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Als ich mir einen Vierbeiner anschaffte, betrat ich die Welt der Hundehalter und hieß von nun an "Frauchen". Seitdem absolviere ich trotzigen Blicks Schlechtwetter-Gassigänge, streune fasziniert durch Tierbedarfs-Geschäfte, schlage mich mit dunklen Mächten wie Ordnungsamt und Hundehassern herum, verzichte für immer auf saubere Hosen. Mein Bekanntenkreis hat sich in Rekordzeit vergrößert, und ob der Hund ins Bett darf, ist noch nicht entschieden. In 35 Geschichten wird witzig und selbstironisch das Wesen des Hundehalters seziert. Viele Hundehalter meinen, dass zukünftige Herrchen und Frauchen dieses Buch lesen sollten, damit sie wissen, was auf sie zukommt.
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Das Universum der Hundehalter
Von Gabriele Bärtels
Gabriele Bärtels
Das Universum der Hundehalter
Über Eigenheiten, Ticks und Typisches dieser besonderen Menschenart
Berlin 2021 © Gabriele Bärtels
Umschlaggestaltung: Gabriele Bärtels
gabriele-baertels.de
Alle Rechte vorbehalten.
Zieht ein Welpe ein, so explodiert der Alltag
Der Hund und seine Sachen
Hundebesitzer brechen das Ansprech-Tabu
Was gibt´s denn heute zu fressen?
Der Leckerli-Automat
Der Hundeerzieher
Schlechtwettergassi
Rüdengassi
Der Erzfeind
Streicheln
Der Hund als Mensch
Man kann nicht alles haben
Dreck und Haare
Die No-Go-Area namens Küche
Autofahren
Hintenrum
Wir müssen zum Tierarzt
Der Hundehalter ist krank
Hinterlassenschaften
Hundehasser
Die staatlichen Quälgeister
Es wird schon nichts passieren
Der Rudelführer
Zwei Halter und ein Hund I
Zwei Halter und ein Hund II
Gefahrengerüchte
Der falsche Hund
Die Zukunft ist schon da
Hundehalter Typ 2 – Der Selbstoptimierer
Hundehalter Typ 3 – Der Ängstliche
Hundehalter Typ 4 - Der Brutale
Hundehalter Typ 5 – Das Mutti
Hundehalter Typ 6 – Der Esoteriker
Liebeserklärung
TEIL 1
DER TYPISCHE HUNDEHALTER
Bevor wir unseren jungen Hund abholten, hatte ich das Internet durchforstet: Auffallend viele Welpen wurden dort angeboten, deren Besitzer sie wieder loswerden wollten, oft wegen einer ¨plötzlichen allergischen Reaktion¨.
Diese Ausrede soll nur verschleiern, dass sich diese Leute nie mit Welpenerziehung befasst haben, empörte ich mich. Ich hingegen fühlte mich gut gerüstet, hatte Welpenbücher studiert und verpasste keine Folge des „Hundeprofi“.
Dann brachten wir unsere acht Wochen alte Hündin heim, zeigten ihr den Hundefutternapf, ihr Spielzeug, ihr Bett. Sie quirlte durch den Garten, verirrte sich im Bademantel meines Liebsten, pinkelte auf den Fußabtreter, wackelte statt mit dem Schwanz mit ihrem ganzen, rundlichen Körperchen, und wir riefen: ¨Wie niedlich!¨
So begann der neue Alltag. War mein Liebster aus dem Haus, so übte ich mit Emma ¨Sitz¨, entfernte Hundekacke aus der Küche, pappte Elektrokabel mit Klebeband hoch an die Wände, rief ¨nein, Emma!¨ und ¨fein, Emma!¨, rettete das Tier aus der Einkaufstasche, sprang dreifache Rittberger, um nicht auf sie draufzutreten. Die Kaffees, die ich mir kochte, wurden ungetrunken kalt, während ich meine 15 Jahre alte Brille beerdigte, die Emma geschrottet hatte. Und dann wieder raus, damit sie nicht ins Haus pinkelte, und wieder loben und toben und Grundgehorsam üben.
Wie dankbar war ich, wenn sie sich um sich selbst kringelte und ihren Jetzt-schlaf-ich-Schnaufer ausstieß.
Auf Zehenspitzen schlich ich herum, um zu bügeln, und nach der Post zu sehen - nur der Staubsauger blieb im Schrank und auch der Besen, weil Emma sonst mit einem Satz aus dem Tiefschlaf in den Kampf gegen das Ungeheuer gezogen wäre. Doch so leise konnte ich gar nicht sein, dass sie nicht bald wieder den Kopf hob, in den Augen ein lebenshungriges Funkeln. Und ich spürte meinen angespannten Nacken und heraufziehende Kopfschmerzen, weil ich ständig so unnatürlich herum huschte.
