Das tödliche Spiel - Stefan Bouxsein - E-Book

Das tödliche Spiel E-Book

Bouxsein Stefan

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Beschreibung

Kurz nacheinander werden mehrere alleinstehende Frauen ermordet. An jedem Tatort liegt ein Buch. Darin sind die Affären eines Mannes zu den toten Frauen auf gemeine Art und Weise beschrieben. Die Mordserie entpuppt sich als ein tödliches Spiel. Gespielt wird es von zwei hochintelligenten, jungen Frauen, die sich spinnefeind sind und vor keiner Intrige halt machen. Aber welche von den beiden ist die skrupellose Mörderin? Erst in einem fulminanten Finale gelingt es den Kommissaren Siebels und Till diese Frage zu beantworten und das Spiel zu beenden.

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Anekdoten des Philipp von Mahlenburg
Montag, 31. Mai 2010
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Anekdoten des Philipp von Mahlenburg
3
Mein perfekter Plan
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Anekdoten des Philipp von Mahlenburg
5
Mein perfekter Plan
Anekdoten des Philipp von Mahlenburg
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Dienstag, 1. Juni 2010
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Mein perfekter Plan
Anekdoten des Philipp von Mahlenburg
8
Mein perfekter Plan
Anekdoten des Philipp von Mahlenburg
9
Anekdoten des Philipp von Mahlenburg
10
Mein perfekter Plan
Mittwoch, 2. Juni 2010
Anekdoten des Philipp von Mahlenburg
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Mein perfekter Plan
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Anekdoten des Philipp von Mahlenburg
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Anekdoten des Philipp von Mahlenburg
Mein perfekter Plan
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Donnerstag, 3. Juni 2010
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Mein perfekter Plan
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Mein perfekter Plan
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Mein perfekter Plan
Freitag, 4. Juni 2010
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Samstag, 5. Juni 2010
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Mein perfekter Plan
Mein perfekter Plan
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Mein perfekter Plan
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Mein perfekter Plan
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Mein perfekter Plan
Sonntag, 6. Juni 2010
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Mein perfekter Plan
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Montag, 7. Juni 2010
Mein perfekter Plan

Stefan Bouxsein

Das tödliche Spiel

Kriminalroman

Der Autor

Stefan Bouxsein wurde 1969 in Frankfurt/Main geboren. Studium der Verfahrenstechnik und des Wirtschaftsingenieurwesens an der FH Frankfurt. Seit 2006 verlegt er seine Bücher im eigenen Traumwelt Verlag.

Bisher erschienen von Stefan Bouxsein:

Krimi-Reihe mit Siebels und Till:

Das falsche Paradies, 2006

Die verlorene Vergangenheit, 2007

Die böse Begierde, 2008

Die kalte Braut, 2010

Das tödliche Spiel, 2011

Die vergessene Schuld, 2013

Die tödlichen Gedanken, 2014

Die Kronzeugin, 2015

Projekt GALILEI, 2018

Seelensplitterkind, 2021

Der böse Clown (Kurzkrimi), 2014

Außerdem:

Kurz & Blutig (Vier Kurzkrimis), 2015

Humor: Idioten-Reihe mit Hans Bremer:

Der nackte Idiot, 2014

Hotel subKult und die BDSM-Idioten, 2016

Erotischer Roman von Susann Bonnard:

Die schamlose Studentin, 2017

Mein perfekter Liebhaber, 2019

Erfahren Sie mehr über meine Bücher auf:

www.stefan-bouxsein.de

© 2021 by Traumwelt Verlag

Stefan Bouxsein

Johanna-Kirchner-Str. 20 · 60488 Frankfurt/Main

www.traumwelt-verlag.de · [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung und Titelbild:

Nuilani – Design und Kommunikation, Ralf Heller

www.nuilani.de · [email protected]

Lektorat: Stefanie Reimann

ISBN 978-3-939362-10-4

3. Auflage, 2021

1

Anekdoten des Philipp von Mahlenburg

Bea war eine Frau, die genau wusste, was sie wollte. Ich lag neben ihr in ihrem Bett und beobachtete sie beim Schlafen. Ihr schulterlanges braunes Haar verteilte sich zerwuselt über das Kopfkissen und erinnerte mich an einen Wischmob. Bea gab viel Geld bei ihrer Friseuse aus, aber nach einer langen Liebesnacht war von den Bemühungen ihrer Haardesignerin keine Spur mehr zu erkennen. Sie würde gleich nach dem Erwachen viel Zeit im Bad verbringen und das wieder in Ordnung bringen. Ich beobachtete, wie Bea gleichmäßig atmete und zog sachte die Bettdecke ein wenig nach unten, bis ihre Brust entblößt zum Vorschein kam. In zwei Monaten würde sie fünfzig werden. Dafür hatte sie sich gut gehalten. Ich mochte ihre Brust, sie fühlte sich gut an. Bea verbrachte zwei bis drei Tage in der Woche einige Stunden im Fitnessstudio und kämpfte dort tapfer gegen die nicht klein zu kriegenden Speckpölsterchen im Hüftbereich an. Wenn sie sich im Studio auf dem Laufband ausgetobt hatte, war sie abends mit einer schnellen Nummer zufrieden und schlummerte dann friedlich ein. An den fitnessfreien Tagen tobte sie sich dann aber abends beim Matratzensport aus. Letzte Nacht war sie kaum zu bändigen. Es war bereits früher Vormittag und Bea schlief immer noch tief und fest und schien mir einen sehr befriedigten Eindruck zu machen. Ich zog ihr die Decke wieder über die Brust und stieg langsam aus dem Bett. Bea wälzte sich einmal um die eigene Achse, als ich mich ihrer Nähe entzog, und schlummerte dann leicht schnarchend weiter. Ich schlüpfte in den flauschigen weißen Bademantel mit dem Etikett von Joop, den Bea mir zu Weihnachten geschenkt hatte. Das einzige Kleidungsstück, das bei ihr immer für mich parat lag. Ich betrachtete mich darin in dem großen Spiegel und kam zu dem Entschluss, dass der Bademantel in meiner Wohnung viel besser aufgehoben wäre. Vielleicht würde Bea mir ja noch einen Zweiten kaufen. Nach der letzten Liebesnacht hatte ich mir das redlich verdient. Ich verließ das Schlafzimmer und ging kurz ins Badezimmer. Dort urinierte ich im Stehen. Bea mochte das gar nicht und war in dieser Angelegenheit sehr pingelig. Umso größer war mein Vergnügen, als ich mit meinem Strahl eine verirrte Mücke durch die Kloschüssel jagte. Die Mücke konnte sich gegen meinen Strahl so wenig wehren wie Bea gegen meinen Charme und versank im Strudel der Spülung. Vergnügt ging ich auf leisen Sohlen die Treppe hinunter. In der Küche schenkte ich mir ein Glas mit kaltem Orangensaft ein und ging damit hinaus auf die Terrasse. Dort lagen noch meine Zigaretten und mein goldenes Feuerzeug, das Bea mir bei unserem letzten Einkaufsbummel geschenkt hatte. Ich setzte mich auf einen der wetterbeständigen Rattansessel und zündete mir eine Zigarette an. Die Sonnenstrahlen schimmerten auf der stillen Wasseroberfläche des Pools. Ich genoss den Tag und hoffte, dass Bea noch eine Zeitlang schlief. Zufrieden mit mir und der Welt lehnte ich mich entspannt zurück und lauschte dem Zwitschern der Vögel. Als ich im Hintergrund ein Geräusch hörte, seufzte ich innerlich. Ich nahm noch einen tiefen Zug an meiner Zigarette und machte mich auf das Erscheinen von Bea gefasst. Doch plötzlich stand eine wesentlich jüngere Frau vor mir. Nur mit einem Slip bekleidet kam sie auf die Terrasse und blieb vor mir stehen. Ihre festen runden Brüste sprangen mir förmlich ins Auge. Trotzdem versuchte ich, ihr in die Augen zu schauen, und fragte mich, wer da zu Besuch gekommen war.

»Hast du sie gut gefickt?«, fragte sie ohne Umschweife und setzte sich mir gegenüber auf einen Stuhl.

»Wer bist du denn?«, fragte ich und schenkte ihr mein freundlichstes Lächeln.

»Erst antworten, dann kannst du eigene Fragen stellen«, gab sie selbstbewusst zurück. Mir gefiel die Wendung, die der Tag plötzlich genommen hatte, ausgesprochen gut.

»Du bist aber sehr direkt«, stellte ich fest. »Woher kennst du Bea eigentlich?«

Die junge Frau griff zu meinen Zigaretten und steckte sich eine an. Mein Blick haftete jetzt doch wieder auf ihrem Busen. Ihre kleinen dunkelbraunen Knospen standen leicht aufrecht. Es schien sie nicht zu stören, dass ich mir ihre Brüste eingehend betrachtete. »Hast du sie jetzt gut gefickt oder nicht? Jedenfalls hat es sich so angehört. Das Gestöhne war ja im ganzen Haus zu hören.«

»Was machst du denn hier?«, hörte ich Bea hinter mir fragen.

»Ich rauche eine Zigarette«, antwortete die junge Frau und zwinkerte mir zu. Nun wurde mir die Situation doch etwas unangenehm. Bea konnte sehr eifersüchtig werden. Und wenn das der Fall war, war sie unerträglich.

»Zieh dir was über«, zischte Bea. »Musst du dich immer wie ein Flittchen benehmen?«

»Deinem Lover gefällt mein Anblick ganz gut«, sagte sie unverhohlen, stand dann auf, drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus und verließ mit aufreizend wackelnden Hüften die Terrasse.

