: Ich gehörte einem privaten Partyzirkel an, war Mitglied in einem SM-Verein in meiner Stadt und ging jeden Monat auf zwei oder drei Partys. Es gab SM-Treffen und andere Events in umliegenden Städten, die man nicht verpassen durfte. Ich zog durch die Fetisch-Shops der Stadt und besuchte Freunde aus der Szene.
Das Leben war amüsant, auch wenn ich mich alleine amüsierte. Und der herkömmliche Sex? In dieser Hinsicht war ich seit Monaten enthaltsam! Der ganze Sex, den ich hatte, bestand in dominanten Spielen mit submissiven Freunden, der immer kurz vor der sexuellen Entladung endete, die ich mit einem »vanille« oder dominanten Partner hätte genießen können. Dabei wünschte ich mir schon als Kind, SM-Spiele mit einem liebenden und unterstützenden Meister zu spielen, auch wenn ich es damals nicht so formuliert hätte. Diese von Kindheit an gehegten Fantasien von sexueller Unterwerfung brachten mich schließlich dazu, meine submissive Seite zu erkunden. Nachdem ich so viel über die Unterwerfungsfantasien anderer Leute erfahren hatte, wollte ich endlich auch für meine eigenen Fantasien mehr tun, als nur darüber nachzudenken.
Ich fing an, Kurzgeschichten aus meiner persönlichen submissiv-masochistischen Perspektive zu schreiben und darin einen eigenen Stil von Masochismus und Unterwerfung zu formulieren. Durch das Aufschreiben meiner Fantasien lernte ich allmählich den Unterschied zwischen den Dingen, vor denen ich mich nur scheinbar fürchtete (während ich sie mir im Grunde zum richtigen Zeitpunkt und mit dem richtigen Partner wünschte), und den Dingen, die mir wirklich Angst machten. Ich wollte in Worte fassen, welcher Nervenkitzel in der emotionalen Abwärtsspirale des Masochismus lag, welch reinigende Wirkung Schmerz haben kann, der sich in Lust verwandelt, und wie es ist, wenn man in einer vertrauensvollen und fürsorglichen Beziehung immer und immer wieder bis zum Äußersten gebracht wird. Immer wieder rückten in meinen masochistischen Unterwerfungsfantasien Zwang und Konsens, der Aufruhr der Gefühle und die Kämpfe in meinem Innern ins Zentrum des erotischen Vergnügens. Widerstand steigert meine emotionale Spannung und lässt meinen Körper noch empfindlicher werden. In der Illusion des Zwangs gibt mir mein Meister das Recht, meine schmutzigsten sexuellen Begierden zu genießen. Ich tue, als hätte ich keine Wahl, und kann so vergessen, dass ich frei bin zu wählen. Dieses So-tun-als-ob und die Befehle des Meisters lassen mich mein sexuelles Wesen erforschen und in unbekannte Tiefen der Erotik vordringen.
In anderen Fantasien stellte ich mir vor, ich würde »gezwungen«, rituelle Erniedrigungen zu erdulden und beschämende Handlungen auszuführen. Inmitten dieser selbst erdachten köstlichen Erniedrigungen wollte ich Barrieren niederreißen, die mich viel zu lange eingeengt hatten. Ich strebte nach einem Gefühl von Macht und Freiheit, indem ich mir meine schlimmste Erniedrigung ausdachte, sie einem anderen anvertraute und schließlich auslebte. Ich wollte mich in meinen Masochismus versenken und mich selbst erneuern, indem ich mich im freiwilligen Leiden erneuerte. In Erniedrigung und Schmerz wollte ich erfahren, wie weit ich mein Ich reduzieren kann. Schmerz und Erniedrigung dekonstruieren das Ego. Ihnen wohnt ein Zauber inne, mit dem ich all die Dinge erforschen wollte, die man ohne Zögern tut, wenn das Selbst erst einmal zerlegt und sämtlicher Hüllen beraubt ist. Körper und Geist bildeten eine Einheit und »unterwarfen« sich im ritterlichen Sinn des Wortes; das Ideal war der totale Gehorsam und die absolute Ergebenheit gegenüber einer höheren Macht.
So gab ich also in der Öffentlichkeit die Top, während ich im Privaten voller masochistischer und submissiver Fantasien war. Oft lag ich frühmorgens im Bett und ließ mich in meinen geheimen Subspace gleiten, wo ich wieder die submissive Masochistin sein konnte. Mein Meister war mal Wüstenscheich, mal Räuber, mal Pirat, mal Wegelagerer, er war Marquis, Indianerhäuptling oder ein Mann in Uniform, und ich schrieb ihm das Drehbuch und die Ausstattung auf den Leib. Die zentralen Motive meiner erotischen Fantasien handeln von Erniedrigung und Ritual, von Zwang und Konsens. Ich verehre meinen sadistischen Meister, der mich bei Tage ernährt und umsorgt, während er mich des Nachts sexuell missbraucht und seinen Spaß mit mir hat. Er ist der einzige Mensch in meinem Leben und ich verzehre mich nach seiner Aufmerksamkeit. Der Schmerz, den er mir zufügt, verleiht meinem Ego eine neue Form, und ich verliere jedes Bewusstsein meiner selbst. Wenn ich mich ihm völlig unterwerfe, erlebe ich durch Masochismus, Schmerz und Erniedrigung eine spirituelle Wiedergeburt.
Das waren alles herrliche Ideale, wunderschöne Träume und heiße Fantasien, aber wie jede Bottom brauchte ich einen Top: einen Dom für meine Sub, einen Herrn für meine Sklavin, ein Yang für mein Yin. Die Mühsale und Widrigkeiten, die ich auf der Suche nach einem geeigneten Herrn und Meister überwinden musste, nahmen herkulische Ausmaße an. Mir wurde schnell klar, dass sich keiner der Männer meiner SM-Szene dazu eignen würde. Es war die alte Geschichte: Die guten waren alle vergeben, und übrig blieben nur noch die Abgestandenen, die keiner haben wollte. Einer hatte eine solche Verbindlichkeitsphobie, dass er schon dachte, es ginge um den Rest seines Lebens, wenn man ihn am Telefon mit »Hallo! Was machst du gerade?« begrüßte. Ein anderer fetischisierte Erbrochenes und fragte, ob ich vielleicht Bulimie hätte, damit ich mich auf ihm übergeben könnte. Der Nächste wollte seine Sklavin barfuß durch SM-Clubs gehen lassen, über deren klebrigen Boden man lieber nicht nachdenkt. Einige waren zu alt oder zu jung, viele hatten Übergewicht und manchen ging es beim SM-Sex nur um den kurzen Kick, den man früher noch bei One-Night-Stands bekommen konnte.
