Das unglaubliche Leben des Victorinus Victor - Jochen Groddeck - E-Book

Das unglaubliche Leben des Victorinus Victor E-Book

Jochen Groddeck

0,0

Beschreibung

Was, wenn Siegfried von Xanten tatsächlich existiert hätte? Aber als römischer Soldat? Beim vorliegenden Buch handelt es sich um einen im Norden des Römischen Reiches der Spätantike angesiedelten historischen Roman mit Krimi-Elementen, der als Vorgeschichte zum Nibelungenlied aufgefasst werden kann; der Protagonist Victorinus vom Hadrianswall entwickelt sich im Laufe des Buches zur allseits bekannten Sagengestalt. Wir schauen staunend dem Spross einer abgestiegenen römischen Familie dabei zu, wie er Karriere in Militär und Geheimdienst macht und sich zeitgleich dem Christentum zuwendet, weil es seinem Werdegang dienlich ist, und weil er mit Hilfe der Religion hofft, sich auf einfache Weise von persönlicher und ererbter Schuld befreien zu können. Während um ihn herum die antike Welt zunehmend durch die Zerstörungen der Völkerwanderungszeit schwindet, häuft er durch seine kriminellen Entscheidungen, die maßgeblich seine Karriere befeuern, immer neue Schuld auf sich, um letztendlich trotz seines unglaublichen Erfolgs - oder gerade deswegen! - am Ende alles zu verlieren, wofür es sich eigentlich zu leben lohnt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 835

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Meiner Frau Dr. Hanna Christine Jacobs, die mir mit der Kunstgeschichte eine neue Welt gezeigt hat.

Inhaltsverzeichnis

KAPITEL

I Die Gnade des Kaisers

II Die Fußstapfen seines Vaters

III Em wahrer Römer spricht Latein

IV Die Drossel scheißt sich selbst ihr Verderben

V Die Geheimnisse Epiacums

VI Das Abbild auf der Münze

VII Hände und Geschenke

VIII Der neue Stern

IX Etwas sehr Ernstes war geschehen

X Der neue Herr von Banna

XI Der Herr von Fanocodi

XII Spatha, Gold und Lorica

XIII Verräter haben keine schönen Kleider

XIV Die Glorie seines Großvaters

XV Amelius blieb sitzen

XVI Em unterhaltsamer und dennoch sittsamer Abend

XVII Eine Hiobsbotschaft mehr

XVIII Die Hölle auf Erden

XIX Eine vergleichbar geringe Summe

XX Die Lage im Rest des Reiches

XXI Em solch profunder Quell des Wissens

XXII Fliege nur nicht zu hoch, Ikarus

XXIII Die Grenzen des Reiches hinter sich lassen

XXIV Wenn Gott es von uns verlangt

XXV Himmelsmechanik

XXVI Der Held des Nebels

XXVII Hoffnungen auf ein Botenbrot

XXVIII Em Teil der Mannschaft

XXIX Nicht mehr dasselbe Paar Stiefel

XXX Tricensimae

EPILOG

KAPITEL I Die Gnade des Kaisers

Das Lied klang traurig, und auf den Holz-Bänken vor der Taberna1, dem ehemaligen Horreum2 des Kastells Banna, lauschte andächtig ein halbes Dutzend in warme Mäntel gehüllte Männer. Es war das Ende des Winters des Jahres 1141 ab urbe condita3, und fast alle hatten ihre Kapuzen hochgezogen und wärmten sich mit heißen Getränken. Das Licht der wenigen Öllampen schien schwach und flackernd durch die Tür und durch die wenigen geöffneten Fenster auf den feuchten, nackten Boden ringsum, und der Mann, der aus der Tür an der Schmalseite des länglichen Gebäudes trat und vor der Flamme der Fackel dort in der Halterung vorüberging, warf einen langen Schatten, der sich an seinem äußeren Ende mit der vollkommenen Dunkelheit der sie umgebenden kühlen Nacht vereinigte. Am Rande dieser sternenlosen und feuchten Dunkelheit saß Victorinus auf einem eingesunkenen Stein am Fuße der Kastellmauer, seine Hände im nassen Gras hinter sich. Der Gesang erreichte ihn leise, die Sprache des Sängers verstand er nicht, aber da die meisten Männer flüsterten oder lauschten, war die Melodie gut zu hören.

„Wer singt dort drinnen?“, fragte er seinen Vater, der gerade zu ihm in die Dunkelheit trat, zwei dampfende Becher in den Händen.

„Ein Barde von den Votadini.“ Victor4 blickte in das fragende, kindliche Gesicht seines Sohnes, gab ihm den einen Becher und setzte sich mit dem anderen neben ihn. „Unsere Verbündeten nordöstlich des Walls. Gegen ihre nördlichen Nachbarn, die Pikten, haben wir vor dem Winter siegreich Krieg geführt, wie du weißt. Von den Votadini kommen viele gute Barden. Diese hier sind zu uns in den Westen gekommen, um den Männern die Tage bis zum Abmarsch zu versüßen und sich selbst ein paar Münzen zu verdienen.“

„Aber warum singen sie dann so ein trauriges Lied?“

„Ich versichere dir, sie spielen auch lustige Weisen, aber ich habe mir dieses Lied gewünscht und sie dafür bezahlt.“

„Du hast dir ein trauriges Lied gewünscht? Warum?“

„Victorinus, du sollst heute von unserer Familiengeschichte hören, und dieses traurige Lied erinnert mich daran, woher wir kommen.“ Eine Weile lang lauschten beide dem Barden, der gänzlich ohne Begleitung auszukommen schien. Währenddessen glitten ihre Blicke über die Außenwand der Taberna zu den eingestürzten Resten des zweiten Horreums links davon. Doch bald schon wurde Victorinus langweilig. Er probierte das heiße Getränk, das inzwischen genug abgekühlt war. Es war Wein, etwas ganz Besonderes für einen Jungen seines Alters! Wärme breitete sich in seinem Bauch aus, und glücklich forderte er seinen Vater auf, zu erzählen.

„Du weißt, die meisten Limitanei5 von hier an nach Westen sind nicht Venatores6 wie wir, sondern Soldaten der Ersten Aelischen Kohorte der Daker, Rom treu ergeben.“ Er senkte die Stimme. „Bevor ich in den Krieg ziehe, sollst du wissen, dass die Venatores bannienses zur Zeit deines Großvaters noch als Milites arcani bekannt waren.“

„Aber Vater, das weiß ich doch schon längst.“

„Gut, gut. Dann weißt du sicher auch, dass die Venatores heute als einfacher Numerus7 den Dakern unterstellt sind. Damals jedoch, als Milites arcani, waren sie den Dakern mehr als ebenbürtig! Sie bekamen gleichen Sold, aber erkundeten und kämpften in der Regel alleine, weit draußen im Feindesland.“ Da sein Sohn mit großen Augen und offenem Mund lauschte, führte Victor weiter aus. „Die Milites arcani waren Elite-Soldaten, ausgebildet als Meister im Schleichen, aber auch als Diplomaten, und gleichermaßen tödlich im Kampf sowohl mit dem Schwert als auch mit dem Bogen. Nachdem ihre Einheit auf kaiserlichen Befehl aufgelöst worden war, ließ der Dux Britanniarum zu, dass sie sich zum Numerus der Venatores zusammenschlossen und er unterstellte sie den Dakern, um sie in Zukunft besser im Auge behalten zu können. Schließlich galten sie damals als Verräter.“

Victorinus zuckte zusammen. „Verräter?“

Sein überraschter Ausruf war etwas lauter als beabsichtigt, und das leise Gespräch vor der Taberna ebbte etwas ab, Männer hoben wie witternde Hunde ihre Köpfe. Als nichts weiter geschah, nahmen sie ihre Gespräche flüsternd wieder auf. Das Lied erklang währenddessen ohne Unterlass.

„Hüte deine Stimme. Heute sind sie dem Reich treue Soldaten, treuer als manch andere sogar. Aber zur Zeit der Großen Barbarischen Verschwörung nahmen sie Kaiser und Reich übel, dass ihnen angesichts einer Übermacht keine weiteren Truppen zur Seite gestellt worden waren. Sie standen mit dieser Haltung nicht alleine, die übrigen Limitanei dachten ähnlich! Also schlossen die Arcani - wohlgemerkt in Absprache mit den anderen Truppen am Wall - mit den Völkern des Nordens einen Nicht-Angriffspakt und ließen sie im Geheimen die Grenze nach Süden passieren. Sie retteten damit nicht nur die Wallkastelle, sondern auch die Frauen und Kinder aller Männer hier am Wall. Nach dem Ende des Krieges wurden sie deswegen allerdings, und mit ihnen mein Vater, dein Großvater Gaius Antonius Victor, der Kollaboration mit dem Feind angeklagt und als Einheit aufgelöst. Sie waren offensichtlich die Sündenböcke, denn niemand sonst musste deswegen büßen. Der Kaiser konnte es sich nicht leisten, noch mehr Soldaten zu verlieren.“

„So eine Ungerechtigkeit! Und deswegen gehören wir auch nicht mehr dem Ritterstand an?“ Victorinus zog eine Grimasse.

„Senke deine Stimme, Sohn. Diese Geschichte ist nur für deine Ohren bestimmt.“ Abermals konnte man spüren, dass die Aufmerksamkeit der Männer, vor allem derer, die am Eingang saßen, abgelenkt worden war. Victors Sohn bemerkte es nun auch und verstummte augenblicklich.

