Das Verlangen des Gladiators - Susan Hastings - E-Book
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Das Verlangen des Gladiators E-Book

Susan Hastings

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Beschreibung

Der Held, der um mein Herz kämpft: Der historische Liebesroman „Das Verlangen des Gladiators“ von Susan Hastings jetzt als eBook bei venusbooks. Sie ist schön, stolz und stark – und seit sie dem Sohn eines mächtigen Clanführers versprochen ist, hat Sigrun alles, was sie sich wünschen kann. Doch als die junge Germanin von Römern entführt und als Sklavin verkauft wird, scheinen ihre Liebe und ihr freies Leben für immer verloren. Erst als sie dem berühmten Gladiator Claudius begegnet, erwacht ihr Herz aus der Erstarrung. Der mächtige Krieger weckt ein Feuer in ihr, das sie längt verloren glaubte. Es ist eine Frage der Ehre, dass sie sich keinem anderen als ihrem Mann hingibt – doch es wird immer schwerer, der Versuchung zu widerstehen … Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Das Verlangen des Gladiators“ von Susan Hastings. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Sie ist schön, stolz und stark – und seit sie dem Sohn eines mächtigen Clanführers versprochen ist, hat Sigrun alles, was sie sich wünschen kann. Doch als die junge Germanin von Römern entführt und als Sklavin verkauft wird, scheinen ihre Liebe und ihr freies Leben für immer verloren. Erst als sie dem berühmten Gladiator Claudius begegnet, erwacht ihr Herz aus der Erstarrung. Der mächtige Krieger weckt ein Feuer in ihr, das sie längt verloren glaubte. Es ist eine Frage der Ehre, dass sie sich keinem anderen als ihrem Mann hingibt – doch es wird immer schwerer, der Versuchung zu widerstehen …

Über die Autorin:

Susan Hastings ist gelernte Geologin und war lange als Sachverständige für Geologie und Ökologie tätig. Während eines späteren Studiums entdeckte sie schließlich ihr schriftstellerisches Talent. Zunächst schrieb sie Kurzgeschichten, später zahlreiche Liebes- und Historienromane, die sie unter verschiedenen Pseudonymen erfolgreich veröffentlichte.

Bei venusbooks sind von Susan Hastings auch folgende eBooks erschienen:Die Braut des WikingersDie Sklavin und der WikingerDie Geliebte des WüstenkriegersIn den Armen des Raubritters

Die Website der Autorin: http://www.susan-hastings.de

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eBook-Neuausgabe Septempber 2016

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch erschien bereits 2003 unter dem Titel Venus und ihr Krieger bei area

Copyright © der Originalausgabe 2003 area verlag gmbh, Erftstadt

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2016 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/sivilla

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95885-402-4

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Susan Hastings

Das Verlangen des Gladiators

Roman

venusbooks

Mein besonderer Dank gilt Lucie L.für ihre uneigennützige Hilfeund dem außerordentlichen Bücherfundusauf ihrem Dachboden.

Vorwort

Wir schreiben das Jahr 113 vor Christus. Einige Jahre zuvor brachen die germanischen Stämme der Kimbern, Teutonen und Ambronen aus dem Gebiet des heutigen Jütland in Dänemark nach Süden auf.

Unsere Geschichte beginnt in den Seetaler Alpen in der Steiermark. Dorthin gelangte der Treck auf der Suche nach fruchtbarem Land und neuen Weideplätzen. Und dort kam es zur ersten Konfrontation mit den Römern, die in den Jahren 105 vor Christus für die Teutonen und 101 vor Christus für die Kimbern vernichtend endete.

Sigrun, die Tochter eines Bauern der Kimbern, gelangt in die römische Sklaverei. Für das stolze und freiheitsliebende Mädchen scheint der Tod, als Erlösung von dieser Schmach, der einzige Ausweg. Doch im feindlichen Rom begegnet sie dem Gladiator Claudius. Zwischen zwei sehr gegensätzlichen Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen keimt eine zarte Liebe in einer Welt, wo ein Menschenleben nicht viel wert ist. Wo Heldentaten nach der Größe der eroberten Länder und der Zahl der vernichteten oder versklavten Völker bemessen werden, muss diese Liebe viele schwere Prüfungen bestehen.

Kapitel 1DAS DORF AUF DER LICHTUNG

Morgennebel stieg aus dem wannenförmigen Tal, in das die ersten goldenen Sonnenstrahlen fielen. Umhüllt von den hellgrauen Gipfeln der Alpen wie durch beschützende Hände lag das Dorf noch im Schlaf. Es mochten etwa zwanzig längliche Hütten sein, die sich über das flache Tal streuten. Nur an dem Krähen der Hähne, dem Bellen der Hunde und dem aufsteigenden Rauch aus den Dachöffnungen war zu erahnen, dass es hier auch menschliches Leben gab. Die Häuser zeigten alle die gleiche Ausrichtung nach Osten. Durch den Eingang an der Südseite gelangte Licht in das dämmrige Innere eines der Häuser. Zwei Reihen kräftiger Holzpfosten begrenzten die geräumige Diele. Links und rechts vom Mittelgang standen kleinwüchsige Ochsen und Kühe in den Boxen und muhten unruhig.

Aus dem Westteil des Hauses vernahm man ein verhaltenes Schnarchen. Zahlreiche Bänke und Liegen zogen sich an den rutengeflochtenen Wänden entlang um die zentral gelegene Herdstelle. Nur noch schwache Glut glimmte zwischen den Herdsteinen.

Ein hoch gewachsenes Mädchen trat aus dem Wohnbereich in den Dielengang und reckte sich. Sie packte einen Arm voll Reisig, das neben der Tür lag, und trug es zum Herd. Mit einem eisernen Haken fachte sie die Glut an, legte vorsichtig das Reisig auf und wartete, bis die Flammen an den Zweigen emporzüngelten. Erst dann packte sie größere Holzscheite auf.

In der Zwischenzeit hatte sich eine zweite Frau von ihrem Lager erhoben. Sie war wesentlich älter, durch ihr blondes Haar zogen sich graue Strähnen. Beide Frauen ergriffen größere Keramikgefäße und verließen das Haus. Ihr Weg führte an den geflochtenen Weidezäunen vorbei den Hang hinab, wo ein schmaler Bach seinen Weg ins Tal suchte. Die Frauen setzten sich an das grasbewachsene Ufer und begannen eine ausgiebige Morgentoilette. Sie legten ihre Kleidung ab und wuschen sich mit dem eiskalten Wasser der Berge, bis sich ihre helle Haut rötlich färbte. Erst dann kleideten sie sich wieder an. Die Kleidung bestand bei beiden Frauen aus einem ärmellosen leinenen Unterkleid, das bis zu den Knöcheln reichte, einer einfach geschnittenen Bluse mit langen Ärmeln und einem in Falten gelegten Rock, der von einem ledernen Gürtel gehalten wurde. Einziger Schmuck waren die großen, kreisförmigen Platten der Gürtel. Dann begannen die Frauen, sich gegenseitig ihre Haare zu kämmen und einzuflechten. Die jüngere der beiden hatte außerordentlich langes, leuchtend blondes Haar, das die andere zu zwei fast armdicken Zöpfen verflocht. Ein schmales, aus gefärbtem Leder gefertigtes Stirnband vervollständigte die Frisur. Erst danach erhoben sie sich und füllten die Keramikgefäße mit Wasser. Beide Frauen schlenderten mit ihrer Last zum Haus zurück. Aus dem Eingang drängten laut brüllend die Ochsen und Kühe und verteilten sich auf der grünen Weide, die sich neben dem Haus erstreckte. Hinter den Tieren trat ein großer blonder Junge heraus, der auf die letzten Ochsen mit einer Knute klopfte. Dabei gähnte er herzhaft und rieb sich die Augen. Er war völlig nackt.

»Hast du deinen Rausch noch nicht ausgeschlafen, du Saufsack?«, schimpfte die ältere Frau und spritzte kaltes Wasser nach dem Jungen. Der lachte und schüttelte sich. Er warf den Stock beiseite, lief zum Bach hinunter und sprang mit einem lauten Aufschrei in die eisigen Fluten.

»Ich werde die Männer wecken«, sagte die jüngere Frau und verschwand wieder im Haus, während die ältere sich unter eine Kuh hockte und zu melken begann.

Das Mädchen mit den blonden Zöpfen setzte den Wasserkrug auf die Herdsteine und schürte das Feuer neu an. Im Schein der Flammen konnte sie die anderen Personen auf den Liegen ausmachen, die sich jetzt träge bewegten. Mit einem Plumps fiel ein kräftiger Mann von seiner Bank und landete unsanft auf dem gestampften Boden der Diele. Er fluchte laut und rappelte sich unter seiner Felldecke wieder hoch.

»Guten Morgen, Vater! Es ist ein wunderschöner Tag zum Pflügen der nördlichen Felder. Der Boden riecht gut, und wenn wir der Erdgöttin Nerthus ein Opfer darbringen, wird sie uns in diesem Jahr mit einer reichen Ernte bedenken.«

»Sigrun, kümmere du dich um den Haushalt und das Bier – oh, das Bier war gut! Mein Schädel brummt, als wenn ein Bär seine Pranke draufgehauen hätte.«

Sigrun lachte und half dem Vater, sich aus seiner Decke auszuwickeln. »Du weißt, dass heute Helfgurd einen Vermittler schicken will. Dazu müssen wir noch einiges vorbereiten. Der Sauerteig geht schon, aus dem das Brot gebacken wird. Aber ihr habt gestern so viel Bier getrunken, dass ich fürchte, es reicht nicht mehr lange.«

»Met, Met bieten wir dem Vermittler an, kein Sauerbier! Was soll Helfgurds Sippe von mir denken, wenn ich sie mit Sauerbier bewirte? Schließlich bin ich der Freimann Sigmund Naiax. Also, backe gefälligst das Brot, und schlachte ein Lamm! Und bring die Krüge mit Met herein!«

»Erst wenn die Gäste kommen, Vater«, widersprach Sigrun.