Manchen Männern fehlte die Erfahrung. Bei einigen bedeutete eine »vor kurzem entdeckte dominante Seite«, dass ich (mit seiner Erlaubnis) »topping from the bottom« betreiben und ihn von unten dirigieren sollte, bis er genug von mir gelernt hätte, um die Kontrolle zu übernehmen. Grusliger waren allerdings diejenigen, die zugaben, dass sie keine Erfahrung hatten, aber trotzdem nicht von mir, sondern auf mir lernen wollten. Doch das wirkliche Problem war einfach: Keiner dieser Männer machte mich scharf, keiner brachte meinen Motor auf Touren, keiner »blies mir den Rock hoch«, wie man bei uns zu sagen pflegt. Dazu kam, dass ich in den Staaten weiterhin meinen Ruf als professionelle Domina zu pflegen hatte und mich nicht nackt in Clubs an der Leine herumführen lassen konnte. So musste meine Unterwerfung fürs Erste privat bleiben, aber meine Suche ging weiter.
Als ich in London einen Freund besuchte, fand ich mich eines Abends unvermittelt neben einem Mann wieder, dessen schroffe Schönheit meine Aufmerksamkeit erregte. Als seine meergrauen Augen in die meinen blickten, erkannte ich eine dunkle Seite, die unter seinem attraktiven Äußeren hindurchschien. Sein Gesicht wurde geteilt von einer kräftigen und ehemals gebrochenen Nase, eine tiefe Furche betonte sein Kinn, und wenn er mich ansah, blitzten seine seeungeheuergrünen Augen vergnügt auf.
Wenn er lächelte, senkten sich zwei tiefe Grübchen in seine Wangen – zweifellos das Werk einer wohlwollenden Göttin, die der zerklüfteten Landschaft seines Gesichts ein wenig von seiner Härte nehmen wollte. Als er aufstand, um uns Drinks zu holen, durfte ich feststellen, dass er genau die Größe und das Gewicht hatte, die ich mir für meine Männer wünsche. Und als er sich umdrehte, sah ich sein langes Haar, das ihm in einem Pferdeschwanz über den Rücken fiel, adrett in Zaum gehalten von einer Spange mit schwarzer Lederschleife. Ich liebe langes Haar, weil man so toll hineingreifen kann, und es war genauso lang wie meines. Er hieß Niles, und er war ein Dom, dessen Erfahrung meine eigene noch überstieg und dessen Vorlieben sich mit meinen deckten. Er hatte den Ruf eines kreativen, erfahrenen Top und er war der attraktivste wild aussehende Mann, dem ich je begegnet war. Unsere elektromagnetischen Felder harmonierten vorzüglich, und da ich allein war in einem fremden Land, strahlte mein inneres Licht hell auf durch die Wärme, die ich in seiner Nähe empfand. Ich hatte das Gefühl, dass ich den Mann gefunden hatte, der mein Freund und Liebhaber, mein Herr und Meister, mein ebenbürtiger Partner sein würde.
Noch in derselben Nacht setzte mich Niles im Kerker eines englischen Landhauses vor sich auf einen Stuhl, der niedriger war als sein eigener. Meine Knie waren gespreizt, meine Hände hinter dem Kopf verschränkt, so dass meine Brüste nach vorne traten. Er fing an mich zu küssen, und er küsste göttlich. Während ich von diesen vorzüglichen Küssen ganz feucht wurde, begann er, meine Nippel zu kneifen. Ganz allmählich erhöhte er den Druck und brachte mich viele Male zum Höhepunkt, während er mich weiterhin küsste und zwickte. Dann presste er meine Knie mit den Beinen noch weiter auseinander und fing an, meine Venuslippen zu reizen und sanft zu foltern, drang aber nicht in mich ein.
Mehr als zwei Stunden spielte er mit mir, bevor er uns beide auf die Decken und Kissen beförderte, die wir auf dem Boden aufgeschichtet hatten. Er drückte mich auf den Rücken und kniete sich zwischen meine Beine. Dann drang er mit zwei Fingern tief in mich ein und bescherte mir einen kosmischen Orgasmus. Er erforschte das Innere meiner Muschi, ortete meinen G-Punkt und fing an, meinem ekstatisch gefolterten und heißhungrigen Körper einen Orgasmus nach dem anderen zu entwinden. Eine Ewigkeit später war ich vom vielen Kommen geschwächt und gefügig und er schickte sich an, mich zu besteigen, wobei er mich seinen großen prächtigen Schwanz sehen ließ, bevor er in mich eindrang. Bebend vor Leidenschaft sah ich mit an, wie sein Schaft in seiner ganzen Länge in mir verschwand. Ich öffnete mich ihm wie eine Blüte des Nachtjasmin im sanften Licht des Mondes. Ich verließ England voller glühender Erinnerungen an die Zeit mit ihm.
Niles und ich blieben in Kontakt. Wir telefonierten und schrieben uns Briefe. Ich wollte ihn wiedersehen und war gerade dabei, Vorbereitungen für den Flug zu treffen, als ein gemeinsamer Freund anrief und mir erzählte, dass Niles sehr krank war. Ich wollte sofort zu ihm fliegen, um ihn zu pflegen, doch der Anrufer sagte, so kritisch sei sein Zustand auch wieder nicht, er werde sich um ihn kümmern. Doch als ich schließlich eintraf, war schnell klar, dass sich niemand um diesen Mann gekümmert hatte. Er hatte offensichtlich Schmerzen und war nach einem Monat mit Antibiotika ziemlich ruiniert. Ich brauchte keine zwei Tage, um die Situation zu klären und dafür zu sorgen, dass er nur noch auf dem Sofa lag, ins Badezimmer ging und schlief.
Alles andere erledigte ich. Ich bezog das Bett frisch und knöpfte mir Ladungen für die Waschmaschine vor. Ich enterte den Supermarkt und lernte, nach seinem Geschmack zu kochen. Ich tourte jeden Tag durch die Läden in der Nachbarschaft und kaufte frisches Obst und frische Backwaren. Der Müll flog raus, die Post kam rein. Ich reparierte den Staubsauger und benutzte ihn regelmäßig. Kühlschrank, Schränke, Boden – nichts war vor mir und meinem Putzschwamm sicher.