„Sohn, du solltest deinem Ahn gegenüber ebenso nachsichtig sein, wie ich es bin. Denn ohne seine Tat wärst du heute nicht hier.“ Victor ließ seinen Worten Zeit, ihre Wirkung bei dem Jungen zu entfalten. Während dieser unruhig auf seinem Stein hin und her rutschte, zauberte der Ältere eine Flasche aus seinem Mantel und füllte sich den Becher wieder auf.

„Aber das ist noch nicht alles, was ich dir erzählen wollte. Es ist nämlich so, dass sich diese Geschichte in unserer, in deiner Familiengeschichte zu wiederholen scheint.“ Victorinus hatte so langsam getrunken, dass sein Becher noch längst nicht leer war, und er gab seinem Vater ein Zeichen, dass er noch genug hatte.

„Deine Vorfahren waren keine Britannier8, sie waren Burgunden, die vor mehr als hundert Jahren von Rom hierher in den Norden gebracht wurden, aber auch das weißt du natürlich schon längst. Was du sicherlich noch nicht weißt, ist der Umstand, dass bereits unsere germanischen Vor-Vorfahren Nachfahren der Römer waren. Als wir nach Britannien gebracht wurden, kehrten wir also im Grunde nur zurück nach Hause. Nun sind wir wieder Römer, aber immer noch Burgunden, weil unsere Vorfahren Burgunden waren und wir noch immer nach der Art und Weise der Burgunden leben.“

„Aber welche Geschichte wiederholt sich denn da?“

„Die Taten unserer burgundischen Vorfahren und die Geschichte deines Großvaters. Schon unsere Vorfahren ließen Roms Grenze im Stich, und Rom gewährte ihnen, nichtswürdig wie sie waren, dennoch eine zweite Chance.“

Das Lied klang aus, von drinnen erklang Beifall. Rufer forderten fröhlichere Weisen und die Stimmung änderte sich. Bald schon erklang ein lebhafteres Lied, und der Sänger wurde nun von Tibia und Tympanum9 begleitet.

„Vater, ich wünsche mir so sehr, ein Soldat am Wall zu sein, so wie du. Aber unsere Vorfahren haben mehr als einmal den Kaiser und das Reich verraten. Ist das Reich denn nicht heilig? Wieso dürfen dann Verräter seine Grenzen beschützen? Wie soll ich mich seiner würdig erweisen, wenn unsere eigene Geschichte so wenig Ehre hat?“

„Söhnchen, Söhnchen, ruhig Blut! Es ist eigentlich zu früh, dass ich dir all dies erzähle. Du bist noch so jung. Aber nicht mehr lange, dann werde ich meine Männer nach Luguvalio10 1f1ühren. Dort vereinen wir uns mit den anderen Vexillationen11 und mit Fraomarius’ Alamannen, die wieder nach Hause wollen. Wir marschieren dann gemeinsam nach Eboraco12. Von dort geht es mit dem Schiff nach Germanien und dann Rhenus und Mosella hinauf nach Treveris13, in die Hauptstadt des Magnus Maximus14, und wenn ich, so die Götter wollen, aus dem Krieg gegen Valentinian zurückkehre, wirst du vielleicht schon ein Mann sein und deine Träume werden in Erfüllung gegangen sein. Aber,“ Victor atmete tief ein und wieder aus, „du hast ein Recht, vorher die wahre Geschichte unserer Vorfahren kennen zu lernen. Du hast sogar die Pflicht, denn wenn ich nicht zurückkomme, sollst du sie deinen Kindern weitergeben können.“

Bei diesen Worten schnürte sich Victorinus’ Herz zusammen. Hiervor hatte er sich gefürchtet. Etwas in ihm wollte sich schluchzend an die Brust seines Vaters pressen, sich ihm in die Arme werfen, so wie früher. Aber er wusste nun, alles würde sich ändern und er konnte nichts dagegen tun. Er würde seine Spielzeuge den Laren opfern15 müssen, er würde ein Mann sein müssen, ob er wollte oder nicht.

„Gut, Vater, ich höre.“

In diesem Moment fielen die Männer auf den Bänken in die fröhliche Weise des Barden ein, andere mussten ob des Liedes lachen und scherzen, Zurufe erzeugten Gegenrufe und Gesten. Victorinus hörte von drinnen eine Frau laut aufkreischen.

„Lass uns gehen. Die Musik ist nicht mehr nach meinem Geschmack. Gehen wir zum Wall.“

Mit diesen Worten stand Victor auf, machte zwei Schritte in Richtung Decumanus16, und die Dunkelheit verschluckte ihn. Er schien plötzlich fort zu sein. Victorinus’ Herz schmerzte noch mehr, aber obwohl er das Schluchzen weiter unterdrückte, sprach sein Gesicht wohl für sich. Alles würde sich ändern!

„Worauf wartest du, Victorinus? Komm her und mach nicht so ein Gesicht.“

Mit zitterndem Atem folgte der Knabe der Stimme seines Vaters. Nach ein paar Schritten vom Licht weg wurde die Welt wieder heller. Er blieb stehen und sog diese Helligkeit ein. Victor ließ ihn gewähren, einen Moment jedenfalls, dann ging er weiter, folgte dem Decumanus entlang der Exerzierhalle zum Osttor. Dort grüßte er den Wachhabenden, und es ging weiter hinaus in die Nacht. Sein Schritttempo war unerbittlich, aber als er sprach, waren Ruhe und Zärtlichkeit in seiner Stimme.

„Mein Kleiner. Ich weiß, dass das schwer ist. Aber eines Tages werden wir wieder hoch in Ehren stehen und vielleicht sogar wieder Daker sein. Hier lang jetzt. Aber auch als Venatores sind Kaiser und Reich unser Schicksal. Magnus ist ein guter Mann. Er hat Gratian für seinen Frevel17 bezahlen lassen. Nun müssen wir noch das Kaiserlein Valentinian18 selbst beseitigen. Wenn ich zurückkehre und Magnus der alleinige Augustus19 ist, wird alles wieder so sein, wie in den Tagen deines Großvaters. Auch du wirst vielleicht eines Tages kämpfen müssen, und ich bete, dass du einen Sohn haben wirst, der dann um dich weint. Denn nichts ist schlimmer, als dass niemand um dich weint, wenn du stirbst. Hier entlang.“

Eine Weile trottete Victorinus seinem Vater schweigend hinterher, immer den Blick gesenkt, den Füßen seines Vaters durch die Dunkelheit folgend. Die Musik ging ihm immer noch im Kopf herum.

„Vater?“

„Ja, mein Sohn?“

„Das Lied, was hatte es denn nun mit uns zu tun?“ Victor blieb stehen.

„Du hast recht, es handelt tatsächlich nicht von uns. Sondern von der Zeit, als der Wall erbaut wurde. Er stellt heute die Grenze zwischen den Briganten im Süden und den Votadini im Norden dar.“

„Hm?'' Unsicher versuchte Victorinus seinen Vater in der Dunkelheit auszumachen und gleichzeitig zu verstehen, was Victor da erklärte.

„Die Briganten, die heute nicht weit von hier im Süden leben, stellten noch zu Hadrians Regierungszeit die Männer für den Wall. Aber nicht alle waren damals mit der Herrschaft Roms einverstanden. Rom beherrschte Britannien damals gerade einmal hundert Jahre, und als der Wall quer durch die Heimat der Briganten gebaut wurde, kam es, wie schon so oft zuvor, zum Aufstand. Glücklicherweise stellten sich die treuen Völker mit den Legionen gegen die Empörer, unter anderem auch die Votadini.“

„Das war sicherlich das Ende der Briganten.“

„Viele starben, ja, aber den übrigen wurde die Gnade gewährt, ihren Fehler wieder gutzumachen. Statt sie alle sofort hinrichten zu lassen, ließ sie Antoninus, das war der Kaiser nach Hadrian, eine zweite Mauer errichten, hoch im Norden zwischen Clota und Bodotria20.“

„Ein zweiter Wall?“

„Ein zweiter Wall, ja. Wag es nicht, meine Worte in Zweifel zu ziehen! Hiervon sang nun der Barde. Er sang vom Bruderkrieg der Briganten und dem Norden, der dem Reich verloren ging. Denn die Völker des hohen Nordens, die Pikten, sind schreckliche Gegner, musst du wissen, Barbaren, wilde Tiere! Und die Briganten ... Nun, als sie keine Chance sahen, die neue Grenze zu halten, ließen sie auch den zweiten Wall im Stich und flüchteten nach Hibernia21.“

„Auf die andere Seite des Meeres?“

„In den Westen, ja. Sie liebten Rom damals sowieso nicht, und so schlossen sie lieber mit den dortigen Barbaren Frieden, als weiter gegen die Pikten zu kämpfen, und so wurde unsere Mauer hier die Grenze des Reiches für alle Ewigkeit.“

„Ihre Geschichte ähnelt der unserer Vorfahren?“

„Das hast du gut erkannt, mein Sohn. Nun ziehe deine Lehren daraus.“ Victor marschierte weiter.