»Sonst ist auch der Met alle.«

»Widersprich mir nicht, Tochter!«, grollte Sigmund, aber er lächelte. Er war stolz auf seine hübsche und selbstbewusste Tochter. Sie sah aus wie seine Frau Hertha, als sie jung war und Sigmund um sie warb. Damals, als sie noch am Rande des nordischen Meeres lebten. Sein Blick verfinsterte sich. Er trat aus der Tür und blickte sich um. Vor ihm erstreckte sich das Tal, angefüllt mit fruchtbarer Erde. Doch es war schmal und rundherum stand dichter, dunkler Wald bis zu den nackten, grauen Felsen hinauf. Gemeinsam mit seinen vier Knechten hatte er in den letzten Tagen die Erde aufgebrochen und zur Aussaat vorbereitet. Aber ob sie die Sippe ernähren würde, war unklar. So weit waren sie bereits gezogen, ohne das Land zu finden, dass die Kimbern ausreichend mit Getreide versorgen konnte. Die Winter in den Bergen waren lang und kalt und erst spät erwärmte sich die Erde.

Hertha brachte eine Schale mit Milch herein. Sie wärmte sie auf dem Herd und rührte Honig hinein. Das würde ihnen Kraft für die Tagesarbeit geben. Sigmund musste auch heute wieder mit den Knechten pflügen gehen. Ihm war diese Arbeit zuwider. Es schickte sich nicht für einen freien Mann, die Arbeit der Knechte zu übernehmen. Doch da im letzten Winter drei seiner Knechte an Hunger und Krankheiten gestorben waren, musste er selbst Hand anlegen. So war er zufrieden, dass Helfgurd um Sigrun warb. Sie würde es bei Helfgurds Sippe gut haben. Dort gab es noch einige kräftige Männer mehr, die die Feldarbeit bewältigen konnten.

Alle hockten sich um das Herdfeuer herum, schlürften die heiße Milch aus den Schalen und kauten Roggenbrot. Dann zog Sigmund mit seinen Knechten und den unwillig brüllenden Ochsen hinüber an den Hang, um weiter die Erde zu pflügen. Die kalte Morgenluft umwehte ihre nackten Oberkörper. Aber bald schon kamen die kräftigen Körper ins Schwitzen, während sie den steinigen Acker aufrissen. Der hoch gewachsene, blonde Jüngling, der sich endlich bequemte, wie die anderen Männer eine leinene Hose anzuziehen, setzte sich ächzend auf den Rand der Liege. An die Füße zog er lederne Strumpfstiefel, deren Riemen er sorgfältig band. Er nahm eine eiserne Axt aus einer Ecke des dunklen Raumes.

»Ich schlage noch Holz oben im Wald, damit wir heute ein helles Feuer entfachen können, wenn der Vermittler kommt. Übrigens, ich weiß, wen Helfgurd als Vermittler schickt. Es ist der rothaarige, einäugige Eisenhard.«

»Woher weißt du das, du neugieriger Bruder Naiax?«, fragte Sigrun. »Und wenn es schon der einäugige Eisenhard ist und er vielleicht nicht mehr richtig sehen kann, er schmeckt jedenfalls den Unterschied zwischen Gerstenbier und Met. Vielleicht ist es sogar Odin persönlich, denn Odin ist auch einäugig, seit er in den Brunnen der Erkenntnis blickte und ein Auge dabei verlor. Und man sagt, dass manchmal auf Eisenhards Schulter ein schwarzer Rabe sitzt. Und sein graues Pferd sieht aus wie Sleipnir, das Pferd von Odin. Nicht umsonst entstammt seiner Sippe König Boiorix. Bestimmt hat es mit Eisenhard eine besondere Bewandtnis, deshalb schickt Helfgurd ihn als Vermittler.«

»Pah, was du dir einbildest«, lachte Naiax. »Sein Auge hat er bei einer Prügelei verloren, beinahe hätten sie ihn totgeschlagen, als er Streit anfing. Und die Raben fliegen ihm hinterher, weil er so nach Aas stinkt.«

Wütend drehte sich Sigrun um und warf einen Holzscheit nach ihrem Bruder. »Die Raben werden deine freche Zunge heraushacken, wenn du nicht sofort den Mund hältst. Und nun verschwinde und schlag Holz, du Nichtsnutz! Ich will nicht, dass er noch meint, ich entstamme einer faulen Familie!«

Sigrun seufzte leise, als ihr Bruder mit der geschulterten Axt verschwand. Doch sie war ihm nicht böse. Sie dachte an ihre vier Brüder, die auf ihrer Wanderschaft im Kampf mit den Boiern den Tod fanden.

Hertha war nie darüber hinweggekommen, brauchte sie doch kräftige Männer auf dem Hof. Doch welchem Hof? Etwa dieses eilig erbaute kimbrische Langhaus, das sie vor dem nahenden Winter errichtet hatten, als ihnen der weitere Zug nach dem Süden durch Schneestürme verwehrt wurde? Die Sorge um das tägliche Brot hatte scharfe Falten in ihr Gesicht gegraben. Was war von ihrer einst stolzen Sippe geblieben, seit sie ihre alte Heimat am Rande des Meeres verlassen hatten? Sie wandte sich um und bedachte den hölzernen Planwagen mit einem traurigen Blick. Sie spürte ganz deutlich, dass sie auch hier nicht lange verweilen würden. Da würde auch ein Opfer an Nerthus nicht viel bewirken. Trotzdem würden sie es versuchen. Das Blut des geschlachteten Lammes, die Milch ihrer besten Kuh, das Brot aus hellem Mehl und die Nüsse würden Nerthus versöhnlich stimmen. Die Menschen würden die Äcker drei Mal gegen die Sonne umrunden und dann ihr Opfer darbringen. Das musste Nerthus doch akzeptieren! Fast grimmig walkte Hertha den Teig durch, den sie am Tag vorher zum Gären angesetzt hatte. Als sie das lachende Gesicht ihrer Tochter sah, verflog ihr Ingrimm. Sie wischte ihre mehligen Hände am Rock ab und zog ihre Tochter zu ihrer Lagerstatt. Sie wühlte unter ihrer Strohmatratze und brachte einen fein gearbeiteten Dolch mit Hirschhorngriff zum Vorschein. Sigruns Augen weiteten sich.

»Ist das meine Gabe an Helfgurd?«, fragte sie überrascht.

Hertha nickte. »Den Dolch habe ich bereits als Gabe empfangen. Er ist der heiligen Weihe des Ehebeginns angemessen. Natürlich nur, wenn Helfgurd seinerseits ein angemessenes Geschenk bringt. Das sind nicht nur das Joch Ochsen und das aufgezäumte Pferd. Das sind auch Schild, Schwert und Speer.«

»Ich weiß«, bestätigte Sigrun. »Zweifelst du daran, dass er gebührende Geschenke bringt?«

»Nein«, lachte Hertha. »Und nun beeil dich mit der Arbeit! Wenn die Sonne sinkt, kommt der Vermittler. Bis dahin gibt es noch allerhand vorzubereiten.«

Gegen Mittag kehrte Sigmund schwitzend und mürrisch von den Feldern zurück. Er fand es unter seiner Würde, gemeinsam mit den Knechten die Ochsen zu treiben und die Felder zu bestellen. Was war nur aus den stolzen und kämpferischen Kimbern geworden? Elende Landsklaven! Er füllte ein großes Maß mit Gerstenbier und trank es in einem Zug aus. Mit dem Handrücken wischte er sich über die Lippen, um dann zum Bach zu gehen und sich zu waschen. Er war sich seiner Aufgabe bewusst, den Vermittler von Helfgurd zu empfangen. Und dazu musste er sauber und ausgeruht sein und sein gutes Gewand tragen.

Vom Bach aus beobachtete er seine hoch gewachsene Tochter. Sie fütterte die Schweine im Verschlag neben dem Haus. Wieder runzelte er die Brauen. Es war nicht Sache der Tochter eines freien Mannes, die Schweine zu füttern. Doch die letzte Magd war im Winter gestorben; wie die Knechte an Hunger und Krankheit.

»Ich wünsche dir ein besseres Leben, Sigrun«, murmelte Sigmund und begann, sich gemächlich zu rasieren.

Der einäugige Eisenhard kam auf einem prächtig geschmückten, mausgrauen Pferd geritten und blickte etwas verächtlich auf das schäbige Langhaus herab. Waren diese Leute wirklich eine Verbindung mit seiner Sippe wert, aus der auch Fürst Boiorix stammte?

Sigmund kam ihm entgegen und hieß ihn auf seinem Hof willkommen. Wie Eisenhard trug auch Sigmund ein eng anliegendes wollenes Untergewand mit langen Ärmeln, lange Bruchhosen und einen farbenprächtigen, gewebten Umhang, der über der rechten Schulter mit einer Fibel zusammengehalten wurde.

Vor dem Haus legte Eisenhard seine Waffen ab. Heimlich bewunderte Sigmund den wertvollen Lederschild mit magischen Zeichen. Ob er nicht doch Odin war? Sigmund würde jedenfalls sehr zuvorkommend zu ihm sein.

