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Die 30-jährige Betti ist Buchhändlerin, versessen auf Liebesromane und steht vor ihrem eigenen Happy End: Sie wird bald heiraten. Doch während eines Schreibkurses auf Korsika lernt sie Sam kennen, der so ganz anders ist als ihr Verlobter. Etwas Wildes, Ungezähmtes geht von ihm aus, und Betti ist völlig hingerissen. Auf einmal steht sie zwischen zwei Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Tobias, der Geschäftsmann, der ihr ein sicheres und sorgenfreies Familienleben verspricht und Sam, mit dem ein bürgerliches Leben nicht möglich ist. Betti weiß, dass sie einen der beiden auf jeden Fall verlieren wird - aber welche Entscheidung ist die richtige?
Ein Roman über die Kraft der Liebe, über schöne Bücher, schwere Entscheidungen, tiefe Sehnsucht und wilde Romantik.
Es gibt ein Wiedersehen mit den Figuren aus der »Heart of Rock«-Reihe, die Romane sind aber völlig unabhängig voneinander zu lesen.
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Lilith van Doorn
Heart of Rock 4
Bettis Entscheidung
Liebesroman
Inhaltsverzeichnis
Über das Buch
Über die Autorin
„Heart of Rock - Bettis Entscheidung“
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
Nachwort
Danksagung
Heart of Rock 1-3 – Bad Boy mit Herz
Deep Skin – Unter der Haut
Liebe Leserin, lieber Leser!
Impressum
Die 30-jährige Betti ist Buchhändlerin, versessen auf Liebesromane und steht vor ihrem eigenen Happy End: Sie wird bald heiraten. Doch während eines Schreibkurses auf Korsika lernt sie Sam kennen, der so ganz anders ist als ihr Verlobter. Etwas Wildes, Ungezähmtes geht von ihm aus, und Betti ist völlig hingerissen. Auf einmal steht sie zwischen zwei Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Tobias, der Geschäftsmann, der ihr ein sicheres und sorgenfreies Familienleben verspricht und Sam, mit dem ein bürgerliches Leben nicht möglich ist. Betti weiß, dass sie einen der beiden auf jeden Fall verlieren wird - aber welche Entscheidung ist die richtige?
Ein Roman über die Kraft der Liebe, über schöne Bücher, schwere Entscheidungen, tiefe Sehnsucht und wilde Romantik.
Anmerkung:
Heart of Rock 4 - Bettis Entscheidung ist eine unveränderte Neuauflage von Wolfsstory - Plötzlich ist es Liebe, erschienen im Juni 2017 Das Buch schließt an Heart of Rock 1-3 an, ist aber ein eigenständiger Roman, der ohne Vorkenntnisse gelesen werden kann.
Lesen und Schreiben waren schon immer wichtig für mich – logisch, dass ich irgendwann selbst mit dem Schreiben begann. Mehrere Jahre lang veröffentlichte ich Kriminalromane und Kurzkrimis in großen und kleinen Verlagen, erhielt Stipendien und Preise und schrieb wissenschaftliche Veröffentlichungen. Doch das war mir irgendwann nicht mehr genug, deshalb veröffentliche ich meine sinnlichen Liebesromane unter neuem Namen und in Eigenregie.