„Die Votadini, sie blieben die Verbündeten Roms?“

„Ja, mein Sohn.“

„Aber sie mussten weiterhin ohne den Schutz Roms auskommen?“

„Nicht ganz, sie leben seitdem tatsächlich außerhalb der Grenzen Roms, doch noch bis zur Großen Barbarischen Verschwörung lagen in ihrem Gebiet zahlreiche Kastelle zu ihrem Schutz. Unser Außenposten Fanocodi22 war eines davon. Die Männer deines Großvaters Antonius waren dort draußen stationiert, bis es zerstört wurde.“

„Warum durften die Briganten nicht zurück ins Reich kommen?“

„Man betrügt den Kaiser besser nur einmal. Darum suchten sie ihr Heil in der Flucht.“

„Aber auch unsere Vorfahren haben zweimal gefehlt!“

„Victorinus, das Schicksal der Menschen hängt nicht nur von ihren Taten ab. Wenn du die Gnade des Kaisers zurückerlangen willst, ist es sicherlich wichtig, dass du deine Taten bereust, dass du ein Einsehen hast und dass du dich in der Folge bewährst. Aber letztlich ist es seiner Gnade geschuldet, und wenn er sie dir nicht schenkt, dann kannst du nichts dagegen tun.“

Sie hatten das Kastell und auch die Gärten, die an der Stelle des alten, dem Kastell vorgelagerten Vicus23 angelegt worden waren, hinter sich gelassen. Sie folgten schweigend und in Gedanken versunken der Militärstraße ein Stück nach Osten, bogen dann nach Norden ab und erklommen schließlich einen kleinen Wall. Als der Umriss seines Vaters wieder deutlicher wurde, wusste der Junge wieder, wo sie waren: am östlichen Außenposten des Kastells Banna, bemannt von den Venatores bannienses. Schon hörte er von vorne ein schneidiges „Wer geht dort?“, sowie beruhigtes Murmeln, als der Centenarius24 Victor sich zu erkennen gab. Als Victorinus ebenfalls den Wall erklommen hatte, salutierte die Patrouille der Venatores gerade zu Ehren seines Vaters, das heißt, sie schlugen die Speere an ihre Schilde und nahmen gleich im Anschluss stampfend ihren Weg wieder auf. Vater und Sohn standen vor dem kleinen Außenposten, hinter dem es zum Fluss und der Wallbrücke hinunter ging. Offenbar hatten die Männer gerade Feuer gemacht und gar nicht vorgehabt, ihre Patrouille so zeitig wieder aufzunehmen, aber Victors Ankunft hatte sie dazu genötigt, denn sie erkannten ihn. Er war zwar in Zivil, sein Gürtel wies ihn jedoch trotzdem noch als Offizier aus.

„Die Patrouille der Venatores läuft abwechselnd zur Brücke unten im Tal und zurück und nach Banna und zurück. Nach dem Anstieg rasten sie gerne hier am Außenposten. Schau!“

Am Fuß der Mauer stand im Mauerwinkel eine hochbeinige, aber sonst schmucklose Feuerschale. Frische Scheite lagen auf der Glut und rauchten. Vater und Sohn umrundeten das Kleinkastell bis zum Tor, grüßten den Circitor24, der ihnen die Tür aufhielt, und erklommen innen sogleich die steile Treppe auf den Wall hinauf. Unterdessen war es draußen wieder dunkel geworden, da das Licht der Patrouille kleiner und von den rundlichen Schilden der sich entfernenden Männer verdeckt wurde. Auf der Mauerkrone gewöhnten sich Victorinus’ Augen rasch wieder an die Dunkelheit.

„Sei vorsichtig. Mach keine zu großen Schritte, sonst fällst du mir noch hinunter. Bei den Göttern, die Mauer ist alt geworden. Sag mir, was siehst du?“

„Nichts, Vater. Dunkelheit. Ich spüre den Wind!“

„Jetzt dreh dich um. Was siehst du dort?“

„Ich sehe die Männer, die nach Banna gehen. Ich erkenne die Umrisse des Walls und des Kastells. Dort sehe ich Rauch und Feuerschein, das muss die Schmiede sein. Marcus arbeitet wirklich ohne Unterlass. In der anderen Richtung ...“

„Nein, mein Sohn, das meine ich nicht.“ Victorinus erkannte den Tonfall seines Vaters und schwieg in Erwartung einer Belehrung.

„Was du dort siehst, ist das Reich! In dieser Richtung erstrecken sich die Britannischen Provinzen. In zehn Tagen25 erreichst du den Portus Maximus26 und das Mare Britannicum27, auf der anderen Seite liegt Gallien. Egal in welche Richtung du da läufst, überall wirst du auf Tausenden Meilen unserer großartigen Straßen reisen, Aquädukte führen Wasser auf ebenso langen Strecken, und beide führen zu Hunderten Städten mit tausend und abermal tausend Bürgern wie dir und mir! Ob du nach Westen, Süden oder Osten reist, überall wirst du Römer treffen und die Menschen werden Latein oder doch wenigstens Griechisch sprechen. Der Westen und der Osten zusammen sind so gewaltig, dass du ein Jahr bräuchtest, um das Meer in der Mitte zu umrunden! Das Reich ist so gewaltig, weil es von den Göttern dazu bestimmt worden ist, der Welt die Herrschaft und die Ordnung zu bringen, und das seit mehr als tausend Jahren. Dort,“ Victor zeigte nach Norden, „dort ist nichts! Dort leben die Menschen in schlammigen Hütten, ohne Straßen, ohne unsere großartigen Bäder. Dort gibt es kein Recht, dort gibt es keine Ordnung. Lass dich nicht verführen von Reden der Freiheit. Freiheit bedeutet nur, dass dort das Recht des Stärkeren zählt! Der Pikte, der Skote, sie warten nur darauf, diese Mauer zu durchbrechen, um erneut zu rauben, zu morden und zu brandschatzen. Wehe uns, wenn wir uns erneut vom Reich abwenden.“

Victorinus war den Bewegungen seines Vaters gefolgt und schaute wieder in die Dunkelheit hinein. Tatsächlich war dort immer noch nichts zu sehen, nur Finsternis. Ihm war aufgefallen, dass die Stimme seines Vaters bei dessen letzten Worten mehr als nur ein wenig gewackelt hatte. Hinter ihnen am Fuß der Mauer entzündete sich mit einem Schlag das rauchende Holz in der Feuerschale, und Victorinus konnte sehen, dass sein Vater plötzlich etwas in den Händen hielt: Es war ein Amulett an einem Lederband, gefertigt aus einer Silbermünze! Zwei zueinander gewandte Siegesgöttinnen waren darauf abgebildet, auf der Rückseite28 der Kopf eines Kaisers.

„Victorinus, nimm dieses Erbstück. Es ist ein Talisman, den mir dein Großvater gab, als ich ungefähr in deinem Alter war. Mögen die Victorien darauf dich auf immerdar beschützen und zum Sieg führen!“

Mit diesen Worten legte er seinem Sohn das Amulett um den Hals und küsste ihn auf die Stirn. Victorinus hatte einen Kloß im Hals, doch umfing ihn auch eine warme Woge, welche die Trauer hinfortspülte.

„Ich danke dir, Vater! Ich werde dich nicht enttäuschen!“ Seine dünne Knabenstimme war gerade und voller Stolz, denn er fühlte sich plötzlich als Teil von etwas Großem, derselben Sache, der sein Vater und sein Großvater angehörten. Die Rührung, vielleicht aber auch nur die Aussicht auf Licht und Wärme veranlasste seinen Vater, sich umzudrehen und wieder hinabzusteigen. Erneut grüßte er den Circitor, der sich sofort anschickte, das Tor für sie zu öffnen und gleich hinter ihnen wieder zu schließen. Draußen, am Feuer angelangt, ordnete Victor die Scheite mit einem Stock. Als auch Victorinus es sich bequem gemacht hatte, erzählte er weiter, als sei nichts geschehen.

„Wenn du vom gallischen Hafen, Bononia29, nach Osten reist, durchquerst du zunächst die Provinz Belgica und einen gewaltigen Wald. Hast du diesen hinter dir gelassen, erreichst du die Provinz Germania secunda und darin schließlich einen breiten Strom, den Rhenus30. Er ist heute die Grenze des Reiches, aber auch das war beileibe nicht immer so. Vor gut einhundert und fünfzig Jahren lag die Grenze noch viel weiter im Osten, und sie wurde komplett von Kastellen und einer Mauer geschützt, ganz so wie dieser Wall hier, nur noch viel länger.31 Diese Mauer bildete eine Verbindung zwischen Rhenus und Danubia32, einem anderen großen Strom, das Land dazwischen nannte man das Dekumat33. Dies war das Land, in dem unsere Vorfahren zu Römern wurden, dort standen sie auf der Mauer, genau wie wir! Nun sollst du ihre Geschichte hören und wie genau es dazu kam, dass sie sich wieder vom Reich abwandten.“

Erneut zauberte Victor die Flasche hervor, und diesmal fühlte sich Victorinus nicht genötigt, sondern geehrt, als auch er wieder einen Schluck nehmen durfte. Er war nun ein Mann!

