In der Tiefe des Teiches - Gabriele Bärtels - E-Book

In der Tiefe des Teiches E-Book

Gabriele Bärtels

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Beschreibung

In einem Gartenteich leben Fische, Schnecken, Molche, Frösche und Krebse friedlich glucksend nebeneinander her, und ärgern sich gelegentlich über ihre Unterschiedlichkeit. Doch seit in der Tiefe eine dunkle Gefahr lauert, droht der Zusammenbruch der Teichgemeinschaft. Einer muss ausziehen, um Hilfe zu holen, und sich dabei durch einen verlassenen Garten kämpfen. Wunderschönes Märchen aus heutiger Zeit, besonders für Gartenbesitzer mit Teich!

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Seitenzahl: 58

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Gabriele Bärtels

In der Tiefe des Teiches

Gabriele Bärtels

In der Tiefe des Teiches

Märchen

Berlin, 2021, Gabriele Bärtels

Umschlaggestaltung: Gabriele Bärtels

gabriele-baertels.de

Alle Rechte vorbehalten.

An einem Frühlingsmorgen fiel ein Sonnenstrahl in den Teich, durchdrang das Wasser und färbte es gelb. Das Licht erhellte eine braune Posthornschnecke, die sich an der Teichwand festgesaugt hatte.

Sie war damit beschäftigt, Teichwasser aufzunehmen und die winzigen, leckeren Schwemmteilchen zu vertilgen, die es enthielt. Dann gab sie das Wasser gereinigt wieder ab. Das war ihr Job in diesem Gewässer, der sie zugleich ernährte.

Zehn weitere Posthornschnecken klebten rundherum an den Teichwänden aus altem, rissigen, mit Algen überzogenem Beton und machten das Gleiche wie sie. Alles geschah in ihren geriffelten Schneckenhäusern, äußerlich bewegten sie sich dabei fast gar nicht. Sie sagten auch nichts. Deswegen wurden sie von den Molchen, die an der Teichwand nur schwer Halt fanden, gern als Klettersteine verwendet.

Die Molche - überaus schlanke, glitschige, bewegliche Tiere, die mit ihrem langen Schwanz blitzschnell durch das Wasser steuerten - waren erst vor wenigen Tagen angekommen und würden den Teich im Frühsommer wieder verlassen. Bis dahin aber tauchten sie in das kühle, schattige Nass, jagten nach Kaulquappen, verliebten sich in das Molchweibchen mit dem schönsten gelben Bauch und kämpften um ihre Anerkennung.

Die erhörte nur den Schnellsten und Prächtigsten und versteckte sich mit ihm im Schilf. Als sie wieder herauskam, trug sie befruchtete Eier in ihrem gelben Bauch und suchte sogleich nach dem besten Ort, diese abzulegen.

Auch das erwählte Molchmännchen taumelte, noch etwas benebelt von der Liebelei, aus dem Schilf hervor. Er geriet in einen Elritzenschwarm und zwang die entsetzten Fische, auseinanderzuspritzen. Danach irrten sie eine Weile orientierungslos durch das Wasser, denn sie konnten nur im Gleichschritt mit ihren Artgenossen leben.

„Man möchte meinen, der Teich gehöre den Molchen!“, quakte der Frosch mürrisch, der sich das Spektakel von oben anschaute.

Er saß auf einem Stein hinter etwas Efeu verborgen und rollte die Augen. Am meisten ärgerte ihn, dass sie seine Kinder fraßen, oder jedenfalls einige davon.

Jedes Jahr wickelte seine Frau den Laich, aus dem sich binnen Tagen die Kaulquappen entwickelten, sorgfältig um den Stängel eines Seerosenblattes. Doch nur aus den allerwenigsten Eiern wurden Jungfrösche, die meisten kamen über das Kaulquappendasein nicht hinaus. Dass der Frosch so wenig Nachwuchs produzierte, war auch den Elritzen zu verdanken, die sich lieber an dem Laich bedienten, anstatt diese lästigen Wasserflöhe zu fangen.

Das Seerosenblatt, an dem seine Brut hing, rollte sich gerade erst aus und strebte der Wasseroberfläche entgegen. Aber es kam noch langsamer voran als die Posthornschnecken. Weitere zwei Wochen würde es brauchen, bis es an der Oberfläche angekommen war, und die Blüte, deren Knospe sich eben am Teichgrund zu bilden begann, würde vor Pfingsten ihre gelben Blätter nicht entfalten.

„Genau!“, riefen die Elritzen im Chor.

Die glänzenden Fischchen hatten sich wieder zum Schwarm zusammengefunden und glitten wie ein Körper aus zwanzig identischen Teilen durch den Teich. Sie sagten immer alle gleichzeitig das Gleiche.