Ehe ich mich versah, war ich auf den Knien und putzte seine Toilette. Mit meinen großen gelben Putzhandschuhen und der WC-Bürste in der Hand wurde mir plötzlich bewusst, dass ich das Klo dieses Mannes sauber machte und dabei überglücklich war! Wegen seiner Krankheit waren wir verspielt und zärtlich, doch wir spielten nie zu Ende, weshalb ich nicht von großartigem Sex geblendet sein konnte. Ich fühlte mich wohl bei diesem Mann, fühlte mich wohl in seinem Haus. Wir sprachen viel miteinander und lernten uns besser kennen. Ich erfuhr, dass er zu jeder Mahlzeit Fleisch brauchte und zum Mittagessen gerne etwas frisches Obst aß. Wenn wir schwiegen, war es angenehm, und trotz der kleinen Wohnung ließ jeder dem anderen ausreichend Privatsphäre.
Ich war glücklich, weil ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl hatte, dass ich im ritterlichen Sinn des Wortes geben konnte: ohne auf eine Gegenleistung bedacht zu sein. Ich genoss die Zeit mit diesem Mann. In seiner Gegenwart fühlte ich mich gut; ich fühlte mich besser, als wenn ich alleine war, und ich empfand ein tiefes Vertrauen. Ich sah ihn an und sah einen Menschen, den ich so mochte, wie er war. Es gab einfach nichts, was ich ändern wollte (vom Teppich im Wohnzimmer vielleicht mal abgesehen). Ich genoss es, ihm zu geben, und war regelrecht begeistert, dass ich seine Güte auf so greifbare Art vergelten konnte. Wie oft erhält man so eine Gelegenheit? Und wie oft wenden wir uns ab, weil sie gerade ungelegen kommt? Er brauchte etwas, und ich konnte es ihm geben.
Auch tagsüber während der Hausarbeit spielten wir kleine Spielchen, denn er musste unterhalten werden, und ich genoss es ohnehin. Den Haushalt hätte auch jede gute Freundin für ihn erledigt. Wir peppten die Arbeiten nur ein bisschen mit SM auf. Wir tranken jeden Nachmittag Tee. Zuerst servierte ich diesen, wie in London üblich, auf einem Tablett, dann setzte ich mich nackt zu Niles’ Füßen. Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, ihm ein Bad zu richten und diente ihm als Badefrau. Ich manikürte ihn, wusch sein Haar und bürstete es. Ich flickte Risse in den Kleidern und nähte Knöpfe an. Ich wirbelte durch die Wohnung und freute mich, weil ich einem Menschen so sehr helfen konnte, der mir wirklich wichtig war. Mein Geben hatte einen Sinn und ich war im siebten Himmel.
Und er war zauberhaft. Anfangs machte er sich Sorgen und dachte, ich würde in meinem Urlaub nicht auf meine Kosten kommen. Er bekam mit, was ich alles machte und versuchte mich zu überreden, mich zu setzen, eine Pause einzulegen oder ganz damit aufzuhören. Er »befahl« mir sogar, mich hinzusetzen und nichts zu tun, aber ich »gehorchte« ihm nicht. Ich wollte allein schon deshalb immer noch mehr für ihn tun, weil er mein Tun beobachtete und kommentierte und seine Dankbarkeit den Eindruck erweckte, als würde er derlei Fürsorge nicht oft bekommen oder zulassen. Mir war klar, dass er normalerweise durchaus in der Lage war, ein tolles Essen zu kochen, die Wohnung in Schuss zu halten und sich auch sonst selbst zu versorgen. Es war ihm nicht recht, dass ich meinen Urlaub damit verbrachte, ihn zu pflegen und für ihn zu kochen und zu putzen. Dabei war es mir eine Freude, ihm zu helfen und ihn dabei noch besser kennenzulernen. Durch den SM-Sex gewann unsere Beziehung zwar an Intimität, aber es war für mich trotz allem die erste Beziehung überhaupt, die nicht auf Sex beruhte. Dieser Mann war mein erster richtiger Freund, und diesen Umstand verlor ich nie aus den Augen.
An diesem Punkt erkannte ich, dass ich gerade die erste erwachsene Beziehung meines Lebens führte. Ich war Switch geworden und hatte einen Meister gesucht, mit dem ich meine Unterwerfungsfantasien ausleben konnte, weil ich erfüllt werden wollte, indem ich mich völlig leer machte, weil ich mich in einer Abwärtsspirale erheben und meine verborgensten sexuellen Fantasien erforschen wollte. Es war mein erster Schritt. Ich tat diesen Schritt und ging weiter und schaute nie mehr zurück, denn ich wusste, ich war auf dem richtigen Weg. Ich sah mich selbst in einem neuen Licht und fühlte mich mit mir und meinem Leben viel wohler. Seit ich jemanden kenne, mit dem ich meine ausgefallenen masochistischen und submissiven Fantasien teilen und ausleben kann, habe ich meine angeborene Schüchternheit weitgehend abgelegt und bin im Alltag viel entspannter. Als ich Niles damals im März wieder verließ, strahlte ich förmlich, weil seine Energie sich mit meiner verband und sie noch verstärkte. Ich war sehr glücklich, dass ich einen neuen Freund gefunden und mich ihm auf ritterliche Weise unterworfen hatte.
Er wurde mein engster Freund und Vertrauter, mein Geiselnehmer und Folterer, mein Held und mein Retter in der Not. Er wurde meine Muse und mein Mentor, mein Spielgefährte und Liebhaber, mein Erzengel und mein Dämon. Und bei alldem vergaßen wir nie, dass wir ebenbürtige Partner in einer romantischen SM-Beziehung waren. Er führte mich an die Orte, die ich am meisten fürchtete, und lehrte mich, dort in höchster Lust zu schwelgen. Er unterstützte mich, er war stolz auf mich und nicht im Geringsten von mir eingeschüchtert. Er kannte meine Verletzbarkeit und setzte sie nie gegen mich ein. Ich vertraute ihm mein Herz, meine Seele und meinen Körper an. Ich vertraute seiner Stärke und Empfindsamkeit und wusste, dass ich ihm wichtig war. Während wir miteinander spielten, war ich der Welt entrückt, mein einziger Kontakt zur Erde bestand in einem unsichtbaren Band, das sich zwischen uns befand. Und auch wenn wir einmal alt und grau sind, wird er für mich noch immer so attraktiv sein wie in dem Augenblick, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, denn er trägt seine Schönheit im Herzen.