Mails blieben unbeantwortet. Geranien verdorrten in ihren Kästen. Ich jagte nur unserem Welpen hinterher, der bestens gelaunt die Klopapierrolle bis zum Gartenzaun ausrollte. Vom dauernden Bücken nach dem durchgedrehten Fellbündel hatte ich Kreuzschmerzen.
Wenn mein Liebster heimkehrte, fand er alles nicht so schlimm, aber er sah ja nur das erschöpfte Knuddeltier, das sich auf meinen Schoß gedrängelt hatte. ¨Ehrlich, ich weiß nicht mehr, wer ich bin¨, sagte ich am fünfzehnten Abend, die Haare fettig, das T-Shirt fleckig, die Socken hundespuckefeucht.
Und dann brach es aus mir heraus, das Tabu, das man nicht denken und nicht sagen darf: ¨Ich kann nicht mehr. Ich überlege, ob wir Emma zurückgeben. Ich glaub, ich hab mich gründlich überschätzt.¨ „Wir schlafen noch mal drüber¨, schlug mein Liebster vor.
Am nächsten Morgen machte Emma auf Anhieb ¨Sitz¨ und ¨Platz¨. Sie ließ sogar den nassen Küchenlappen fallen, als ich ¨Nein!¨ rief. Und sie bohrte ihren Kopf in meine Kniekehle, da zerfloss ich vor Rührung über unser Viech, das mich lieben musste, ob es wollte oder nicht, denn ich war der einzige Rudelführer, den es hatte. ¨Okay, Ratte¨, sagte ich. ¨Wir versuchen es noch mal.¨
Und so stotterten wir weiter von Tag zu Tag. Meine Friseurin rief an und fragte, ob ich verstorben sei. Statt durch die Stadt zu bummeln, streifte ich in Gummistiefeln über Felder, und nicht nur Emma schleppte Zecken ins Haus. Immerhin ging die Ratte jetzt schon ein paar Meter bei Fuß.
Inzwischen kenne ich erstaunlich viele Leute, genauso schmuddelig gekleidet wie ich, mit Leinen über den Schultern und Leckerlis in der Tasche. Und während wir unseren Hunden beim Balgen zuschauen (was ohne eigenes Zutun total glücklich macht!) begann ich eine Umfrage.
Und hier ist das Ergebnis: Fast alle haben mehr als einmal erwogen, ihren Welpen zurückzugeben, fast alle waren am Ende ihrer Kraft und kämpften mit Schuldgefühlen. Fast alle haben Bücher gelesen, Hundeschulen besucht und Züchter befragt, aber nirgends haben sie die blanke Wahrheit erfahren: dass man nämlich die ersten Monate mit einem Welpen nur dramatisch unterschätzen kann.
Kein Wunder, dass die Tiere dann in zahllosen Kleinanzeigen weiterverkauft werden.
Zu gern würde ich all die selbstgerechten Tierschützer, welche traumatisierte Mischlinge aus Spanien als problemlose Welpen vermitteln, all die arroganten Züchter edler Tiere, die behaupten, dass sie ihre Hunde nur in ausgewählte Händen geben, und all die Ratgeberschreiber mit den ausgefeilten Erziehungsplänen mal fragen, wieso sie Welpen nicht schützen, BEVOR sie an einen Halter gehen, denn sie wissen doch am allerbesten, was auf die Ahnungslosen zukommt. Ihre Erfahrungen können sie dabei gar nicht abschreckend genug ausmalen.
Mancher Wackelkandidat würde sich ob solcher Warnung die Anschaffung sicher besser überlegen. Aber er wäre dann halt kein Kunde und kein Leser mehr und die Tierfutter-Industrie würde nichts an ihm verdienen.
Emma und wir haben uns inzwischen berappelt. Aus dem ungelenken Welpen ist ein halbwegs ordentlich erzogener Hund geworden. Ich rieche wieder frisch und meine Haare sind gewaschen, aber dreckige Hosen werde ich tragen bis an Emmas Lebensende.
Haben Sie je Tiere in freier Wildbahn gesehen, die einen Koffer hinter sich herzogen? Man wundert sich, dass alles, was draußen kreucht und fleucht, ohne ein einziges Accessoire die schärfsten Jahreszeiten überlebt.
