Dass Friede und Gerechtigkeit sich küssen - Helmut Törner-Roos - E-Book

Dass Friede und Gerechtigkeit sich küssen E-Book

Helmut Törner-Roos

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Beschreibung

Andachten, Predigten und Impulse zum Themenkreis Frieden und Gerechtigkeit

Das E-Book Dass Friede und Gerechtigkeit sich küssen wird angeboten von BoD - Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Frieden, Gerechtigkeit, Predigt, Bibel, Fragen

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Seitenzahl: 86

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Für Heidi, Juliane & Leander

INHALT

Vorwort

1. Insgesamt: Sehr gut! 1. Mose 1,1-2,4

2. Aufhören! 1.Mose 11,1-11

3. Soviel du brauchst 2. Mose 16,18

4. … murmelt Tag und Nacht Ps.1,3

5. Für Alina, Arvo Pärt Ps. 31,9

6. Gewaltverzicht Jesaja 9,1-6

8. Friedensklima Psalm 37; Lk.12,16-20

9. Was ist Glück? Psalm 73,28

10. Nur über den Umweg Matthäus 6,33f

11. Nicht Frieden sondern das Schwert Mt. 10

12. Ein gesellschaftliches Gegenmodell Mk. 10

13. Wie ist Umkehr möglich? Lukas 3,1-11

14. Die Hälfte deines Vermögens den Armen! Lk. 19

15. Leave no one behind Gal. 6,2

16. Wie ist Veränderung möglich? Phil. 3,4-17

17. Talent zu Lebensaltern

Vorwort

Das vorliegende Bändchen enthält Gedanken, Andachten, Predigten aus den Jahren 2012-2023. In dieser Zeit war ich Referent für den Kirchlichen Entwicklungsdienst, zunächst für die evangelische Kirche von Kurhessen und Waldeck, ab 2015 für beide evangelischen Kirchen in Hessen im Zentrum Ökumene in Frankfurt.

Predigten versuchen, einen biblischen Text in einem bestimmten Kontext zu aktualisieren. Oft waren es Anfangssituationen von Sitzungen im Zentrum Oekumene oder anderswo oder von Seminaren. Der Charakter war daher oft der des An-gedachten, Unfertigen.

Manchmal – im besten Falle – entstanden durch die Impulse und angedachten Fragen, ein kurzes, manchmal tatsächlich auch ein längeres Gespräch, bevor die Tagesordnung startete. Einen herzlichen Dank an alle KollegInnen für alle Formen von Resonanz, Weiterführen, Konkretisierung von Gedanken, aber auch für Widerspruch!

Wie jede und jeder weiß, fließen in biblische Auslegungen unterschiedliche Gedanken, eigene zuvor gedachte, als auch fremde, gelesene oder gehörte. Wenn mir fremde Gedanken als solcher bewusst waren, sind sie im Text kenntlich gemacht. Manche aber eben auch nicht. Deshalb an dieser Stelle Dank für alle Anregungen mit der Bitte um Nachsicht, wenn sie nicht als solche kenntlich gemacht sind.

Ein herzlicher Dank an dieser Stelle meiner Frau Heidi für wertvolle Impulse und Kritik im Prozess der Entstehung der Andachten. Nicht zuletzt hat sie dafür gesorgt, dass alle Textstellen, die Anspruch darauf haben, Kommata bekamen.

Helmut Törner-Roos

Gelnhausen, August 2024

1. Insgesamt: Sehr gut! 1. Mose 1,1-2,4

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es gibt biblische Texte, die begegnen einem immer wieder. Und immer mal wieder passiert es, dass man einen dieser sehr vertrauten Texte neu liest, oder zumindest mit einem anderen Blick. Mit dem ersten Schöpfungsbericht ist es mir so ergangen.

Vor einiger Zeit hörte ich eine Bibelarbeit von Brigitte Kahl zu Genesis 1. Und seitdem habe ich mich immer mal wieder – aus unterschiedlichen Gründen – mit der Urgeschichte, und speziell den ersten Kapiteln der Bibel beschäftigt. Nicht zuletzt, weil es ein wichtiger Text für eine Schöpfungstheologie ist, die in der Diskussion um die Klimakatastrophe von Belang ist.