Sie trägt ein Kleid der Leidenschaft aus weichstem Leder
den Körper liebkosend gefesselt in Harness und Stricken
in hochhackigen Stiefeln somnambul schreitend
tritt sie, ihr Schicksal liebend, ins Licht
Zarte Farben eines Engels betonen ihr Antlitz
liebendes Leder umschlingt Hals und Glieder
Die Taille, geschnürt, preist Hüften und Busen
ihre Zunge beglänzt, rosa leuchtend, bebende Lippen
Im Bann eines Kusses, von Reizen beglückt
will sie aus freien Stücken Meisters Spielzeug sein
Mit offenem Geist ihr dunkles Begehren erforschen
umschlossen vom flüssigen Feuer ihrer Macht
In Halsband und Handschellen, gespreizt auf dem Rack
fremde Augen wollen sie verschlingen
Ihr glitzernder Körper ein selt’nes Juwel
ihr brennendes Fleisch entfacht die Flammen ihrer Lust
Eine lockere Hand lässt den Rohrstock tanzen
teilt den grausamsten Schmerz von allen aus
Mit religiöser Inbrunst will sie es ertragen
und durch den Schmerz ans Himmelstor gelangen
Der süße Duft von Sex und Angst erfüllt die Luft
ein erstickter Schrei verhallt ungehört
Wellen des Verlangens locken das Fleisch
zur vorbehaltlosen Folter
Mit jedem Hieb werden Dämonen geschlachtet
ihre salzigen Tränen kühlen ein pochend Gehirn
überfluten ein Herz, das schwer schlägt und schnell
und sich sehnt nach einer Liebe voll ewigem Feuer
Einleitung
Der SM-Sex ermöglicht exquisite sexuelle Freuden, die sich mit einem dunklen Garten erotischer Blüten vergleichen lassen. Auf der Spielwiese Ihrer Vorstellungswelt sind Sie durch einen Schleier aus schwarzer Spitze von dieser exotischen Landschaft getrennt, der Sie nur einen flüchtigen Blick auf den Garten erhaschen lässt – doch der reicht aus, um die Blüten zu erahnen, die sich dort verträumt auf ihren Stängeln wiegen. Der Schleier flattert im Wind, und Sie sehen die Blumen der Fantasie in der moschusgeschwängerten Luft verschwörerisch die Köpfe neigen, als wollten sie Sie in den Garten winken. »Komm herein!«, hören Sie sie flüstern, »komm herein!« Dann senkt sich der Schleier wieder und nimmt Ihnen die Sicht. Sie heben die Hand, um ihn zu lüften, doch schon sinkt sie wieder herab, der Schleier bleibt unberührt. Der Grund hierfür liegt darin, dass man zum Lüften dieses Schleiers eine Geisteshaltung braucht, die in einem »Dunkle Seite« genannten Schattenreich des Bewusstseins liegt. Viele fürchten sich davor, den Weg dorthin allein zu wagen.
Wo es hell ist, gehen wir sorglos auch ohne Begleitung umher. Dagegen kann es ziemlich beängstigend sein, aus freien Stücken die Grenze zu überschreiten und in das Reich der Schatten einzutreten. Wenn wir versuchen, als Top oder Bottom von der Macht unserer dunklen Seite zu kosten, werden wir unsicher. Doch wir sollten uns vertrauensvoll auf den Weg machen, denn die im dunklen Garten ruhende Kraft ist ein schöner und wertvoller Teil unserer Persönlichkeit. Sie macht uns stark, sie hilft uns, Entscheidungen zu treffen, und sie zeigt uns den Unterschied zwischen Gut und Böse. Wie sollten wir denn sonst erkennen, was gut und was böse ist, wenn wir nie die Gesichter beider Seiten gesehen haben? Mit dem richtigen Partner, einer intakten Kommunikation und dem nötigen Vertrauen kann sich das Schattenreich in einen privaten dunklen Garten voller erotischer Fantasien verwandeln, die Sie pflücken und genießen können wie duftende Blüten, deren Zeit gekommen ist. Ihre neu gewonnene Macht ist der fruchtbare Boden in diesem köstlichen dunklen Garten.
Was macht diese erotische Schattenwelt für manche Menschen so anziehend? Von den Menschen, die gerne im dunklen Garten spielen, genießen viele den »tabuisierten« Charakter von SM-Sex. Das Wissen um den »Bruch« eines gesellschaftlichen Tabus wird für manche zur unentbehrlichen Voraussetzung der Lust. Gerade weil sadomasochistische Fantasien einer schattigen dunklen Region des Geistes entspringen, hat bisher noch niemand das Phänomen SM vollständig erklären können. Ich persönlich hoffe auch, dass das niemals gelingen wird, denn ohne die fruchtbare Erde der schattigen Regionen verliert der erotische Garten sadomasochistischer Fantasien und Sexpraktiken all seinen Reiz. Ich glaube, SM würde in Flammen aufgehen wie ein Vampir in der Sonne, wenn man ihn vollständig ans Tageslicht holen würde.
Manche Leute fühlen sich wegen der spirituellen Qualität der Erfahrungen und Beziehungen zu SM hingezogen. SM ist für sie ein Schauplatz, an dem sie das geheime Selbst, von dem sie heimlich träumen, öffentlich ausleben dürfen, und an dem sie einem vertrauenswürdigen Partner ohne Angst vor Repressalien oder Ablehnung ihr Herz öffnen können. Die SM-Arena gibt ihnen die Freiheit, die in ihrem Herzen aufsteigende Schönheit nach außen zu tragen und mit ihrem Partner zu teilen, was beider Herzen reicher und größer macht. SM ist eine sexuelle Ausdrucksform, die eine intensive Verbundenheit von geradezu spiritueller Qualität verspricht. Mit einem liebenden, fürsorglichen Partner kann SM ein geschützter Raum sein, in dem man genesen und wachsen und seine ausgefallensten Fantasien erforschen und verwirklichen kann. Sadomasochisten spielen hochsensible Machtspiele. Die Szenen sind darauf angelegt, die Bedürfnisse beider Partner zu erfüllen, ihre Egos zu dekonstruieren und anschließend wieder zusammenzusetzen und ihr Potenzial als sexuelle Wesen zu entfalten. Auch bei einem Teil meiner Leserschaft wird SM zu mehr Vertrauen und einer tieferen Intimität führen – und zwar nicht nur im Schlafzimmer, sondern im gesamten Beziehungsleben.