Ganz anders der Hund - denkt sein Besitzer - und müllt seine Speisekammer mit angebrochenen Leckerlitüten aller erdenklichen Sorten voll, stolpert im Wohnzimmer über Quietschetierchen jeglicher Größe und Form. Der Hund besitzt ein Wohnzimmerbettchen, ein Schlafzimmerbettchen, ein Reisebettchen und ein Bettchen für einen Schattenplatz auf der Terrasse. Und das ist noch längst nicht alles.
Dabei hatte es so harmlos angefangen: mit Halsband, Leine, Futter- und Wassernapf, Bettchen, zwei Spielzeugen. So könnte es ein Hundeleben lang bleiben.
Doch an dieser Stelle prallten zwei Interessen aufeinander und vereinen sich aufs Schönste: Die Heimtierbedarfsindustrie will Umsatz und der Hundebesitzer diesen roten Gummiball mit den gebleckten Zähnen. Nicht wirklich nötig, aber hübsch, wie so vieles in seinem Haushalt, was er nicht vermissen würde, hätte er es nicht gekauft.
Solange es kleine Beträge sind, möglichst im einstelligen Euro-Bereich, schnappt er deswegen im Tierfutterladen rechts einen Gummi-Hamburger, links einen Neonbeißring, und da sind ja auch Schweineohren, Rinderkopfhaut, getrocknete Fischchen und Elchfleischhäppchen.
Und weil der Hund mit dem Schwanz wedelt und sich offensichtlich freut, wird alles - na gut! - zusammen mit dem Hundefutter auf dem Kassenlaufband platziert.
Der Hund fixiert währenddessen die Kassiererin. Sein Besitzer lächelt stolz: ¨Er weiß doch längst, dass es hier Leckerli gibt!¨
Die Kassiererin turtelt mit dem Hund, greift in ein Glas unter dem Tresen, und alle in der Schlange freuen sich, dass er Männchen macht und nach der Belohnung schnappt. Man ist in heiterer Stimmung, und das hebt auch die Kauflaune. Der Hundebesitzer verdrängt, dass die geschenkte Kleinigkeit einen Bruchteil von dem kostet, was die Kassiererin gerade von seiner EC-Karte abgebucht hat.
Doch die Kassiererin bezahlt die Leckerli nicht aus eigener Tasche, sondern kriegt sie vom Arbeitgeber gestellt, der sich dabei durchaus etwas denkt. Zusätzlich platziert dieser gleich hinter der Ladentür einen Fressnapf, aus dem sich alle Hunde frei bedienen dürfen. Deswegen zerren sie beim nächsten Besuch schon draußen an der Leine, weil sie unbedingt rein wollen in dieses Geschäft. Außer dem Futter suchen sie dort eigentlich nichts.
Der Hundebesitzer lässt sich willig mitziehen. Wieder findet er vieles, was sein Viech seiner Meinung nach brauchen kann: Tierhaarbürste, Kacktütenbehälter, Lutschflüssigkeit mit Leberwurstgeschmack, Regenmäntelchen, Knabberdrops mit Omega 3, Wurfgeschosse aus Plastik, LED-Halsbänder für die Dunkelheit, getreidefreies Dosenfutter, für Welpen, Jagdhunde, und ¨Senioren¨. Eine ganze Wand hängt voller gelber Leinen, grüner Leinen, strassbesetzter und totenkopfverzierter Leinen, jeweils mit passendem Geschirr, und im Internet gibt es noch Abertausend Alternativen. Als Design am weitesten verbreitet sind stilisierte Pfotenabdrücke und Knochen.
¨Na, willste das haben?¨ fragt der Hundebesitzer sein Tier und wackelt mit einem überdimensionalen Plüschhuhn vor ihm herum. Klar, dass der Hund aufgeregt danach schnüffelt, auch wenn er den grellbunt dargestellten Vogel gar nicht als solchen erkennt.
Die Beute wird nach Hause getragen und ausgepackt, der Hundebesitzer gibt hocherfreute Laute von sich, die den Hund wieder neugierig machen. Den Gummiball mit den gebleckten Zähnen schubst er unter das Sofa, wo er erst beim nächsten Frühjahrsputz neben drei weiteren Bällen staubverklebt wieder auftaucht. Die anderen Sachen quieken nach einem Tag nicht mehr, werden zerbissen oder vom Besitzer in irgendwelche Ecken gestopft.
In jedem Zimmer gibt es ein Fach für den Hund:
Im Schlafzimmer Reise- und Ersatzbettchen, Heizdecke, Hundehandtücher.