„Die Severer34 haben unser Volk ins Dekumatland geholt. Caracalla brauchte damals neue Soldaten, die seine Grenzen in Obergermanien schützen sollten, und unsere Vorfahren brauchten eine neue Heimat, da sie sich auf der Flucht aus Albion35 befanden, wie so viele Völker nach ihnen. So kam eines zum anderen, ein Glücksfall für beide Seiten.“

„Du wolltest doch erzählen, wie unsere Vorfahren in Ungnade fielen.“

„Geduld, Geduld, Victorinus, ich komme noch dazu. Der letzte Severer war Alexander Severus. Er hatte einen Krieg gegen die Perser geführt und den Limes dabei im Stich gelassen. Als er herbei eilte, um die Grenzen wieder zu sichern, kam es zum Streit um die Soldzahlungen: Seine germanischen Reitereien, die sich selbst die Alamannen36 nannten, hatten auf dem Perserfeldzug schwerste Verluste erlitten, und die Überlebenden forderten Blutgeld für die vielen Familien, deren Ernährer gefallen waren. Unsere Vorfahren dagegen, die Limitanei, die sich in ihrer Sprache schon damals selbst Burgunden nannten, pochten ihrerseits auf ihren lang ausstehenden Sold und legten beim Erhabenen ihr Veto ein. In dieser Situation erhoben sich die Legionäre, die in jedem Fall das Geld in die falschen Hände gehen sahen. Maximinus Thrax war ihr Anführer, und er ließ Alexander und seine Mutter kaltblütig ermorden und nahm die Soldkasse an sich!“

„Was für ein Hund!“

„Maximinus ließ sich von den Legionären zum Kaiser ausrufen, und unsere Vorfahren stellten sich ihm nicht in den Weg. Die Alamannen nannten sie daraufhin Verräter und riefen nun ihre Verwandten aus dem Barbaricum zu Hilfe. Der darauf folgende Krieg war kurz und grausam: Die Rebellen wurden weit nach Germanien hinein verfolgt und niedergemetzelt. Dort im Waldland, musst du wissen, nutzten ihnen ihre Pferde nichts. Die Verstärkung, ihre Verwandten, die ihnen entgegen kamen, kam zu spät und wurde ebenso ausgelöscht. Maximinus beschloss siegestrunken, wo er schon einmal dort war, aus Rache und als Warnung weitere alamannische Siedlungen zu plündern.37 Das hätte er jedoch besser nicht gemacht: Das Dekumatland kam in der Folge nicht mehr zur Ruhe. Nicht enden wollende germanische Überfälle machten das Land unsicher, Rebellion folgte auf Rebellion, Räuberbanden zogen umher. Schließlich geschah, was niemand für möglich gehalten hatte.“

„Was, Vater, was?“

„Das Dekumatland wurde aufgegeben, Rom rief seine Legionen zurück, die schutzlosen Menschen flüchteten in Massen ins Reich. Unsere Vorfahren jedoch blieben. Für sie war das Dekumatland zur Heimat geworden. So wie Rom sich von ihnen abgewandt hatte, wandten sie sich ihrerseits von Rom ab. Jetzt weißt du es also.“

Victorinus schwieg betroffen. Hatten seine Vorfahren nun Recht getan oder Unrecht? Einem Mörder konnte man schließlich keine Gefolgschaft schwören. Auf der anderen Seite hatten sie keinen Bürgerkrieg begonnen und die Menschen im Dekumatland auch nicht im Stich gelassen. Er ließ geräuschvoll seinen Atem aus, zu viel Neues war in den letzten Minuten auf ihn eingeprasselt.

„Ich kann mir vorstellen, wie du dich jetzt fühlst. Als dein Großvater mir davon erzählte, brachte mich dieses Wissen ebenfalls in einen Zwiespalt. Dabei war ich damals fast schon ein Mann. Unterbrechen wir kurz. Hol doch derweil noch etwas Holz, Victorinus.“

Gehorsam und froh, etwas tun zu können, um seine Sprachlosigkeit zu überbrücken, stand der Junge auf und machte sich an die Arbeit. Er holte zwei Scheite und warf sie in den Korb. Sein Vater schlug in der Zwischenzeit am Rande des Patrouillenweges sein Wasser ab. Auf ein Nicken Victors holte er noch einmal zwei Scheite. Als er das Holz besorgt hatte, tat Victorinus es seinem Vater gleich. Nachdem auch das erledigt war, fuhr Victor mit seiner Erzählung am Feuer fort.

„Die Alamannen, obwohl sie einmal unsere Feinde waren, sind heute unsere Verbündeten, wie es inzwischen auch die Votadini sind. Aber mit den Alamannen haben wir tatsächlich mehr gemeinsam als mit den Votadini."

„Die Alamannen blieben unsere Feinde auch nach dem Rückzug Roms?“ Im vergangenen Krieg waren sie die Retter Britanniens gewesen.

„Sie waren einst Roms Verbündete, genau wie wir Burgunden, aber spätestens nach dem Rückzug Roms wurden sie zu seinen erbittertsten Feinden, und sowohl Alamannen als auch Burgunden schmiedeten Allianzen mit anderen Volkern, um Kriege gegen das Reich zu führen. Die Alamannen behielten dabei die Oberhand und sie beherrschen seitdem das Land, das einmal römisch war. Die Burgunden jedoch wurden am Ligys38 von Roms Legionen besiegt und mussten sich der Gnade des Kaisers ausliefern. Am Ende war es gut so, denn ...“

„... so kamen unsere Vorfahren an den Wall?“

„Du bist mein Sohn, Victorinus, und ich bin stolz auf dich.“ In Victors Stimme war erneut ein leichtes Zittern, doch er fing sich sogleich wieder. „Natürlich ist es gut so, denn ansonsten lebten wir heute im Barbaricum und nicht im zivilisierten Britannien mit seinen Villen und Städten! Probus hieß übrigens der Kaiser, dem wir die Gnade einer zweiten Chance zu verdanken haben. Seinen Namen solltest du dir auch merken und immer in Ehren halten.“

„Das werde ich. Versprochen. Ist das der Kaiser, der auf der Rückseite meines Amuletts abgebildet ist?“

„Das? Nein, oh, nein. Das ist Magnentius, der einzige wahre Sohn Britanniens, der jemals Kaiser wurde. Dein Großvater hielt große Stücke auf ihn. So, mein Junge,” er stand auf, „wenn ich fort bin und du in Schwierigkeiten bist, halte dich an Marcus, den Schmied. Er ist ein guter Mann und mein Freund. Halte dich fern von der Taberna, bis du erwachsen bist. Solltest du eines Tages in meine Fußstapfen treten, ... aber lassen wir das. Bis dahin bin ich vielleicht schon längst zurück.“ Einen Herzschlag lang hing er seinen eigenen Worten nach. „Lass uns nun heimgehen. Deine Mutter wartet sicherlich schon.“

Lange noch nach diesem Abend überlegte Victorinus, warum sein Vater ihm die Umgebung ausgerechnet nachts zeigen musste, warum sie zur Taberna gingen, obwohl er sie doch in Zukunft meiden sollte. Er fragte sich auch, warum sie so viel dabei laufen mussten. Aber dann begriff er, dass sein Vater gar nicht ihm etwas hatte zeigen wollen, sondern dass Victor selbst Abschied nahm an diesem Abend, dass er seine Heimat noch einmal abklapperte und dass er seinen Sohn dabei haben wollte, um auch von ihm Abschied nehmen zu können.

Die folgende Woche jedenfalls gab es keine ruhige Minute mehr. Victor hatte als Centenarius der Venatores alle Hände voll zu tun. Die Schmiede brannte weiter ohne Unterlass, das ganze Kastell schien, zwischen Sonnenauf- und untergang, hierhin und dorthin zu rennen: Briefe und Letzte Willen wurden auf Holztäfelchen diktiert; Kinder wurden Verwandten anvertraut; Sklaven bekamen Halsbänder oder wurden trotz ihres Flehens verkauft; unverheiratete Frauen erhielten die Amtsgürtel39 ihrer Männer, um auch ohne sie Rationen abholen zu können; Geld wurde gut versteckt oder vergraben. Dann war der Abschied plötzlich da! Ganze vier Vexillationen nahmen eines Morgens ihre Bündel: die der Daker aus Banna selbst, die der Venatores von östlich, die der Catuvellauni von westlich des Kastells, außerdem ein Numerus Votadini von den Verbündeten vor dem Wall. Bei Niesel stellten sie sich auf, um in den Krieg des Kaisers Magnus Maximus gegen den Kindkaiser Valentinian zu ziehen. Die zurückbleibenden Limitanei und ihre Familien standen am südlichen Tor Spalier. Victorinus hielt sich mit steinernem Antlitz neben seiner Mutter, zwischen den anderen Frauen und Kindern und den hinter ihnen stehenden verbliebenen Sklaven des Ortes. Der Praepositus40 Marius, der Stellvertreter des Praefectus von Amboglanna41, hielt eine Rede und der Presbyter Potitus rief den Segen des Christengottes herab, und schon setzte sich der Zug der vier Dutzend42 Männer mit ihren Maultieren in Bewegung. Niemand jubelte. Einige der Frauen weinten, und auch bei den Männern schienen Angst und Sorge die vorherrschenden Gefühle zu sein. Victorinus blieb standhaft wie eine Statue, bis alle aus seinem Blickfeld verschwunden waren. Als sich eine schwere und haarige Hand auf seine Schulter legte, nahm er sie dankbar und lehnte sich an. Er kannte sie gut, diese Hand und den Mann, der dazu gehörte.

1 Ursprünglich die Bezeichnung für einen Schuppen oder auch eine Hütte. Hier: Taverne, Gaststätte.

2Horrea (Ez. horreum) kamen i.d.R. immer zu zweit. In Banna ist zum Zeitpunkt der Geschichte das nördliche der beiden horrea eine Ruine, die als Steinbruch dient. Archäologisch nachweisbar wurde im südlichen horreum Ende des 4. Jh. der Fußboden verfüllt und neu verlegt, außerdem waren zwei Feuerstellen angelegt worden, was für eine Nutzung als Küche oder Taverne spricht.

3 Wörtlich: „seit der Gründung der Stadt“, gemeint ist natürlich Rom. Wir zählen dieses Jahr heute als 387 nach Christus, diese Zählweise setzte sich allerdings erst lange nach dem Ende des Weströmischen Reiches durch.