»Meine süße kleine Stieftochter Nadja«, seufzte Bea und setzte sich zu mir. Ich nickte verständnisvoll und fragte mich, ob Nadja auch im Bett so abgebrüht war.

Montag, 31. Mai 2010

Hauptkommissar Steffen Siebels saß bereits morgens um 7:00 Uhr in seinem Büro im Frankfurter Polizeipräsidium. Vor ihm stand eine dampfende Tasse Kaffee auf dem Schreibtisch, unter dem Tisch standen seine Schuhe. Seine Füße lagen auf dem Schreibtisch. In seinen Händen hielt er die Bild-Zeitung.

»Guten Morgen.«

Siebels schaute kurz auf. Charly Hofmeier stand im Türrahmen. Siebels nickte ihm kurz zu und vertiefte sich wieder in seine Lektüre.

»Störe ich?«, fragte Charly. Charly Hofmeier war der IT-Spezialist im Präsidium und auch sonst für alle möglichen Aufgaben zu gebrauchen.

»Schwarz Rot Lena«, las Siebels die Schlagzeile aus der BILD vor. »Alle lieben Lena und das ganze Land tanzt singend durch die Straßen.«

»Bist du jetzt etwa auch zum Legastheniker mutiert?«

»Logisch. Das ist jetzt erste Bürgerpflicht.«

»Dann bist du aber bald arbeitslos. Menschen, die singend durch die Straßen tanzen, morden nicht.«

»Ein paar Außenseiter gibt es immer«, brummte Siebels und betrachtete missmutig sein Telefon, das gerade anfing zu klingeln. Behäbig nahm er die Füße vom Tisch, legte stattdessen die Zeitung darauf und griff zum Hörer. Während des Telefonats kritzelte er ein paar Stichworte auf seinen Notizblock und beendete das Gespräch dann, ohne dabei selbst viele Worte verloren zu haben. »Und schon hat so ein Außenseiter wieder zugeschlagen«, klagte Siebels und schlüpfte in seine Schuhe.

»Ein neuer Fall?«

»Tote Frau in einer Villa auf dem Lerchesberg. Fremdeinwirkung scheint sehr wahrscheinlich. Mehr weiß ich auch noch nicht. Möchte nur wissen, wo Till wieder bleibt.«

Till Krüger war der jüngere Kollege von Steffen Siebels. Just in dem Moment, als sein Name fiel, zwängte er sich an Charly vorbei ins Büro.

»Falsche Richtung«, sagte Charly. »Draußen wartet Arbeit auf euch.«

Till legte seinen Motorradhelm ab und schaute auf die Uhr. »Es ist noch nicht mal halb acht. Eigentlich wollte ich erst mal in die Kantine und was zum Frühstücken besorgen.«

»Der frühe Vogel fängt den Wurm«, verkündete Charly.

»Ich will keinen Wurm, ich will Käsebrötchen.«

»Sag das nicht mir, sag das dem Außenseiter.«

Till schaute zu Siebels. »Ich will Käsebrötchen.«

Siebels schaute kopfschüttelnd zu Charly. »Er glaubt tatsächlich, ich wäre der Außenseiter.«

»Wer ist denn der Außenseiter?«, fragte Till. »Der Herr Staatsanwalt?«

»Nee, der ist Insider«, belehrte ihn Siebels. »Der Außenseiter ist der, der nicht singend durch die Straßen tanzt.«

»Aha. Ihr zwei habt euch heute Morgen doch mit dem Hammer geföhnt. Ich hole mir jetzt mein Käsebrötchen.«

»Bring mir auch eines mit«, bat Siebels. »Ich warte unten im Wagen auf dich. Wir haben anscheinend einen neuen Fall.«

Der Lerchesberg im südlichen Sachsenhausen galt als Wohngegend für die besser betuchten Frankfurter Mitbürger. Siebels brauchte nicht lange zu suchen, zwei Streifenwagen standen vor der Zufahrt der von ihm gesuchten Adresse. Neugierige Nachbarn versammelten sich auf der Straße und versuchten einen Blick auf das Grundstück zu erhaschen. Hohe Hecken machten dieses Unterfangen fast unmöglich. Siebels und Till ließen den Wagen vor der Zufahrt stehen, wiesen sich bei den Streifenpolizisten aus und betraten das Grundstück. Sie gingen auf eine prachtvolle Villa zu. Vor der Eingangstür standen zwei Männer mit übergestülpten Plastikanzügen. Die Kollegen von der Spurensicherung rauchten eine Zigarette.

»Können wir schon rein?«, fragte Siebels.

»Wir sind fast fertig, immer rein in die gute Stube«, bekam er zur Antwort. »Die Tote liegt draußen im Garten. Sie ist im Pool ertrunken.«

Siebels nickte und betrat das Haus. Till folgte ihm durch einen lichtdurchfluteten, mit hellem Marmor ausgelegten Vorraum. Im Wohnzimmer trafen sie auf den Fotografen, der seine Fotos bereits alle geschossen hatte. Die Schiebetür zur Terrasse stand offen. Draußen kniete eine Frau über einem leblosen Körper. Siebels schaute sich nach Dr. Petri um, konnte den Gerichtsmediziner aber nirgendwo entdecken. Till betrachtete sich die Umgebung. Anthrazit geflieste Terrasse. Schwarze Rattanstühle standen um einen Tisch mit schwerer Steinplatte. Auf dem Tisch lag ein Buch. Daneben stand ein Aschenbecher. Der Pool lag nur wenige Meter von der Terrasse entfernt, hinter dem Pool erstreckte sich ein weitläufiger kurzgeschnittener Rasen, der von außen nicht einsehbar war. Meterhohe Hecken und Mauern begrenzten das Grundstück.

»Siebels, Mordkommission«, sagte Siebels und kniete sich neben die Frau, die die Leiche begutachtete.

»Guten Tag, Herr Siebels. Ich habe ja schon viel von Ihnen gehört.« Die Frau streckte Siebels die Hand entgegen. »Lehmkuhl. Anna Lehmkuhl. Ich bin die Nachfolgerin von Dr. Petri.«

»Die Nachfolgerin?«

»Ja. Dr. Petri hat sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Wussten Sie das nicht?«

Siebels erinnerte sich dunkel, dass Petri vor einiger Zeit eine entsprechende Bemerkung gemacht hatte. »Er hat mich gar nicht zu seiner Abschiedsfeier eingeladen.«

»Die holt er bestimmt noch nach. Er ist gleich an seinem ersten Tag als Pensionär auf ein Kreuzfahrtschiff gegangen und kreuzt jetzt irgendwo in der Karibik.«

»Petri hatte schon immer einen guten Stil«, bewunderte Siebels seinen alten Kumpanen.

»Darf ich mir die Leiche mal anschauen?«, fragte Till, der hinter den beiden stand.

»Mein Kollege, Till Krüger«, stellte Siebels ihn vor. »Till, das ist Frau Dr. Lehmkuhl. Die Nachfolgerin vom alten Petri.«

Till setzte sein charmantestes Lächeln auf, als er Anna Lehmkuhl ins Gesicht sah. »Sie sind also der berühmt-berüchtigte Frauenheld aus dem Frankfurter Präsidium«, begrüßte ihn die Gerichtsmedizinerin und streckte auch ihm die Hand hin.

Tills Lächeln gefror und er erstarrte für einen Moment zu einer Salzsäure. Anna Lehmkuhl lachte. »Ihr Ruf eilt Ihnen voraus.«

Till verfluchte sich und seine letzte Affäre mit Simone, der jungen Streifenbeamtin, die im Präsidium nur die wilde Simone genannt wurde. Zu spät hatte er erkannt, dass die wilde Simone sich ihren Beinamen redlich verdient hatte. Sie stürzte von einer Katastrophe in die nächste, riss alles und jeden aus ihrem Umfeld mit und plauderte ohne Unterlass und ohne jede Rücksicht auf ihre oder anderer Leute Intimsphäre. Wenn Till morgens ins Präsidium kam, wussten schon Hundertschaften von Polizisten, wie er in der Nacht zuvor bei der Umsetzung eines neuen Kapitels aus Simones Kamasutra-Buch wieder einmal gescheitert war. Die Beziehung hielt denn auch nur wenige Wochen und mittlerweile war Simone mit einem Nahkampfkrieger vom SEK liiert und Till wieder auf Brautschau. Und Anna Lehmkuhl passte hervorragend in sein Beuteschema.

»Soll ich?« Anna Lehmkuhl nahm das Tuch in die Hände, mit dem die Leiche bedeckt war, und deutete an, es zurückzuziehen.

Till und Siebels nickten. Anna Lehmkuhl gab den Leichnam preis. »Beate Sydow, 49 Jahre alt. Tod durch Ertrinken. Sie wurde mit Gewalt unter die Wasseroberfläche gedrückt und hat sich heftigst gewehrt. Abgebrochene Fingernägel, zwei gebrochene Finger. Vermutlich wurde ihr auf die Finger geschlagen oder getreten, als sie sich am Beckenrand aus dem Pool ziehen wollte.«

Siebels betrachtete sich widerwillig die vom Wasser aufgedunsene Leiche. Er stellte sich vor, wie die Frau um ihr Leben gekämpft hatte. Wie sie sich mit aller Kraft aus dem Pool retten wollte und den Kampf gegen ihren Mörder letztendlich doch verloren hat. Er stellte sich vor, wie die Frau sich gefühlt haben musste, als ihre Kräfte nachließen und sie erbarmungslos immer wieder unter die Wasseroberfläche gedrückt wurde. Wie sie immer mehr Wasser schluckte bei ihrem Überlebenskampf und ihrem Mörder im Todeskampf zu entkommen versuchte. Bis sie schließlich aufgab und im Pool unterging. Siebels versuchte, diese Gedanken zu verscheuchen, und konzentrierte sich auf seine Arbeit als Ermittler. »Wurde sie im Pool gefunden?«, wollte er wissen.