„Happy birthday to you, liebe Betti!“ Die Gäste hoben ihre Sektflöten und setzten zum großen Gratulieren an, als es an der Wohnungstür klingelte. Der Gesang verebbte zu einem Raunen und Betti eilte lachend in den Flur. Nach einem kurzen Blick in den Spiegel zupfte sie ein paar Haarsträhnen zurecht und öffnete mit Schwung die Tür. Draußen stand ihre beste Freundin Janni mit ihrem Freund Alex, dem Sänger. „Die besten Glückwünsche zum Geburtstag, liebste Betti!“ Janni betrat den schmalen Vorraum der weitläufigen Wohnung, umarmte ihre Freundin und drückte ihr je einen Kuss auf die linke und die rechte Wange. „Hier ist ja schon richtig was los!“, bemerkte sie nach einem Blick auf die Jacken auf und unter der Garderobe. „Seit wann hängt die Garderobe an der Wand? Letzte Woche stand dort noch ein mannshoher Kartonstapel. Ich bin gespannt, wann ihr endlich mit dem Einrichten fertig seid!“ Janni lachte und zog Alex nach drinnen, der die Tür hinter sich schloss. Für einen Moment musste Betti tief Luft holen, weil der schwarzhaarige Rocksänger sie jedes Mal aus dem Konzept brachte. Doch sie fing sich schnell wieder und dirigierte die neuen Gäste zum Wohnzimmer, dessen Mauern, ganz im typischen Loft-Stil, teilweise unverputzt waren und der Wohnung ein zugleich modernes wie rustikales Ambiente gaben. Geschickt platzierte Möbel, Pflanzen und halbhohe Mauern unterteilten die riesige Loftwohnung in einzelne Wohnbereiche, einzig das Schlafzimmer sowie Bad und Gäste-WC hatten abschließbare Türen. „Ja, die Bude ist voll. Wir haben schon die Gartenstühle vom Balkon geholt, aber es reicht nicht. Legt eure Jacken einfach ins Schlafzimmer und nehmt euch was zu trinken. Ist alles in der Küche: Wasser, Cola, Sekt, Bier ... Greift einfach zu!“ „Hey, nicht so schnell! Lass dich erst mal umarmen, Geburtstagskind!“ Alex hielt sie am Blusenärmel fest und drehte sie zu sich. Seine Umarmung war fest und herzlich. Obwohl Janni nun schon seit mehreren Monaten mit dem Sänger der Straight Crew zusammen war, fühlte sich Betti in seiner Gegenwart immer noch leicht verunsichert. Dabei war er keines dieser obercoolen Arschlöcher, sondern ein ziemlich sympathischer Kerl. Aber ein verdammt gutaussehender und mit einer Stimme, die ihr durch Mark und Bein ging. Wie ihren anderen Freundinnen offensichtlich auch, denn aus dem Wohnzimmer kamen Kira und Leona, um zuerst Janni und dann Alex stürmisch zu begrüßen. Dabei ging es ihnen weniger um Janni, argwöhnte Betti, sondern vielmehr um den groß gewachsenen, langhaarigen Halb-Griechen in ihrer Begleitung. „Hallo, ihr beiden!“ Tobias trat in den Flur, in der Hand ein zur Hälfte gefülltes Weinglas. „Schön, dass ihr gekommen seid. Und gerade noch rechtzeitig, um die letzten Stehplätze einnehmen zu können“, sagte er lachend. „Vielleicht hätten wir doch eine größere Wohnung nehmen sollen!“ Er reichte den beiden Neuankömmlingen die Hand, ganz der charmante Gastgeber. In solchen Momenten blitzte immer wieder der eloquente Luxuswagenverkäufer hervor, was Betti gelegentlich einen kleinen Seufzer entlockte. „Hier, Schatz, nimm doch noch etwas von dem Bordeaux!“ Ehe Tobias etwas sagen konnte, hatte sie ihm schon eine Handbreit Wein eingeschenkt und hielt ihr Glas in die Höhe. „Zum Wohle!“ Janni und Alex holten sich Cola aus der Küche und prosteten Betti ebenfalls zu. Seit die beiden zusammen waren, hatte Janni seine Straight Edge-Haltung angenommen und trank, zumindest in Alex‘ Gegenwart, keinen Alkohol mehr. „Liebste Betti!