4 Die Römer der Antike kannten tatsächlich nur eine Handvoll Vornamen. Auch mit der Christianisierung änderte sich das nicht unbedingt. In der Spätantike kamen biblische, aber auch barbarische Namen hinzu. Vielfach wurden Kinder nach ihren Vätern benannt, gerne in der Verkleinerungsform, dem Diminutiv. Darum heißt Victors Sohn Victorinus und Marius’ Sohn Marinus. Zweit- und Ehrennamen hatte in der Spätantike nur noch der Adel.

5 Grenztruppen, normalerweise nicht für den Krieg eingesetzt.

6 Jäger; die Venatores gehörten nicht zu den regulären Wächtern am Wall, sondern waren den limitanei untergeordnete Söldner.

7 Als numerus wurden in der spätrömischen Armee Söldner bezeichnet.

8 Die Britannier, die ursprünglich südwestlich des Walles lebten, nannten sich Carvetii. Ihre große Festung am Hadrianswall wurde daher Magnae carvetiorum, in der Spätantike kurz Magnis genannt. Ihre civitas erstreckte sich von dort nach Westen bis ans Meer. Die von Kaiser Probus gefangen genommenen Burgunden wurden Ende des 3. Jh. in ihrem Gebiet angesiedelt.

9 Schienbein-Flöte und Handtrommel

10 Carlisle

11Vexillationen nannte man Truppenteile, die ihre eigentliche Truppe verließen und für eine bestimmte Aufgabe, z.B. einen Feldzug, abgeordnet wurden.

12 Der nächstgelegene Hafen war zwar Alauna (Maryport), die Hauptstadt der Provinz war jedoch Eboraco (York), welches über die Flüsse Ouse und Humber mit der Nordsee verbunden war.

13 Trier liegt natürlich nicht am Rhein, aber von Britannien aus gesehen nur ein kurzes Stück die Mosel hinauf.

14 Magnus Maximus war ein Offizier aus einfachen Verhältnissen, der es dank seines militärischen Geschicks zunächst bis zum comes Britanniarum, dem obersten britannischen Heerführer, schaffte. Zum Zeitpunkt der Geschichte war er bereits caesar des Westens, stellvertretender Kaiser des Westreichs.

15 Indem Kinder ihr Spielzeug, z.B. Walnüsse (als Murmeln verwendet), verbrannten, ließen sie symbolisch ihre Kindheit hinter sich.

16 Hauptstraße, die die beiden Seitentore verbindet, hier die Ost-West-Achse.

17 Kaiser Gratian ließ als überzeugter Christ den Victoria-Altar in Rom entfernen. Victor nahm ihm das sehr übel, da Victoria zu den von der Familie besonders verehrten Gottheiten gehörte. 383 erklärte Gratian den katholischen Glauben zur Orthodoxie und eine Abkehr davon als staatlich zu verfolgendes Verbrechen. Dies brachte das Fass zum Überlaufen, und die britannischen und gallischen Armeen rebellierten gegen ihn.

18 Valentinian II., Gratians kleiner Bruder, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht volljährig. Er gilt als der erste der sogenannten Kindkaiser.

19... des Westens. Theodosius I. herrschte weiterhin über das Ostreich.

20 Firth of Clyde einerseits und Firth of Forth andererseits

21 Irland; tatsächlich setzte ein Teil der Briganten in der Folge über, der größere Teil jedoch blieb.

22 Fanum Cocidi, spätantik Fanocodi, war ein Heiligtum des britannischen Kriegsgottes Cocidius und ein danach benannter Außenposten der Daker.

23 Vicus (Mz. vici) wurden die Siedlungen einer civitas genannt. Oftmals entstanden vici außerhalb der sogenannten Bannmeile eines Kastells. Im Laufe des 4. Jh. zogen jedoch die Bewohner der vici, bei denen es sich höchstwahrscheinlich um die Familien der Soldaten handelte, in die Kastelle hinein. Das war auch deswegen möglich, da in der Spätantike die Besatzungen deutlich kleiner waren als zum Zeitpunkt, als die Kastelle gebaut worden waren. 24 Mittlerer Offiziersrang, 2 ½ facher Sold eines Fußsoldaten. Als centenarius war Victor der Anführer der Venatores und dem primicerius Marius unterstellt, der als hochrangigster Offizier in Banna außerdem Stellvertreter (d.h. praepositus) des Präfekten war.

24 Unteroffiziersrang, Aufseher einer Wachmannschaft, jedoch nicht der Anführer eines Contuberniums.

25 Dies entsprach militärischer Marschgeschwindigkeit. Boten zu Pferde benötigten 2 Tage, Händler mit Trägern 2 Wochen, mit Ochsenkarren noch länger, weshalb Schwerlast-Händler i.d.R. Schiffe in Anspruch nahmen.

26 In der „Großer Hafen“ genannten Bucht lagen mehrere Häfen, der wichtigste dürfte Portus Adurni (Portchester) gewesen sein. Das dort gelegene römische Kastell gilt heute als eines der besterhaltenen.

27 der Ärmelkanal

28 Eigentlich ist natürlich die Seite mit dem Kaiserkopf die Vorderseite (Avers) und die Victorien befinden sich auf der Rückseite (Revers).

29 Der Hafen der britannischen (!) Flotte lag gegenüber Dover auf dem Kontinent. In der Kaiserzeit Gesoriacum genannt, wurde in der Spätantike der Name der zivilen Siedlung Bononia gebräuchlicher.

30 Rhein

31 Ganz so spektakulär war die heute Limes genannte Grenzanlage nicht: In den germanischen Provinzen war der Grenzwall nur aus Erde und mit einer Palisade gesichert. In der Provinz Rätien gab es immerhin eine 4 m hohe Mauer.

32 Donau

33 Die agri decumates waren so etwas wie der Wilde Westen der Antike: eine Grenze, die seit dem 1. Jh. nach Chr. immer weiter nach Osten ins sogenannte barbaricum verschoben wurde. Ursprünglich siedelten dort gallische Kelten, bald jedoch kamen germanische Sueben dazu. Insgesamt lebten dort vermutlich 250.000 Menschen. Im dritten Jahrhundert zog sich das Römische Reich mit seinen Legionen und seiner Verwaltung wieder aus dem Gebiet zurück. Während Tausende die Flucht antraten, blieben große Teile der romanisierten Bevölkerung zurück. Die damals verfeindeten Alamannen und Burgunden übernahmen die Herrschaft.

34 Von Septimius Severus gegründete Kaiser-Dynastie.

35 Mit Albion ist hier nicht das von Ptolemäus so bezeichnete Britannien gemeint, sondern das Land links und rechts der Alba, der heutigen Elbe, und ist rein fiktional.

36 Eine solche Reitereinheit nannten die Römer eine ala, da sie als Hilfstruppen die Flügel (alae) der Legion zu schützen hatten.

37 Nach Vorstellung des Autors kam es im Zuge dieser Kampfhandlungen auch zum sogenannten „Harzhornereignis“.

38 Diese Schlacht fand 278 n. Chr. am Lech bei Augsburg statt.

39 In der Spätantike wurden viele Frauen mit einem römischen Amtsgürtel beerdigt (sogenannte „Reihengräber“). Der Gürtel dürfte mehr als nur ein Symbol gewesen sein, vermutlich konnten die Frauen hiermit beim Quartiermeister die Versorgungsansprüche der Gürtelinhaber geltend machen. Dies war insbesondere wichtig, da römische Soldaten in ihrer Dienstzeit nicht heiraten durften und ihre Lebensgefährtinnen ansonsten rechtlos blieben. Nur ein toter Soldat holte seinen Gürtel nicht wieder ab; dagegen ist überliefert, dass Legionäre für ihren Gürtel töteten, wenn er ihnen gestohlen wurde.

40 Wörtlich: „der Vorgesetzte“, hier der Stellvertreter des Präfekten der Ersten Aelischen Kohorte der Daker.

41 Präfekten zählten zu den höchsten Offiziersrängen und erhielten achtfachen Sold. Sie standen z.B. einem Kastell vor. Der praefectus von Amboglanna war im Rahmen der Geschichte mittels Stellvertreter (praepositus) auch der militärische Befehlshaber der Bannenser.

42 In Anbetracht der in der Spätantike geringen Besatzung (im Vergleich zur antiken Kaiserzeit) waren 40 Mann ein die Sicherheit gefährdender Aderlass. Kastell Banna hatte Ende des 4. Jhs. vermutlich nicht mehr als 150 Mann unter Waffen. Der von den Catuvellauni bewachte Abschnitt westlich Banna bis zum nächsten Groß-Kastell Amboglanna mit insgesamt 7 Kleinkastellen wurde von etwa noch einmal so vielen Männern bewacht. Dass die Venatores, obwohl sie nur ein einziges Wall-Kastell und den westlichen Brückenkopf der östlich gelegenen Wallbrücke bemannten, eine ebenso große Vexillation stellen mussten wie die Daker, war für sie besonders schmerzlich.

KAPITEL II Die Fußstapfen seines Vaters

Im Jahr 1142 ab urbe condita drohte erneut Bürgerkrieg im Römischen Reich. Es war die Ruhe vor dem Sturm. Noch im Vorjahr war Kaiser Magnus Maximus mit seinen Armeen von seiner Residenz Treveris nach Mediolano43 marschiert, um den Kindkaiser Valentinian II. in die Flucht zu schlagen. Damit hatte er den ohnehin brüchigen Frieden, der zwischen Ost- und Westreich geherrscht hatte, endgültig gebrochen. Dies war der Amboss, auf den der Kaiser des Ostens, Theodosius, seinen Hammer fallen lassen würde. Er würde seinen Schwager Valentinian nicht im Stich lassen. Alle waren sich sicher: Noch diesen Sommer würde es zur Entscheidungsschlacht kommen!