Manche Bibeltexte muss man gar nicht mehr lesen, so vertraut sind sie. Wir haben sie eigentlich im Kopf. Und – korrigiert mich, wenn ich falsch liege – sie geht in unserem Kopf und in unserem kollektiven Kirchengedächtnis ungefähr so:

Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Im sieben Tage Takt macht Gott zuerst das Licht, dann den Himmel, danach die Erde, die Gestirne, die Tiere des Wassers, der Luft und des Landes, schließlich am sechsten Tag, den Menschen. Der Mensch ist besonders unter allen Geschöpfen, weil er als einziger nach dem Bild Gottes gemacht ist und den Auftrag bekommt, die Erde samt den Tieren zu beherrschen und sich Untertan zu machen. Deshalb wird zwar jeder der einzelnen Schöpfungstage zum Schluss mit einer zwei, also „Gut“ bewertet, aber nur am sechsten Tag sagt Gott „sehr gut“, weil nun der Mensch entstanden ist: Die Krone der Schöpfung. Der siebte Tag ist vergleichsweise ereignisarm und enthält nicht viel Berichtenswertes. Gott ruht sich aus von seiner Schöpfung.

So, wie gesagt, das gängige Verständnis des ersten Schöpfungsberichtes. Der Mensch als Krone der Schöpfung ist mittlerweile sprichwörtlich geworden und Ausdruck eines tiefen – und das Fremdwort muss jetzt sein – Anthropozentrismus, d.h. einer Haltung, die den Menschen im Gegenüber zu seinen nicht menschlichen Mitgeschöpfen zum ‚Maß aller Dinge‘ macht. ‚Krone‘ fällt nicht zufällig in den Bereich von Herrschaft und Dominanz.

Es ist wichtig zu verstehen, dass solche Deutungen von Bibeltexten sich manchmal verselbstständigen, ohne noch an den wirklichen Text zurück gebunden zu sein. Eigentlich braucht man den Bibeltext gar nicht mehr, um zu wissen, was drinsteht.

Im Blick auf Genesis1 kann man sagen, dass die Bedeutung des Textes in der Regel nicht nur ungenau oder unscharf wiedergegeben wird, sondern in weiten Teilen schlichtweg falsch ist.

Was steht im Text?

Nicht jeder Tag bekommt eine zwei, ein ‚gut‘ von Gott. Der zweite Tag mit der Erschaffung des Himmels zum Beispiel geht leer aus.

In Vers11 heißt es, ‚die Erde lasse aufgehen‘, anders übersetzt: ‚die Erde lasse hervorbringen Gras und Kraut…‘

Die Erde hat also die Kraft zur Schöpfung in sich selbst. Hildegard von Bingen hat von der Grünkraft der Erde gesprochen. Sie ist Subjekt, kann sich selbst erneuern. Sie ist sozusagen Mit-Schöpferin Gottes.

Dann kommt ein Abschnitt über die Pflanzen. Ein jedes nach seiner Art. Es geht um Vielfalt, Biodiversität würden wir heute sagen.

Pflanzen haben ihren eigenen Samen. Niemand darf ihnen den wegnehmen. Nicht Bayer, nicht BASF, nicht Syngenta, oder sonst ein globales Unternehmen. Die Pflanzen sind wichtig für die Nahrung, sie sind unsere Lebensgrundlage. Sie können aus Licht und Wasser und Erde, Kohlenhydrate und Zucker herstellen. Wir Menschen können das nicht. Wir sind auf die Pflanzen angewiesen. Ohne die Pflanzen gibt es kein menschliches Leben.

Und jetzt kommt vielleicht eine Überraschung: der Mensch bekommt kein ‚sehr gut‘, er bekommt noch nicht einmal ein ‚gut‘. Ja, noch einmal: der Mensch bekommt weder ein ‚gut‘ noch ein ‚sehr gut‘ in der ersten Schöpfungsgeschichte. Ihr könnt es gerne noch einmal nachlesen…

Am Ende schaut Gott alles an, was er geschaffen hat, und dies alles, das Gesamtsystem bezeichnet er dann als sehr gut. Und dieses Gesamtsystem ist ein lebensfreundliches Miteinander aller Teile der Schöpfung.

Drei Verse (Gen1, 29-31) werden in der Regel überlesen. Jeder bekommt zu essen, jedes Tier und jeder Mensch, wobei der Mensch Pflanzenfresser ist, und genau wie die Tiere keine besondere Sonderstellung innehat. Jeder, jede und jedes kann essen und soll essen. Es gibt genug für alle und keinen Hunger und keine Essstörungen und keine Allergien und keine Nahrungsmittelvergiftung. Weder dürfen Menschen Tiere töten noch Tier andere Tiere, um ihren Nahrungsmittelbedarf zu decken. Erst nach der Sintflut wird diese radikale vegane Ernährungsweise abgeändert werden, indem den Menschen der Fleischgenuss erlaubt wird.

Die verhängnisvolle Auslegung der Verse 26-28 ist bekannt, der so genannte Schöpfungsbefehl (‚macht euch die Erde untertan‘). Immer wieder wurden die Verse in der Auslegungsgeschichte missbraucht, wenn es darum ging, die Erde auszubeuten, Tiere zu töten, usw.