»Ja. Von einer Freundin, die mit ihr verabredet war. Sarah Fischer. Sie ist im Haus. Als Frau Sydow heute Morgen weder auf das Klingeln und Klopfen an der Tür noch auf Telefonanrufe geantwortet hat, hat Frau Fischer einen Zweitschlüssel aus ihrer Wohnung geholt und ist hereingekommen. Sie wohnt in der Textorstraße, nicht weit von hier.«

»Lag sie schon nackt im Pool?«, wollte Till wissen.

»Ja. Allem Anschein nach war sie unbekleidet im Pool zum Schwimmen gewesen.«

»Anzeichen von sexuellem Missbrauch?«, fragte Siebels.

»Nein. Nichts dergleichen. Nur die malträtierten Finger. Wahrscheinlich wurde sie mit grober Gewalt in das Wasser gedrückt.«

»Todeszeitpunkt?«, fragte Siebels und zündete sich eine Zigarette an.

»So gegen sechs Uhr heute Morgen. Das deckt sich auch mit der Aussage von Sarah Fischer. Sie hat bestätigt, dass Beate Sydow morgens um diese Zeit den Tag bei schönem Wetter mit einer Runde im Pool beginnt. Der Pool ist übrigens beheizt. 22 Grad Wassertemperatur.«

»Dann werden wir uns mit der Frau Fischer mal unterhalten. Sind Sie noch länger hier?«

»Ich bin fertig. Sie finden mich in der Gerichtsmedizin, falls Sie weitere Fragen haben. Der Bericht kommt per E-Mail. Ach, bevor ich es vergesse. Auf dem Tisch dort liegt ein Buch.« Anna Lehmkuhl deutete zu dem Tisch auf der Terrasse. »Das lag schon dort, als Frau Fischer die Tote entdeckt hat. Das Buch könnte etwas mit dem Mord an Frau Sydow zu tun haben.«

»Wie das?«

»Das fragen Sie besser Frau Fischer. Nehmen Sie das Buch mit rein, wenn Sie sie befragen. Die Spurensicherung hat es bereits auf Fingerabdrücke untersucht.«

Anna Lehmkuhl packte ihre Utensilien zusammen und verabschiedete sich.

»Ich hole den Bericht auch gerne persönlich ab«, sagte Till.

»Ich rufe Sie an, wenn ich so weit bin. Bis dann, viel Erfolg.«

Siebels und Till schauten der Gerichtsmedizinerin hinterher.

»Viel besser als Petri«, kommentierte Till.

»Sie schneidet Leichen auf und wühlt darin herum«, sagte Siebels und ging zu dem Tisch.

»Sie hat Grübchen, wenn sie lächelt«, sagte Till.

Siebels drückte seine Zigarette in dem Aschenbecher aus und nahm das Buch in die Hand. »Sie entnimmt Organe aus toten Körpern, misst und wiegt sie, als wäre es Obst und Gemüse.«

»Sie hat grüne Augen.«

»Die Anekdoten des Philipp von Mahlenburg.«

»Hä?«

»So heißt das Buch.«

»Berühmt-berüchtigter Frauenheld«, murmelte Till vor sich hin.

»Genau. Mit meinem unwiderstehlichen Charme erobere ich die Frauen im Sturm. Ob jung, ob alt, ob blond, ob braun, mich lieben alle Frauen.«

»Wieso dich jetzt?«

»Nicht mich. Und dich schon gar nicht. Philipp von Mahlenburg. So steht es jedenfalls auf dem Klappentext des Buches.«

»Sie ist echt nett, findest du nicht?«

»Sie ist bestimmt verheiratet.«

»Sie trägt keinen Ehering.«

»Wäre auch nur hinderlich, wenn sie in toten Körpern rumwühlt.«

»Du erzeugst negative Schwingungen. Hör auf damit.«

Siebels hatte das Buch aufgeschlagen und las die ersten Seiten. Dann schaute er sich um. »Das ist hier.«

»Was ist hier?« Till war in Gedanken noch immer bei Anna Lehmkuhl.

»Das, was in dem Buch steht, hat sich genau hier auf der Terrasse abgespielt. Komm, lass uns mit dieser Sarah Fischer sprechen. Irgendwas stinkt hier ganz gewaltig.«

2

Anekdoten des Philipp von Mahlenburg

Bea ging nicht weiter auf ihre Stieftochter ein, von der ich bisher noch gar nichts gewusst hatte. Wie ich später erfuhr, wohnte Nadja nur einige Straßenzüge entfernt. Um mich von der kleinen Episode wieder abzulenken, bereitete Bea ein fürstliches Frühstück zu. Ich genoss es, von ihr bedient zu werden, und zeigte mich mit kleinen Komplimenten über Beas leckere Köstlichkeiten erkenntlich. Ich lobte die liebevoll zubereiteten Pfannkuchen und tätschelte sanft ihren Hintern, als sie beim Servieren um mich herum tapste. Natürlich machte ich auch einige liebreizende Bemerkungen über ihre wundervolle Figur. Ich ließ sie wissen, wie sehr ich ihren weiblichen Rundungen zugetan war und hoffte dabei inniglich, dass Nadja sich noch einmal blicken ließ. Bea zeigte sich von ihrer besten Seite. Sie war wohl davon überzeugt, dass meine Gedanken nur um sie kreisten. Meine lüsternen Blicke auf die nackten Brüste ihrer Stieftochter hatte sie entweder schon wieder vergessen oder einfach nur verdrängt. Wir hielten Smalltalk beim Frühstück und schmiedeten Pläne für das bevorstehende Wochenende. Nachdem wir uns beide satt gegessen hatten, saßen wir nur mit unseren Bademänteln bekleidet auf der sonnigen Terrasse und flirteten miteinander. Bea erhob sich schließlich vom Tisch, nahm mich bei der Hand und führte mich zum Pool. Am Beckenrand ließ sie ihren Bademantel fallen und sprang ins Wasser. Sie schwamm an das andere Ende des Pools und forderte mich dort auf, ebenfalls hineinzuspringen. Wie ein kleines Mädchen planschte meine Bea am gegenüberliegenden Beckenrand. Ich seufzte innerlich, ließ auch meinen Bademantel fallen und blieb noch einen Moment vor dem Pool stehen. Ich genoss Beas Blick, mit dem sie meinen nackten Körper musterte. Dann sprang auch ich ins Wasser. Wir trafen uns in der Beckenmitte, dort fiel sie mir um den Hals und steckte mir ihre Zunge in den Mund. Ich konnte bequem in der Mitte des Beckens stehen, das Wasser ragte mir nur bis zum Hals. Bea musste sich strecken, um wenigstens auf den Zehenspitzen stehen zu können. Als sie mir wieder Luft zum Atmen ließ, erkannte ich Nadja. Sie saß plötzlich auf der Terrasse und beobachtete uns mit unbeweglicher Miene. Ihre Anwesenheit elektrisierte mich. Beas Lippen küssten meinen Hals. Mein Hals reckte sich, um Nadja besser in mein Blickfeld zu bekommen. Sie trug nun ein enges Top. Ich legte meine Hände auf Beas Schultern und massierte sie. Bea schnurrte wie eine Katze. Nadja zündete sich eine Zigarette an. Sie war so nah und doch so unnahbar. Wie ein Tintenfisch umschlang Bea mich mit ihren Armen und Beinen. Nadjas Blick wich keine Sekunde von uns. Ich drückte fester auf Beas Schultern, drückte sie ein Stück nach unten. Und dann noch ein Stück, bis ihr Kopf unter der Wasseroberfläche versank. Für einen Moment war ich außer mir. Als hätte Nadja Besitz von mir ergriffen. Nur durch ihren Blick, mit dem sie mich in ihren Bann zog. Bea drückte ihren Körper nach oben. Ich drückte sie fester nach unten. Nur einige wenige Sekunden. Ich glaubte, ein Lächeln über Nadjas Gesicht huschen zu sehen. Dann ließ ich meine Hände von Bea und sie kam nach Luft schnappend wieder an die Oberfläche. Sie holte zweimal tief Luft, dann fauchte sie mich an. Ich entschuldigte mich. Nadja drückte ihre Zigarette im Ascher aus und verließ die Terrasse. Ihr Gesichtsausdruck, mit dem sie mich noch einmal ansah, ließ mich erschaudern.

Sarah Fischer hatte lange rote Haare und trug ein blaues Kleid, das ihr bis zu den Knöcheln reichte. Sie war sehr schlank, fast schon dürr. Eine lange spitze Nase zierte ihr schmales Gesicht. Sie stand in der Küche, als Siebels und Till sich ihr vorstellten.

»Sie sind eine gute Freundin von Frau Sydow?«, fragte Siebels.

Sarah Fischer antwortete mit Tränen in den Augen. »Ihre beste Freundin. Und ihre Geschäftspartnerin. Wir betreiben einen kleinen Laden unten in der Schweizer Straße.«

»Eine Boutique?«, hakte Siebels nach.

»Nein. Einen Esoterikladen. Wir verkaufen Produkte, die uns in unserem spirituellen Leben behilflich sind.«

»Aha«, sagte Siebels und bemerkte den irritierten Blick von Till, ignorierte ihn aber. »Davon konnte sich Frau Sydow diesen Lebenswandel hier aber nicht leisten, oder?«

»Nein, natürlich nicht. Soll ich uns einen Kaffee kochen?«

»Sehr gerne«, sagte Till und Siebels nickte zustimmend.