Im Wohnraum nahm Eisenhard auf einem Schemel Platz, während der Hausherr auf einem thronähnlichen Holzstuhl hockte. Der Tisch war übervoll beladen mit Schüsseln und Tellern, auf denen sich Lammfleisch, Roggenbrot, Hafergrütze, Käse, Trockenobst und Nüsse türmten. In Krügen standen Obstwein und Met bereit. Hertha hatte sich in eine Ecke des Raumes zurückgezogen und wartete auf Befehle ihres Mannes, falls der Gast noch essen und trinken wollte. Sie wusste, die Verhandlungen würden sich bis in die Nacht hinziehen. Ihr Sohn und die Knechte würden hinzukommen und Eisenhard würde dann derart betrunken sein, dass er nicht mehr auf sein Pferd steigen konnte. Das Pferd stand bereits in einer der Boxen und kaute bedächtig duftendes Heu.

Sigrun füllte im Brauhaus weitere Krüge mit Gerstenbier ab.

»Psst, Sigrun! Psst!«

Sigrun blickte sich überrascht um. Hinter der aus Reisig geflochtenen Umfriedung der Tiergatter erkannte sie den indigoblau karierten Mantel von Helfgurd.

»Helfgurd, was tust du hier? Eisenhard ist im Haus und verhandelt mit Vater!« Sigrun setzte vorsichtig den Bierkrug ab und stemmte die Arme in die Hüften.

»Psst! Sprich nicht so laut! Natürlich weiß ich, dass Eisenhard heute die Verhandlungen führt. Dein Vater ist ziemlich hartnäckig.«

Sigrun lachte. »Das weiß ich. Ich bin erst neunzehn Jahre alt. Wenn du nicht noch ein Jahr warten willst, musst du schon ein besonders schönes Brautgeschenk bringen.«

»Das werde ich ganz bestimmt, verlass dich darauf! Ich hatte Sehnsucht nach dir, Sigrun, ich musste dich sehen!« Helfgurd schlug seinen prachtvollen Umhang zurück, in den er sich ganz eingehüllt hatte. Sein muskulöser Körper kam zum Vorschein und Sigrun lächelte.

»Warte«, flüsterte sie. »Ich bringe nur die Krüge ins Haus, dann treffen wir uns hinter dem Hausgarten. Aber lass dich nicht von den Knechten sehen!«

Sigrun packte die schweren Krüge und trug sie ohne sichtliche Anstrengung in die Wohndiele. Scheu blieb sie stehen, bis ihr Vater sie heranwinkte.

»Ist sie nicht ein Prachtmädel?«, fragte er Eisenhard und legte liebevoll seinen Arm um Sigruns Hüfte. »Und Kindersegen wird sie euch auch geben, denn sie hat ein breites Becken und starke Schultern.«

Eisenhard nickte und blinzelte mit seinem gesunden Auge durch den dämmrigen Raum. Auch ohne Licht wusste er, wie hübsch Sigrun war. Er wusste, dass die Werbung nur eine Formalität war, die er jedoch sehr genau nahm. Und das Bier, das Sigrun braute, war wirklich nicht zu verachten.

Lächelnd schlüpfte Sigrun wieder aus dem Haus und lief zum Garten, den sie bereits mit der Mutter bestellt und dort Erbsen, Bohnen und Rüben gesteckt hatte.

Helfgurd hatte sich hinter einem wilden Birnbaum versteckt und zog Sigrun in seine Arme. Sie wehrte sich zum Spaß und entwand sich ihm. »Helfgurd, warum verstößt du gegen die heiligen Sitten? Kannst du dich nicht gedulden?«

Helfgurd lachte über sein breites Gesicht mit den kräftigen Wangenknochen. »Nein, das kann ich nicht. Warum darf ich meine zukünftige Frau nicht in den Armen halten?« Er packte sie wieder, seine Lippen suchten ihren Mund, doch sie drehte ihr Gesicht weg. So begnügte er sich mit ihrem schwanengleichen Hals, den er mit zarten Küssen bedeckte. Ein heißes Gefühl durchfuhr sie, und ihr Herz klopfte wild.

»Weil deine Frau als Jungfrau in die Ehe gehen soll«, hauchte sie.

»Ich weiß«, flüsterte er, ohne seine Liebkosungen zu unterbrechen. »Ich will dich nur küssen, deine Lippen, deinen Hals, deine wundervollen Brüste …« Er tastete mit den Händen unter ihre schlichte Bluse. Er unterdrückte ein Grollen, das in seiner Kehle aufstieg. »Welch eine grausame Prüfung, noch zu warten.«

Sigrun hielt den Atem an, als sie seine Hände auf ihren Brüsten spürte. Ihre Beine drohten unter ihr nachzugeben. »Liebster, es ist nicht recht, was wir tun.« Sie umschlang seine breiten Schultern.

»Wer wagt zu richten, wo die Liebe regiert? Und ich liebe dich!«

»Daran zweifle ich nicht. Gerade deshalb sollten wir die Sitten achten.« Ihre Hände fuhren zärtlich durch sein rotblondes Haar, das bis auf seine Schultern fiel. Die Sonne zauberte rote Blitze hinein.

»Zeig mir deine Liebe, Sigrun, nur ein klein wenig«, bat Helfgurd.

Sie erwiderte seinen Kuss und spürte die Wärme seiner Lippen wie die Glut der Sommersonne. Seine Arme umschlangen ihren biegsamen Leib und sie spürte, wie all ihre guten Vorsätze in dem Strom dieser Leidenschaft davonzuschwimmen drohten. Er hielt seinen Körper an den ihren gepresst, die Erregung überwältigte ihn und seine Sinne schwanden in dem Taumel, den Sigrun in ihm entfachte.

»Nein, Liebster, du musst dich gedulden. Bald, bald werde ich deine Frau sein. Doch erst musst du mich fangen!«

Lachend riss sie sich aus seinen Armen und lief aus dem Garten. Mit kraftvollen Sprüngen rannte sie über die grüne Weide.

»Wie kann ein Weib nur so grausam sein«, fluchte er atemlos und lief ihr nach, während Sigrun darauf achtete, dass ihr Vorsprung nicht zu groß wurde.

»Streng dich an, Helfgurd, um deine Braut zu fangen. Sie ist nämlich eine Hirschkuh, die leicht über die Wälle springt. Und der dumme Jäger hat das Nachsehen!« Wieder lachte sie übermütig und verschwand zwischen den Stämmen des Waldes.

»Ich bin ein guter Jäger«, rief Helfgurd und lief mit ausgreifenden Schritten den Hang hinauf.

»Das bezweifle ich«, neckte ihn Sigrun. »Denn nichts ist mir heiliger als meine Freiheit.«

»Das weiß ich. Und dass du sehr stolz bist. Aber ich weiß auch, dass du mich liebst. Und deshalb lässt du dich freiwillig von mir fangen.«

»Das glaubst auch nur du, wilder Jäger! Gib dir Mühe, deine Hirschkuh zu jagen!«

Glucksend hüpfte sie immer weiter in den Wald, um sich vor Helfgurd zu verstecken.

Schräge Sonnenstrahlen drangen durch die dunklen Zweige und zauberten ein unwirkliches, gelblich grünes Licht. Weiße Nebelschwaden stiegen vom Boden auf. Sigrun hockte sich zwischen breit gefächerten Farn. Es roch nach feuchter Erde und Harz. Sie ahmte den Ruf einer Eule nach, um Helfgurd zu locken. Dann wartete sie.

Hinter ihr raschelte es. Lachend drehte Sigrun sich um – und erstarrte. Sie blickte auf kräftige, schwarz behaarte Beine, die in Riemensandalen steckten. Langsam wanderten ihre Augen aufwärts zu dem kurzen Lederschurz und dem blinkenden Brustpanzer. Unter einem federbuschigen Helm blickten sie kalte, schwarze Augen an. Römische Soldaten!

»Odin, hilf!« schrie Sigrun. Im gleichen Moment sprang sie auf. Mit ihren langen, kräftigen Beinen lief sie um ihr Leben. Im Zickzack jagte sie zwischen den Bäumen hindurch, schlug Haken, lief auf das Licht zu, den Waldrand, das rettende Tal. Die kräftigen Knechte würden diesen verdammten Römern die Schädel einschlagen. Wo war bloß Helfgurd?

Einer der Soldaten grinste breit. »Die kann aber rennen!«, staunte er. »Auf die Pferde! Diese Wildkatze schnappen wir uns!« Die Römer schwangen sich auf ihre eleganten Pferde und ritten hinter der flüchtenden Sigrun her. Dabei lachten sie. Es war ein Spaß wie bei einer Hasenjagd.

»Kreist sie ein!«, rief der Anführer, als Sigrun aus dem Wald heraus auf die grüne Hangwiese lief. Unter lautem Gejohle jagten sie das verzweifelte Mädchen mal hierhin, mal dorthin, um sie zu ermüden. Doch Sigrun hatte Kraft, viel Kraft. Mit einer heftigen Bewegung riss sie einen der Soldaten von seinem Pferd. Er rollte fluchend über das Gras und rappelte sich wieder auf. Sigrun versuchte, auf das Pferd zu springen, indem sie sich in seine Mähne krallte. Beinahe war es ihr gelungen, als ein anderer Soldat ihr mit dem Knauf seines Kurzschwertes über den Kopf schlug. Mit einem dumpfen Schmerzlaut stürzte Sigrun zu Boden.

»Ist sie tot?«, fragte einer.

»Nein, nein! Wäre doch schade um sie. Schaut euch mal die Haare an, gelb wie Sonnenstrahlen. Was würde sie auf dem Markt bringen?«

Der gestürzte römische Soldat hatte sich wieder auf sein Pferd geschwungen. Nachdenklich blickte er auf Sigrun herab. Ihr Rock war zerrissen und zeigte ihre langen, weißen Beine.