Gerade erst schüttelten sie ihre Wintersteife ab. Mehrere Monate hatten sie wie tot am Teichgrund gelegen. Über ihren Körpern hatte sich eine dicke Eisschicht gebildet, die kaum Licht durchließ. Wenigstens war sie von einem Loch durchbrochen. Das wurde durch eine Düse offengehalten, aus der Tag und Nacht, Frühling und Winter Sauerstoffblasen sprudelten. Nun, da die Wassertemperatur über zehn Grad gestiegen war, kamen die Elritzen wieder zu sich.

„Wir leben hier das ganze Jahr noch unter den widrigsten Bedingungen“, riefen sie. „Es ist unser Teich, und die Molche sind nur Besucher. Man sollte ihnen Manieren beibringen!“

Der Frosch, eigentlich auch nur ein Besucher, pflichtete ihnen bei. „Eine Unverschämtheit, wie die sich hier gebärden, und auf den alten Krebs nehmen sie auch keine Rücksicht¨, grantelte er.

Der alte Krebs hauste tief unten im Teich unter einem ovalen Stein. Eigentlich hatte er hier nichts zu suchen, denn er war ein Flusskrebs. Aber er war eines Tages einfach durch die Luft geflogen und gluckernd im Wasser untergegangen. Wie dies geschehen konnte, verstand keiner, auch er selbst nicht. Er schwor aber alle bekannten Krebs-Eide, dass er früher einmal am Ufer eines riesigen Flusses unter Kieseln gelebt hatte.

¨Das hier ist ja nur eine Pfütze!¨, krächzte er heiser.

Er hatte dauernd schlechte Laune, denn zu seinem Leidwesen musste er sein Dasein in dieser Pfütze allein bestreiten, denn es war nie wieder ein Flusskrebs in den Teich geflogen, schon gar kein weiblicher. Nun war der Krebs alt und sehr gebrechlich. Plötzliche, kleine Strömungen konnten ihn aus dem Gleichgewicht bringen, und in die Nähe der sprudelnden Sauerstoffdüse hatte er sich schon seit Jahren nicht mehr gewagt. Wenn die Molche dicht an ihm vorbeischossen, kam er gefährlich ins Wanken.

¨Eines Tages kippt er um und kann sich nicht mehr aufrichten,¨ quakte der Frosch. Er saß nun halb im Wasser und blubberte rechts und links von seinem Maul dicke Spuckeblasen hervor. ¨Und wer hilft ihm dann wieder hoch?¨

Von den Klagen unbeeindruckt, gründelten sich die Molche durch den Schlamm am Boden. Dabei rührten sie die verrottenden Buchenblätter auf, die im Herbst in den Teich gefallen waren. Das Wasser um sie herum wurde trübe, und sie verschwanden in der Wolke.

¨Das ist Umweltverschmutzung!¨ piepste ein winziger Teichfloh, der mit aufgewirbelt worden war, aber es hörte ihn niemand.

Über die Jahre waren viele Dinge in den Teich geflogen, das meiste sank schnell zu Boden und rührte sich nicht mehr. Es waren Zweige, Bucheckern, Steinchen und Muschelschalen, aber auch glänzende Dinge: ein Schraubenzieher und ein Smaragdring. Der Ring war so groß, dass er - aufrecht auf seinen Schmuckstein in den Schlamm gestellt - als Tor fungieren konnte, und nicht nur die Molche, auch die Kaulquappen, einmal sogar eine Blindschleiche hatten Anlauf genommen und waren mit Höchstgeschwindigkeit auf die goldene Öffnung zu gesaust, in der Absicht, mitten hindurch zu schießen, anstatt an ihr vorbei.

Leider, leider hatten ausgerechnet die angeberischen Molche dabei am besten abgeschnitten - mit achtundneunzig Treffern auf hundert Versuche. Die Blindschleiche? Na ja. Die Kaulquappen hatten ihr zugejubelt und sie glauben lassen, sie hätte den Ring fast immer mittig durchschlängelt. Das konnte schon deswegen nicht stimmen, weil die Blindschleiche für die Öffnung viel zu dick war. Aber das wusste sie nicht, denn sie hatte ihn ja nicht gesehen. Entsprechend stolz zog sie ab.

Bis auf solche Auseinandersetzungen war es im Teich lange so friedlich zugegangen wie in den meisten Teichen. Das Schilfrohr rauschte im Wind, Wasserläufer tanzten auf der Oberfläche, Libellen surrten von Ufer zu Ufer, Seerosen und Wassergladiolen blühten, im Sommer nahmen die Algen zu, das Moos wuchs ins Wasser, und im Flachwasser badeten Spatzen, Amseln und Ringeltauben. Wenn im Frühjahr lärmend diese Molch-Rabauken durchzogen, ärgerten sich alle, nur die Posthornschnecken nicht. Und auch nicht die Muscheln am Grund, die schweigend ihre Schalen auf und zu klappten und sich mit dem Teichwasser genüsslich ihr Innerstes durchspülten.



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