“ Janni kam grinsend auf sie zu und hielt demonstrativ die Hände hinter dem Rücken, um ihr Geschenk vor Betti zu verbergen. Betti platzte beinahe vor Neugier und schielte immer wieder an Janni vorbei, ob sie nicht vielleicht doch einen Zipfel vom Geschenkpapier entdecken könnte. Aber offensichtlich war das Geschenk klein und passte gut in Jannis Hände. „Der Dreißigste ist nicht irgendein Geburtstag, und du bist auch nicht irgendeine Freundin, deshalb bekommst du von uns etwas ganz Besonderes geschenkt.“ Sie warf Alex, dem die Vorfreude ein breites Grinsen ins Gesicht zeichnete, einen vielsagenden Blick zu. Mittlerweile gesellten sich immer mehr Partygäste zu dem Quartett und Tobias lächelte höflich in die Runde. „Janni, jetzt mach es nicht so spannend! Ich platze gleich vor Neugier!“ „Überleg dir gut, ob du das Geschenk auch wirklich haben willst“, sagte Alex und grinste noch breiter als bisher. „Es kann sein, dass es dein Leben verändert.“ Susanne, Bettis Chefin, ließ einen empörten Ausruf hören. „Hey, ich brauche meine Lieblingsmitarbeiterin noch! Keine Buchhändlerin in ganz Hamburg kennt sich so gut mit Liebesromanen aus wie Betti.“ Mit einem Seitenblick auf Tobias fügte sie mit einem frivolen Unterton hinzu: „Betti ist eine echte Expertin in Liebesdingen!“
Kira kiekste übertrieben laut und warf erst Tobias, dann Betti und am Ende Alex einen vielsagenden Blick zu, woraufhin sich Janni demonstrativ vor ihren Freund stellte. Tobias hüstelte verlegen in seine Faust und schenkte Betti ein schiefes Lächeln. Doch die ließ sich von den ganzen Andeutungen nicht stören, sondern schob sich an Jannis Seite. „Will ich es denn überhaupt noch haben, wenn es mein Leben verändert? Im Moment bin ich ausgesprochen glücklich mit dem, was ich habe. Einen tollen Job“, sagte sie in Susannes Richtung und wandte sich dann an Tobias. „Einen tollen Freund, und seit Kurzem eine tolle, neue Wohnung. Ein Loft! Groß genug für zwei Dickköpfe wie uns und mit wunderbarem Ausblick auf den Hafen“, sagte sie lachend und nahm Tobias in den Arm, der sie an sich drückte und ihr schwarzes Haar küsste. „Och, wenn das so ist“, antwortete Janni und zog die einzelnen Worte in die Länge, „dann behalte ich es einfach. Mir würde es auch gefallen, nicht wahr, Alex?“ Der Musiker lachte. Seine tiefe Stimme wogte durch die Diele und animierte die Zuschauer zum Mitlachen. „Ich glaube, Betti würde sich furchtbar darüber ärgern und wäre sicher neidisch auf dich. Ich finde, du solltest es ihr geben.“ „Na gut.“ Sie wandte sich an Betti und schob endlich ihre Hand nach vorne. „Ich wünsche dir viel Spaß mit dem Geschenk, meine Liebe.“ Janni gab ihrer Freundin einen Kuss auf die Wange und überreichte ihr grinsend einen Umschlag. Betti nahm ihn aufgeregt entgegen und ging in die Küche, um die Klebeleiste mit einem Messer zu öffnen. Im Inneren des weinroten Umschlags steckte eine doppelseitige Karte aus cremeweißem, festen Papier. Betti zog sie vorsichtig hervor.Poetenzeit stand in klarer, serifenloser Schrift darauf, in der rechten unteren Ecke fand sich eine weinrote Schreibfeder. Das Papier war fest und strukturiert, die Karte wirkte edel, und Bettis Herz schlug bis zum Hals. Janni würde doch nicht etwa ...? Doch. Sie hatte. Bettis Hände zitterten, als sie die Karte aufschlug und den kurzen Text las. Dann schob sie sich an den neugierigen Gästen vorbei in den Flur, wo Janni Arm in Arm mit Alex stand und offensichtlich schon auf sie wartete. „Janni, du bist ein verrücktes Huhn!“, jauchzte Betti und fiel ihrer besten Freundin um den Hals. „Danke. Danke!