Ich erinnere mich noch, Brigitte Kahl sprach damals davon, dass dies schlicht ein toxischer Text sei, den man nicht beschönigen könne. Hier sei keine Verharmlosung möglich. Der hebräische Wortstamm gehört Verben, die Herrschaft meinen, die Gewalt einschließt. Das Verb wird auch gebraucht, wenn von Vergewaltigungen die Rede ist.

Dennoch muss man auch diese Verse in ihrer Zeit lesen.

Der Text ist entstanden im babylonischen Exil. Er ist eine Antwort auf die babylonische Herrschaftsideologie, wie sie sich im babylonischen Schöpfungsmythos Eluma Elisch widerspiegelt. Dort ist der Krieg das Mittel der Schöpfung. Anders hier, hier geschieht Schöpfung durch das Wort. So gelesen ist es auch ein Antikriegstext.

Nur die Tiere und die Erde sind die Menschen untertan gemacht, nicht andere Menschen. Alle werden nach dem Bild Gottes geschaffen und damit zur Herrschaft bestimmt. Und wenn alle Menschen, Männer wie Frauen, als Bild Gottes zur Herrschaft bestimmt sind, ist die Herrschaft von Männern über Frauen ebenso ausgeschlossen, wie die von Siegesvölkern und Königin gegenüber den Unterlegenen.

So gelesen geht es in erster Linie um Kritik an Herrschaft und nicht um ein Mandat dazu. Aber das ist eben in der Auslegungsgeschichte leider oft nicht so gelesen worden.

Der Sabbath ist der Höhepunkt der Schöpfung. Er ist der Gegenpol, das biblische Alternativprogramm zu einer Wirtschaftsform der schranken- und rastlosen Ausbeutung von Tier, Mensch und Erde. Um auszuführen, was das genau heißen könnte, fehlt jetzt die Zeit…

Und – das ist im Gesamtkontext nicht unwichtig – es geht weiter. Es folgt die zweite Schöpfungserzählung. Es ist fast so, als wäre Gott beim Ausruhen am Sabbat noch etwas Wichtiges eingefallen. Dort in der zweiten Erzählung, die so ganz anders ist als die erste, ist die Aufgabe des Menschen die übrige Schöpfung zu bedienen und zu bewahren.

Heute überlegen wir, ob dieser Ausdruck noch trägt. Wenn der Mensch die Schöpfung bewahrt, stellt er sich ja außerhalb der Schöpfung, statt sich als ein Teil der Schöpfung zu verstehen. Die Theologin Sarah Köhler versucht es momentan mit dem Begriff des ‚Paradising‘. Aber auch dies kann jetzt nicht mehr weiter ausgeführt werden… Und damit mache ich jetzt Schluss und sage: AMEN.

Andacht zu Beginn der Referentenkonferenz im Zentrum Oekumene, 15. Dezember 2021

2. Aufhören! 1.Mose 11,1-11

Liebe Schwestern und Brüder,

der Anfang ist die Hälfte des Ganzen. Eine der vielen Weisheiten, die ich bei meiner Train-the-Trainer Fortbildung vor circa 20 Jahren gelernt habe. Egal ob Predigt, Unterrichtsstunde oder Wochenendseminar – die Qualität des Anfangs entscheidet maßgeblich über die Güte des Ganzen. Deswegen habe ich auf Anfänge immer besonderen Wert gelegt. Bei einem Vortrag genauso wie bei einem Studientag. Vor allem erinnere ich gut die vielen Anfänge meiner Pfarrstellen: Kirchengemeinde, Schule, Pädagogisches Institut und schließlich der Kirchliche Entwicklungsdienst. Was man nicht alles sieht und wahrnimmt, wenn man die Routine noch nicht hat. Alle Fragen sind erlaubt am Anfang. Antrittspredigten – welche eine Herausforderung!

Und heute? Heute geht es zu Ende. Ich könnte jetzt den Kasus umdrehen und vom Reiz und Anfang des Ruhestandes sprechen. Aber nein, das wäre ein Missbrauch der Situation und ich würde mir angesichts der Vielzahl von zukünftigen Berufsjahren, die jetzt vor mir sitzen, damit sicherlich keine Freunde machen. Also, es nutzt nichts, heute geht es ums Aufhören!

Und welches Thema wäre eigentlich aktueller? Aufhören! Endlich aufhören! Wir müssen endlich aufhören! Aufhören, mit der Art und Weise, wie wir wirtschaften und konsumieren, wie wir bauen, wie wir uns ernähren, wie wir uns bewegen. Seit langem schon wissen wir das und es wird immer deutlicher.

Der Predigttext. Ein Blick in die Konkordanz. An zweiter Stelle empfiehlt sie mir zum Stichwort ‚Aufhören‘ die Geschichte vom Turmbau zu Babel.