Zunächst möchte ich zwei Annahmen erläutern, die ich im Weiteren zu Grunde lege. Erstens gehe ich davon aus, dass Sie sich in einer festen monogamen Beziehung befinden. Da SM ein gewisses Maß an körperlichen und/oder emotionalen Risiken in sich trägt, halte ich das für die sicherste Art, damit zu spielen. Dieses Risiko nimmt ab, wenn die Partner nicht ständig wechseln beziehungsweise ausreichend Verantwortung füreinander übernehmen. Darüber hinaus macht diese Annahme die ständige Erinnerung an Safer Sex entbehrlich. Um der Pflicht Genüge zu leisten, sprechen wir das Thema trotzdem einmal durch: In jeder nicht-monogamen Beziehung, egal ob SM oder nicht, sind sämtliche Safer Sex-Maßnahmen anzuwenden. Beim Oralsex am Mann sowie bei allen anderen Formen des Verkehrs und der Penetration sollte man Latexkondome tragen. Beim Oralsex mit der Frau sollte man Latexläppchen (»Dental Dams«) verwenden. Bei manueller Stimulierung oder Penetration, insbesondere bei Schnitten oder Abschürfungen an der Hand, sollte man Finger-Überzieher oder Latexhandschuhe tragen – entweder in der chirurgischen oder in der Fetisch-Variante. Damit der Latex nicht beschädigt wird, sind ölfreie Gleitmittel zu verwenden, und zwar entsprechend der Bedienungsanleitung. Viel Spaß!
Meine zweite Annahme lautet, dass der submissive Partner eine Frau ist und dass sie es ist, die dieses Buch liest. Natürlich dürfen gerne auch Doms und Subs, Tops und Bottoms beiderlei Geschlechts und alle anderen SM-Interessierten mitlesen. Aus Gründen der Einheitlichkeit sind aber im Folgenden alle Bottoms eine »Sie« und alle Tops ein »Er«.
Ich denke, ich sollte zunächst einmal die wichtigsten Begriffe definieren, die ich in diesem Buch verwenden werde. Zunächst einmal wäre da der Sadomasochismus, den ich im Folgenden »SM« nenne. Einvernehmlicher, romantischer, sadomasochistischer Sex (SM) ist eine Liebestechnik, mit der jeder Mensch sein normales Liebesleben schöner und intensiver gestalten kann. »SM« bedeutet in unserem Fall implizit auch stets: »zwischen damit einverstandenen Personen«.
Es gibt noch viele andere Namen dafür – etwa DS (von »Dominance and Submission« – Dominanz und Unterwerfung), BD (von »Bondage and Discipline« – Fesseln und Erziehungsspiele), BDSM (»Bondage and Discipline, Dominance and Submission, Sadismus und Masochismus«), Rollenspiele, Psychodrama oder Fetischismus –, aber diejenigen, die dieser Leidenschaft frönen, sagen am liebsten »SM« dazu. Im Englischen kann »SM« wegen seiner magischen Wirkung auf Körper und Geist außerdem auch für »Sex Magic« oder »Sensual Magic«, also »sexuelle« oder »sinnliche Magie«, stehen. »SM« ist der allgemeine und alles umfassende Begriff für alle einvernehmlichen Akte von DS, BD, Fetischismus etc., die Bestandteile des Sadomasochismus sind.
Ein anderer Begriff, den ich oft verwenden werde, ist der Begriff der »Szene«. In SM-Spielen stellt eine Szene eine Kombination aus mentalen, emotionalen und körperlichen Komponenten dar, in der ein Austausch von Macht stattfindet. Das alles fügt sich zu einem elektrisierenden erotischen Erlebnis für beide Partner zusammen. Eine Szene kann nur fünf Minuten dauern. Sie kann sich aber auch über fünf Tage, fünf Jahre oder fünf Jahrzehnte erstrecken.
SM-Szenen beginnen nicht erst dann, wenn das Startsignal für das Spiel gegeben wird. Sie beginnen im Kopf, schon lange bevor die »Action« losgeht. SM ist Sex, und Sex fängt im Kopf an. Man muss ihn erst einmal dort toll finden und wollen, bevor der Körper darauf reagieren kann. Die erste Reaktion findet im Kopf statt, nicht in den Genitalien. Die profitieren zwar in der Folge auch davon, aber sie sind nicht das Hauptziel. Es könnte sein, dass Sie im Kino oder im Ballett sitzen, und das Paar neben Ihnen sich gerade mitten in einer SM-Szene befindet. Vielleicht sitzt diese elegant gekleidete Frau auf Anweisung ihres Meisters mit nacktem Hintern auf ihrem Abendkleid oder sie trägt darunter Nuttenfummel. Vielleicht ist sie durch das, was sich in ihrem Kopf abspielt, bis zum Platzen erregt und Sie bekommen nichts davon mit!
Das Ausgehen mit nacktem Hintern unter dem Kleid ist ein SM-Spiel. Die einen nennen es »Meister-Sklavin-Szenario«, die anderen »Rollenspiel«, doch das ist zweitrangig: Es ist ein wesentlicher Bestandteil von SM. Weil in den Worten »sadomasochistischer Sex« negative Assoziationen mitschwingen, schrecken viele Leute in- und außerhalb der Szene vor dem Begriff »SM« zurück. Aber wir reden hier ja nicht von Ihrem neu entdeckten Faible für Torquemada, den spanischen Großinquisitor, oder von Serienkillern wie Ted Bundy, der erklärte, er sei von sadomasochistischer Pornographie beeinflusst gewesen. Worum es hier gehen soll, sind romantische dominant-submissive und einvernehmliche Beziehungen zwischen zwei Erwachsenen.
Das Schöne an einvernehmlichem SM ist, dass beide Seiten, Top und Bottom, Gebender und Nehmende, die Szene gemeinsam geplant haben und die Fantasie gemeinsam inszenieren wollen. Keiner wird zu irgendetwas gezwungen. Wo sich Fantasien nicht vereinbaren lassen, sucht man Kompromisse und trifft Vereinbarungen, die auch eingehalten werden. Fürsorge und Unterstützung, Vertrauen und Kommunikation sind die Eckpfeiler einer liebevollen SM-Beziehung, und sichere, vernünftige und einvernehmliche Inszenierungen von Fantasien bieten im Stress des Alltags einen Ort der Ruhe.
Im SM gibt es drei Grundtypen von Spielern. Zunächst sind da die dominanten Spieler, die »Tops«, und die submissiven Spieler, die so genannten »Bottoms«. Um sie wird es hier hauptsächlich gehen. Die dritte Gruppe sind die »Switcher« – herrlich gierige Typen, die sowohl Top als auch Bottom sein können: professionelle Tops, die privat submissiv sind, Meister, die ihren Sklaven befehlen, sie zu fesseln, Sklavinnen, denen ihr Herr »befiehlt«, im Bett zu bleiben, während er den Kaffee macht, und Paare, die im Verlauf einer Szene die Rollen tauschen.
Es gibt zwar mehr Berichte über submissive Männer als über submissive Frauen, doch in der SM-Welt hält sich das Verhältnis zwischen beiden in etwa die Waage, das heißt, die Hälfte der Männer und Frauen sind Tops, die andere Hälfte sind Bottoms. SMler sind ein unersättlicher Haufen sexueller Feinschmecker, die sich an einer großen Tafel voller Versuchungen bedienen. Doch dazu später mehr. Definieren wir erst einmal die beiden Spieler.