»Beate ist Witwe«, erklärte Sarah Fischer, während sie an der Kaffeemaschine herumhantierte. »Ihrem Mann gehörte ein mittelständisches Unternehmen. Dort werden irgendwelche Spezialwerkzeuge gefertigt. Viel kann ich dazu nicht sagen. Jedenfalls wurde das Unternehmen kurz vor seinem Tod an eine amerikanische Firma verkauft und als er starb, erbte Beate ein beachtliches Vermögen. Und natürlich das Haus hier. Den kleinen Laden habe ich vorher allein betrieben. Beate ist nach dem Tod ihres Mannes eingestiegen.«

Die Kaffeemaschine blubberte vor sich hin und Sarah Fischer setzte sich an den Tisch zu Siebels und Till. Siebels legte das Buch auf den Tisch. »Was hat es mit diesem Buch auf sich?«

Sarah Fischer verdrehte die Augen. »Das hat ihr ehemaliger Liebhaber geschrieben. Ich habe sie immer gewarnt vor diesem Mann. Aber Beate konnte die Finger nicht von ihm lassen. Er war nur auf ihr Geld aus gewesen, aber Beate war völlig blind. Sie dachte, sie hätte noch einmal die große Liebe gefunden. Dass er fast zwanzig Jahre jünger war als sie, fand sie ganz großartig. Dass er angeblich Vermögensberater war und einige schwerreiche Klienten zu seinen Kunden zählte, glaubte sie ihm aufs Wort. Dass er sich ständig von ihr beschenken und aushalten ließ, machte sie auch nicht stutzig. Erst als er von einem auf den anderen Tag aus ihrem Leben verschwunden war, wachte sie auf. Aber da war es zu spät. Vor einigen Wochen bekam sie dann dieses Buch geschickt. Auf dem Päckchen stand kein Absender. Die Anekdoten des Philipp von Mahlenburg. Darin beschreibt er seine Liebschaften zu verschiedenen Frauen. Das erste Kapitel war gleich seiner Liaison mit Beate gewidmet. Dieser Mistkerl hält sich für einen ganz raffinierten Hochstapler. Dabei ist sein Geschreibe nichts weiter als pubertärer Unfug.«

Sarah Fischer schob angewidert das Buch von sich und schenkte den frischgebrühten Kaffee ein.

»Hat er von Frau Sydow größere Geldbeträge bekommen?«

»Zum Glück nicht. Hauptsächlich ging es um Geschenke. Aber die waren nicht gerade billig. Mal eine Rolex, mal ein Bademantel von Joop. Die Mitgliedsgebühr beim Tennisclub oder die Karten für die Oper. Ein Anzug von Armani, eine Sonnenbrille von Porsche. Und so weiter und so fort.«

»Wer liest denn so ein Buch?«, fragte Till, der jetzt auch mal seinen Beitrag leisten wollte und die fesche Anna Lehmkuhl langsam aus seinem Kopf verbannte.

Sarah Fischer zuckte mit den Schultern. »Beate hat es gelesen. Leider. Danach war sie erst zu Tode betrübt, dann unheimlich wütend und anschließend depressiv.«

Sarah Fischer entzündete eine Duftkerze und Siebels verkniff sich die Frage, die ihm auf der Zunge gelegen hatte. Zigarettenrauch war hier anscheinend nicht so gefragt, vermutete er und betrachtete sich wieder das Buch. »Verlag Anton Hubertus Möllenbeck«, las er von der Rückseite des Hardcovers ab. »Ist das ein bekannter Verlag?«

»Ich habe noch nie davon gehört«, sagte Sarah Fischer achselzuckend.

»Wissen Sie, wo wir diesen Herrn von Mahlenburg finden können?«

»Wahrscheinlich im Bett einer dummen Frau«, sagte Sarah Fischer spöttisch.

Till hätte fast gesagt, dass er dann vielleicht im Bett seiner ehemaligen wilden Simone zu finden wäre, riss sich aber am Riemen.

Siebels hielt weiter das Buch nachdenklich in den Händen. »Das hat draußen auf dem Tisch gelegen? Glauben Sie, dass Frau Sydow es dort hingelegt hat, bevor sie in den Pool gegangen ist?«

»Das glaube ich nicht. Das hier ist nicht das Buch, das Beate bekommen hat. Das habe ich nämlich vor ihren Augen verbrannt, weil ich ihre Jammerei darüber nicht mehr hören konnte.«

»Vielleicht hat sie sich ein Neues gekauft?«, mutmaßte Till.

Sarah Fischer trank nachdenklich ihren Kaffee. »Das wäre möglich. Aber ich wüsste nicht, warum es draußen auf dem Tisch gelegen haben soll, als sie im Pool ihr Leben verlor.« Bei den letzten Worten begann Sarah Fischer laut zu schluchzen. Bis dahin hatte sie sich im Griff gehabt, nun heulte sie ohne Scheu.

»Sollen wir das Gespräch ein andermal fortsetzen?«, fragte Siebels behutsam und legte ihr seine Hand tröstend auf den Arm.

»Nein, es geht schon wieder. Ich kann mir das ja auch alles nicht erklären. Irgendjemand muss Beate abgrundtief gehasst haben und das Buch ist eigentlich keine Erklärung dafür.«

»Vielleicht ist es ja nur ein dummer Zufall, dass das Buch ausgerechnet heute dort lag. Vielleicht hat sie sich wirklich ein Neues gekauft, gestern Abend noch darin gelesen und es dann auf dem Tisch liegen gelassen.«

»Ja, vielleicht«, schluchzte Sarah Fischer.

»Mit wie vielen Frauengeschichten prahlt dieser von Mahlenburg in seinem Buch?«, fragte Till.

Sarah Fischer schaute ihn mit großen Augen an. »Glauben Sie, die sind auch in Gefahr?«

»Wir werden wohl oder übel mit ihnen sprechen müssen. Aber noch sehe ich keinen Zusammenhang zwischen dem Buch und dem Mord an Ihrer Freundin.«

Sarah Fischer nickte und wischte sich die Tränen aus den Augen. Sie nahm Siebels das Buch aus der Hand und blätterte darin. »Beate war das erste Kapitel gewidmet. Weder Beate noch die anderen Frauen sind mit vollem Namen erwähnt. Daher dürfte es schwierig sein, sie ausfindig zu machen. Da werden Sie schon Herrn von Mahlenburg persönlich um Auskunft bitten müssen. Außer Beate hat er noch eine Hanni, eine Betti und eine Kati in seinen Anekdoten verarbeitet. Ich nehme an, dass diese Namen die Kurzform für ihre richtigen Vornamen sind. Nachnamen hat er keine erwähnt.«

»Was können Sie mir über Nadja sagen?«, fragte Siebels. Till las gerade die ersten Seiten des Buches und war nun auch neugierig auf Nadja geworden.

»Nadja ist die Tochter aus erster Ehe von Beates verstorbenem Mann. Ihre Mutter starb an Krebs, als Nadja sieben Jahre alt war. Beate war die Personalleiterin in der Firma von Nadjas Vater. Jürgen Sydow hat vierzehn Jahre später Beate geheiratet. Zuvor hatten die beiden schon einige Jahre lang mehr oder weniger eine heimliche Affäre. In der Firma wusste niemand davon. Nadja studierte schon, als ihr Vater sich offiziell zu Beate bekannte und sie heiratete. Beate und Nadja wurden nie richtig warm miteinander. Aber es herrschte auch kein Krieg zwischen ihnen. Nadja ist eine merkwürdige junge Frau. Sie ist hochbegabt, müssen Sie wissen. Sie hatte in der Schule nur hervorragende Noten. Im nächsten Jahr will sie ihr Studium beenden. Psychologie. Ihr menschliches Verhalten ist allerdings etwas sonderbar. Sie können es ja nachlesen. Herr von Mahlenburg hat sie schon ganz gut beschrieben. Vielleicht liegt es auch daran, dass so durchschnittlich begabte Menschen wie Beate oder ich nicht interessant genug sind für Menschen wie Nadja.«

»Wo liegen denn ihre Stärken?«, wollte Siebels wissen.

»Oh, fragen Sie mich lieber, wo ihre Schwächen liegen. Die liegen im zwischenmenschlichen Bereich, wie ich bereits sagte. Ihre Stärken sind schon bewundernswert. Sie spricht fließend englisch, französisch spanisch und russisch, spielt hervorragend Klavier und hat schon als Fünfjährige alle Freunde ihres Vaters im Schach geschlagen. Sie ist mit fünfzehn zum ersten Mal alleine in die Oper gegangen und wurde mit sechszehn erwischt, als sie einen Joint auf der Schultoilette geraucht hat.«

»Sie wissen aber einiges von ihr.«

»Beate hat viel von ihr erzählt. Sie war schon ein wenig stolz auf dieses Wunderkind, auch wenn sich die beiden nicht so nahe waren und Beate sie auch erst kennen gelernt hat, als Nadja schon auf der Uni war.«

»Ich muss mal kurz telefonieren«, sagte Siebels und wollte das auf der Terrasse erledigen.

»Er muss mal eine rauchen«, erklärte Till, als Siebels die Küche verlassen hatte.

Auf der Terrasse zündete sich Siebels eine Zigarette an, telefonierte aber auch. Er rief im Präsidium bei Charly an. »Hey Charly, ich brauche mal deine Unterstützung.«

»Dann hast du bestimmt wieder einen heiklen Fall an Land gezogen«, seufzte Charly.

»Bis jetzt ist es noch ein ganz normaler Routinefall. Ich benötige nur ein oder zwei Adressen und Telefonnummern.«

»Schieß los.«

»Philipp von Mahlenburg und außerdem ein Verlag Anton Hubertus Möllenbeck.«

»Ich rufe gleich zurück.«

Siebels steckte sein Handy wieder ein und zog genussvoll an seiner Zigarette. Dabei dachte er an seinen ernsten Vorsatz, das Rauchen aufzugeben.

