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»Das mit der Polizei war hoffentlich deutlich. Ich will hier keinen Ärger, sondern einfach nur in Ruhe meine Kunden tätowieren.« Lizzy biss sich auf die Unterlippe. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ärger mit den Bobbys habe«, murmelte sie und senkte den Kopf.
Als ihr Freund Justin sie betrügt, hat Lizzy Hasting endgültig die Nase voll. Nach einem heftigen Streit verlässt sie ihn und das gemeinsame Karatestudio in Edinburgh. Mittellos und ohne Gepäck strandet sie in Ethan-upon-High, einem kleinen Nest inmitten der schottischen Highlands. Dort findet Lizzy Unterschlupf bei Kyle Cochrane, einem unnahbaren Tätowierer. Doch sie kann ihre Vergangenheit mit dem zwielichtigen Justin nicht einfach abschütteln und landet seinetwegen im Gefängnis. Kyle könnte ihr helfen, ihre Unschuld zu beweisen - aber er hat selbst ein Problem mit der Polizei.
Deep Skin - eine heiße und düstere Geschichte über eine Liebe, die unter die Haut geht. Die Story ist in sich abgeschlossen und enthält explizite Szenen!
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Deep Skin - Unter der Haut
Inhalt
Über das Buch
Über die Autorin
Playlist
Impressum
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Elf
Zwölf
Dreizehn
Vierzehn
Fünfzehn
Sechzehn
Siebzehn
Achtzehn
Neunzehn
Liebe Leserin, lieber Leser!
Weitere Bücher von Lilith van Doorn
Lilith van Doorn
Deep Skin - Unter der Haut
Liebesroman
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Eins
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Sechs
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Neunzehn
Liebe Leserin, lieber Leser!
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»Das mit der Polizei war hoffentlich deutlich. Ich will hier keinen Ärger, sondern einfach nur in Ruhe meine Kunden tätowieren.«
Lizzy biss sich auf die Unterlippe.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ärger mit den Bobbys habe«, murmelte sie und senkte den Kopf.
Als ihr Freund Justin sie betrügt, hat Lizzy Hasting endgültig die Nase voll. Nach einem heftigen Streit verlässt sie ihn und das gemeinsame Karatestudio in Edinburgh.
Mittellos und ohne Gepäck strandet sie in Ethan-upon-High, einem kleinen Nest inmitten der schottischen Highlands. Dort findet Lizzy Unterschlupf bei Kyle Cochrane, einem unnahbaren Tätowierer.
Doch sie kann ihre Vergangenheit mit dem zwielichtigen Justin nicht einfach abschütteln und landet seinetwegen im Gefängnis.
Kyle könnte ihr helfen, ihre Unschuld zu beweisen - aber er hat selbst ein Problem mit der Polizei.
Deep Skin - eine heiße und düstere Geschichte über eine Liebe, die unter die Haut geht.
Die Story ist in sich abgeschlossen und enthält explizite Szenen!
Lilith van Doorn ist das Pseudonym einer deutschen Krimiautorin.
Nach mehreren Veröffentlichungen in großen, mittleren und kleinen Verlagen genießt sie nun die Freiheiten als Indie-Autorin und lebt mit prickelnden Liebesromanen ihre romantische Ader aus.
Die Arbeit an »Deep Skin« wurde deutlich erleichtert durch folgende Songs und Interpreten:
Red Hot Chilli Pipers
- Chasing cars
- Fix you
- Don’t stop believing
Franz Ferdinand
- Walk away
- Take me out
- The fallen
Simple Minds
- Belfast Child
- Alive and kickin
Travis
- Writing to reach you
- Closer
- Why does it always rain on me?
Deep Skin – Unter der Haut
1. Auflage September 2018
© by Lilith van Doorn
Lektorat: Christiane Lind www.christianelind.de und Katrin Rodeit www.katrin-rodeit.de
Covergestaltung: © NaWillArt-Coverdesign
Motiv: © depositphotos.com - gstockstudio
Lilith van Doorn
c/o autorenglück.de
Franz-Mehring-Str. 1
01237 Dresden
Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeglicher Art ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin untersagt.
Deep Skin – Unter der Haut
Ein Geräusch weckte Lizzy und sofort saß sie kerzengerade im Bett.