Eine Bottom kann im SM vieles sein – Sub, Sklavin, Sexspielzeug, Masochistin, Haremsdame, Reitmädchen, Exhibitionistin, Zimmermädchen oder Fußschemel. Mit dem Wort »Bottom« bezeichne ich die Partnerin, die für die Dauer einer romantischen SM-Szene die Kontrolle an den dominanten Partner abgibt. Eine Bottom kann also jede Frau sein, die in der Lage ist, Stimulierungen, die sie im realen Leben unangenehm fände und ablehnen würde (zum Beispiel Schmerz oder Hilflosigkeit), erotisch aufzuladen und zu genießen. Es macht einen großen Unterschied, ob man seine Hände hinter dem Rücken hält und aus freien Stücken vereinbarte Ohrfeigen bekommt, oder ob man von einer wütend hervorschnellenden Hand verletzt wird, die einen roten Fleck der Schande hinterlässt. Im Einvernehmen sexuell submissive Menschen haben keinerlei Verlangen, real misshandelt zu werden, und können sehr wohl zwischen Fantasie und Realität unterscheiden.
Das Gegenstück zur Bottom ist, logischerweise, der Top. Ein Top kann Dom, Sadist, Gebieter, Feuerwehrmann, Häuptling, Zentaur, Alien oder sonst jemand sein, der die Zügel in der Hand hält. Ein Top ist jemand, der bereit ist, zeitweilig die Kontrolle über einen anderen Menschen zu ergreifen und aus einer Erfahrung, die man im normalen Leben als gemein, entwürdigend oder auf andere Weise unangenehm betrachten würde, ein erotisches Erlebnis zu machen. Ein guter und fürsorglicher dominanter Partner weiß, dass er mit seiner Rolle Verantwortung übernimmt, und er erkennt im Machtaustausch des SM und in der Unterwerfung der Sklavin die kostbaren Geschenke, die sie tatsächlich sind. Ein guter Dom ist kreativ und fantasievoll und sorgt sich um das emotionale und körperliche Wohlergehen seiner Sub. Er kann seine Sklavin kontrollieren, weil er sich selbst unter Kontrolle hat. Ein guter Top ist nie wirklich gefühllos, gemein oder beleidigend (es sei denn, Sie bitten ihn ausdrücklich darum).
Ich denke, den oben erläuterten Definitionen von »Top« und »Bottom« dürften sowohl Männer als auch Frauen im Großen und Ganzen zustimmen, egal ob sie selbst Top oder Bottom sind. Nun gibt es allerdings je nach Geschlecht einen kleinen, aber feinen Unterschied bei diesen Definitionen. Für männliche Doms scheint es unter der allgemeinen Überschrift der »Bottom« zwei Untertitel zu geben: einerseits die »Sklavin« oder »Sub«, andererseits die »Masochistin«. Für Frauen jedoch, egal ob sie Top oder Bottom sind, kann »Bottom« drei Bedeutungen annehmen: »Sklavin«, »Sub« und »Masochistin«. Weil wir Frauen sind und ich dieses Buch für uns schreibe, werde ich mich zuerst mit unseren Definitionen befassen. Die Fantasie, eine Sklavin zu sein, finden seit Menschengedenken viele Frauen ausgesprochen heiß. Eine Sklavin wird gekauft, verkauft und benutzt wie eine Sache. Sie ist für ihren Herrn nur so lange dienlich, wie ihr Körper sein Gefallen findet. Geht sie dann auf die Vierzig zu, kann er sie jederzeit gegen zwei Zwanzigjährige eintauschen – oder gegen eine Herde Ziegen, falls ihm das lieber ist. Eine Sklavin versteht sich als Objekt ihres Herrn, das er benutzt und mit dem er sich amüsiert, bis es ihm keine Freude mehr macht und von ihm entsorgt wird.
Als Fantasie ist daran absolut nichts auszusetzen (sie gehört auch zu meinen Lieblingsfantasien!). Aber wollen Sie etwa wirklich gegen irgendetwas eingetauscht werden, wenn Sie auf die Vierzig zugehen? Natürlich nicht! Sie sind eine Sub oder eine Masochistin mit einer Sklavinnen-Fantasie, keine Ware.
Und nun zur weiblichen Definition einer Sub. Auf der Handlungsebene ist eine Sub zum Beispiel jemand, der es genießt, sich fein zu machen, dem Top privat oder auch öffentlich zu dienen und sich erniedrigen und bestrafen zu lassen. Dabei betrachtet sie das alles als großen Spaß – was es auch tatsächlich ist, ich kann es selbst bezeugen. Zu ihrer großen Freude hat sie ihren dunklen Garten gefunden und ihn Hand in Hand mit ihrem Herrn betreten. Auf der emotionalen Ebene wird ihre Persönlichkeit dabei nicht im Geringsten herabgesetzt.
Sie ist stolz auf sich und auf das, was sie tut – und sie tut es, weil sie sich dazu entschieden hat, weil es ihr Freude bereitet. Sie bringt ihrem Herrn das schöne und kostbare Geschenk der Unterwerfung dar und wird dafür geschätzt. Sie will dienen, denn sie dient dem, den sie liebt und den sie verehrt. Sie wird selbst liebevoll umsorgt und in ihrem Tun bestärkt und will nichts mehr, als ihm zu gefallen. Selbst wenn sie nur mit einem Lächeln oder einer kleinen Zärtlichkeit belohnt wird, ist ihr das schon genug.
Ihre Freude liegt im Geben an sich, sie achtet nicht darauf, was sie zurückbekommt. Im Dienen befreit sie sich von ihrem Ego und verschreibt sich mit Leib und Seele dem Geben. In einer von Vertrauen geprägten Atmosphäre und mit einem fürsorglichen Partner, davon ist sie überzeugt, ist eine Ausübung von Kontrolle möglich, die sie zu einem besseren Menschen macht. Sie und ihr Meister teilen die gleichen Werte. Er bringt ihr Respekt entgegen und ist stolz auf ihre Leistungen und Erfolge. Sie ist keine Frau, die sich nach blindem Gehorsam sehnt, sondern ein selbstbewusstes und aktives Mitglied der Gesellschaft, das zufälligerweise seine Sexualität erkundet (die sich als köstlich verrucht und wunderbar pervers erweist!).