Im Badezimmer: Zeckenmittel, Krallenzange, Augensalbe, Wurmtabletten, Desinfektionsmittel, Shampoo.
In der Küche: Bürste, Hundefutter, Kackbeutel, Intelligenzspielzeug aus unbehandeltem Holz, drei unausgepackte Bälle aus einem Supermarktangebot, Vitaminergänzungskekse.
Im Flur: Winter- und Regenmäntelchen, Leinen, Halsbänder, Hornpfeife, Dummy-Beutel, die Kiste mit den Spielzeugen.
Ach ja, und beim Schreibtisch noch der Ordner mit Versicherung, Hundesteuer und Impfpass, und die Abstellkammer hatten wir ja schon.
Der Hundebesitzer findet, dass das meiste notwendige Anschaffungen sind. Mit Leuten, die ihren Hunden Schleifchen ins Haar binden, will er aber nichts zu tun haben: „Diese Vermenschlichung!“
Dann pfeift er seinen Vierbeiner heran und geht mit ihm Gassi.
Und der Hund, dessen Habe inzwischen mehrere Umzugskartons füllt, tollt von der Leine befreit, nur mit seinem Fell bekleidet auf einer Wiese herum und denkt immer noch, er brauche nichts außer Futter.
Wer sich zum ersten Mal einen Hund anschafft, freut sich auf alles Mögliche, aber wie rasant sich sein Bekanntenkreis erweitern wird, kann er sich nicht vorstellen. Erstaunlicher noch: Er wird von nun an in der Lage sein, hemmungslos wildfremde Menschen anzuplaudern.
Das ist in einer Großstadt ja tabu, wie man in x-beliebigen U-Bahn-Wagen besichtigen kann: Jeder Fahrgast ist bemüht, die Augen niederzuschlagen, eng an ihn gepresste Mitfahrer sind für ihn Luft. Unterirdisch, überirdisch und rund um die Uhr bewegen sich Menschenmengen durch die Stadt, doch jedes Millionstel davon trägt einen inneren Elektrozaun mit sich herum und sitzt darin ganz allein.
Man liest ja auch so viele Suchanzeigen: Sah Dich im Bus XY, Du trugst eine gelbe Bluse. Die Traumfrau war in greifbarer Nähe, doch diesen Schicksalsmoment hatte der Inserent verpasst, denn das Ansprech-Tabu riss zwischen ihm und der angebeteten Fremden einen abgrundtiefen Spalt in die Welt. Das kann man auch in Wartezonen von Ärzten und Ämtern beobachten, wo die Menschen in Reihen vor sich hindösen und zusammenzucken, wenn einer hustet.
Und doch ist der Abgrund bloß ein Schrittchen breit und würde sich spurlos schließen, streifte nur einer seine Hemmung ab und sagte meinetwegen: ¨Ist das aber stickig hier!¨ Eine Welle der Erleichterung würde durch die Bänke rollen, man änderte seine Sitzposition und antwortete: ¨Ja, finde ich auch!“. Die grimmigen Mienen verlören ihre Festigkeit, eine Erörterung käme in Gang, ob man das Fenster öffnen solle. Das Warten wäre auf einmal weniger quälend.
Aber praktisch geschieht sowas beinahe nie.
Ganz anders bei Hundebesitzern: Die ersten Gassigehrunden mit einem Welpen sind ja noch kurz. Doch Sie werden den Nachbarn von oben im Hausflur treffen, der gewöhnlich grußlos an Ihnen vorübergeht. Jetzt wird er augenblicklich in die Knie sinken, um mit entzücktem Lächeln das Hundeviech zu betatschen, das sich erfreut um Nachbars Füße wickelt. Und mit dem ersten ¨Wie alt Esser denn?¨ bis zum ¨schönen Tag noch!¨ bricht das uralte Eis und wird nie wieder zusammenfrieren, denn mit wem man einmal Worte gewechselt hat, der ist vom Ansprech-Tabu für alle Zeiten ausgenommen.
Binnen weniger Wochen legt der frischgebackene Hundebesitzer seine zukünftigen Spazierrouten fest. Auf ihnen wird er über kurz oder lang immer dieselben Leute treffen, die er bald schon aus weiter Ferne an ihrem Schritt und den Umrissen ihres vierbeinigen Begleiters erkennt. Und weil die Leute stehenbleiben, wenn sie ihm begegnen, hält er auch an, und mit den Augen auf die einander beschnüffelnden Tiere gerichtet beginnt mühelos ein kleines, unbedeutendes Gespräch über Zecken oder Leckerli. Noch kennt man gegenseitig nur die Hundenamen. Bei einigen wird das auch so bleiben.