Zwei Männer von der Spurensicherung kamen auf die Terrasse. »Wir sind dann fertig«, sagte einer von ihnen zu Siebels. »Gefunden haben wir eigentlich nichts. Keine Einbruchsspuren, keine Kampfspuren im Haus. Fingerabdrücke haben wir einige abgenommen, außerdem ein paar Haarproben, die gehen umgehend ins Labor. Auch auf dem Grundstück haben wir nichts von Interesse gefunden.«

»Okay, dann könnt ihr euch aus dem Staub machen. Wir sehen uns.«

»Viel Erfolg«, wünschte der Mann von der Spurensicherung und verschwand mit seinem Kollegen, den Siebels vorher noch nicht gesehen hatte.

Als die beiden fort waren, kamen Till und Sarah Fischer auf die Terrasse. »Versuchen Sie es mal mit Hypnose«, sagte Sarah Fischer.

Siebels sah sie fragend an.

»Ihre Nikotinsucht können Sie mit Hypnose loswerden.«

»Keine Chance«, sagte Till. »Ich versuche schon seit Jahren, ihn dahingehend zu hypnotisieren. Der wird eher schwul, als dass er mit dem Rauchen aufhört.«

Ein böser Blick von Siebels und Till verstummte. »Was hat Nadja eigentlich von ihrem Vater geerbt, wenn Frau Sydow das Haus und ein beachtliches Vermögen bekam?«

»Nadja ist versorgt. Ein Treuhänder kümmert sich um ihre finanziellen Angelegenheiten. Wenn sie ihr Studium beendet hat, kann sie über ihr Erbteil frei verfügen. Das war der Wille ihres Vaters. Wie viel das sein wird und wie das genau geregelt ist, kann ich Ihnen aber nicht sagen.«

»Und wer kann mir das sagen?«

»Dr. Ritter. Er ist der Anwalt und Vermögensverwalter der Familie. Seine Anschrift müsste bei den Unterlagen in Beates Arbeitszimmer zu finden sein. Soll ich mal nachsehen?«

»Ja bitte. Woran ist Herr Sydow eigentlich gestorben?«

»Herzinfarkt. Den hat er vor drei Jahren erlitten. Ich schaue dann mal nach der Anschrift von Dr. Ritter.«

Die Melodie von der Biene Maja ertönte. »Wer hat dir den Klingelton denn ausgesucht?«, fragte Till fassungslos.

»Das war Charly«, sagte Siebels freudestrahlend, als er im Takt dazu wippte. Charly war dann auch dran, als Siebels das Gespräch entgegennahm.

»Philipp von Mahlenburg gibt es nicht«, sagte Charly. »Aber deinen Verlag. Der ist in der Innenstadt, in der Stiftstraße, gleich am Eschenheimer Tor. Anton Hubertus Möllenbeck ist übrigens der alleinige Inhaber.«

»Alles klar, Charly. Danke dir. Till ist übrigens ganz scharf auf den Biene Maja Song.«

»Das ist so peinlich«, rief Till dazwischen.

Charly lachte und beendete das Gespräch.

»Wer hat dich eigentlich gefragt?«, fragte Siebels.

»Niemand. Sonst hättest du ja jetzt einen vernünftigen Klingelton.«

»Ja, ja. Wahrscheinlich das Brunftgeschrei eines liebestollen Hirsches, der sich beim Kamasutra das Geweih gebrochen hat.«

»Wer hat sich das Geweih gebrochen?« Sarah Fischer stand hinter den beiden und hielt einen Brief in der Hand.

»Ach, das war intern«, wiegelte Siebels ab.

»Auch gut. Hier ist ein Brief von Dr. Ritter. Sein Büro ist in Bad Homburg, die Adresse steht drauf. Den Brief können Sie mitnehmen, ich habe ihn kopiert.«

3

Der Verlag Anton Hubertus Möllenbeck befand sich im zweiten Stockwerk eines Wohn- und Geschäftshauses. Siebels und Till landeten an einem Empfangstresen, hinter dem eine telefonierende Frau den beiden zuzwinkerte und mit einer Handbewegung andeutete, dass sie gleich zur Verfügung stehen würde. Das Namensschild auf dem Tresen wies sie als Maja Mertens aus. Siebels verschaffte sich derweil einen Überblick über die Räumlichkeiten. Hinter dem Empfangsraum schien es nur noch zwei Büros zu geben, mehr Räume waren vom Empfang aus jedenfalls nicht auszumachen. Till betrachtete sich Maja Mertens. Glatte schwarze lange Haare mit einem Pony im Cleopatra-Schnitt, dunkelbraune Augen, roter Lippenstift auf fülligen Lippen und eine rauchige Stimme verliehen der Frau eine exotische Ausstrahlung. Während sie mit Engelszungen auf ihren Gesprächspartner einredete, zündete sie sich eine Zigarette an und schenkte Till ein Lächeln. Till lächelte zurück und hörte ihr beim Telefonieren zu.

»Sie müssen Geduld haben, Herr Jakob. So ein Projekt braucht Zeit. Vielleicht sollten Sie Ihre Werbeaktivitäten auch noch mal verstärken.«

Maja Mertens verdrehte genervt ihre Augen und hörte sich geduldig die Meinung von Herrn Jakob an. »Nein, Herr Jakob. Wir haben alles getan, was von unserer Seite möglich war. Ja, Herr Jakob. Aber natürlich, Herr Jakob. Herr Jakob, ich habe gerade Besuch bekommen. Ich rufe Sie später zurück.« Ohne auf eine Antwort zu warten, knallte Maja Mertens den Hörer auf den Apparat. »So, jetzt bin ich für Sie da«, sagte sie zu Till. »Was kann ich für Sie tun?«

»Wir kommen wegen einem Buch«, sagte Siebels.

»Dann sind Sie bei uns ja genau richtig. Haben Sie ein Manuskript dabei, das wir uns mal ansehen dürfen?«

»Wie gesagt, es geht um ein Buch, nicht um ein Manuskript.«

»Ihr Verlag hat es schon verlegt«, ergänzte Till.

Maja Mertens musterte die beiden einen Moment. »Sie sind aber noch keine Autoren in unserem Verlag, oder?«

Siebels zeigte ihr seinen Ausweis. »Kriminalpolizei. Mein Name ist Siebels.« Siebels deutete auf Till. »Mein Kollege Krüger.«

»Maja Mertens«, sagte Maja Mertens. »Was führt denn die Kriminalpolizei zu uns?«

»Ein Buch«, sagte Till und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

»Wir würden gerne den Verlagsleiter sprechen«, sagte Siebels. »Ist Herr Möllenbeck im Haus?«

»Herr Möllenbeck ist noch zu Tisch.« Maja Mertens schaute auf die Uhr. »Er müsste aber jeden Moment zurück sein. Ich bin seine rechte Hand. Kann ich Ihnen auch behilflich sein, bis Herr Möllenbeck wieder im Haus ist?«

Siebels zog das Buch aus seiner Tasche und legte es auf den Tresen.

»Ah, die Anekdoten des Philipp von Mahlenburg. Warum interessiert sich die Polizei für so ein Buch?«

»Wir interessieren uns in erster Linie für den Autor. Leider konnten wir keinen Herrn von Mahlenburg ausfindig machen. Handelt es sich um ein Pseudonym?«

Maja Mertens schaute die beiden misstrauisch an. »Verraten Sie mir, was Sie von Herrn von Mahlenburg möchten?«

»Wir haben einige Fragen an ihn. Wir sind von der Mordkommission.«

»Mordkommission? Was ist denn passiert?«

»Jemand wurde ermordet«, sagte Siebels lapidar. »Können Sie uns nun sagen, wo wir den Autor finden können?«

In diesem Moment öffnete sich die Tür und ein kleiner weißhaariger Herr betrat den Raum. »Oh«, sagte er. »Neue Nachwuchsautoren in den heiligen Hallen des Möllenbeck Verlags? Darf ich mich vorstellen, Anton Hubertus Möllenbeck.« Möllenbeck tänzelte um Siebels und Till herum und sprühte nur so vor Energie. Er war bestimmt schon über sechzig, aber noch voller Elan.

»Die Herren sind von der Kriminalpolizei. Genauer gesagt, von der Mordkommission«, klärte Maja Mertens ihn auf.

Möllenbecks Gesichtszüge froren auf der Stelle ein. Er musterte seine Besucher von Kopf bis Fuß und schaute dann fragend zu seiner rechten Hand, der Kopie von Cleopatra. Bevor die aber noch etwas sagen konnte, kehrte das Lächeln wieder in Möllenbecks Gesicht zurück. »Sie haben Ihre Lebenserfahrungen niedergeschrieben«, platzte es aus ihm heraus. »Sie haben sich den Frust von der Seele geschrieben. Kriminalfälle aus erster Hand, Insiderwissen, nächtelange Observierungen und verkrustete Staatsanwälte haben Sie zu diesem Schritt veranlasst. Jetzt brauchen Sie nur noch einen Verleger, einen, der Ihr Lebenswerk zum Leben erweckt und ein Buch daraus macht.« Möllenbeck hielt inne und schaute seine Besucher mit großen Augen an.

»Es geht um Frauengeschichten«, sagte Till.

»Ermordete Prostituierte«, platzte Möllenbeck heraus. »Wunderbar. Mit der Nitribitt hat es angefangen. Und jetzt kommen Sie und erzählen der Welt, wie tief der Sumpf tatsächlich ist.«

»Jetzt halten Sie mal die Luft an«, sagte Siebels.

»Es geht um die Anekdoten des Philipp von Mahlenburg«, warf Maja Mertens nun ein.