»Sie ist groß und kräftig, und diese herrlichen Beine! Es wäre ein Spaß, sie gleich hier zu vergewaltigen. Ihr müsst nur die Beine festhalten.« Er lachte.

»Mach keinen Unsinn! Der Centurio hat gesagt, wir sollen ihm hübsche Jungfrauen bringen. Nur die erreichen einen hohen Preis. Wenn du sie dir nimmst, hat sie keinen Wert mehr.«

»Dann eben nicht. Nehmen wir sie mit, und der Centurio soll entscheiden, was mit ihr wird. Pack sie auf dein Pferd, ich habe kein Interesse mehr an ihr.« Gleichmütig wendete er sein Pferd. Zwei Soldaten packten Sigrun und warfen sie bäuchlings über das Pferd. Einer der beiden schwang sich hinauf. Während sie in aller Ruhe das Tal verließen, blickte er auf den vor ihm schaukelnden Körper. Er zog das wollene Unterkleid höher.

»He, schaut doch mal, was sie für einen tollen Hintern hat, weiß und rund wie der Mond. Wollen wir sie wirklich erst bis ins Lager schleppen?«

»Ich handele mir wegen dieser Barbarin keinen Ärger mit dem Centurio ein«, sagte der Anführer. »Und wenn sie Haare wie die Sonne und einen Hintern wie der Mond hat. Von der Belohnung für diesen Fang können wir uns mehr als nur ein Mädchen leisten.«

Beifällig murmelnd trieben die anderen ihre Pferde an.

Helfgurd hatte das Gefühl, er läge in einem warmen Brei. Er versuchte sich zu bewegen, aber ein unbändiger Schmerz zwang ihn wieder zur Ruhe. Vorsichtig hob er eine Hand und tastete nach seiner Schulter. Er spürte etwas Warmes, Klebriges – Blut! Und mit einem Mal kamen seine Erinnerungen wieder. Er sah Sigrun, wie sie lachend zwischen den Bäumen verschwand, hörte ihre glockenhelle Stimme, als sie ihn rief. Er folgte ihr, ahnend, dass sie sich irgendwo im Dickicht versteckte. Dort, wo die Bäume wieder lichter standen, wuchs hoher Farn. Ganz sicher hockte seine hübsche Hirschkuh unter dem grünen Dach. Da! Der Ruf einer Eule! Das war Sigrun. Doch wieso schnaubte hinter ihm ein Pferd? Als er sich umwandte, sah er ein breites, kurzes Schwert niedersausen. Es traf ihn wie Zius Blitz an der Schulter. Im Fallen krallte er sich an den Stamm eines Baumes. Ein zweiter Hieb nahm ihm die Besinnung.

Sigrun! Wo ist Sigrun? hämmerten seine Gedanken. Mühsam versuchte Helfgurd sich aufzurichten. Er blickte sich um. Es dunkelte bereits.

»Sigrun!«

Seine Stimme klang kratzig. Er lauschte. Doch nur der Wind rauschte in den hohen Wipfeln der Tannen. Ächzend erhob er sich. Die grässliche Wunde in seiner Schulter schmerzte und blutete stark.

»Sigrun!«

Das Schweigen des Waldes verriet ihm, dass er allein war. Er taumelte aus dem Wald und lief den Abhang hinunter, wobei er mehrfach stürzte. Mit letzter Kraft schleppte er sich ins Haus.

Im Wohntrakt feierten Sigmund, Eisenhard, Naiax und die Knechte den erfolgreich verhandelten Ehevertrag. Sie hatten dem Met und dem Sauerbier kräftig zugesprochen, es ging laut und heftig zu.

Als erste erblickte Hertha den blutüberströmten Helfgurd. Sie stieß einen spitzen Schrei aus. Jetzt wurden auch die Zecher aufmerksam. Eisenhard sprang auf und fing Helfgurd in seinen Armen auf.

»Was ist geschehen?«, fragte er fassungslos. »Sigrun«, stammelte Helfgurd. »Sigrun!«

»Was ist mit Sigrun?«

»Entführt! Römer!« Helfgurd verlor das Bewusstsein.

Sigmund war aufgesprungen, ebenso Naiax. Die Knechte griffen zu den Waffen. Sie stürzten zur Tür hinaus in die Dunkelheit. Das Tal lag in friedlichem Schweigen. Naiax fuchtelte mit seiner Lanze durch die Luft.

»Rache!«, schrie Sigmund. »Rache den Römern!« Dann stürzte er der Länge lang hin und blieb lallend liegen.

Es war zuerst der eigenartige Geruch, den Sigrun bemerkte. Sie versuchte, die Augen zu öffnen. In ihrem Kopf dröhnte es, und ihre Augen schmerzten heftig, als sie das Licht erblickte. Es war heller Tag. Um sie herum vernahm sie Stimmengewirr, Lachen und Pferdeschnauben. Metall rasselte, Waffen klirrten. Erschrocken wollte sie aufspringen und fiel sogleich zurück. Ihre Beine waren mit Ketten an eine Mauer gefesselt! Sie blinzelte gegen das helle Licht. Jetzt erkannte sie römische Soldaten, die geschäftig hin und her liefen. Sie übten auf einem freien Platz unter Anleitung eines Fechtmeisters. Andere versorgten Pferde, die in einem umzäunten Gatter standen. Auf der Wiese standen einige runde Zelte. Langsam begriff Sigrun, dass sie in einem römischen Soldatenlager gefangen war!

Niemand kümmerte sich um sie. Erst jetzt bemerkte sie, dass noch andere Gefangene an diese Mauer gekettet waren; Männer, junge Frauen, Kinder. Sie atmete tief durch – und jetzt wusste sie auch, woher der eigenartige Geruch kam, den sie zuerst wahrgenommen hatte. In einer provisorischen Bretterbude war eine Garküche untergebracht. In einem riesigen Kessel kochte Fleisch. Sigruns Magen knurrte, gleichzeitig wurde ihr übel. Sie war gefangen, Gefangene der Feinde! Sie brauchte nichts mehr zu essen. Sie würde sich selbst töten. Sofort! Denn eine solche Schmach konnte keine freie Germanin ertragen. Die Freiheit war ihr höchstes Gut. Wurde ihr dies genommen, war der Tod eine Erlösung, ein Weg, dieser Schmach zu entgehen. Der einzige Weg!

Sigrun setzte sich auf. Ihr Kopf schmerzte immer noch, doch sie unterdrückte diese Empfindung. Es war kein Problem für sie, körperliche Schmerzen zu vergessen. Nicht vergessen konnte sie die Schmach, die ihr die Römer angetan hatten: Sie hatten ihr die Freiheit genommen!

Sigrun blickte sich um. Wie konnte sie ihrem Leben ein Ende setzen? Womit? Ihre Füße waren mit Eisen gefesselt, ebenso die Hände. Auch um den Hals trug sie eine eiserne Fessel. Die Ketten waren schwer und zogen sie zu Boden. Sie konnte sich kaum bewegen. Sie lag auf losem Stroh, das an die Wand geschüttet worden war. Keine Waffe, kein Messer, keine Rute, die sie hätte benutzen können, um ihrem Leben ein Ende zu setzen!

Ein römischer Soldat beugte sich zu ihr herunter. Er reichte ihr eine Schüssel mit Suppe. Ein verführerischer Duft stieg Sigrun in die Nase, und sogleich meldete sich ihr knurrender Magen. Sie blickte dem Soldaten ins Gesicht. Er lächelte. Dieser Mann lächelte, weil sie gefangen war! Mit einer heftigen Bewegung ihrer gefesselten Hände schlug sie dem Römer die Schale aus der Hand. Die heiße Suppe spritzte ihm auf die nackten Beine. Schlagartig veränderte sich sein Gesichtsausdruck.

»Du elendes Miststück!«, fluchte er und schlug Sigrun mit dem Handrücken kräftig ins Gesicht. Ihr Kopf schlug gegen die Steinmauer, wo sie benommen liegen blieb. Als sie die Augen öffnete, war der Soldat verschwunden.

Gewiss würden die Römer sie demütigen und foltern, wenn sie zurückkamen. Dem musste sie entgehen. Doch wie? Ihr Blick fiel auf ihre zerfetzte Kleidung – und plötzlich lächelte sie. Odin hatte ihr einen Weg gewiesen.

Mit großer Anstrengung riss sie ihren Rock und ihr Unterkleid, das bereits in Fetzen hing, in schmale Streifen. Sie wand sie umeinander, sodass ein fester Strick entstand. Diesen legte sie sich so um den Hals, dass er unter der Eisenfessel zu liegen kam. Die beide Enden kreuzte sie und packte sie mit festem Griff.

»Ihr Schicksalsnornen, warum habt ihr mir das angetan?«, fragte Sigrun leise, während sie sich wieder aufrichtete. »Du zürnender Gott, warum hast du mir deine Hilfe verweigert? Nein, es ist euer Wille, dass ich Freiheit gegen Leben tausche. So sei es denn, ihr weisen Frauen, ich gehe ein in Walhalla.«

Mit diesen Worten packte sie die Enden des Strickes fester und zog sie mit einem heftigen Ruck zu. Sie spürte einen schrecklichen Druck im Kopf, ihre Lungen schienen zu platzen und ein schneidender Schmerz im Hals nahm ihr fast das Bewusstsein. Sie zog noch heftiger, als plötzlich ihre Hände auseinander gerissen wurden.