Doch nach drei Monaten hat sich der Bekanntenkreis des Hundebesitzers locker um dreißig Leute erweitert, wenn nicht mehr. Einige grüßt man, mit anderen geht man ein Weilchen mit, weil die Tiere so schön spielen, alle warnt man vor dem Ordnungsamt, das im Park herumschleichen soll. Noch wieder andere lädt man sogar zum Kaffee ein.
Nach einem halben Jahr ist man Teil einer losen Gruppe, die sich jeden Morgen zum Gassigehen trifft. Beim Laufen erörtert sie Weltgeschehen oder Hundedurchfall. Und weil man für all das praktisch nichts machen muss, als ein Tier mitzuführen, gelingt das noch dem Schüchternsten. Den einzigen Tipp, den man ihm geben kann, ist, sich gelegentlich über die Hunde der anderen lobend zu äußern. Da genügt aber ein genuschelter Satz.
Weil sich manche Vierbeiner besonders gut verstehen, läuft man sogar mit Leuten, die einem weniger sympathisch sind oder welchen aus fremden Milieus, in denen man sonst nicht verkehrt. Hierbei erwirbt man neue soziale Kompetenzen. Dosenfutter oder Frischfleisch als gemeinsames Thema geht immer und nebenbei baut man Vorurteile gegen Staubsaugervertreter, Sozialpädagogen und Rechtsanwälte ab. Denn jeder, der auch einen Hund hat, ist immer irgendwie ein Einheimischer des eigenen Lebens. Und das sind ganz schön viele.
Bald verfügt der Hundebesitzer über ein eindrucksvolles Netzwerk, das sich beinahe von selbst knüpft und noch die entferntesten Stadtteile erreicht. Denn bis auf einen winzigen Bruchteil von Ignoranten grüßen Hundebesitzer einander, und sei es nur mit einem unmerklichen Kopfnicken. Weil man aus diesem Anfang jederzeit etwas knüpfen kann, fühlt man sich nirgends mehr ausgesetzt.
Es führt sogar noch weiter: Selbst, wenn Sie jetzt einmal ohne Hund unterwegs sein sollten, haben Sie das Großstadt-Anschweige-Gebot schon so oft verletzt, dass Sie darin keine Hürde mehr sehen. Gänzlich angst- und blamagefrei können Sie jetzt in der Schlange bei der Post mit den fremdartigsten Menschen ein Geplauder über das Wetter beginnen.
Denn das Thema, mit dem der Bann bricht, ist eigentlich völlig egal. Es muss nur ein gemeinsames sein, und einer muss anfangen. Ihnen, dem Hundebesitzer, ist das ein Leichtes!
Deutsche wollen immer alles richtig machen. Besonders stolz sind sie, wenn sie große Mühe aufwenden müssen, um diesem Anspruch zu genügen. Deshalb steht ein Halter, der seinem Hund schnödes Trockenfutter in den Fressnapf schüttet, in der Kaste ganz unten. Und weil er das weiß, schweigt er, wenn andere Halter in die Runde fragen: ¨Was füttert Ihr eigentlich?¨
Im Rang ganz oben steht der Barfer, der seinen Hund möglichst so ernähren will wie ein Wolf in freier Wildbahn sich selbst. Er ignoriert, dass sich nicht nur die Ernährungsweise von Hunden evolutionär vom Urvater wegentwickelt hat.
Der gemeine Hundehalter ist dennoch vom Barfer beeindruckt, denn jener misstraut der Tierfutterindustrie grundsätzlich, und das ist ja schon mal politisch außerordentlich korrekt. Zweitens betreibt er mit der Ernährung seines Hundes erheblichen Aufwand: Kocht jeden Abend Kartoffeln und Möhren, zerkleinert sehniges Frischfleisch, fährt jeden zweiten Tag zum Schlachter. Der Barfer ist außerdem derjenige, die größten Reden schwingt. Er glaubt, er sei dazu berufen, alle anderen Hundehalter davon überzeugen, dass sie ihre Tiere mit Dosenfutter langsam, aber sicher vergiften.
Heutzutage wird ja vieles leicht für richtig gehalten, nur weil im Internet tausend Kopien derselben Behauptung herumschwirren. Zwischen Fakt und Meinung wird dabei nicht mehr unterschieden. Doch vieles bleibt ohne jeglichen Beweis, oder wird mit einem Link zu einer obskuren Studie versehen, deren Auftraggeber im Dunkeln bleibt.