Ich habe zu viele männliche Doms kennengelernt, die die weibliche Vorstellung von ritterlicher Unterwerfung weder verstehen noch wertschätzen und so tun, als wären Sklaverei und Unterwerfung ein und dasselbe. Sie dürfen nie vergessen, dass manche Menschen hier durchaus einen Unterschied machen, denn er könnte auch für Sie eine Rolle spielen. Eine Sub wie die eben beschriebene Abenteurerin kann in ihrer Knechtschaft richtig aufblühen und die sexy Spielchen mit ihrem Meister als großen Spaß empfinden. Eine Sklavin dagegen wird sich vor dem Tag fürchten, da ihr Körper dem Herrn keine Lust mehr verschafft, denn er ist das Einzige, was sie ihm bieten kann. Eine Sklavin kann man über Nacht verleihen wie eine Ware, man kann sie gemeinsam gebrauchen oder gegen eine andere eintauschen. Doch auch wenn das Bedürfnis zu dienen manchen von uns genetisch eingeschrieben scheint, sind wir keine Ware und wir sind nicht bereit, unsere Selbstachtung aufzugeben, um dieses Bedürfnis zu befriedigen. Wer so denkt, denkt primitiv, und wir sind in der Gesellschaft (der Göttin sei Dank) schon weit genug vorangekommen, um eine Umkehr auszuschließen.
Glücklicherweise betrachten sich mehr submissive Männer als Frauen als versklavtes Eigentum. Unglücklicherweise sehen viele dominante Männer Frauen als Sklaven-Ware und nicht als submissive Partner, denen Wertschätzung gebührt. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Partner unter »Bottom« dasselbe versteht wie Sie, und verschaffen Sie sich Klarheit darüber, wie Sie sich definieren. (Siehe auch Kapitel 4, Keime des Begehrens.)
Manche Doms haben es gern, wenn ihre Sub aufbegehrt: Sie lieben es, wenn sie herausgefordert werden und diese Subs in ihre Schranken verweisen müssen.
Andere Tops finden dieses Verhalten inakzeptabel und betrachten es als Affront gegen ihre Würde und ihre Position. Sie wollen ihre Rolle als Top nicht permanent verteidigen, weshalb sie es nicht schätzen, wenn eine Bottom sich zwanglos und verspielt gibt. Leute, die ihre Autorität untergraben sehen, wenn jemand aufbegehrt, nennen diese Sklaven »Smart Assed Bottoms« (Klugscheißer-Bottoms). Ich nenne solche Subs lieber »verspielt«, und ich muss gestehen, dass ich gelegentlich selbst verspielt bin.
Während eine verspielte Sklavin einfach nur munter ist und lediglich »aufbegehrt«, gibt es auch Sklavinnen, die versuchen, ihren Top zu dominieren.
Sie schreiben ihm vor, was er wann zu tun hat, versuchen, die Szene ohne sein Einverständnis an sich zu reißen oder verlieren völlig das Interesse, wenn nicht alles genau so abläuft wie sie es sich wünschen. Klassischerweise gilt solches Benehmen als schlechter Stil und wird als »Topping from the Bottom« bezeichnet. Ich kenne keinen Top, der so etwas unter normalen Umständen in Ordnung fände. Sie sind allerdings eine submissive Frau, die ihrem Mann beibringen möchte, ihr Meister zu sein, und da kommen Sie ums »Topping from the bottom« nicht herum, denn unter einer Bedingung kann es durchaus funktionieren: wenn der Top ein Neuling und die Bottom eine erfahrene Spielerin ist.
Und das ist ja genau die Situation, in der Sie sich befinden. Erfahrung geht vor: Als »Lehrerin« leiten Sie ihn Schritt für Schritt an und bringen ihm bei, Sie so zu dominieren, wie Sie es sich wünschen. Das ist zwar Manipulation, aber eine ausgesprochen wohlwollende und angenehme, zumal der Top ja eingewilligt hat, sich für ein gemeinsam verabredetes Ziel von der Bottom instruieren zu lassen, bis er selbst genug Erfahrung hat.
Die Forderung eines für alle gleichartigen Sexuallebens setzt sich über die Ungleichheiten in der angeborenen und erworbenen Sexualkonstitution der Menschen hinweg; sie schneidet eine ziemliche Anzahl von ihnen vom Sexualgenuss ab. Sigmund Freud, 1930
Kapitel 1
SM speist sich aus Fantasien und zielt darauf ab, diese Fantasien in eine unendlich lustvolle erotische Wirklichkeit zu überführen. Damit das möglich wird, muss ein Austausch von Macht stattfinden. SM ist ein sensibel abzustimmendes Spiel von erotischer Kontrolle, Machtaustausch und sinnlicher Unterwerfung. Macht ist ausgesprochen sexy, und der Verzicht auf Macht ist es ebenso. Die submissive Partnerin gibt ihre körperliche und mentale Kontrolle an ihren dominanten und in der Sexuellen Magie versierten Partner ab (natürlich tut sie das nur bis zu einem vereinbarten Punkt, vielleicht auch ein bisschen weiter, wenn sie dazu bereit ist). Man unterwirft sich nur auf Zeit, und die Dauer wurde zuvor festgelegt. Diese »Unterwerfung« ermöglicht emotionale Erfahrungen, die unter anderen Umständen viel zu riskant wären. Sowohl für den Top als auch für die Bottom ist das alles aber nur mit einem fürsorglichen und unterstützenden Partner möglich, dem man seine emotionale und körperliche Sicherheit anvertrauen kann und der versteht, was für ein Mensch man ist.
Während SM für den dominanten Partner Befehlsgewalt und Autorität bedeutet, geht es dem submissiven Part um Verletzbarkeit und Hilflosigkeit. Die Sub empfindet ihre Machtlosigkeit genauso berauschend wie der Dom den mentalen Kick der Macht. SM bedeutet, dass die Sub den Dom zum Ausagieren sadomasochistischer sexueller Fantasien ermächtigt, in denen beide Partner Erfüllung finden. Dabei begegnen sie den Grenzen und Möglichkeiten, dem Körper und dem Geist des andern stets voller Respekt.
Viele ernste und offiziöse Worte für eine in goldenem Zwielicht schimmernde Welt voller Geheimnisse und Illusionen, Fantasien und Genüsse. Sinnliche Unterwerfung kann zur luxuriös inszenierten Gefangenschaft werden, in der man in sexuellen Genüssen schwelgt und jedes Spiel die Möglichkeit für ein Vordringen zu intensiverem Sex, größerem Vertrauen und besserer Kommunikation eröffnet. Sie ist sexy, sie ist romantisch und sie macht Spaß. Sie erweckt lange verschwiegene Fantasien lustvoller Qual und Vorfreude zum Leben, indem man sich ihr anvertraut und sie Wirklichkeit werden lässt. SM ist eine Verheißung intensiver Intimität und tief reichender Befriedigung der eigenen sexuellen Vorlieben. In ihm kann sich das Herz öffnen und das Innerste nach außen kehren und der Geist schwingt sich in höchste Höhen auf, während der einzige verbleibende Kontakt zum Hier und Jetzt in dem unsichtbaren Band zwischen Ihnen und Ihrem Meister besteht.