Ein römischer Offizier hatte sich auf sie geworfen und zerrte an ihren Handgelenken. Er rief etwas und andere Soldaten eilten ihm zu Hilfe. Sigrun spürte heftige Schläge im Gesicht, die sie wieder zu Bewusstsein brachten. Verwirrt öffnete sie die Augen. »Habt ihr das gesehen? Sie wollte sich einfach fortstehlen! Bei diesen Barbaren muss man aufpassen, sie wählen lieber den Tod. Wisst ihr, was dieses Täubchen auf dem Markt bringt? Schaut euch nur mal die blonden Haare und die langen, weißen Beine an.« Der Centurio richtete sich wieder auf. »Ein Mann Wache zu ihr. Du passt auf sie auf, damit sie sich nichts antut. Und reiß ihr diese Fetzen vom Leih, damit sie nicht wieder auf solche Ideen kommt!«

Dann wandte er sich ab und ließ die verzweifelte Sigrun mit ihrem Bewacher allein. Missmutig hockte er sich neben sie, allerdings außerhalb ihrer Reichweite. Man wusste ja nie, was diesen Wilden so alles in den Kopf kommt.

Der See lag im Schein des Mondes, die umliegenden Berge spiegelten sich in dem kristallklaren Wasser. Wo das Ufer einen kleinen Vorsprung in die glänzende Wasserfläche bildete, stand ein verkrüppelter Baum. Unter ihm hockten unzählige Männer, neben sich Speere, Schilde und Schwerter. Lodernde Feuer tauchten die Versammlung in gespenstisches Licht. Es war der Thing der Kimbern.

Einer der furchterregend aussehenden Krieger hatte sich erhoben und blickte in die Runde.

»Wir sind fortgezogen aus unserer alten Heimat, weil wir nicht mehr genug Land für uns und unsere Kinder hatten, nicht genug fruchtbares Ackerland, nicht genug Weideland für unsere Herden. Die Seherinnen haben das Los geworfen, das Wiehern der heiligen Rosse belauscht, die Wirbel der Bäche gedeutet. Und wir haben den Göttern geopfert. Die Götter sind mit uns und haben uns geführt. Doch nun sitzen wir hier zwischen diesen nackten und kahlen Felsen, kratzen die Erde auf und warten auf die Ernte, die uns auch Nerthus nicht bescheren wird. Denn wir sind noch nicht am Ziel unserer Reise angelangt. Das ist nicht das warme und sonnige Südland, das die weisen Frauen gesehen haben. Lasst uns nicht untätig harren, lasst uns nicht darben und hungern. Lasst uns weiterziehen und das verheißene Land suchen!«

Der Sprecher setzte sich und ein vielstimmiger Ruf erscholl. Die Männer klopften beifällig mit den Speerschäften auf ihre Schilde. Es dröhnte zum Himmel empor und hätte Donar zur Ehre gereicht.

Ein zweiter Krieger erhob sich. »Es geht die Kunde, dass im Süden die Römer leben. Und es geht die Kunde, dass sie ihre Streifzüge bis hierher ausdehnen. Ziehen wir weiter nach Süden, werden wir unweigerlich mit ihnen Zusammenstößen. Aber wir sind hungrig und schwach. Für diesen Kampf benötigen wir jedoch Kraft. Viele Krieger sind gefallen bei den Kämpfen gegen die Boier. Lasst uns wenigstens eine Ernte verweilen, um genug Reserven für den weiteren Zug und die Kämpfe zu sammeln!«

Das unwillige Murmeln während seiner Rede schwoll zu einem empörten Protest an. »Du Feigling, willst du nicht kämpfen?« – »Verkriech dich an den Ofen und lass dich von der Kuh säugen!« – »Hört, ein Zauderer will uns zum Verweilen überreden!« – »Wir sitzen hier in diesen unwirtlichen Bergen, während das gelobte Südland auf uns wartet!«

Ein junger Mann erhob sich. Es war Helfgurd. Mit einer Handbewegung warf er den Mantel zurück, der seinen Körper verhüllte. Er trug nur ein leinenes Beinkleid, sein Oberkörper war nackt. Er deutete auf die kaum verheilte, grässliche Wunde an seiner Schulter.

»Das waren die Römer!«, rief er. Ein Raunen antwortete ihm. »Sie haben meine Braut geraubt! Und sie werden auch weiter unsere Jungfrauen und Kinder rauben, unsere Männer in die Sklaverei verschleppen. Wir müssen gegen sie kämpfen, wir müssen unsere Sippen rächen. Boiorix, der du meiner Sippe entstammst, du hast uns bisher geführt. Führe uns jetzt in der Rache, die gewaltig sein wird, gegen die Römer!« Wieder toste Beifall, und die Bauernkrieger klopften gegen ihre Schilde.

Da erhob sich Boiorix, der gewählte Fürst, König, Anführer, der mutige Heißsporn und tapfere Draufgänger. Er war noch jung, nur wenige Jahre älter als Helfgurd. Mit einer gebieterischen Handbewegung verschaffte er sich Ruhe.

»Diese Römer halten sich für unbesiegbar. Das haben sie mir frech ins Gesicht gesagt. Doch gegen uns Kimbern haben sie keine Chance, diese kleinen schwarzen Hähne mit ihren Federbüschen auf dem Kopf.« Er erntete Gelächter ringsum.

»Wir werden Rache üben, das gebietet unsere Ehre. Rache für jeden Verschleppten unseres Volkes, Rache für jedes Stück geraubtes Vieh, Rache für jedes verbrannte Dorf.«

»Rache! Rache! Rache!«, erscholl es aus tausend Kehlen.

»Und schon deshalb werden wir aufbrechen und weiter den Weg nach dem Südland suchen. Aber nicht nur die Rache allein wird uns führen. Dort im Süden gibt es Land für alle. Dort wird auch unser Volk satt werden. Deshalb ziehen wir nach Süden.

Deshalb werden wir wieder unsere Wagen packen, unsere Frauen und Kinder draufsetzen, unsere Ochsen davor spannen und weiterziehen. Auf, ihr tapferen Krieger der Kimbern, die Götter sind mit uns!«

Ein ohrenbetäubender Lärm erscholl. Die Männer schrien, schlugen mit den Speerschäften gegen ihre Schilde und sie sprangen auf. »Boiorix! Boiorix! Boiorix!«

Kapitel 2ROMELIA

Die Stadt auf den sieben Hügeln erwachte in der Morgendämmerung. Die Sonne schickte ihre goldenen Strahlen durch die morgendlich kühle Luft. Vom Hügel Janiculum gesehen, lag dem Betrachter Rom zu Füßen. Weiß leuchtete die Marmorpracht der Villen, Schlösser, Tempel und öffentlichen Gebäude, üppiges Grün verriet ausgedehnte Parkanlagen, Gärten, öffentliche Plätze. Auf den Hügeln und in den Tälern drängten sich gelbe, rosa und ockerfarbene Häuser eng aneinander, viele fünf bis sieben Stockwerke hoch. Im Westen floss ruhig der Tiber, auf dem lautlos unzählige Fracht- und Personenboote vorübersegelten. Eine Stadtmauer versuchte vergeblich, die riesige Stadt zu umfassen. Sie schien aus allen Nähten zu platzen. Mehr als eine halbe Million Menschen lebten hier. Wie Fühler schoben sich steinerne Straßen in das Umland vor. Zu dieser frühen Stunde herrschte bereits ein reges Treiben. Händler bauten ihre Stände auf, Sklaven eilten durch die engen Straßen, um Besorgungen zu machen, Soldaten patrouillierten. Von der weißen Villa auf dem Palatin genoss man einen herrlichen Blick auf die Stadt und den Fluss. Hohe Bäume, üppige Hecken und Blumen verhinderten neugierige Blicke Fremder. Hier wohnte der reiche und angesehene Senator Valerius Severus Atticus mit seiner Familie.

In der lichtdurchfluteten, von schlanken Säulen flankierten Empfangshalle der Villa, dem Atrium, hatten sich viele Männer eingefunden, die geduldig auf den an den Wänden angebrachten steinernen Bänken hockten und warteten. Es waren die unzähligen Klienten des Senators. Haussklaven trugen gefüllte Tabletts mit Speisen und Getränken herein und bewirteten die Wartenden.

Von der großen, mit Marmor ausgelegten Empfangshalle getrennt, lagen die privaten Räume des Senators. Jeder Raum war prunkvoll ausgestattet. In die Wände war kostbarer, farbig gemaserter Marmor eingelassen, die Decken glänzten mit Bildern aus Glasmosaiken, mehrere Räume besaßen eine separate Wasserleitung, kleine Springbrunnen und beheizbare Fußböden. Die stützenden Säulen bestanden aus buntem Marmor. Bunte Fliesen, die mit den Farben des Meeres und des Purpurs wetteiferten, oder Mosaiken, die Szenen aus der römischen und griechischen Mythologie darstellten, bildeten den Fußboden. Wirkungsvoll war auch die Ausstattung mit Möbeln, sie zeugten vom erlesenen Geschmack und dem Reichtum des Besitzers. Es gab nur wenige Einrichtungsgegenstände, die jedoch besonders wertvoll und augenfällig waren und mehr der Dekoration denn zum Gebrauch dienten. Besonders kostbar waren die Tische aus Zitrusplatten, die auf Elfenbeinfüßen lagerten, Ruhebetten, mit Schildpatt ausgelegt, babylonische Teppiche, Prachtvasen aus korinthischer Bronze und Kandelaber aus Silber. Daneben zierten Statuen und Gemälde berühmter Künstler die Räume und den Garten. Eine kostbare Schale aus Bergkristall war dem Senator ein Jahresgehalt wert gewesen! Der überwiegende Teil des Geschirrs, der Pokale, Becher, Teller und Schalen, bestand aus Silber.