In der Zwischenzeit ächzten die aufgrund der abgängigen Vexillationen militärisch entblößten Provinzen Galliens und Britanniens unter den andauernden Angriffen der Barbaren. Auch auf der Insel schienen es diesmal nicht die üblichen Überfälle zu sein, es hatte eher den Anschein einer Invasion von jenseits des Meeres44: Die Pikten plünderten die nordöstlichen Küsten, und im Westen gab es angeblich bereits skotische Siedlungen! Die von Magnus als Hilfstruppen rekrutierten Barbaren hatten nach seinem Weggang aufs Festland offenbar beschlossen, sich mehr zu nehmen, als ihnen zuerkannt worden war. In dieser verzweifelten Lage erlaubte der Dux Britanniarum den verbündeten Selgovae, deren Gebiet direkt nordwestlich des Walls lag und die ebenfalls unter den skotischen Überfällen zu leiden hatten, unter dem Befehl römischer Offiziere die Kastelle Mais und Bribra45 zu bemannen, sodass sie nun den Ituna Aestuarius46 beidseitig bewachten. Die dadurch frei werdenden römischen Limitanei verstärkten die Garnison in Maglone47 und bemannten und befestigten erneut den alten Hafen im Westen des Walls48, um Luguvalio und Derventio, die Hauptstadt der Civitas carvetiorum49, besser im Vorfeld schützen zu können.

In Banna war von alledem wenig zu spüren. Hier in den Hügeln waren sie vor den vor allem die Küsten überfallenden Skoten und Pikten sicher genug. Die Sorge um die Männer, die mit Magnus in den Krieg gezogen waren, wog weit schwerer. Bisher hatte es keine Nachrichten über den Verbleib der Vexillationen gegeben, und keine Nachrichten, so versuchte man sich gegenseitig zu beruhigen, waren erst einmal gute Nachrichten. Die Christen des Kastells trafen sich jetzt öfter bei ihrem Presbyter, um für ihre Verwandten zu beten, die Heiden, ihrerseits in der Unterzahl, wandten sich mit Opfern und Versprechungen an ihre Götter, und so mancher Junghahn musste zur Freude der Hühnerhalter sein Leben an den verstreut liegenden heidnischen Altären lassen.

Wenn er nicht den Blasebalg des Schmieds betätigte oder von seiner Mutter Victoria im Lesen und Schreiben50 unterrichtet wurde, vertrieb sich Victorinus die Zeit damit, Venator zu spielen und unbeobachtet den Bewohnern von Banna hinterher zu spionieren. In letzter Zeit war ihm dabei das seltsame Verhalten von Marinus, dem Sohn des Praepositus Marius, aufgefallen. Er hatte ein paar Mal beobachten können, wie dieser sich in den Gärten des Kastells um die Mauerreste der alten Häuser drückte und offensichtlich versuchte, dabei ungesehen zu bleiben, wie er das eine Mal einen Sklaven, das andere Mal einen anderen Jungen verfolgte. Er benahm sich in Victorinus’ Augen dabei ziemlich dilettantisch. Aber als er dann selbst versuchte, hinter dem ein paar Jahre älteren Jungen her zu schleichen, war das dann doch nicht so einfach, wie er sich das vorgestellt hatte, und Victorinus’ Hochachtung wuchs. Um endlich dahinter zu kommen, was Marinus’ seltsames Verhalten zu bedeuten hatte, bezog er eines frühen Morgens im oberen Stockwerk einer Turmruine am Rande des verlassenen Vicus westlich von Banna Posten, dem einzigen Gebäude dort, dessen oberes Stockwerk wenigstens teilweise noch erhalten war. Von hier aus hatte er den größten Teil der Gärten gut im Blick, die zwischen den Mauerresten der vor Jahrzehnten abgetragenen Häuser blühten, und, was noch viel wichtiger war: Vom Turm aus sah man auch das halb zugemauerte Osttor des Kastells. Victorinus hatte sich gut vorbereitet. Er informierte seine Mutter, dass er früher aufstehen würde, um im alten Turm Wache zu halten. Das war nicht gelogen, trotzdem schämte er sich, da er ihr die ganze Wahrheit vorenthielt. Vor Sonnenaufgang hatte sie ihm deswegen sogar Essen und Trinken eingepackt, wie sie es sonst für Victor getan hatte. Als sie es ihm überreichte, sagte sie ihm, er solle sich aber nicht erwischen lassen, und dann noch, wie lieb sie ihn habe. Er war rot geworden und Victoria51 entschuldigte sich dafür, ihn beschämt zu haben, was es für ihn nur noch schlimmer machte. Er war ja nun der Mann in der Familie, und sie behandelte ihn wie ein Kind! Er hatte versucht zu protestieren, doch ihr Blick war nur noch zärtlicher geworden. Also war er davongelaufen. Er war eben doch nur ein neunjähriger Junge, der seinem Vater nacheiferte.

Der alte Signalturm bestand aus wenig mehr als dem Sockel und einem Rest der Ummauerung des ersten Stockwerks. Der Sockel war auf der einen Seite auch schon ziemlich heruntergekommen, dieser Umstand erlaubte es Victorinus, wie auf einer Treppe in das obere Stockwerk zu gelangen, von dem gerade eben noch genug übrig war, dass ein Kind dahinter Deckung finden konnte. Natürlich hatte der Praepositus Marius, der als Primicerius52 der Daker auch sonst der hochrangigste Offizier im Kastell war, das mit gutem Grund verboten. Die Ruine war nicht sicher. Manche sagten sogar, der Genius53 des Turmes sei erzürnt, weil man ihn so verfallen ließ. Aber, sagte sich der Junge, solange niemand ihn dort oben entdeckte, würde es auch keinen Ärger geben. Sowieso war sein Vater doch im Krieg, und seine Mutter war langmütig und erhob nie die Hand gegen ihn. Nur der Schmied hatte ihm einmal eine schallende Ohrfeige gegeben, weil er zum Spiel so tat, als wolle er dessen Sklaven mit einem glühenden Eisen brennen. Er wollte sich ja nur ein Späßchen erlauben und erfuhr so, dass sich Marcus’ Ansicht nach solcherlei Verhalten - auch andeutungsweise - nicht gehörte. Marcus war Christ und begründete damit seine Ansicht, dass die Sklaven eine bessere Behandlung verdienten, als es sonst gang und gäbe war. 15421 In Victorinus’ Augen war das absurd.

Wer sollte denn dann die ganze Drecksarbeit machen? Seine Mutter etwa? Victorinus’ Familie hatte seit Victors Weggang sogar zwei Sklaven: den schon etwas angegrauten Arcadius, das Faktotum der Familie, und - neu dazu gekommen - das rotblonde Germanen-Mädchen Francola. Sie hatte lange, geflochtene Haare und war in Victorinus’ Augen ziemlich hübsch, aber einige Jahre älter55 als er. Unvorstellbar, wie viel Arbeit liegen bleiben würde, arbeiteten diese beiden nicht den ganzen Tag ohne Unterlass. Wenn man sie besser behandelte, kämen sie womöglich auf die Idee, dass sie diese Arbeiten nicht zu erledigen bräuchten. Victorinus musste grinsen. Tatsächlich wurde genau aus diesem Grunde Francola des Öfteren von seiner Mutter an den Haaren zur Arbeit gezerrt. Bei einer dieser Gelegenheiten war Francola das Hemd verrutscht, und er hatte einen Blick auf ihre milchweißen Brüste erhaschen können. In dem Augenblick, als sie seiner Blicke gewahr wurde, folgte sie den Befehlen seiner Mutter und bedeckte sich sorgsam wieder. Eine durchaus bemerkenswerte Episode, da Sklaven allseits als schamlos galten. Francola hingegen hatte sich damit eher wie die ehrbare Tochter eines Bürgers verhalten. Victorinus dachte weiter nach. Auch die anderen Bürger von Banna hatten Sklaven. Jeder, der nicht arm war, hatte Sklaven, und so war es auch nicht seltsam, dass Marcus einen Sklaven hatte, es war nur seltsam, dass er ihn behandelte wie einen Freund! Die anderen Sklavenbesitzer des Kastells schlugen ihre Sklaven regelmäßig, ob sie nun Christen waren oder nicht. Die Männer, die mit der Vexillation seines Vaters in Magnus’ Krieg gezogen waren, hatten vorher von Marcus sogar noch eiserne Halsringe für ihre Sklaven schmieden lassen. Auch Arcadius trug nun einen solchen Ring: „Halt’ mich fest, ich bin ein entlaufener Sklave,“ stand darauf. Marcus hatte gutes Geld damit verdient, obwohl er doch dagegen war, Sklaven wie Tiere zu behandeln. Victorinus fragte sich, was denn an Christen so besonders sei, wenn sie sich genauso verhielten wie die Altgläubigen.