Im SM ist nicht immer alles so, wie es scheint, weshalb ich ein paar weit verbreitete falsche Vorstellungen über Subs und Sklavinnen aus der Welt räumen möchte. Für den unvorbereiteten Betrachter befindet sich die zu Füßen des Meisters auf dem Boden kauernde Sub in einer niederen, einer unterlegenen Position, und die roten Striemen des Rohrstocks auf einem zartweißen Hintern mögen wie ein Schandmal wirken. Beides ist falsch.
Im SM geht es auch um doppelte Böden, Spiegeltricks und Illusionen – in diesem Fall wäre das die Illusion der Macht. Die meisten Tops haben sich bereit erklärt, sich in gewissem Sinn dem Willen der Sklavin zu unterwerfen. Man könnte es auch so formulieren, dass in Wirklichkeit der submissive Partner die Szene kontrolliert. SM-Spieler wissen, dass der dominante Part nur eine Illusion von Macht ausübt. Sämtliche Macht des Meisters über seine Sklavin wurde ihm von ihr übertragen und kann ihm jederzeit wieder entzogen werden. Sklavin sein ist sexy. Die Illusion, alle Macht abzutreten, ist sexy. Aber es bleibt bei der Illusion. In Wahrheit hat die Bottom die Kontrolle, denn schließlich trifft sie die Entscheidung, sich zu unterwerfen.
Für nicht eingeweihte und uninformierte Beobachter mag es so wirken, als besäße jemand, der sich unterwirft, weder Macht noch Selbstachtung. Ich kann Ihnen versichern, dass dem nicht so ist. Wir reden hier von sadomasochistischen Sexspielen, und der vorübergehende Austausch von Macht ist ein Teil des Spiels. Da man aber nicht aufgeben kann, was man nicht hat, bedeutet das, dass man umso mehr Macht abtreten kann, je mehr man besitzt. Und je mehr man davon abgibt, desto freier und stärker wird man. Mein Mangel an Macht gibt mir das Gefühl von fantastischer Stärke: Meine Macht ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens und meines Selbst, und wenn ich in der Lage bin, sie auch nur vorübergehend einem anderen Menschen zu übertragen, macht mich das umso stärker.
Als ich die Top war, investierte ich viel Zeit und Energie in die Ausarbeitung einer Szene. Ich plante zwar eher locker, aber dennoch sollte alles perfekt werden. Nachdem ich diesen ganzen Aufwand betrieben hatte, wollte ich dann auch einen würdigen Sub, der sich kultiviert benehmen und entsprechend dienen konnte und den seine Unterwerfung mit Stolz erfüllte. Ich erwarte von meinen Subs, dass sie der Unterwerfung die gleichen Ideale und Gefühle entgegenbringen wie ich. Und wenn ich Bottom bin, soll meine Unterwerfung als kostbares Geschenk gelten. Eine Bottom gibt sich selbst hin (und sie gibt großzügig), und jeder Top, der seine Peitsche wert ist, wird das großartige und selbstlose Geschenk der Unterwerfung zu würdigen wissen.
Der Akt der Unterwerfung kann einem Menschen dabei helfen, seine Macht zu entfalten und seine Selbstachtung zu stärken. Eine Frau kann in der Unterwerfung erkennen, wie viel sie zu geben hat und wie wertvoll diese Gabe ist. Ihr wird bewusst, dass sie sich und ihre Macht so weit im Griff hat, dass sie sie abgeben kann – und sie entscheidet darüber, ob und wann das geschieht. Sie besitzt die Kontrolle und erkennt, dass sie ihre Macht an den Meister abtreten kann – und zwar so, wie er es wünscht, und nicht so, wie sie denkt, dass er sie bekommen sollte. Die schöne und mächtige Sub entdeckt in ihrer Unterwerfung eine neue Qualität des Stolzes, denn wie ihre Demut erwächst auch ihr Stolz aus der Tiefe ihrer Selbstkenntnis und aus der Dekonstruktion ihres Egos. Die sexuell submissive Frau ist kein passives Opfer. Ihre Beziehung basiert auf beiderseitigem Einvernehmen. Sie gibt nichts preis von ihrer gesellschaftlichen, beruflichen und ökonomischen Stellung und Macht. Es hat für mich nichts Erniedrigendes, wenn ich in der Lage bin, alle Kontrolle abzutreten, die Gewalt über meine Sexualität aufzugeben und gemeinsam mit meinem Meister köstlich »schmutzige« Fantasien auszuleben. Im Gegenteil: Es ist eine ungeheuer starke Erfahrung. Was sollte erniedrigend sein an einer Fantasie, die beide Partner sich wünschen und beide glücklich macht? Erniedrigung findet nur dann statt, wenn eine Seite zu etwas gezwungen wird. Zwischen zwei willigen Partnern wird daraus ein schönes und romantisches Spiel.
Ich nannte Ihre Unterwerfung vorhin ein seltenes und kostbares Geschenk, das Sie ihm darbringen, und das ist sie in der Tat. Sie hauchen Ihren Fantasien Leben ein, indem Sie ihm davon erzählen, und Sie überreichen ihm Ihren Körper und Ihren Geist als Spielwiese. Sie laden ihn ein in Ihren dunklen Garten und vertrauen darauf, dass er die exotischen Blüten nicht zertritt, die Sie dort so lange im Geheimen pflegten. Niemand wird die Schönheit sinnlicher Unterwerfung bestreiten. Mir ist allerdings wichtig, dass im SM ein Austausch von Geschenken stattfindet. Was Sie ihm schenken, bleibt nicht unerwidert: auch er macht Ihnen ein Geschenk – das Geschenk der Dominanz. Viele Leute übersehen das, weil sie vor allem darauf achten, was der submissive Partner gibt, und sie die Unterwerfung als wertvoller empfinden, weil dabei der eigene Körper dargeboten wird. Doch wer Dominanz schenkt, übernimmt Verantwortung, und wenngleich diese Verantwortung befristet ist, stellt ihre Übernahme ein Geschenk dar, das ebenso selten und außergewöhnlich ist wie das der Unterwerfung, weshalb man es genauso schätzen sollte.