“, rief sie und küsste sie mitten auf den Mund. „Was ist es denn Weltbewegendes?“, fragte Tobias und versuchte, einen Blick auf die Innenseite der Karte zu erhaschen. „Ein Schreibkurs!“, rief Betti und hielt die geöffnete Karte in die Höhe. Die Freunde applaudierten und Betti hielt dabei immer noch die Karte empor. „Das ist ein Gutschein für einen zwölfwöchigen Kurs für kreatives Schreiben. Online“, fügte sie mit einem Blick auf Susanne hinzu. „Damit ich auch weiterhin Liebesromane verkaufen kann.“ Die Buchhändlerin schüttelte in einer übertriebenen Geste erleichtert eine Hand. „Dann bin ich beruhigt. Und ich freue mich für dich, Betti. Kaum jemand hört dich so oft seufzen, wenn du die Belegexemplare aus den Verlagen durchsiehst. Es wird Zeit, dass du endlich selbst mit dem Schreiben beginnst.“ „Ja“, hauchte Betti und nahm Tobias in den Arm. „Das ist doch wohl ein guter Grund, endlich das Arbeitszimmer einzurichten“, erklärte sie. „Dann kommt das ganze Gerümpel in den Keller, das Bügelbrett wird zusammengeklappt und deine Hanteln kommen ins Schlafzimmer. Dann renovieren wir den Raum, stellen einen schönen großen Schreibtisch für mich rein, kaufen neue Bücherregale und eine Pinnwand für Notizen. Und dann kann ich abends in Ruhe schreiben. Hach, ich freue mich so!“ Bettis Glück wirkte ansteckend, die Gläser klirrten, Sektkorken ploppten und lautes Lachen floss durch die Wohnung. Doch plötzlich stoppte die Musik. Tobias hielt eine Sektflöte in die Höhe und schlug mit einem Löffel dagegen, der kristallene Ton lenkte die Aufmerksamkeit auf ihn. „Achtung!“, sagte er feierlich, und die Gespräche verstummten. Alle blickten ihn erwartungsvoll an, und Betti ging langsam und mit klopfendem Herzen auf ihn zu. „So, wie ich dich kenne, hast du vermutlich schon den ganzen Tag auf mein Geschenk gewartet“, begann er und hatte sichtlich Mühe, seine Aufregung zu unterdrücken. Betti nickte und deutete einen leichten Knicks an. Leises Gelächter war die Antwort. „Ich habe extra bis heute Abend gewartet, weil ich ein ganz besonderes Geschenk für dich habe, das du mit all deinen Freunden teilen sollst“, fuhr Tobias fort und stellte das Sektglas auf den Stehtisch neben sich. Dann griff er in seine hintere Hosentasche und holte mit zitternden Fingern eine kleine, dunkelblaue Schachtel hervor. Bettis Herz schlug so heftig, dass sie es beinahe im Magen spüren konnte. Was hatte er vor? Mit einer unerwartet fließenden Bewegung ging Tobias vor ihr in die Knie und hielt ihr mit beiden Händen die geöffnete Schachtel entgegen. Auf weißem Samt gebettet lag ein weißgoldener Ring mit einem grünen Smaragd darin, und Tobias nahm ihn vorsichtig heraus. „Betti Schwartz, möchtest du meine Frau werden?“, brachte er mit heiserer Stimme hervor, und Betti glaubte, die Welt bliebe für diesen einen Moment stehen. Alles um sie herum verschwamm, nur der vor ihr kniende Tobias mit dem Ring in der Hand stand im Fokus und nahm all ihre Aufmerksamkeit gefangen. Es gab nur noch sie beide. Und den Ring. Ein großer Kloß hinderte sie am Sprechen, verstopfte ihren Hals und presste Tränen in ihre Augen. Sie wollte etwas sagen, wollte Tobias eine Antwort geben, wollte diesen einen Moment zu einem ganz ehrwürdigen werden lassen, wollte Geigenmusik erklingen und Sterne um sich herum blitzen lassen. Doch das Einzige, zu dem sie sich fähig fühlte, war ein Nicken. Ein einfaches, schnödes, unspektakuläres Nicken. Ohne Glockenläuten und ohne Weichzeichner. Nur den Kopf heben und