»Ach so«, sagte Möllenbeck kleinlaut. »Da liegt es ja. Was ist denn damit?«

»Wir suchen den Autor. Sie werden doch bestimmt seine Adresse und seine Telefonnummer haben.«

»Ja, natürlich. Hat er jemanden ermordet?«

»Wir möchten den Autor dieses Buches als Zeugen vernehmen, das ist alles.«

»Dann kommen Sie mal mit in mein Büro.«

Möllenbeck führte die beiden in eines der beiden Zimmer. »Wer arbeitet denn in dem anderen Zimmer?«, fragte Till.

Möllenbeck schaute Till traurig an. »Da arbeitet niemand. Da stapeln wir die Manuskripte, die uns tagtäglich erreichen.«

Auch in Möllenbecks Zimmer stapelten sich Berge von bedrucktem Papier. Sie türmten sich auf seinem Schreibtisch und waren zu grotesken Papierpyramiden auf dem Fußboden angesiedelt. Hinter Möllenbecks Schreibtisch stand ein vollgestopftes Buchregal. Möllenbeck ließ einen veralteten Computer hochfahren und seufzte theatralisch. »Herr von Mahlenburg ist so ein adretter Herr. Ich hoffe doch sehr, dass er jetzt nicht in Schwierigkeiten geraten ist.«

»Wie viele Bücher wurden von seinem Werk denn gedruckt?«, wollte Siebels wissen.

»5.000«, schoss es aus Möllenbeck heraus.

»Und wie viele Bücher wurden bereits verkauft?«

»Einen Moment bitte, mein Computer ist nicht der schnellste. Da muss ich nämlich nachschauen.«

Der Computer ratterte und Möllenbeck summte vor sich hin. »So, na endlich«, sagte er dann. »Hier haben wir doch alles. 10 Bücher wurden verkauft. Die hat alle Herr von Mahlenburg gekauft.«

Siebels schaute ungläubig zu Till und Till zuckte mit den Schultern.

»Klingt nicht nach einem großen Erfolg«, sagte Till.

»Ich habe ihm zu einer Startauflage von 500 geraten. Aber Herr von Mahlenburg war sich ganz sicher. 5.000 sollten es für den Anfang sein. Was soll ich machen? Der Kunde ist König und Herr von Mahlenburg hat seine 5.000 Bücher umgehend bezahlt.«

»Wieso hat Herr von Mahlenburg die 5.000 Bücher bezahlt?«, fragte Siebels. »Ich dachte, er hat 10 Stück gekauft.«

»Er hat die Herstellungskosten für die 5.000 Stück bezahlt. Als Verleger von unbekannten Autoren kann ich natürlich nicht das wirtschaftliche Risiko übernehmen. Schon gar nicht, wenn ein Autor mit einer Startauflage von 5.000 Stück loslegen will. Nein, nein. Wir lassen die Bücher drucken, kümmern uns um die administrativen Dinge und stehen den Autoren mit Rat und Tat zur Seite. Mehr können wir leider nicht machen. Schon gar nicht finanzieren.«

Siebels schaute sich die Papierberge um ihn herum an. »Und wo lagern Sie diese Bücher?«

»In unserem Buchlager. Das sind drei große Hallen, voll mit Büchern.«

»In Frankfurt?«

»Nein, nein, das wäre ja unbezahlbar. Unsere Lagerhallen stehen seit einem Jahr in Rumänien. Zuvor standen sie in Polen. Aber in Rumänien ist der Grund und Boden doch um einiges günstiger. Und die Lohnkosten sind dort auch sehr moderat. Wir haben dort einen Lagerleiter beschäftigt.«

»Es ist also eher unwahrscheinlich, dass außer den 10 Büchern, die Herr von Mahlenburg gekauft hat, noch andere Exemplare in Umlauf gekommen sind?«

»Das ist ganz unmöglich. Die restlichen 4.990 Stück lagern auf Lagerplatz 2A11 in Rumänien. Wenn Sie Wert darauf legen, lasse ich eine Bestandsaufnahme vor Ort machen.«

»Das wäre sehr hilfreich, ja.«

»Ich schreibe Igor gleich eine E-Mail«, zeigte sich Möllenbeck kooperativ. »Igor ist unser Lagerleiter.«

»Welche Aufgaben hat denn Frau Mertens?«, wollte Till wissen.

»Oh, Frau Mertens ist in erster Linie für die Betreuung unserer Autoren zuständig. Das sind ja alles Künstler, müssen Sie wissen. Und des Künstlers Seele ist zart besaitet.«

»Und wer liest all das?«, fragte Siebels und deutete auf die Papierberge, die sich überall auftürmten.

»Tja, wer liest das? Wer will das schon lesen? Ich verschaffe mir nur einen Überblick über Umfang und Thema des Werkes und mache dem Autor dann ein unverbindliches Angebot.«

»Sie drucken also nur Bücher, die niemand liest«, resümierte Siebels.

»So kann man das nicht sagen.« Möllenbeck drehte sich herum und zog ein Buch aus dem Regal. »Dieses gute Stück hier ist bereits in der fünften Auflage. Kamasutra in allen Lebenslagen.« Der Titel prangte in dicken roten Buchstaben auf dem Buch.

»Die Technik der Liebe in höchster Perfektion«, las Siebels den Untertitel vor. »Das ist wirklich ein erfolgreiches Buch, davon habe ich schon viel gehört«, sagte Siebels und grinste vielsagend. Es handelte sich eindeutig um das Buch, dessen Inhalt für Till zum Beziehungsdesaster mit der wilden Simone wurde.

»Davon habe ich noch nie was gehört«, sagte Till und saß mit verschränkten Armen und versteinerter Miene auf seinem Stuhl.

»Wissen Sie was«, sagte Möllenbeck mit freudestrahlenden Augen. »Ich schenke Ihnen dieses Exemplar.« Kaum hatte er es ausgesprochen, drückte er es Till auch schon in die Hände.

»Die Adresse von Herrn von Mahlenburg benötigen wir noch«, kam Siebels wieder auf den Grund seines Besuches zurück.

»Na ja, eigentlich heißt er Jens Schäfer«, gab Möllenbeck etwas kleinlaut zu. »Er wohnt in Bornheim, im Sandweg. Ich drucke Ihnen die Adresse aus. Wie kommen Sie eigentlich zu seinem Buch?«

»Wir haben es bei einem Mordopfer gefunden«, verriet Siebels.

»Ach du meine Güte.« Möllenbeck kratzte sich am Kopf. »Und jetzt glauben Sie, er hat was mit einem Mord zu tun?«

»Wir glauben gar nichts. Wir ermitteln. Haben Sie das Buch von Herrn von Mahlenburg alias Herrn Schäfer mal gelesen?«

»Wie gesagt, ich habe es überflogen, bevor wir es in Druck gegeben haben. Die Grammatik war so weit ja ganz in Ordnung. Der Inhalt, na ja. Der gute Mann hält sich wohl für den Casanova der Neuzeit.«

»Wie war denn Ihr Eindruck von ihm? So als Mensch? Neigte er dazu, aggressiv zu werden?«

»Oh nein, ganz im Gegenteil. Er hat seine Rolle als Frauenverehrer auch in meiner Gegenwart immer vorzüglich gespielt. Übertrieben hat er es allerdings. So richtig ernst nehmen konnte man ihn nicht.«

»Na dann werden wir ihm mal einen Besuch abstatten«, beendete Siebels das Gespräch. Die beiden verließen Möllenbecks Papierfriedhof, jeder mit einem Buch in den Händen. Maja Mertens kam ihnen im Vorraum entgegen. »Sie möchten sich weiterbilden?«, fragte sie Till und zeigte verschmitzt lächelnd auf sein Kamasutra-Buch.

»Das ist der Bestseller im Möllenbeck Verlag«, erwiderte Till mit viel Skepsis in der Stimme.

»Ich weiß, ich habe es geschrieben«, hauchte Maja Mertens ihm zu und öffnete die Tür nach draußen.

Unten auf der Straße zündete sich Siebels eine Zigarette an. Till starrte auf sein neues Buch, das er schon so gut kannte. Tatsächlich stand Maja Mertens als Autorin darauf. »Sie hat es geschrieben«, sagte Till fassungslos.

»Rechtsanwalt oder Casanova?«, fragte Siebels.

»Was?«

»Einer von uns beiden fährt zum Anwalt der Familie Sydow. Ich will wissen, in welchen finanziellen Verhältnissen die Stieftochter von unserem Mordopfer lebt. Und einer besucht Philipp von Mahlenburg, alias Jens Schäfer, unseren Casanova.«

»Meinst du, ich könnte das Buch Frau Lehmkuhl schenken? So ganz unverfänglich? Als kleines Dankeschön für ihre gute Unterstützung?«

Siebels schaute Till ungläubig an. »Tu das nicht«, sagte er leise, aber sehr bestimmt.

»Ich denke noch mal drüber nach, vielleicht bietet sich ja mal eine Gelegenheit.«

»Ich fahre zu dem Anwalt, du nimmst dir ein Taxi und fährst zu Casanova. Ich rufe dich später an.«

Till nickte und betrachtete sein neues Buch. »Kannst du das mitnehmen? Ich hole es mir dann morgen früh aus dem Auto.«

»Wird wohl besser sein. Wenn du damit bei Casanova auftauchst, verbündet ihr euch am Ende noch. Du nimmst aber das hier mit.« Siebels hielt ihm die Anekdoten des Philipp von Mahlenburg hin. Die beiden tauschten ihre Bücher aus und liefen entschlossen in entgegengesetzten Richtungen davon.