»Justin, bist du das?«
Sie sprang auf, schlüpfte in Jeans und T-Shirt und ging vorsichtig zur Schlafzimmertür. Durch den Spalt lugte sie in den Flur und ging automatisch in Lauerstellung.
Aus der Küche erklang ein Rumpeln, ein Stuhlbein schabte über die Steinfliesen, dann fiel der Stuhl mit einem lauten Poltern um.
»Verdammte Scheiße!«
Justin.
Lizzy biss die Kiefer aufeinander, bis es schmerzte. Im Geiste zählte sie bis Drei, lockerte ihre Schultern und ging in die Küche, als ob nichts passiert wäre.
»Guten Morgen, Justin.«
Er drehte sich kaum zu ihr um, sondern zog hektisch die Schubladen aus den Schränken und wühlte darin herum.
»Wo ist das Geld?«, nuschelte er, und Lizzy stöhnte innerlich genervt auf. Er war schon wieder dicht, das machten auch seine fahrigen Bewegungen deutlich.
»Welches Geld?«, fragte sie möglichst unbeteiligt, um ihn nicht zu reizen.
»Lass mich durch!«
Er stürmte auf sie zu und Lizzy drückte sich an den Türrahmen, um ihn durchzulassen. Trotzdem rempelte er sie an und schlug ihr mit voller Absicht die Schulter gegen das Kinn. Am liebsten hätte sie ihn mit einem Fußfeger zu Boden geschickt, doch sie biss die Zähne zusammen. Kein Kampf mit Justin.
Mit eiligen Schritten öffnete er die Badezimmertür, um dort nach dem Geld zu suchen. »Meinst du ernsthaft, ich würde Pfundscheine unter der Klobrille oder zwischen den Handtüchern verstecken?«
Nach wenigen Sekunden kam er zurück in den schmalen Flur, die kurzen Haare standen wirr in alle Richtungen, was überhaupt nicht zu ihm passte. Justin war stets auf sein Äußeres bedacht und zupfte sogar seine Augenbrauen.
»Rück das Geld raus!«
Er baute sich drohend vor ihr auf.
»Die Haushaltskasse ist leer, falls du die suchst.«
Sie lehnte sich gegen den Türrahmen, um Lockerheit zu demonstrieren. Gleichzeitig war sie angespannt wie vor einem Kampf.
»Schließlich hat diesen Monat noch niemand etwas eingezahlt. Das bisschen Essen, was du hier findest, habe ich mir sprichwörtlich vom Munde abgespart.«
Ihr Ton war ruhig und sachlich, doch Justin drehte sich ruckartig zu ihr um.
»Lüg mich nicht an.«
Seine Stimme war immer leiser geworden.
»Ich sage die Wahrheit. Es ist kein Geld da. Schau doch nach!«
»Was denkst du denn, was ich hier mache? Sieht das nach Putzen aus, oder was?«
Sie wich seinem Blick nicht aus, auch wenn es ihr schwerfiel.
»Du hast es irgendwo versteckt, das weiß ich ganz genau!«
Er starrte sie an, in der Faust ein Messer aus der Schublade, das er bedrohlich in ihre Richtung hielt. Seine Gesichtszüge waren verzerrt. Von dem ehemals offenen Lachen, das sie so sehr an ihm gemocht hatte, war nichts mehr übrig.
»Hier ist kein Geld.«
Sie ging auf ihn zu, legte ein Lächeln auf ihre Lippen, das sich völlig falsch anfühlte und deshalb vermutlich auch nicht wirken würde.
Justin ließ die Hand mit dem Messer sinken und starrte sie an, als müsste er über das Gesagte erst nachdenken. Sie ging auf ihn zu, immer noch um Freundlichkeit bemüht, obwohl sich in ihrem Inneren alles dagegen sträubte.
»Leg doch erstmal das Messer weg. Und dann setz dich hin, wir können über alles reden.«
Doch ihr Deeskalationsversuch führte genau zum Gegenteil; Justin kniff die Augen zusammen und hielt ihr wieder das Messer entgegen.
»Gib das Geld, oder ich stech dich ab!«, schrie er und Lizzy ging umgehend in Kampfstellung. Jahrelanges Karatetraining hatte sie gelehrt, schnell auf ihr Gegenüber zu reagieren. Sie versuchte, seinen Blick zu fixieren, doch der irrte unstet durch den Raum, die Pupillen tiefschwarz und übergroß.