wieder senken. Doch mehr brauchte sie nicht, denn Tobias erhob sich und steckte ihr etwas unbeholfen den Ring an. Ihren Verlobungsring. Die Freunde um sie herum erwachten aus ihrer Starre, lachten, klatschten und jubelten, und Tobias gab ihr einen langen, intensiven Kuss. Betti schloss die Augen und gab sich hin, umfasste Tobias‘ Hinterkopf und öffnete ihren Mund, um seine suchende Zunge einzulassen. Erst als irgendjemand die Musik wieder anstellte und die Gespräche um sie herum langsam wieder einsetzten, lösten sie sich voneinander. „Wow“, hauchte sie, nahm Tobias‘ Sektglas von dem Stehtisch und leerte es in einem Zug. Doch Tobias war längst in die Küche geeilt und kam mit einem Tablett leise klirrender Gläser zurück. „Ich hab Champagner besorgt“, rief er in die Runde und erntete erneut Applaus. Betti stand neben ihm und nahm das Glas mit dem Champagner in die Hand, ohne richtig zu merken, was sie da überhaupt tat. Niemals hätte sie zu träumen gewagt, dass sie an ihrem dreißigsten Geburtstag mit ihren engsten Freunden in einem edlen Loft am Hamburger Hafen auf ihre Verlobung anstoßen würde. Sie nahm einen kleinen Schluck des prickelnden Getränks, ließ es einen kurzen Moment auf der Zunge verweilen und hob die linke Hand. Staunend und ein wenig ehrfürchtig betrachtete sie ihren Verlobungsring mit dem kleinen, grünen Smaragd. Sie war jetzt tatsächlich verlobt - und sie würde bald heiraten! Doch ehe ihre Gedanken sie davontragen konnten, fielen ihr die ersten Gäste um den Hals, stießen mit ihr an und küssten sie auf die Wangen, um ihre Freude mit ihr zu teilen. „Herzlichen Glückwunsch, Betti!“ Janni drückte sie fest an sich. „Ich wünsche dir alles Glück der Welt“, flüsterte sie und zog sie zu der improvisierten Tanzfläche in der Mitte des Wohnbereichs. „Betti ist jetzt endgültig vergeben, Jungs!“, rief sie in die Menge. Sie zwinkerte ihrem Freund Alex zu, und der ging zur Musikanlage, überflog die Playlist, und nach wenigen Sekunden erklang „Boys Don’t cry“ von The Cure. „Lasst uns tanzen!“, rief Janni, und sofort war die Tanzfläche gefüllt und die Party erreichte einen weiteren Höhepunkt.
Die Feier endete erst, als der Morgen graute und fahles Licht durch die hohen, schmalen Fenster sandte. Betti und Tobias hatten noch lange mit Janni und Alex am Küchentisch zusammengesessen, und während Janni und Alex Anekdoten von der letzten Tournee der Straight Crew, Alex‘ Rockband, erzählten, wurde Betti müder und müder und schlief schließlich in Tobias‘ Armen ein. Der viele Champagner anlässlich ihrer Verlobung tat sein Übriges, und so bekam sie kaum mit, dass sich die Freunde verabschiedeten und Tobias sie mit ihren Klamotten ins Bett manövrierte. Als sie gegen Mittag aufwachte, fand sie sich im Schlafzimmer wieder, neben dem Bett einen Eimer, auf dem Nachtschrank ein Glas Wasser und eine Kopfschmerztablette. „Guten Morgen, meine Angetraute!“, flüsterte Tobias neben ihr, und Betti setzte sich ruckartig auf. Die Verlobung! Vorsichtig öffnete sie die Augen und hob ihre linke Hand, um sich zu vergewissern, dass das wirklich alles gestern geschehen war. Doch es war kein Traum. An ihrem Ringfinger saß ein wunderschöner schmaler Ring, der grüne Smaragd brach die Sonnenstrahlen und funkelte in der Morgensonne. „Er passt perfekt“, stellte sie erstaunt fest, und Tobias rückte ein Stück näher, umschloss ihre linke Hand mit seiner. „Natürlich“, antwortete er, und Betti ließ sich selig zurück ins Kissen sinken. Auf Tobias war Verlass. Er überließ nichts dem Zufall.