Mein perfekter Plan

Als ich vor einigen Wochen diesen eingebildeten Pfau getroffen habe, wusste ich sofort, dass er der perfekte Mann für meinen Plan ist. Als Mann kann man ihn zwar nicht unbedingt bezeichnen, eher als dreibeiniges Exemplar einer unterentwickelten Spezies, trotzdem gehörte ihm aber meine ganze Aufmerksamkeit. Die biedere Beate Sydow war auf ihn hereingefallen, hatte in ihm den perfekten Liebhaber gesehen. Aber ich musste mich persönlich davon überzeugen. Mit List verschaffte ich mir nächtlichen Zugang ins Haus, als die beiden schon im Bett zugange waren. Ihr Gestöhne hallte im ganzen Haus. Natürlich musste ich einen Blick wagen, die Schlafzimmertür stand einen Spalt weit offen. Sie wand sich hemmungslos im Bett, so viel Leidenschaft hätte ich ihr niemals zugetraut. Ich bekam endlich eine leise Ahnung, warum er sie damals ehelichte. Jetzt lag der eitle Pfau auf ihr, doch anstatt es ihr ordentlich zu besorgen, blickte er ständig zu dem Spiegelschrank neben dem Bett. Es war sein eigener Anblick, der ihn antörnte, das stöhnende Miststück unter ihm benutzte er als Sportgerät für seine gymnastischen Übungen.

Ich schaute dem Treiben eine Weile zu und hätte ihm am liebsten Tipps gegeben, wie er sie wirklich in Ekstase bringen könnte. Dass das Miststück von seinen lächerlichen Anstrengungen tatsächlich in einen Liebesrausch getrieben wurde, wagte ich zu bezweifeln. Wahrscheinlich träumte sie intensiv von einem richtigen Mann, während er sie halbherzig bearbeitete. Einen Mann, wie sie ihn einmal hatte. Als einsame Witwe muss man sich halt mit weniger begnügen. Das Leben kann schon hart sein.

Während ich im Dunkeln an der Schwelle zu ihrem Schlafzimmer stand und meinen Gedanken nachhing, wurde ich unvorsichtig. Der eitle Pfau nahm mich zur Kenntnis. Er hatte mich im Spiegel entdeckt, in dem er seine Qualitäten als Liebhaber begutachtete. Erst erschrak er, dann erkannte er mich wieder. Er glaubte bestimmt an ein Déjà-vu. Erst kurz zuvor hatte er mich am Pool unten kennen gelernt. Sie konnte mich aber auf keinen Fall sehen. Sie sah bestenfalls die Decke und seinen Kopf, der mit ruckartigen Bewegungen über sie glitt. Ich signalisierte ihm, dass er sich mehr anstrengen sollte. Er wurde ziemlich nervös und ich befürchtete, dass sie etwas bemerken würde. Doch ich blieb an der Tür stehen und machte ihm weiter Zeichen. Feuerte ihn wortlos an. Es schien zu helfen. Er konzentrierte sich wieder mehr auf seine Aufgabe und zeigte dem alten Miststück endlich, was ein richtiger Mann ist.

Am nächsten Morgen beobachtete ich die beiden auf der Terrasse. Ein fast perfektes Paar. Doch ihr Liebesglück stand nur auf wackeligen Beinen. An diesem Morgen benahm er sich seiner Geliebten gegenüber ziemlich ekelhaft. Wahrscheinlich vermisste er meine Gegenwart. Da ahnte ich, dass er Wachs in meinen Händen sein würde und dass ich ihn formen würde, wie ich ihn haben will. Nur mit einem stummen Blick werde ich sein albernes Schwänzchen nach Herzenslust wackeln lassen. Mein Plan war noch nicht ausgereift, da baumelte die Marionette schon an meinen Fäden.

4

Siebels parkte seinen BMW in der Nähe des Bad Homburger Spielcasinos und lief ein paar Meter bis zur Kanzlei von Dr. Ritter. Er rauchte seine obligatorische Zigarette und als er sie austrat, dachte er kurz an seinen Vorsatz, sich das Rauchen endlich abzugewöhnen. Als sein Sohn Dennis vor etwa anderthalb Jahren das Licht der Welt erblickt hatte, hatte Siebels seinen täglichen Konsum auf fünf Zigaretten am Tag heruntergeschraubt. Ganz lassen konnte er davon nicht, seine damaligen Ermittlungen im Fall der kalten Braut Sabine Lehmann zerrten zu sehr an seinen Nerven. Als dieser Fall für ihn abgeschlossen war, wurde es zwar wieder ruhiger in seinem Kriminalistenalltag, aber mit der täglichen Routine kamen auch wieder die routinemäßigen Griffe zur Zigarette und bald hatte er wieder sein durchschnittliches Päckchen am Tag weggeraucht. Er klingelte am Außentor der Kanzlei und fragte sich, ob er wenigstens für heute auf weitere Zigaretten verzichten sollte. Mit einem leisen Summen öffnete sich das Tor. Siebels schritt einen gepflasterten Weg entlang und blieb vor einer massiven Haustür stehen. Eine junge Frau öffnete ihm. Siebels stellte sich als Kriminalhauptkommissar vor, die junge Dame stellte sich als Azubi Julia vor.

»Sie kommen bestimmt wegen Frau Sydow?«, fragte Julia und führte Siebels durch eine geräumige Vorhalle einer mittelprächtigen Villa aus der Gründerzeit.

»Ganz genau. Sie haben schon davon gehört?«

»Ja, vor einer Stunde bekam Dr. Ritter einen Anruf.« Julia blieb stehen und schaute Siebels an. »Wissen Sie schon, wer es war?«

»Nein, leider nicht. Deswegen bin ich hier. Ich brauche noch mehr Informationen. Kannten Sie Frau Sydow?«

»Nicht wirklich. Ich bin ja erst im zweiten Lehrjahr. Notariatsfachangestellte will ich werden. Frau Sydow habe ich hier in der Kanzlei vielleicht zwei- oder dreimal gesehen.«

»Und Nadja Sydow. War die auch öfter hier in der Kanzlei?«

Julias Gesichtsausdruck verkrampfte sich plötzlich. Sie drehte sich ruckartig um und stieg die breite Holztreppe in den ersten Stock hinauf. »Nadja habe ich hier auch mal gesehen, ja«, sagte sie geistesabwesend und klopfte im oberen Stock an einer Tür, die sie dann auch gleich öffnete. »Herr Siebels von der Kriminalpolizei möchte Sie gerne sprechen, Herr Dr. Ritter.«

Julia verschwand von der Bildfläche und Dr. Ritter trat in Erscheinung. Der Mittfünfziger trug das schwarz getönte Haar nach hinten gekämmt, Haargel hielt seine Frisur in Form. Sein Jacket hing über seinem Stuhl, die Hemdsärmel hatte er bis zu den Ellenbogen aufgerollt. Stark behaarte Unterarme breiteten sich theatralisch aus. »Was für ein Schicksalsschlag«, sagte er und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Siebels setzte sich auf die Besucherseite des Schreibtisches.

»Woher wissen Sie schon davon?«

»Nadja Sydow hat mich vorhin angerufen. Die Stieftochter von Beate Sydow. Sie wollte ihrer Stiefmutter einen Besuch in deren Geschäft abstatten und traf dort auf Sarah Fischer. Frau Fischer haben Sie ja schon kennen gelernt, soweit ich weiß.«

»Ja, das ist richtig. Von ihr habe ich auch Ihre Adresse.«

»Dann wissen Sie sicher auch schon, dass ich mich um die Familie kümmere. Jedenfalls was die finanziellen Angelegenheiten betrifft. Herr Sydow hat ja ein beachtliches Vermögen hinterlassen.«

»Das ist der Grund meines Besuches«, sagte Siebels nachdenklich.

»Handelt es sich um einen Raubmord?« Dr. Ritter schaute Siebels hellwach an.

»Nein, nach Aussage von Frau Fischer fehlte nichts im Haus. Das muss Nadja Sydow natürlich noch bestätigen. Es gibt auch keine Einbruchspuren im Haus. Wir gehen zunächst davon aus, dass Frau Sydow ihren Mörder kannte. Anscheinend schwamm sie unbedarft in ihrem Pool, als es zu dem Mord kam.«

»Das ist aber sehr merkwürdig«, sagte Dr. Ritter und kniff seine Augenbrauen zusammen.

»Sagt Ihnen der Name Philipp von Mahlenburg etwas?«

Dr. Ritter lehnte sich zurück und winkte ab. »Leider ja. Ein Taugenichts, der Frau Sydow ausgenutzt hat. Ein Hochstapler, würde ich sagen.«

»Kennen Sie das Buch, das er geschrieben hat?«

»Er hat ein Buch geschrieben?«, fragte Dr. Ritter erstaunt.

Siebels erklärte ihm kurz, worum es in dem Buch ging.

»Dieser Typ ist wirklich unglaublich. Ich habe ihn überprüfen lassen, als ich erfahren habe, dass er eine Beziehung zu Frau Sydow pflegte. Er nannte sich Makler und Vermögensberater. Was soll ich Ihnen sagen, er war ein Fall für das Sozialamt. Abgebrochenes Studium der Germanistik. Danach Gelegenheitsjobber. Und dann der Aufstieg zum Playboy. Darin war er wohl ganz gut. Soweit ich weiß, war Frau Sydow sein erstes Opfer. Danach kamen wohl noch einige andere Damen. Aber als die Geschichte zwischen ihm und Frau Sydow erledigt war, habe ich mich nicht weiter um seine Umtriebigkeiten gekümmert. Glauben Sie, er hat sie ermordet?«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass er dann sein Buch dort liegengelassen hätte«, antwortete Siebels nachdenklich.