»Hau ab!«
Mit angewinkelten Armen ging sie langsam zurück.
»Justin«, versuchte sie es noch einmal, doch er war überhaupt nicht mehr ansprechbar.
»Ich bring dich um!«
Seine Fingerknöchel waren weiß von der Umklammerung des Messergriffs. Die Klinge war nicht besonders spitz, aber lebensgefährlich, wenn er sie ihr mit voller Wucht in den Leib rammte. Und das traute sie ihm durchaus zu.
Lizzy wich immer weiter zurück, Schritt für Schritt, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Als sie mit der Hüfte gegen den Schuhschrank im Flur stieß, nahm sie einen Arm zurück und ließ ihre Hand suchend über die Anrichte gleiten. Irgendwo musste ihr Schlüssel liegen, sie hatte ihn gestern Abend achtlos dort hingeworfen.
»Gib mir das Geld, sofort!«
Mit zusammengekniffenen Augen kam er auf sie zu. Ein Hauch seines Aftershaves zog durch den Flur, und triggerte sie augenblicklich. Bilder strömten auf sie ein, die noch gar nicht so lange zurücklagen: Justin im weißen Karate-Gi beim Training, wie er seinen Schülern eine Abwehrtechnik vorführte. Justin hier in dieser Küche, wie er ihr verschmitzt lächelnd eine große Portion besonders süßen Porridge servierte. »Nach einem alten Familienrezept von meiner Großmutter.«
Und Justin, mit dem sie auf dem Sofa gekuschelt und Trainspotting geschaut hatte.
Doch diesen Justin gab es nicht mehr.
»Lass mich gehen«, bat sie, doch er lachte nur höhnisch und schüttelte verächtlich den Kopf.
»Das hier ist meine Wohnung, ich kann hier machen, was ich will.«
Mit jedem Wort kam er einen Schritt näher; Lizzy wich immer weiter zurück, spürte die Klinke der Wohnungstür in ihrem Rücken und wusste gleichzeitig, dass sie keine Chance haben würde. Nicht gegen Justin, der ihr Karatelehrer war und ihr deshalb hoffnungslos überlegen. Er war Träger des dritten Dan und beherrschte Techniken im Schlaf, für die sie noch lange üben musste.
Wenn er wollte, konnte er sie mit einem Schlag so heftig zu Boden schicken, dass sie nie wieder aufstand.
Lizzy hatte nur eine einzige Chance.
Mit einer wendigen Bewegung drehte sie sich zur Seite, ergriff gleichzeitig die Türklinke und zog mit einem heftigen Ruck die Tür auf. Das Türblatt schlug mit voller Wucht gegen Justins Schulter und er ging mit einem Schmerzensschrei zu Boden. Lizzy stolperte die Treppe nach unten und wäre beinahe vor dem letzten Absatz gestürzt. Sie konnte sich gerade noch am Geländer festhalten, stieß sich aber schmerzhaft die Hüfte an den Metallstreben. Doch sie ignorierte das Brennen und humpelte zur Haustür. Schnell weg hier! Wenn Justin sie erwischte, hätte sie keine Chance mehr.
Plötzlich zog ein heftiger Schmerz durch ihre Fußsohle. Verdammt! Sie stützte sich mit klopfendem Herzen an der Wand ab und zog den Reißnagel aus ihrem Fuß. Wo waren ihre Schuhe?
Hektisch blickte sie sich um. Ihre Sneaker waren noch im Dojo, wo sie sie gestern vor dem Training ausgezogen hatte. Lizzy zwang sich zur Ruhe, lauschte nach oben. Sie hörte die Dielen im Flur knarzen. Justin würde jeden Moment nach unten kommen.
Ohne nachzudenken, riss sie die Tür zum Trainingsraum auf. Von ihren Schuhen keine Spur. Aber ihr Rucksack stand noch dort. Sie rannte über die weichen Trainingsmatten zu der Ecke, in der sie immer ihre Trainingstaschen abstellten. Lizzy packte den Rucksack an einem Träger und warf ihn sich über die Schulter. Und da waren auch ihre Schuhe!
Von oben hörte sie erneut ein Rumpeln, also griff sie einfach ihre Sneakers und rannte barfuß aus dem Trainingsraum zurück in den Flur.
»Lizzy!«
Die oberste Treppenstufe knarzte unter seinen Schritten.