Nach einem opulenten Frühstück im Bett begannen sie trotz ihres Katers, die Überreste der Party aufzuräumen. Während Tobias noch das Geschirr einsammelte, setzte sich Betti an den großen Küchentisch und sortierte die Geschenke. Sie schaute noch einmal in die Grußkarten, lachte über lustige Sprüche, freute sich über frische Blumen, die Ohrhänger in Wolfsform von Kira und nahm am Ende Jannis Gutschein in die Hand. Tiefes Glück durchströmte sie. Dass Janni daran gedacht hatte! Schon seit Jahren träumte sie davon, einmal selbst einen Roman zu schreiben. Ein Manuskript zu verfassen, eine eigene Geschichte zu schreiben und diese dann als gedrucktes Buch in der Hand zu halten, müsste das vollkommene Glück sein. Was könnte es für eine Buchhändlerin Schöneres geben, als eines Tages ihr eigenes Buch in die Regale zu sortieren oder gar als Stapelware auszulegen. Sie stellte sich vor, wie ihr Buch in mehreren Türmen gleich im Eingangsbereich von Susannes Buchhandlung ausliegen würde, vielleicht mit einem Hinweis versehen, dass es das Buch einer Mitarbeiterin wäre. Ein Buch von Betti Schwartz, der lustigen, immer gut gelaunten, ein bisschen chaotischen Buchhändlerin mit dem schwarzen Pagenkopf und den Kleidern im Vintage-Look. Von der Expertin für Liebesromane. Ein leises Seufzen entfuhr ihr, und Tobias, der gerade die letzten Teller in die Spülmaschine räumte, sah zu ihr auf. „Alles in Ordnung?“, fragte er, doch Betti seufzte nur noch lauter und hielt ihm den Gutschein entgegen. „Ich dachte gerade an den Schreibkurs. Meinst du, ich schaffe das? Einen ganzen Roman schreiben, interessante Figuren erschaffen, einen spannenden Plot entwerfen? So, dass es anderen Menschen gefällt?“
„Warum nicht?“, fragte Tobias, stellte die Spülmaschine an und setzte sich zu Betti an den Küchentisch. Der Tisch war ein Kompromiss gewesen; Betti hätte lieber die Küchentheke aus ihrer alten Wohnung mitgenommen. Stundenlang hatte sie dort mit Janni gesessen, Cappuccino getrunken, Kekse gegessen und über Gott und die Welt gequatscht. Doch Tobias‘ Argumenten, dass sie an einem Tisch viel besser mit mehreren Leuten sitzen konnten, hatte sie nichts entgegenzusetzen gehabt. Eigentlich hatte er ja recht, und so schlecht war es dann doch nicht mit einem richtigen Esstisch. Und wenn sie erst einmal Kinder hätten, wäre ein Tisch ohnehin besser als eine viel zu hohe Theke, war sein Hauptargument gewesen. Das war gerade einmal sechs Wochen her. Da hatte Betti noch gelacht, weil ihr das Thema Kinder so unendlich fern erschienen war. Gedankenverloren drehte sie den Ring an ihrem Finger. Vermutlich sollte sie sich langsam damit anfreunden, demnächst hormongesteuert und mit Kugelbauch die Regale mit den Erziehungsratgebern zu durchstöbern. „Quatsch“, murmelte sie und ließ den Ring los. Bloß, weil sie jetzt verlobt war und bald heiraten würde, musste sie noch nicht über eigene Kinder nachdenken. Das Eine hatte mit dem Anderen nichts zu tun. „Was meinst du?“, fragte Tobias, doch Betti winkte ab. „Egal. Ich kümmere mich jetzt erst mal um den Schreibkurs und schaue mir die Internetseite des Anbieters an. Ich bin sehr gespannt, wer das macht und wie das ablaufen soll.