Selbst die Wirtschaftsräume wie die Küche, die Vorratsräume und die Kammern der Sklaven strahlten immer noch Wohlhabenheit aus. Sogar ein luxuriöses Bad gab es mit warmen und kalten Wasserbecken, Fußbodenheizung und marmornen Ruhebänken.

Im Speisesaal, einem länglichen Raum, der sich zum Peristyl, dem von Säulen umgebenen und mit unzähligen Pflanzen begrünten Innenhof öffnete, herrschte bereits rege Betriebsamkeit. Der Morgenwind bauschte die feinen Vorhänge, die den Raum zum Peristyl abgrenzten. Ein kunstvoller Mosaikfußboden prägte den Raum, während die Wände schlicht in Ockerfarbe gehalten waren. Lediglich eine Seitenwand wurde durch ein Gemälde geschmückt, das junge Mädchen bei der Weinlese zeigte. Dafür glitzerte die Decke aus bunten Glasfayencen und brach das hereinfallende Licht in allen Farben.

Mitten im Raum standen einige Liegen, davor ein großer Tisch. Daneben befand sich ein eiserner Wärmeofen für Speisen und Getränke. Eine Haussklavin entnahm einem Bronzebehälter auf dem Ofen warmes Wasser und mischte es mit Wein. Der Tisch war gedeckt mit Schalen voll Früchten, honiggefüllten kleinen Teigtaschen, kalten Fleischstückchen und hellem Brot.

Eine zierliche Frau in einer hellen Tunika betrat den Raum. Ihr dunkles, lockiges Haar trug sie kunstvoll hoch gesteckt, goldene Reifen und Spangen hielten die Frisur. Es war Romelia, die Gattin des Senators. Sie blickte prüfend über den Tisch.

»Drusilla, stell die Silberschale mit den kandierten Früchten dazu«, befahl sie der Sklavin. Gehorsam nahm die Angesprochene eine große silberne Schale und stellte sie auf den Marmortisch, der von vier geflügelten Fabelwesen gestützt wurde.

Aus dem Peristyl war Kindergeschrei zu vernehmen, dazwischen das Zetern einer Frau. Zwei Knaben im Alter von sieben und zehn Jahren bekämpften sich mit Holzschwertern. Die Kinderfrau versuchte vergeblich, die beiden Streithähne zu trennen. Ärgerlich runzelte Romelia die feinen Augenbrauen.

»So lass doch die beiden, sie müssen lernen, sich zu behaupten«, hörte sie eine dunkle Stimme. Valerius stand hinter ihr, bereits in seine Toga gekleidet.

»Aber alles zu seiner Zeit«, widersprach Romelia. »Fechtschule ist erst am Nachmittag. Jetzt sollen sie gemeinsam mit uns das Frühstück einnehmen.«

Sie wandte sich wieder dem gedeckten Tisch zu. In der Tür erschien eine weitere Kinderfrau, die ein Mädchen an der Hand führte, ein zweites auf dem Arm trug.

»Was ist mit Livia? Sie ist ja ganz nass«, wollte Romelia wissen und befühlte das weiße Kleidchen des Mädchens.

»Sie hat am Wasserbecken gespielt, weil Titus sein Boot darauf vergessen hatte«, entschuldigte sich die Kinderfrau.

»Wozu bist du eigentlich da, du blinde Eule?«, fuhr Romelia sie an. »Du sollst auf die Kinder aufpassen! Livia hätte ertrinken können!« Wütend holte sie mit der Hand aus, um die Kinderfrau zu züchtigen. Bevor Romelia zuschlagen konnte, drängte sich der Senator dazwischen und nahm das kleine Mädchen auf den Arm.

»Meine kleine Livia ist eine Wassernymphe«, scherzte er und hopste mit dem jauchzenden Kind durch den Speisesaal. »Hier, koste einmal von den kandierten Früchten. Und am Wasser spielst du nur, wenn deine Kinderfrau dabei ist, ja? Versprichst du mir das?«

Die Kleine nickte und biss herzhaft in eine gezuckerte Frucht.

Valerius gab das Kind der Kinderfrau zurück und legte sich auf die Kline. Während er an einer der gefüllten Teigtaschen kaute, winkte er das größere Mädchen heran.

»Valeria, setz dich zu mir. Deine Kinderfrau hat mir erzählt, dass du schon ein griechisches Gedicht aufsagen kannst. Ich bin sehr stolz auf dich, dass du so gut lernst. Auch dein Lehrer ist zufrieden mit dir.« Er reichte dem Mädchen eine Teigtasche.

»Gib dem Mädchen nicht so viel zu essen, sie wird sonst so kräftig wie eine Faustkämpferin«, rügte Romelia und betrachtete den schlanken Körper des Mädchens. Sie würde die Kinderfrau darauf hinweisen müssen, die Brust des Mädchens zu binden, damit sie nicht zu üppig wurde. Nichts war in der römischen Gesellschaft für ein Mädchen wichtiger als die Schönheit, wollte sie einmal eine gute Partie machen.

Valeria blickte ihren Vater an und lächelte. »Heute will der griechische Lehrer uns von den Blumenfeen erzählen. Der Unterricht findet im Garten statt. Vater, darf ich dir dann einen Kranz aus Blumen flechten?«

»Natürlich darfst du das, mein Liebling. Und du sollst dich auch mit Blumen schmücken, dann siehst du besonders hübsch aus.« Verschwitzt und mit roten Gesichtern betraten die beiden Knaben den Speisesaal. Sie trugen leichte, zimtfarbene Tuniken voller Schmutzflecke.

Valerius lachte. »Am frühen Morgen schon Streit, ihr beiden?« Betreten schauten die Knaben zu Boden.

Romelia hatte es sich bereits auf einer der Liegen bequem gemacht und nippte am Wein. Mit einer lässigen Handbewegung bedeutete sie der Kinderfrau, die Knaben zu waschen und umzukleiden.

»Severus, dein Ausfallschritt ist gut«, rief der Senator hinterher, als die beiden den Saal verlassen wollten. »Du musst nur den Oberkörper etwas mehr drehen.«

»Sie sollen nicht fechten, sondern lernen«, murrte Romelia. »Ihr griechischer Lehrer beklagte sich, dass sie kein Interesse an der Mathematik hätten.«

»Dann kümmere dich darum, dass sie wieder Interesse bekommen«, sagte er kauend. »Kindererziehung ist schließlich deine Sache. Es wird Zeit, dass ich Severus in eine Schule gebe. Man hat mir die Schule des Propius empfohlen. Sie ist sehr teuer, dafür aber nur für Patrizier zugelassen.«

Romelia schwieg. Sie mochte es nicht, wenn sich ihr Gatte in ihre Angelegenheiten einmischte. Ihre Aufgabe war, den riesigen Hausstand des Senators zu beaufsichtigen. Einhundertsiebzehn Sklaven waren allein im Haus beschäftigt, dazu noch einige Freigelassene, nicht mitgerechnet die griechischen Lehrer der Kinder.

Romelia stammte ebenfalls aus einem vornehmen und reichen Hause. Sie besaß Häuser in Rom, deren Mieteinnahmen ihr ein kleines Vermögen bescherten. Aber es war immer noch winzig im Vergleich zu den Einnahmen ihres Gatten aus dem Senatorenamt, die pro Jahr mehr als eine Million Sesterzen betrugen. Während er das Geld verdiente, verstand es Romelia, mit klugem und kühlem Geist das Vermögen zu verwalten, den riesigen Hausstand zu organisieren und den Wohlstand zu mehren. Sie war hoch gebildet, in den Wissenschaften wie in den Künsten gelehrt.

Als sie mit sechzehn Jahren die Frau des um das Doppelte älteren Valerius wurde, wusste sie bereits, was für ein luxuriöses Leben sie erwartete. Valerius Severus Atticus war bereits damals ein hoch angesehener, reicher und bekannter Mann in Rom. Romelias Schönheit hatte ihn gefangen genommen und er wusste, mit der klugen und umtriebigen Frau hatte er eine gute Wahl getroffen. Sie hielt das Haus mit eiserner Hand zusammen, wusste um eine sorgsame und seinem Stand angemessene Führung des Hausstandes und ließ keine Unregelmäßigkeiten zu. Der Verwalter Tibull, ein freigelassener Sklave mit guter mathematischer Bildung, half ihr dabei. Er war seinem Herrn seit Jahren ergeben und blieb auch nach seiner Freilassung in dessen Diensten.

Sie schenkte ihrem Mann zwei Söhne und zwei Töchter, die der Senator über alles liebte. Die Betreuung der Kinder überließ sie jedoch Kinderfrauen, griechischen Sklavinnen, die am besten mit Kindern umgehen konnten.

»Meine Sänfte steht bereit«, sagte der Senator mit einem Blick auf einen rot gekleideten Sklaven, der an der Tür des Speisesaales stehen blieb und sich schweigend verbeugte.

Romelia erhob sich ebenfalls und begleitete ihren Gatten bis zur Tür des Speisesaales. Den privaten Trakt des Hauses wollte sie nicht verlassen, die Empfangshalle wimmelte immer noch von den zahlreichen Klienten des Senators, die auf sein Erscheinen warteten.

Valerius beugte sich zu ihr herab und ergriff ihre Hand. »Schöne Romelia, ich verlasse dich jetzt. Ich wünsche dir einen schönen Tag.«

Sie erwiderte seinen Abschiedsgruß liebenswürdig lächelnd. Er wandte sich um und betrat die Empfangshalle. Seine derben Schnürstiefel hallten auf dem rosafarbenen Marmorfußboden. Das Murmeln der Klienten schwoll an zu einem vielstimmigen Ruf, der den Senator begrüßte. Valerius nickte huldvoll und ließ sich dann in seiner Sänfte nieder. Im Kreise seines Gefolges verließ er das herrliche Anwesen, um in der Stadt seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzugehen.