»Wenn ich dich erwische, bringe ich dich um!«
Stufe zwei und drei.
Lizzy riss die Haustür auf und stürmte nach draußen. Der nasse Asphalt unter ihren nackten Füßen war eiskalt, doch sie merkte es kaum. Mit den Schuhen in der Hand rannte sie los. Gerade noch rechtzeitig, denn Justin hatte die Tür erreicht.
»Ich krieg dich!«, brüllte er hasserfüllt hinter ihr her.
Lizzy lief um die nächste Hausecke und blieb kurz stehen. Außer Atem lugte sie an den überbordenden Blumenkästen vorbei, doch von Justin war nichts mehr zu sehen, die Tür war geschlossen. Wahrscheinlich suchte er noch immer nach dem Geld.
Ihre Finger zitterten so sehr, dass sie kaum die Schuhe zubinden konnte. Immer wieder blickte sie zur Tür des Hauses, in dem sich unten das Dojo und oben die Wohnung befanden. Über der Tür prangte das rot-schwarze Logo des Vereins, das erste Spuren von Verwitterung zeigte und unendlich traurig wirkte.
IHR Logo. Sie hatte es vor drei Jahren für das gemeinsame Dojo gestaltet. Mehrere Tage hatte sie dafür gebraucht, hatte Skizzen gezeichnet und wieder verworfen, hatte meditiert und kannenweise japanischen Tee getrunken, bis sie endlich DAS Logo gefunden hatte. Das japanische Zeichen für Stärke, dahinter die aufgehende Sonne und im Vordergrund der Tiger des Shotokan-Karate. Es hatte sich so gut angefühlt, so richtig. Sie hatte es mit wasserfestem Lack auf eine große, runde Spanplatte gemalt und voller Stolz mit ins Dojo gebracht.
Justin hatte sie geküsst und umgehend die große Standleiter geholt, um es über der Tür anzubringen.
»Damit es jeder sieht.«
Edinburgh-Karate.
Ein dicker Kloß breitete sich in ihrer Kehle aus, doch Lizzy biss die Zähne zusammen.
Keine Sentimentalitäten, Lizzy Hastings!
Drei Jahre lang war sie jeden verdammten Tag hier gewesen. Hatte sich um den Nachwuchs gekümmert, hatte unwillige Siebenjährige und aufmüpfige Zwölfjährige trainiert, aber auch Steven und Jared, die beiden Nachwuchstalente.
Doch das war jetzt vorbei. Solange Justins Wahrnehmung durch die Drogen dermaßen verzerrt war und er mit solcher Aggressivität auf sie reagierte, würde sie keinen Fuß mehr in dieses Haus setzen.
Ohne dass sie recht wusste, wie ihr geschah, lenkten ihre Schritte sie in Richtung Bahnhof. Weg hier. Sie wollte einfach nur weg und Justin und den mit ihm verbundenen Teil ihres Lebens hinter sich lassen und irgendwo zur Ruhe kommen.
Als wollte das Wetter sie verhöhnen, begann es auch noch zu regnen. Ciùthran, feinster schottischer Nieselregen, überzog ihre Klamotten, sodass sie schon nach kürzester Zeit völlig durchnässt war.
Als sie das Vordach des Bahnhofsgebäudes von Waverly Station erreichte, schüttelte sie sich kurz, strich den Regen aus ihren dunklen Haaren und schaute sich um. Auf Gleis 3 stand ein Personenzug abfahrbereit, mehrere Menschen eilten mit Rollkoffern oder Rucksäcken zum Zug. Lizzy überlegte nicht lange, sondern lief einer Gruppe von Studenten hinterher, die lachend und scherzend in den letzten Waggon einstiegen. Sie wollte so schnell wie möglich hier weg und hatte das dringende Bedürfnis, in einer Gruppe junger Menschen einzutauchen. Als ob sie dadurch unsichtbar würde.
Die Studenten hatten es sich lachend am Waggonende gemütlich gemacht und Lizzy suchte sich eine Bank hinter ihnen. Als würde sie dazugehören.
Die Waggontüren schlossen sich mit einem Zischen, der Zug setzte sich in Bewegung. Mit jedem Meter, den der Zug fuhr, wurde Lizzy ruhiger. Ihr Herzschlag normalisierte sich, die wachsende Distanz zu Justin und dem Dojo beruhigte auch ihre Gedanken. Sie nahm ihren Rucksack auf den Schoß und warf einen Blick hinein.