Sein Hunger sagte ihm, dass es inzwischen die Zeit des lentaculum56 war. Er opferte dem Geist der Turmruine einen Teil seines Proviants, dann hockte er sich hinter den Sims des einzigen verbliebenen Fensters und aß. Den Rest seines Proviants legte er neben sich und sann kauend vor sich hin. Er musste nicht lange sinnen. Die Familien von Banna lebten alle nach dem selben Rhythmus, und auch in Marius’ Domus57 fing das Leben zur selben Stunde an, wie überall entlang der Mauer: mit dem ersten Sonnenstrahl. Gerade als Victorinus sich vorstellte, wie sich überall entlang des Walls zur gleichen Zeit die Männer auf den Weg machten, und er ob dieses Gedankens Gänsehaut bekam, da sah er Marinus mit einem Bidens58 auf der Schulter aus dem Osttor treten. Wie lustig! Offenbar hatte der Sohn des Praepositus vor, Gartenarbeit zu erledigen! Plötzlich drehte sich der Junge wieder um und wechselte, wie es aussah, Worte mit der Wache, die ihre Stube in der zugemauerten Hälfte des Tores hatte. Mit einem Mal standen Victorinus die Haare zu Berge, als ihm klar wurde, dass Marinus wahrscheinlich gerade erfuhr, dass er nicht der Erste war, der das Kastell heute Morgen in aller Frühe verlassen hatte. Jetzt, im Krieg, hatte Marinus' Vater den Befehl erteilt, dass sich alle Einwohner am Tor mit Angabe des Ziels und der Tätigkeit ab- und wieder anmelden mussten, und auch Victorinus hatte ihm etwas erzählen müssen, wenn auch nicht die volle Wahrheit. Marinus grüßte und setzte seinen Weg fort. Wenn er erfahren hatte, dass Victorinus vor ihm in Richtung der Gärten gegangen war, ließ er sich das nicht anmerken. Er zeigte weder Eile noch Weile und schaute sich nicht um. Als er nicht weit vom Tor nördlich des Weges am Garten seiner Familie ankam, setzte er, anstatt das Törchen zu benutzen, kurzerhand über die niedrige Mauer, die diesen umgab. Er ging zu einem offenbar unbepflanzten Areal und begann - Victorinus musste sich die Hand vor den Mund halten, um nicht loszulachen - mit der Hacke die Erde aufzulockern. Sieh an, sieh an, wer hätte das gedacht, dass in Marinus ein kleiner Bauer steckte. Eine Weile beobachtete Victorinus hämisch, wie Marinus diese in den Augen eines Soldaten unehrenhafte Arbeit verrichtete. Victorinus war sich ziemlich sicher, dass dies auch das Missfallen von Marinus’ Vater erregen würde, wenn er denn davon wüsste, aber Marius war ebenfalls Christ, und da konnte man nie so ganz sicher sein. Christen verhielten sich oft sehr seltsam, irgendwie unkriegerisch, und da fiel die Gartenarbeit auch nicht weiter ins Gewicht. War dies vielleicht ein christliches Ritual? Victorinus hatte sich seinen „Wachdienst“ anders vorgestellt, und ob er es wollte oder nicht: Nachdem er Marinus, der es mit dem Garten offenbar ernst meinte, eine Weile bei der Arbeit beobachtet hatte, verließ ihn das Interesse, und er ließ stattdessen seinen Blick in die Umgebung schweifen. Es gab inzwischen genug zu sehen, der Morgen war vorangeschritten, überall tauchten die Leute von Banna auf: Jungen brachten Rinder und Schafe zu den offenen Weiden jenseits der Gärten, Frauen gingen Wasser vom Fluss holen, Sklaven ihrerseits zur Feldarbeit, aus dem Tor trat eine Patrouille und marschierte zum östlichen Außenposten. Victorinus verfolgte sie konzentriert mit seinem Blick. Als sie auf der Höhe des Gartens vorbeikamen, fiel ihm sogleich auf, dass dort jemand fehlte: Marinus! Er musste gewusst haben, dass Victorinus im Turm saß, und hatte ihn mit seiner vorgeschützten Gartenarbeit in die Irre geführt! Fluchend sprang er auf, und das Proviant-Päckchen fiel sogleich in den Turmsockel hinunter. Das durfte doch nicht wahr sein! So schnell er konnte, krabbelte er den Mauerrest hinab, klaubte zwischen den Steinen die beiden dreieckigen Brothälften mit dem Moretum59 darauf wieder auf, stockte kurz, murmelte eine Entschuldigung für den Geist der Turmruine, legte eines der Dreiecke wieder zurück in den Dreck und wickelte das andere wieder in das Tuch ein. Gut, dass sein Vater seine Unachtsamkeit nicht gesehen hatte, er hätte es mit der Rute bekommen! Als er, durch sein Missgeschick aufgehalten, an der Straße ankam, war auch hier in beiden Richtungen von Marinus nichts zu sehen. Er schloss die Augen und rief sich das Bild in Erinnerung, dass er als letztes vom Turm aus gesehen hatte. In welche Richtung könnte das „Bäuerlein“ entschwunden sein? Wo war genug Deckung, sodass er vom Turm aus nicht zu sehen war? In aller Eile suchte er den Garten auf, in dem Marinus so „fleißig“ gearbeitet hatte, und untersuchte die unübersehbaren Spuren. Marinus hatte tatsächlich die Erde des Beetes gelockert und dort, in der lockeren Erde, waren Abdrücke, die nach Norden führten. Victorinus lächelte breit. Er hielt sich für schlau, der Sohn ihres Anführers, aber er, Victorinus, war schlauer!

Er setzte just an der Stelle über, an der auch Marinus die Mauer überquert haben musste. Dort war tatsächlich das Gras platt getreten, doch wohin war er dann gelaufen? Ein Trampelpfad führte an der Mauer entlang - in beide Richtungen. Gegenüber der Mauer war das Gras nicht plattgedrückt. Er schaute sich um, der Pfad schien überall gleichermaßen zertrampelt, nirgends war ein frischer Fußabdruck auszumachen. Na, er wird sicher nicht zurück zum Kastell gelaufen sein, jedenfalls wäre das die uninteressanteste Alternative. Also folgte Victorinus dem Pfad nach Osten bis zu einer Kreuzung. Er schaute sich um und sah im Süden deutlich die Turmruine. Er war sich nun sicher, dass Marinus einfach weiter dem Pfad nach Osten gefolgt war. Auf dem hier kreuzenden Pfad, der vom alten Turm nordöstlich zum Wall führte, wäre ihm Marinus von seiner Warte aus sicherlich aufgefallen.

Die Mauern wurden spärlicher, er kam an den östlichen Rand des alten Vicus. Auch dort war kein Junge mit Hacke zu sehen. Es machte einfach keinen Sinn mehr, hier weiter zu suchen, Marinus konnte wer weiß wo sein. Frustriert untersuchte er sein Brot und klaubte die Steinchen aus dem Käse. Wie er dort ganz leise saß, wurde er mit einem Mal eines Geräusches gewahr, das sich verdächtig nach einer Hacke anhörte! Wie von der Bremse gestochen sprang er auf die Füße. Danke, murmelte er Richtung Turmruine, denn er war sich sicher, der Genius müsse ihm geholfen haben. Er folgte der Richtung des Geräusches über einen Trampelpfad, der noch weiter weg vom Kastell und hin zum Wall führte. Nach kurzer Zeit stieß Victorinus auf eine alte Abfallgrube, und darin vornübergebeugt stand Marinus, der den Boden mit dem Bidens aufgrub.

„Sei gegrüßt, Marinus.“

Marinus hatte tatsächlich von der Torwache erfahren, dass vor ihm bereits der Sohn des Centenarius der Daker, Victor, das Kastell verlassen hatte. Victorinus’ Pech war, dass der Mann sogar zu berichten wusste, dass der Junge vorhatte, irgendwo da draußen „Wachdienst“ zu schieben. Seine Frau hatte es ihm erzählt, und die hatte es früh morgens von der begeisterten Victoria erzählt bekommen - die Ersten, die aufstanden, waren eben nicht die Männer. Als nun Marinus am Tor auftauchte, sah der Wächter gleich eine Möglichkeit, sich beim Sohn seines Vorgesetzten beliebt zu machen. Marinus, der sich sehr über den Respekt freute, den ihm der Soldat seines Vaters entgegen brachte, konnte sich gleich denken, dass Victorinus im alten Turm sitzen würde, denn trotz Verbot war das einer der Lieblingsspielplätze der Jungen von Banna. Aber Marinus war kein Kind mehr! Er hatte sein Spielzeug bereits den Laren geopfert und war sich seiner zukünftigen Rolle im Kastell sehr bewusst. Nun sah er Victorinus mit einer Mischung aus Mitleid und Verachtung an. Wie konnte dieser Rotzbengel es wagen, ihn überhaupt auch nur anzusprechen?

„Was willst du?“ Kein Gruß zurück. Ja, er drehte sich nicht einmal vollständig um, sondern blaffte den Jüngeren über die Schulter an.

„Nun, ich habe dich gefunden!“ Stolz schwang in der Stimme des Knabens mit. Für ihn war das ein Spiel, genau wie der Wachdienst in der Turmruine.

„Ich sehe es, jetzt verschwinde und finde von mir aus jemand anderen.“

„Ich beobachte dich schon lange, Marinus. Was genau suchst du in der Müllgrube?“

Nicht nur die Worte, auch der arglose Ton in der hellen Stimme des Jüngeren sagte Marinus, dass dieser noch nicht begriffen hatte, dass dies hier tödlicher Ernst war. Dem Sohn des Praepositus wurde es heiß und kalt. Wenn sich herum sprach, was er hier tat, würde es Ärger geben. Irgendjemand würde sich einen Reim darauf machen und spätestens wenn sein Vater davon erfuhr, wären die Konsequenzen unvorhersehbar, in jedem Fall jedoch schlimm. Victorinus musste zum Schweigen gebracht werden.

„Das kann ich dir nicht sagen. Es ist ein Geheimnis, und nur die Eingeweihten dürfen davon erfahren.“

„Was muss ich tun, um zu den Eingeweihten zu gehören?“

Es war so einfach! Marinus entspannte sich.