Das Lächeln verschwand aus Romelias Gesicht, als ihr Gatte das Haus verlassen hatte. Sie warf nur einen kurzen Blick auf die Sklaven, die im Atrium die Speisereste, die die Klienten übrig gelassen hatten, fortschafften und den Fußboden säuberten.

»Rufe den Verwalter her, ich will die Abrechnungslisten vom gestrigen Tag lesen. Dann soll er mit dem Küchenaufseher die Einkaufslisten zusammenstellen. Morgen ist großer Markt, wir müssen unsere Vorratskammern auf füllen.« Geschäftig lief sie in ihre privaten Gemächer, gefolgt von ihrer Leibsklavin Drusilla.

»Sind die Lehrer eingetroffen? Für die Knaben sind Mathematik und die schönen Künste an der Reihe, für die Mädchen Tanz und Musik.«

»Ja, Herrin, die Lehrer sind da, und die Mädchen befinden sich bereits im Garten.« Sie reichte Romelia ein sonnengelbes Tuch, das sie kunstvoll über der Tunika drapierte. Während Drusilla nur eine schlichte, einfarbige Tunika trug, die bis an die Knöchel reichte, war Romelias Gewand reich bestickt. Eine breite Borte zog sich am Saum entlang, um die Handgelenke trug sie goldene Reifen. Besonders schön gearbeitet waren ihre Ohrgehänge und sie zeugten von Romelias erlesenem Geschmack.

Nachdem sie sich fertig angekleidet und kritisch im polierten Kupferspiegel betrachtet hatte, nahm sie an einem großen, marmornen Schreibtisch Platz. Jetzt wurde Tibull, der Verwalter, vorgelassen.

Ehrfürchtig verbeugte er sich vor der Herrin des Hauses. Über der Schulter trug er einen runden Korb mit Deckel, dem er einige Papyrusrollen entnahm. Romelia nahm sie entgegen und studierte sie eingehend.

Den ganzen Vormittag war Romelia damit beschäftigt, den Hausstand zu organisieren, zu kontrollieren und die Sklaven in Trab zu halten. Um die Mittagszeit war sie müde und erschöpft und zog sich in ihr Schlafgemach zurück. Es war dem römischen Tagesablauf angemessen, die Geschäfte auf die Vormittagsstunden zu legen.

Drusilla brachte ihrer Herrin eine Schüssel mit kaltem Wasser, um sie zu erfrischen und danach umzukleiden. Zur Mittagsruhe bettete sich Romelia auf eine Liege in den Garten, wo sie im Schatten der Bäume die Hitze verdöste. Drusilla hatte ihr eine kühlende Limonade bereitet, zwei Sklavinnen wedelten ihr mit großen Fächern Kühlung zu. Selbst die Lieder der Vögel verstummten.

Der Garten war ein Wunderwerk der Architektur. Umgeben von einem vierseitigen Säulengang wuchsen Bäume und Buschgruppen, zwischen denen Springbrunnen plätscherten und kostbare Skulpturen auf marmornen Sockeln standen. Ein Teil des Gartens wurde von einer Purpurdecke überdacht, die sich zwischen bunt gemusterten Säulen spannte. Diese Überdachung hielt die Sonnenstrahlen ab und warf einen rötlichen Schimmer auf das Pflaster. Zwischen den Wegplatten wuchsen ein zartgrüner Moosteppich und bunte Blumen. Leise murmelte ein Wasserspiel.

Schläfrig schloss Romelia die Augen. Mit Beginn des Sommers wurde das Klima in Rom ungesund. Sie sehnte sich nach ihrem Landsitz im Süden, wenn da nicht ihre Lust an den unzähligen Vergnügungen wäre, die ihr eine Großstadt wie Rom natürlich wesentlich besser bieten konnte als das stille Landleben am Meer. Und doch wünschte sie sich die erfrischende Meeresbrise am Tyrrhenischen Meer herbei, den Duft des Oleanders und den Gesang der Zikaden.

Seufzend räkelte sie sich, als sie Stimmen aus dem Haus vernahm. Eine junge Sklavin verbeugte sich. Romelia kannte sie. Es war Emilia, die Leibsklavin ihrer Nachbarin Flavia, die den Besuch ihrer Herrin ankündigte. Romelia nickte und erklärte sich bereit, ihre Nachbarin zu empfangen. Es musste schon einen wichtigen Grund haben, wenn Flavia durch die Mittagshitze kam, um sie zu besuchen. Natürlich war sie nicht gelaufen, obwohl das Grundstück, das sie mit ihrem Gatten Barbillus bewohnte, direkt an das des Senators grenzte. Doch durch die weitläufigen Parks, die beide Villen umgaben, war es ein Stückchen des Wegs, den sich Flavia in einer Sänfte tragen ließ. Jetzt stand sie im Säulengang und rückte ihre Kleidung zurecht. Auch sie trug ein leichtes, luftiges Gewand, das unter der Brust mit einem schmalen Gürtel zusammengehalten wurde. Einen hauchdünnen Schleier hatte sie sich züchtig über das Haar und die Schultern geworfen und um die Hüften geschlungen. Romelia verzog abfällig den Mund.

Falsche Schlange, dachte sie insgeheim. Sogleich lächelte sie liebenswürdig und hieß Flavia überschwänglich willkommen. Zwei Sklaven hatten eine weitere Liege unter das Purpurdach getragen und mit kühlenden Laken bedeckt. Aufstöhnend ließ sich Flavia nieder und fächelte sich Luft zu. Sie lächelte ihrer Freundin zu.

Romelia winkte kurz und Drusilla reichte Flavia einen Becher mit Limonade. Erst nachdem Flavia getrunken hatte, nahm sie vorsichtig den Schleier ab. Romelia traute ihren Augen nicht. Die schwarzhaarige Flavia hatte plötzlich rotblondes Haar! Romelia schluckte und musste sich fassen. Wie war das möglich?

»Da staunst du, nicht wahr?«, plapperte Flavia los. Endlich konnte sie die hochmütige Romelia auch einmal beeindrucken. »Allerdings«, erwiderte Romelia und biss die Zähne zusammen. »Wie hast du das gemacht?«

»Ich habe gar nichts gemacht. Nachdem sich die Frau des Patriziers Alexander mit diesen Färbemitteln ihr Haar dermaßen verdorben hatte, dass es letztlich ausfiel und sie eine Menge Ärzte beschäftigen musste, um ihre Haarpracht wieder wachsen zu lassen, hat mir meine Sklavin Emilia einen wunderbaren Vorschlag gemacht. Eines Tages, als sie Besorgungen in der Stadt machte, hat sie die Werkstatt eines Perückenmachers entdeckt. Es ist ein Mann aus Ägypten. Du weißt ja, die Ägypter sind wahre Meister darin. Und dann habe ich mir eine germanische Sklavin gesucht, die besonders schönes Haar hatte. Das habe ich abschneiden lassen und der Ägypter hat es zu einer Perücke gearbeitet. Wie gefällt sie dir?«

Kokett drehte sich Flavia, damit Romelia ihre Haarpracht betrachten konnte.

»Na ja, nicht schlecht«, murmelte sie und gleichzeitig schrillte es in ihrem Kopf, dass sie unbedingt auch so eine Perücke haben musste.

»Stell dir vor, was es für ein Aufsehen erregt, wenn ich mit dieser Perücke zu den Spielen gehe. Immerhin trifft sich dort fast ganz Rom und wird mich bewundern.«

Romelia schwieg. »Und was sagt dein Mann dazu?«, fragte sie endlich.

Flavia lachte. »Ihm gefällt’s. Doch er nimmt nur noch wenig Anteil an allem. Du weißt ja, dass er kränkelt und sich von gesellschaftlichen Dingen zurückzieht. Aber er hat mir wunderschöne grüne Ohrgehänge geschenkt, die zu den rotblonden Haaren passen.«

»Ich wüsste etwas Besseres, als mir in der Hitze noch so ein Polster auf den Kopf zu setzen. Juckt es nicht darunter, als wenn du Läuse hättest?«

Beleidigt zog Flavia die Mundwinkel herab. »Überhaupt nicht. Im Gegenteil, das helle Haar wirft die Sonnenstrahlen zurück. Dann glänzt es wie Gold.«

»Pass nur auf, dass dir die Straßenräuber nicht statt deiner Armreifen die Haare vom Kopf ziehen!« Romelia lachte und wusste, dass sie Flavia damit getroffen hatte. Es machte ihr Spaß, ihrer Nachbarin mehr oder weniger offen Spott und Häme zuteil werden zu lassen. Die dumme Flavia steckte die derben Scherze ein, auch wenn es ihrem Gesicht anzusehen war, dass sie sich darüber ärgerte. Aber ihre Freundschaft zum Hause des Senators und dessen Gattin war ihr offensichtlich noch wichtiger, sodass sie die Beleidigungen schluckte.

Sie schwieg und ließ sich von Drusilla neue Limonade einschenken. Sie wurde einer Entgegnung enthoben, da sich Tibull näherte und in respektvollem Abstand stehen blieb. Romelia winkte ihn heran.

»Herrin, ich möchte dir melden, die Bäckerei hat Brot geliefert und vom Hafen kam eine Sendung Stoffe. Feinste ägyptische Baumwolle.«

Romelia nickte. »Und was gibt es sonst Neues in der Stadt? Was spricht das Volk, welches Gerücht verbreitet man auf den Latrinen Roms? Deinen großen Ohren entgeht doch nichts.«

»Man spricht vieles, und das Maul des Pöbels ist ständig in Bewegung. Aber man darf nicht alles glauben, was in den Gassen und Tavernen gesprochen wird. Übrigens hat Ponticus neue Ware bekommen, die er morgen vor den Markthallen anbieten wird. Da morgen Markttag ist, werden sicher viele Neugierige und Kunden kommen.«

Romelia wusste, dass Ponticus der größte und reichste Sklavenhändler Roms war.