»Mist«, murmelte sie.
Außer einer angebrochenen Wasserflasche und einem Apfel mit Druckstellen fand sich nur noch die Sportseite der »Scotland on Sunday« darin. Sie hatte auf einen Zeitungsartikel über Jareds letzten Wettkampf gehofft, aber nichts Entsprechendes gefunden.
In der versteckten Seitentasche steckte ihr Geldbeutel. Doch der Blick in ihr Portemonnaie war ernüchternd: 12 Pfund. Das war zwar zu wenig für einen Neuanfang, aber sie würde sich immerhin Essen für die nächsten Tage kaufen können.
Verdammt!
Lizzy wurde heiß und kalt zugleich. Was machte sie hier eigentlich?!
Sie war Hals über Kopf aus dem Haus gerannt, nur mit ihrem Rucksack, und war, ohne nachzudenken, am Bahnhof in den erstbesten Zug gestiegen.
Ohne Ziel. Und ohne Fahrkarte.
»Hey!«
Sie beugte sich zu dem blonden Typen, der vor ihr saß und sich nicht an den Albereien der anderen beteiligte.
»Aye?«
Er drehte sich zu ihr um und sah sie stirnrunzelnd an. Als würde irgendetwas an ihr nicht stimmen. Verlegen strich sie über ihre nassen Haare und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
»Wohin fährt der Zug?«
Aus den Augenwinkeln erkannte sie, dass der Zug in Richtung Forth Bridge fuhr. Sie würden doch hoffentlich nicht in die Highlands fahren!
»Zuerst nach Inverness, dann weiter nach Thurso.«
»Thurso.«
Sie ließ sich in den Sitz sinken. Der Zug würde die komplette Ostküste entlangfahren und am nördlichsten Ende Schottlands enden. Da hatte sie ausreichend Zeit, die nächsten Schritte zu überdenken. Hauptsache, es war trocken und warm - und sie brachte so viele Meilen zwischen sich und Justin, wie es ging.
»Bist du falsch eingestiegen?«, erkundigte sich der Student, nun merklich interessiert.
»Ja«, seufzte sie. »Aber es ist im Grunde egal, wohin ich fahre. Was nämlich viel schlimmer ist: Ich hab kein Ticket.«
Er hob die Augenbrauen und setzte zu einer Erwiderung an, doch Lizzy wollte ihm zuvorkommen. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, waren Vorwürfe.
»Ich war total panisch. Fluchtreflex. Also bin ich in den erstbesten Zug eingestiegen. Hauptsache, raus aus der Stadt.«
Dass sie der Gruppe gefolgt war, erwähnte sie nicht. Mittlerweile war ihr die überstürzte Aktion peinlich. Wie konnte man nur so blöd sein und sich einfach in einen Zug setzen?
»Lässig. Aber auf dieser Strecke wird ohnehin selten kontrolliert. Ich fahre regelmäßig von Edinburgh nach Inverness und zurück. Du kannst also ganz locker bleiben.«
Er lachte. Mittlerweile hatten die anderen ihr Gespräch bemerkt und waren deutlich ruhiger als vorher.
»Ja, echt«, mischte sich eine dünne Blonde ein, deren roter Rollkragen bis zum spitzen Kinn reichte. »Mich haben die auch noch nie kontrolliert.«
Erleichtert ließ sich Lizzy in den gepolsterten Sitz zurücksinken.
»Okay. Dann fahre ich eben nach Inverness oder Thurso.«
»In Inverness solltest du auf jeden Fall zu »Clarice« gehen, dort gibt es die geilsten Shortbread, die ich jemals gegessen habe!«
Frau Rollkragen spitzte die Lippen und lachte, und die Studenten nahmen ihre vorherigen Gespräche wieder auf, scherzten und prusteten und Lizzy genoss den ersten Moment Normalität an diesem Tag. Dann würde sie eben in Inverness nach einem billigen B’n’B suchen und morgen weitersehen.
Sie stöpselte sich Musik ins Ohr und ließ die Häuser, Straßen und Wiesen an sich vorübergleiten.
Die Anspannung ließ nach und machte einer bleiernen Müdigkeit Platz, und irgendwann musste sie eingedöst sein. Erst, als jemand an ihrer Schulter rüttelte, wurde sie wieder wach.