„Du musst natürlich schwören, das Geheimnis für dich zu behalten.“ Er überlegte nur kurz. „Komm mit.“

Marinus stieg aus der Grube und versteckte den Bidens im Gebüsch. Als er sich wieder umdrehte, stand Victorinus noch immer am Rand der Grube und fragte sich, warum der Sohn des Vorgesetzten seines Vaters sich nicht nur zur Gartenarbeit herab ließ, sondern sogar zur allerniedersten Sklavenarbeit, dem Entsorgen von Abfällen.

„Na, komm schon.“ Als Victorinus noch immer keine Anstalten machte, sich in Bewegung zu setzen, packte ihn Marinus an der Schulter. Sogleich machte Victorinus Anstalten, die Hand abzuschütteln. Er hob seine eigene Hand reflexhaft, während sein Blick noch immer an der Grube haftete. Dann wurde er sich bewusst, wessen Hand da auf seiner Schulter lag, und er tat, was der Ältere ihm befahl.

„Wohin gehen wir denn?“

„Zum Schwurstein natürlich.“

Der Schwurstein. Victorinus wurde es sogleich froh und mulmig zugleich. Er hatte andere Jungen davon reden hören. Aber auf seine Nachfrage waren ihre Lippen versiegelt geblieben. Wenn er nun zum Scliwurstein geführt wurde, wäre er tatsächlich ein Eingeweihter. Wie die Mithrasjünger! Er musste urplötzlich furzen.

„Du hast wohl Schiss, was?“

„Nein,“ log Victorinus. Den Rest des Weges verbrachten sie schweigend. Bald näherten sie sich der nordöstlichen Ecke des Kastells, dort wo der Wall an die Außenmauer von Banna anschloss. Offenbar lag der Schwurstein dort. Victorinus wusste, jetzt würde es ernst werden. In der Ecke gab es nichts außer Gärten und Mauern, der Schwurstein musste irgendwo dort liegen. „Warte!“ Er trat kurz neben den Weg, ließ die Hose herunter und passte auf, sich seine Tunika nicht zu beschmutzen. Mit einem Büschel Torfmoos säuberte er sich. Marinus wartete derweil hämisch grinsend. Als sie in der Mauerecke an langten, zeigte der Sohn des Praepositus auf das Relief eines aus dem Stein geschlagenen Penis60.

„Nun schwöre im Namen von Jesus Christus, dass kein Wort über deine Lippen kommen wird, weder über das, was du heute gesehen hast, noch was du gleich erfahren wirst. Außerdem schwöre, dass du unseren Schwurstein nicht verraten wirst,“ befahl er gebieterisch.

„Ich schwöre es!“ Victorinus war erleichtert. Er hatte sehr viel Schlimmeres erwartet, und Christus war ja auch nur ein Gott wie jeder andere.61 Gerade als er sich entspannen wollte, öffnete der andere seinerseits die Hose.

Als Victorinus am Abend nach Hause kam, wunderte seine Mutter sich, dass ihr Junge weder Appetit hatte noch wie sonst erzählen wollte, was er heute alles so erlebt hatte. Er ging ohne Umschweife zu Bett, ebenfalls ein äußerst ungewöhnliches Verhalten. In den nächsten Tagen reimte sie sich zusammen, dass er offenbar nun doch endlich vorhabe, seine Kindheit abzulegen. Sie wusste, dass Victorinus der Vater fehlte, und seine Spiele waren immer ein bisschen zu kindlich gewesen. Da sich sein Zustand in den folgenden Tagen besserte, und er sich älteren und, wie sie fand, sehr edlen Jungen anschloss, machte sie sich keine Gedanken mehr, sondern freute sich stattdessen. Victorinus würde nun endlich in die Fußstapfen seines Vaters treten!

Victorinus lag derweil im Bett und schämte sich: Er hatte Marinus’ Penis geküsst, um nicht als Feigling da zu stehen und um zu erfahren, was der Ältere in der Müllgrube gesucht hatte. Er wusste nun auch, warum die anderen Jungen so eisern geschwiegen hatten: Sie standen alle unter Marinus’ „Balken“!62 Was das Geheimnis der Müllgrube betraf, so wünschte er sich, sein Wunsch wäre nicht in Erfüllung gegangen. Fast noch schlimmer, als den Penis zu küssen, war, dass er nun der Mitwisser eines Diebes geworden war: Marinus stahl das vergrabene Geld der Soldaten, die mit Victorinus’ Vater nach Gallien gezogen waren. Er bestahl die Frauen und Kinder, die in den Häusern nebenan wohnten! Victor, es war gut, dass er nicht hier war, sein Vater hätte ihn allein für seine Mitwisserschaft grün und blau geschlagen. Andererseits wäre er der einzige gewesen, der Victorinus hätte helfen können, der sich den Sohn des Praepositus schon vorgeknöpft hätte. Seiner Mutter konnte er es unmöglich erzählen und Marcus auch nicht. Der Schmied war zwar ein guter Kerl, aber eben niemand, der dem Stellvertreter des Praefectus Paroli bot, und Marcus zu enttäuschen, hätte zur Folge gehabt, dass er ihm einen seiner Blicke zugeworfen hätte. Das war fast noch schlimmer als Victors Schläge. Als am Ende des Jahres die ersten Vexillationen an den Wall zurückkehrten, die Venatores des Centenarius Victor jedoch ausblieben, wurde Victorinus die Unausweichlichkeit seiner Lage bewusst: Er musste sich von nun an Marinus’ Befehlen fügen.

43 Mailand

44 Die spätantike Heimat der Skoten lag auf der irischen Insel, nicht in Schottland!

45 Die spätantiken Namen bezeichnen das Doppelkohortenkastell Maia im heutigen Bowness-on-Solway (das westlichste am Hadrianswall) sowie das Kohortenkastell Bibra im heutigen Beckfoot am Solway Firth.

46 Solway Firth

47 Das antike Maglona carvetiorum (heute: Wigton) schützte mehrere Straßen im Hinterland der Küstenbefestigungen.

48 Portus trucculenis, heutiges Kirkbride. Der aus der Zeit vor dem Bau des Walls stammende Hafen spielte ansonsten nur noch eine untergeordnete Rolle. Der Großteil der Versorgung für die westlichen limitanei kam über den Hafen von Alauna carvetiorum, spätantik Alione genannt, heute Maryport.

49 Die antike civitas carvetiorum deckte sich in etwa mit der heutigen englischen Grafschaft Cumbria. Im Rahmen dieser Geschichte wird angenommen, dass die Hauptstadt dieser civitas nicht in der Grenzstadt Luguvalio gelegen hat, dem heutigen Carlisle, sondern im zentral gelegenen Derventio carvetiorum, dem heutigen Papcastle am Fluss Derwent. Neuere Grabungsfunde in Derventio stützen die Annahme, dass dort eine mindestens gleichrangige Siedlung gelegen haben muss.

50 Die Ausbildung und Erziehung der Kinder war eine der Hauptaufgaben römischer Frauen. Da Victoria aus dem Haushalt eines Schreibers kam, war sie überdurchschnittlich gebildet.

51 Dass Victorinus’ Vater und Mutter beide ausgerechnet Victor und Victoria hießen, war Zufall und auch wieder nicht. Denn aufgrund der Hinwendung zum Christentum als Staatskult kam es im Römischen Reich in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts zu einem fast 40 Jahre lang andauernden Streit um den Victoriaaltar in Rom, dessen Kult die vorangegangen 400 Jahre über von zentraler Bedeutung war. Die alten römischen Namen wurden zwar auch weiterhin von Christen verwendet, wer jedoch ausgerechnet zu dieser Zeit sein Kind Victor oder Victoria nannte, dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach zu den Anhängern der alten Götter gehört haben.

52 Spätantiker Offiziersrang, fünffacher Sold eines einfachen Soldaten.

53 In der römischen Antike gab es nicht nur die Götter des Pantheons, sondern unzählige niedere Geister, die als genius loci praktisch jedes Gebäude, jeden beliebigen Ort, aber auch ganze Städte repräsentieren konnten. Ebenso hatte jeder Mann seinen individuellen Genius. Der Genius aller Frauen hingegen wurde kollektiv nach der Ehefrau des Jupiter „Juno“ genannt.

54 Die Mehrheit der christlichen Bischöfe sah das anders: Sklaven mussten zu ihrem Besten gezüchtigt werden, aber auch nicht so hart, dass die Seele des Züchtigenden (!) Schaden nahm.

55 Francola war, als sie verkauft wurde, etwa 12 Jahre alt, und Victor könnte sich bei ihrem Erwerb verschiedene, für uns heute abstoßende, jedoch in der Spätantike völlig normale Gedanken gemacht haben: 1. ein Mädchen als persönliche Leibsklavin seiner Frau machte dieser ggf. das Fremdgehen schwerer, 2. wenn sein Sohn die Geschlechtsreife erreichte, brauchte er nicht in das Bordell zu gehen, 3. das Mädchen wäre auch als Gefährtin für Arcadius denkbar gewesen, damit dieser sich nicht der Herrin unsittlich näherte, 4. eine Schwangerschaft des Mädchens vergrößerte in jedem Fall das Familienvermögen.

56 Frühstück

57 Die (!) domus bezeichnet sowohl das Haus als auch den Haushalt mit all seinen Bewohnern.

58 Wörtlich „Zweizahn“, eine weit verbreitete Hacke für die Gartenarbeit.

59 Käsepaste mit Kräutern

60