»Was hat er denn für Ware bekommen?«, wollte Romelia wissen. »Mohren aus Afrika sollen dabei sein und Mädchen aus Ägypten. Aber das meiste kommt wohl von den Galliern und Germanen.«

»Oh, Mohren, wie hübsch!« Flavia klatschte aufgeregt in die Hände. »So einen kleinen Mohren würde ich auch gern haben. Die sind richtig niedlich. Man kann ihnen kleine Kleidchen anziehen und sie auf Hunden reiten lassen.«

Romelia überhörte Flavias entzückten Ausruf. Sklaven aus Germanien waren dabei! Und die waren blond! Sie würde morgen unbedingt den Sklavenmarkt besuchen.

»Findest du es für eine Frau deines Standes nicht unschicklich, sich auf einem Sklavenmarkt herumzutreiben?«, nörgelte Valerius, der seine Gattin gezwungenermaßen begleitete, weil sie sich nicht davon hatte abbringen lassen, den Sklavenmarkt zu besuchen. Den Grund ihres dringenden Wunsches hatte sie ihm nicht mitgeteilt.

»Eine Frau meines Standes sollte sehr wohl am öffentlichen Leben teilnehmen«, verteidigte sich Romelia.

»Das öffentliche Leben ist etwas ganz anderes. Du kannst im Tempel beten, unter den weinberankten Pergolen lustwandeln oder dich im Badehaus entspannen. Du kannst in den Circus gehen, ins Theater, zu den Gladiatorenkämpfen. Du kannst die Bibliothek besuchen oder deine Nachbarin Flavia. Aber nicht auf einem schmutzigen Markt herumlungern!«

Romelia machte eine ungeduldige Handbewegung. »Flavia ist auch hier und kauft sich einen Mohren.«

»Nein, Flavia lässt sich die Mohren in ihrem Haus vorführen, wie sich das geziemt. Was willst du eigentlich hier?«

»Nur mal schauen, was es alles so gibt.«

»Wir brauchen keine Sklaven, zumindest nicht für das Haus. Für die Arbeitssklaven auf den Gütern ist der Landverwalter zuständig und dafür bewillige ich ihm Mittel. Er soll sich die Sklaven selbst aussuchen.«

»Es soll Germanen geben, sagt Flavia« Romelia reckte den Hals. Ponticus thronte wie ein Kaiser auf einem reich verzierten Stuhl und ließ sich von Sklaven Kühlung zufächeln. Abseits drängten sich jämmerliche, in Lumpen gehüllte und mit schweren Ketten gefesselte Gestalten, teils apathisch schweigend, teils herzzerreißend wehklagend.

»Keine schlechte Idee«, sinnierte Valerius. »Ich habe sowieso für den nächsten Monat die Durchführung von Spielen geplant. Der Einsatz von Germanen als Gladiatoren wäre doch eine pikante Einlage. Schau dir mal diese Riesen an. Sie überragen unsere Gladiatoren glatt um einen Kopf. Das macht den Kampf doch erst spannend. Also, ich werde mal mit Ponticus reden, was er mir anbieten kann.«

Valerius drängte sich durch die umstehenden Neugierigen. Ponticus hatte ihn sofort erkannt, sprang von seinem Sitz auf und lief dem Senator entgegen. Er witterte ein gutes Geschäft.

»Sei gegrüßt, edler Senator. Was begehrt dein Herz, was kann ich für dich tun? Eine schöne Nubierin, einen bärenstarken Gallier, einen kleinen Mohren? Such dir etwas aus, mein Angebot ist groß.«

»Verschone mich mit deinen Angeboten, alter Gauner«, erwiderte Valerius und schüttelte desinteressiert den Kopf. »Du hast mich das letzte Mal übers Ohr gehauen mit deinen fünf mickrigen Dakern und zwei Judäern. Davon wurden nicht einmal die Löwen in der Arena satt, und ich habe mich beim Pöbel mächtig blamiert. Nein danke, ich bin bedient!« Brüsk wandte Valerius sich ab.

Ponticus sprang trotz seiner Leibesfülle behände um Valerius herum und verstellte ihm den Weg.

»Du tust mir wirklich Unrecht, Valerius. Schau sie dir doch an, meine Ware. Alles erstklassig! Können diese Augen lügen?« Er verrenkte sich vor Valerius und zerrte an seinen unteren Augenlidern, sodass sein Gesicht zur Fratze entartete.

Valerius stöhnte entnervt auf und ließ sich scheinbar widerwillig zu dem Bretterpodest schieben, das zur Präsentation der Sklaven aufgebaut worden war. Er winkte dem Aufseher zu, der seine gewaltige Nilpferdpeitsche schwenkte und fünf aneinander gekettete Sklaven hinauftrieb.

»Das sind Barbaren, Germanen. Schau sie dir an, wie groß und kräftig sie sind. Du kannst sie für die Feldarbeit einsetzen.

Aber auch zu Gladiatorenkämpfen sind sie zu gebrauchen. Sie haben Muskeln, Mut und keinen Hunger.«

Valerius schob die Unterlippe vor, als müsse er krampfhaft überlegen.

»Nein«, sagte er dann zögernd. »Du willst mich bloß wieder übers Ohr hauen.«

»Nur dreitausend Sesterzen pro Stück«, bot Ponticus.

Valerius lachte laut auf. »Du beliebst wohl zu scherzen! Dreitausend!« Er wandte sich wieder ab. Ponticus packte ihn an den Armen.

»Zweitausendfünfhundert!«

Einer der Leibsklaven des Senators drängte sich zwischen Ponticus und Valerius, um seinen Herrn vor weiteren Attacken zu schützen.

. »Ein bisschen viel für fünf Portionen Löwenfutter«, grollte Valerius. »Mehr als eintausendfünfhundert sind sie nicht wert.«

»Du machst aus mir einen armen Mann!«, wehklagte der Sklavenhändler. »Zweitausend! Mein letztes Angebot!«

Während Valerius mit dem schlitzohrigen Händler feilschte, hatte sich Romelia die wartenden Sklaven hinter dem Podest angeschaut. Dabei entdeckte sie ein Mädchen, das in sich zusammengekauert am Boden hockte. Obwohl sie völlig mit Schmutz überkrustet und in erbärmliche Fetzen gehüllt war, konnte man erkennen, dass sie sehr helle Haut und blondes Haar hatte.

Romelia zupfte ihren Gatten an der Toga und deutete auf die Sklavin. »Ich möchte sie sehen!«

»Was? Warum denn das?«

»Nur so. Ich will sie mir anschauen. Er soll sie auf das Podest bringen.«

»Ponticus, was ist mit dieser da?«, fragte Valerius.

Irritiert blickte Ponticus in die Richtung, in die der Senator zeigte.

»Aber … aber … das ist doch ein Weib! Ah, ich verstehe! Frauenkämpfe in der Arena!« Er schnalzte genießerisch mit der Zunge.

Valerius antwortete ihm nicht. Der Aufseher schwang seine Peitsche und zog das Mädchen auf das Podest. Erst jetzt sah Valerius, dass es sich um eine hoch gewachsene Germanin mit endlos langen Beinen, einer hellen Haut und wunderschönen blonden Zöpfen handelte. Wenn man die ins Bad steckte und eine kurze Tunika …

Er wagte nicht weiterzudenken.

Ponticus, der ob der Hartnäckigkeit des Senators bereits seine Felle wegschwimmen sah, witterte doch noch ein Geschäft.

»Ach die«, sagte er gedehnt und blickte unter halb geschlossenen Lidern hervor. »Die ist etwas Besonderes. Eigentlich wollte ich mich gar nicht von ihr trennen.«

»Lüg nicht, du Gauner! Du willst nur den Preis hochtreiben!«

»Den ist sie auch wert, sie ist nämlich eine Jungfrau.«

»Erzähl mir keine Märchen. Die ist bestimmt achtzehn oder neunzehn Jahre alt!«

»Sicher, und sie ist noch Jungfrau, weil bei den Wilden im Norden alle unverheirateten Frauen Jungfrauen sind. Ich habe die Garantie, dass sich keiner der Soldaten an ihr vergriffen hat.«

»Aha, du hast die Garantie bekommen. Und bekomme ich sie auch von dir?«

»Aber sicher. Ich habe sie von einem Arzt untersuchen lassen.« Romelia starrte atemlos auf die langen blonden Zöpfe. Was für eine herrliche Perücke könnte sie daraus anfertigen lassen! »Die will ich haben«, sagte sie zu ihrem Gatten.

»Was? Wie bitte? Wozu brauchst du denn so eine Wilde?«

»Als Leibsklavin, als Zofe.«

Valerius schüttelte sich vor Lachen. »Die Barbaren wissen doch nicht einmal, dass man sich mit Wasser waschen kann! Romelia, schlag dir diesen Unsinn aus dem Kopf!«

»Gar nichts schlage ich mir aus dem Kopf. Ich will sie haben! Drusilla ist nicht mehr die Jüngste, sie kann eine Hilfe gebrauchen.«

Valerius raufte sich die Haare. Wenn diese Frauen sich etwas in den Kopf gesetzt hatten, dann waren sie keinem vernünftigen Argument mehr zugänglich. »Weißt du, was die kostet? Sie ist noch Jungfrau!«

»Das interessiert mich nicht!«