»Vielleicht hat er es gar nicht dort liegen lassen? Vielleicht wollte Ihnen jemand einen Hinweis geben und hat das Buch dort platziert?«

»Wer? Sarah Fischer? Nadja Sydow? Sie?«

»Ich bestimmt nicht.« Dr. Ritter hob abwehrend die Hände und lächelte ein gequältes Lächeln. »Nadja bestimmt auch nicht. Sie ist ein sehr direkter Mensch. Sie hätte die Polizei verständigt und Ross und Reiter beim Namen genannt. Vielleicht Frau Fischer. Ich weiß es nicht, es war ja auch nur eine Vermutung. Vielleicht hat der Herr von Mahlenburg ja auch einen an der Klatsche und will ein Spiel mit Ihnen spielen und hat sein Buch am Tatort aufgestellt? Er heißt übrigens Jens Schäfer im wirklichen Leben.«

»Ich weiß. Der Grund meines Besuches ist aber eigentlich Nadja Sydow. Stimmt es, dass Sie als Treuhänder über ihren Erbanteil verfügen?«

»Das ist richtig. Ihr Vater war nicht nur mein Mandant, wir waren auch gute Freunde. Er wusste schon länger, dass sein Herz nicht mehr richtig funktionierte, und hat frühzeitig seine Hinterlassenschaft geregelt. Er hat seine Firma verkauft und einen Großteil des Erlöses in Investments gesteckt. Außerdem hat er in seiner beruflichen Laufbahn einige Erfindungen hervorgebracht und patentieren lassen. Das spielt bis heute regelmäßig große Summen ein.«

»Das Haus am Lerchesberg hat er aber seiner Frau hinterlassen?«

»Ja, das Haus und einen größeren Betrag. Damit hatte Frau Sydow ausgesorgt. Nach dem Tod ihres Mannes hat sich Frau Sydow ja auch noch am Geschäft von Frau Fischer beteiligt.«

»Und Nadja? Wo wohnt sie? Wie sehen ihre finanziellen Spielräume aus?«

Dr. Ritter zupfte sich am nicht vorhandenen Schnurrbart. »Nadja wohnt in einer Eigentumswohnung. Auch diese Wohnung hat ihr Vater ihr noch zu Lebzeiten beschafft. Nadja hatte damals gerade mit ihrem Studium begonnen. Die Wohnung befindet sich ebenfalls auf dem Lerchesberg, nur ein paar Gehminuten vom Haus ihrer Eltern entfernt. Nadja bekommt ein monatliches Taschengeld von 2.000 Euro. Voraussetzung dafür war, dass sie ihr Abitur macht und ein Studium beginnt. Ihr Abitur hat sie mit einer glatten Eins bestanden. Ihr Psychologiestudium wird sie in Kürze beenden. Wenn sie das Studium erfolgreich beendet hat, bekommt sie die freie Verfügung auf ihre Konten.«

»Wie viel Geld liegt auf diesen Konten?«

Dr. Ritter schwieg einen Moment und Siebels bekam Lust auf eine Zigarette. »Wir sprechen von zirka drei Millionen Euro«, sagte Dr. Ritter dann leise.

Siebels zog die Augenbrauen nach oben. »Das ist viel Geld für eine junge Frau.«

»Ja, deswegen hat ihr Vater auch darauf bestanden, dass sie erst darüber verfügen kann, wenn sie ein Studium abgeschlossen hat.«

»Ist das rechtlich einwandfrei?«

»Ja, wenn Nadja einen anderen Weg gewählt hätte, hätte ich mit dem Geld eine Stiftung gegründet. Das war der Wille von Herrn Sydow. Ich muss dazu sagen, dass Nadja hochbegabt ist. Das Studium ist kein Problem für sie. Sie ist ein kleines Wunderkind und wird auf das Geld aus dem Erbe wahrscheinlich nie angewiesen sein.«

»Davon hat mir auch Frau Fischer schon berichtet. Ein hochbegabtes Kind, das allerdings Probleme im sozialen Bereich hat.«

»Das ist Quatsch«, fuhr Dr. Ritter Siebels an. »Nadja war Schulsprecherin, sie ist im Tierschutz aktiv tätig und pflegt eine Vielzahl von sozialen Kontakten. Mit ihrer Stiefmutter war sie vielleicht nicht immer ein Herz und eine Seele, aber es gab auch keine größeren Diskrepanzen zwischen den beiden. Nadja war schon sehr früh sehr selbstständig. Wie gesagt, sie bezog sofort nach dem Abitur eine eigene Wohnung. Dort wohnte zuvor ein früherer leitender Angestellter von Herrn Sydow, der damals in eine andere Stadt gezogen ist.«

»Hat Nadja einen festen Freund?«

»Nicht, dass ich wüsste. Warum wollen Sie so viel über Nadja wissen? Sie glauben doch nicht etwa, dass sie etwas mit dem Tod ihrer Stiefmutter zu tun hat?«

Siebels zuckte mit den Schultern und dachte wieder an eine Zigarette. Aber bei Dr. Ritter wurde anscheinend nicht geraucht. »Sie wird erwähnt. Im Buch von Herrn von Mahlenburg. Herr von Mahlenburg vermittelt darin den Eindruck, als wäre sie sexuell sehr aufgeschlossen.«

»Sie ist 27 Jahre alt und ungebunden. Was erwarten Sie von einer intelligenten, attraktiven, jungen Frau? Dass sie in Keuchheit lebt?«

»Ich versuche mir nur, ein Bild zu machen.«

»Dann sprechen Sie doch besser selbst mit Nadja. Ich bin nur ihr Treuhänder, nicht ihr Seelsorger.«

»Das werde ich tun. Können Sie mir ihre genaue Adresse aufschreiben?«

Dr. Ritter beschrieb einen Zettel und reichte ihn Siebels. Siebels sah auf seine Uhr. Es war gerade einmal eine halbe Stunde her, seit er seine letzte Zigarette geraucht hatte, und nun drängte es ihn schon wieder nach Nikotin.

Anekdoten des Philipp von Mahlenburg

Nach der Episode im Pool war das harmonische Verhältnis zwischen Bea und mir nachhaltig gestört. Während meine Gedanken fortwährend um Nadja kreisten, bedachte mich Bea nur mit eisigen Blicken. Sie saß am Abend schweigend vor dem Fernseher. Sie bereitete weder ein Abendessen, noch zeigte sie irgendwelche Anstalten, mich in ihr Bett zu locken. Kurzum, sie ließ jedwegliche Reize vermissen, mit denen sie mich in den letzten Wochen gekonnt geködert hatte. Gelangweilt saß ich in ihrem großen Haus vor der Glotze und rauchte eine Zigarette. Fünf Wochen hatte ich es mit ihr ausgehalten. Der einen oder anderen kleinen Auseinandersetzung folgte die Versöhnung in ihrem Bett. Doch nun schien unser Verhältnis endgültig zerrüttet zu sein. Mir war es nur recht, mein goldener Käfig wurde mir allmählich zu eng. Ich sehnte mich nach meiner Freiheit und nach der Jagd auf das schwache Geschlecht. Ich hatte keine Zeit, mich um Beas Befindlichkeiten zu kümmern. Selbst wenn ich sie noch einmal um den Finger wickeln würde, die kleinen Geschenke würden nun immer kleiner werden und die Vorwürfe immer größer.

»Es tut mir leid«, sagte ich zu Bea. Sie ignorierte mich.

»Bist du mir immer noch böse?«, wagte ich einen neuen Versuch.

»Ich hätte gleich auf Sarah hören sollen«, nuschelte sie beleidigt vor sich hin.

»Wir hatten doch eine schöne Zeit«, säuselte ich ihr lieblich zu.

»Sarah hat mich von Anfang an vor dir gewarnt.«

»Jetzt lass doch diese blöde Zicke aus dem Spiel«, konterte ich.

»Du würdest doch liebend gerne in ihr Bett hüpfen«, giftete Bea weiter.

»Ach, bist du jetzt eifersüchtig?«, sagte ich und lachte dabei. Doch das machte Beas Stimmung nicht besser.

»Arroganter Scheißkerl«, bekam ich zur Antwort.

»Vielleicht sollten wir unsere kleine Affäre einfach beenden«, sagte ich und hoffte, aus der Nummer raus zu sein.

»Sie ist hiermit beendet«, sagte Bea lapidar. Das ging mir nun doch ein wenig zu schnell.

»Wollen wir zum Abschied nicht noch mal ins Bett? Eine letzte Versöhnung?« Mit verträumtem Blick sah ich sie an, doch eh ich mich versah, flog mir die Fernbedienung des Fernsehers gegen die Stirn, die sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte.

»Verschwinde endlich«, schrie sie mich an.

Nun gut, es war kein ruhmreicher Abgang. Mit einer großen Beule auf der Stirn verließ ich Beas Haus. Die goldene Uhr, den flauschigen Bademantel, meinen Ausgehanzug von Armani, meine Zahnbürste und mein Rasierzeug packte ich in eine lederne Reisetasche. Ich fragte Bea noch, ob sie die Tasche wiederhaben wollte, aber sie legte keinen Wert darauf. So beendete ich das Kapitel mit Bea und war voller Vorfreude auf das nächste Kapitel, das das Leben für mich bereithielt.

Das Taxi hielt im Sandweg vor dem Wohnhaus von Jens Schäfer alias Philipp von Mahlenburg. Till klappte das Buch zu und bezahlte den Fahrer. Im Erdgeschoss des Hauses war eine kleine Stehpizzeria untergebracht. Till bekam Hunger, aber seine Neugier auf den Casanova war stärker als sein Magenknurren. Er suchte die Klingelschilder ab, fand keinen von Mahlenburg, aber einen J. Schäfer.

»Ja bitte?«, fragte Jens Schäfer, als Till vor seiner Tür stand.

»Sie sind der Autor?«, fragte Till und hielt ihm die Anekdoten des Philipp von Mahlenburg vor die Nase.