»Fahrkartenkontrolle.«
Lizzy richtete sich erschrocken auf.
Der Schaffner sah sie müde und gleichzeitig genervt an, vermutlich war er schon lange auf den Beinen und dem Feierabend nah.
»Wird’s bald?«
»Moment ...«, stammelte Lizzy, um Zeit zu gewinnen.
Mist! Sie hatte sich auf die Auskunft der Studenten verlassen. Und jetzt wurde doch kontrolliert!
Sie klopfte theatralisch die Taschen ihrer Jeans ab, stand auf und fischte alte Einkaufszettel und Quittungen aus ihrer Gesäßtasche. Sie hielt sie ihm mit einer entschuldigenden Miene hin, doch der Zugbegleiter verdrehte nur die Augen. Vermutlich erlebte er solche Manöver drei Mal am Tag, bevor er dann mit diesem »hab ichs doch gewusst«-Blick den Block mit den Straftickets zückte und grinsend die Gebühren entgegennahm.
»Ich hab’s gleich«, murmelte sie und schob den Bediensteten wie zufällig beiseite. Sie bückte sich, als wäre ihre Fahrkarte unter den Sitz gerutscht. Was natürlich nicht sein konnte, und das schien auch der Schaffner zu wissen, denn er trat ganz dicht an sie heran. Sie roch seinen Atem, eine Mischung aus kaltem Kaffee und Zigarettenrauch. Beinahe wurde ihr übel, und sie bückte sich noch tiefer, um auch unter der Sitzreihe hinter ihrem Platz nachzuschauen. So brachte sie außerdem ein paar Zentimeter Abstand zwischen sich und den Schaffner.
»Sie muss doch hier irgendwo ...«
»Haben Sie’s bald? Ich hab nicht ewig Zeit. Oder haben Sie gar keinen Fahrschein? Dann sagen Sie es gleich, dann sparen wir Zeit und eine entwürdigende und peinliche Prozedur.«
Der Schaffner wurde lauter und im Waggon wurde es plötzlich still. Die Gespräche der anderen Fahrgäste waren verstummt, das Lachen der Studenten versiegt. Lizzy spürte alle Augen auf sich gerichtet und bemühte sich, möglichst hilflos und unschuldig zu wirken. Doch ihr Körper war angespannt. Wie eine Katze, die zum Sprung ansetzt.
»Kann ich Ihnen helfen?«, vernahm sie eine hohe Stimme hinter sich.
Lizzy drehte sich um und wurde von der jungen Frau mit dem roten Rollkragenpullover angelächelt.
»Ich hab meine Fahrtkarte irgendwie verlegt«, erklärte sie in einem Ton, als hätten sie noch nie miteinander gesprochen. »Vorhin war sie noch da. Ich kann mich nur leider überhaupt nicht daran erinnern, wo ich sie hingesteckt habe!«
Sie stand auf und sah sich suchend um.
»Ich bin heute so durcheinander!«
Theatralisch hob sie ihre Hände und setzte eine Trauermiene auf.
»Ich habe mich soo sehr mit meinem Freund gestritten. Und jetzt bin ich einfach nicht mehr ich selbst.«
Sie versuchte sogar, ein Tränchen abzudrücken, aber das gelang ihr nicht. Wie es ihr überhaupt noch nie gelungen war in der Zeit mit Justin. Da waren alle Tränen echt gewesen.
»Okay, Miss. Mir ist egal, wie es Ihnen gerade geht. Sie fahren in einem öffentlichen Verkehrsmittel und dafür benötigen Sie eine Fahrkarte. Wenn Sie die nicht haben, fahren sie schwarz. Und das kostet Strafe, und zwar eine happige!«
Lizzy blickte betreten zu Boden, die Frau im Rollkragenpulli lächelte den Schaffner entwaffnend an.
»Nun zeigen Sie doch Herz. Sehen Sie nicht, dass es der jungen Frau wirklich nicht gut geht?«
Lizzy bedankte sich mit einem versteckten Lächeln bei der unverhofft aufgetauchten Retterin.
Der Zugbegleiter musterte die Studentin mit erhobenen Augenbrauen und Lizzy glaubte fast, dass sie ihn milde gestimmt haben könnte. Doch sein Kopf ruckte zu ihr und er wies mit dem ausgestreckten Arm auf den Sitz.