“ Sie stand auf und holte ihren Laptop. Während der Computer hochfuhr, machte sie sich einen Kaffee im Vollautomaten. Bevor sie mit Tobias zusammengezogen war, war das beinahe ihr einziger Luxus gewesen. Das Buchhändlerinnengehalt war nicht so üppig, dass sie damit große Sprünge machen könnte. Aber ihr lag nicht so viel am Geld, solange es zum Leben reichte. Viel wichtiger war ihr der Kontakt mit den Büchern, mit den Kunden, die sie beraten konnte und die vielen Geschichten, in die sie eintauchen konnte. Und die immer wieder ihren Traum nährten, eines Tages selbst ein Buch zu veröffentlichen. Der Kaffee lief dampfend in die Tasse und verströmte ein wunderbares Aroma, und Betti setzte sich mit dem heißen Getränk an den Tisch, um den Browser zu öffnen.Poetenzeit.Die Homepage war genau so schlicht gestaltet wie die Karte, wirkte dadurch edel und vornehm und Betti spürte, wie sich Aufregung in ihr breitmachte. Sie würde einen Schreibkurs besuchen! Jetzt würde sie ganz offiziell schreiben, würde nicht mehr nur kleine Texte für sich und ihre Freunde verfassen, sondern sich an einem größeren Projekt versuchen. Und fachmännisches Feedback bekommen, versprach der Internetauftritt. Der Kurs würde nächste Woche beginnen und über zwölf Termine gehen, optional konnte man im Sommer einen einwöchigen Intensivkurs auf Korsika dazubuchen, bei dem man auch mit Fachleuten aus der Branche in Kontakt kam. Betti nahm ihr Smartphone in die Hand, wählte Jannis Nummer und jauchzte in den Apparat, bevor Janni sich richtig gemeldet hatte. „Du bist ein Schatz!“, rief sie und schickte einen Knutscher hinterher. „Ich freue mich so auf den Kurs, das kannst du dir gar nicht vorstellen! Das war das beste Geschenk ever!“ „Sicher?“, Janni unterbrach sie lachend. „Immerhin hat Tobias dir einen Heiratsantrag gemacht!“ „Ach, das läuft sowieso außer Konkurrenz. Trotzdem: Von allen Geschenken, die ich zum Dreißigsten bekommen habe, ist das wirklich mit Abstand das beste. Aber ich weiß gar nicht, was ich für Unterlagen nehmen soll. Ich hab doch noch nichts, was ich jemandem zeigen kann.“ Betti sprang auf und ging ins Schlafzimmer, wo sie in einem Umzugskarton ihre Schreibunterlagen aufbewahrte. Irgendwo mussten doch die Gedichte sein, die sie extra in einer Druckerei hatte binden lassen, weil sie so viel besser wirkten! „Was ist denn mit den erotischen Kurzgeschichten?“, fragte Janni, und Betti fuhr ruckartig nach oben, sodass ihr die Kiste mit den Notizzetteln aus der Hand fiel, die sie lose mit einer Wäscheklammer zusammengehalten hatte. Gelbe, rosafarbene, weiße und blaue Zettelchen verteilten sich auf dem Dielenboden und dem Bett, einige fielen direkt in den Umzugskarton und verschwanden zwischen ausgefransten College-Blöcken, einem Locher und ihrer Bleistiftsammlung. „Die Erotik bleibt unter Verschluss!“, rief sie und begann, die Zettel wieder aufzusammeln. „Das war nur ein Versuch, den ich ganz bestimmt niemandem zeigen werde. Erst recht nicht Fremden!“ „Wieso? Mir haben die Geschichten gefallen“, warf Janni ein, doch Betti schüttelte energisch den Kopf. „Ausgeschlossen. Du weißt doch, wie das ist. Manche Leser können einfach nicht zwischen der Autorin und der Protagonistin unterscheiden und denken, man hätte das alles selbst erlebt. Nee, das behalte ich schön für mich!“ „Dann nimm doch die Thriller-Idee. Die mit dem Killer-Virus.“ Betti warf die farbigen Notizzettel achtlos in den Karton und zog mit der freien Hand ein rot eingebundenes Büchlein hervor. „Ach, das mit dem Killer-Virus war doch nicht so gut. Außerdem hätte ich da unheimlich viel recherchieren müssen. Aber ich hab gerade was gefunden!“ Triumphierend hielt sie das Büchlein in die Höhe, als wäre Janni bei ihr und könnte ihr über die Schulter schauen. „Ich nehme die Liebesgeschichte mit der Barista. Wenn ich die noch einmal überarbeite, wird sie sicher einigermaßen vorzeigbar. Was meinst du?“ Janni lachte. „Du hast sie mir noch nicht gezeigt. Ich wusste gar nicht, dass dein Herz für Kaffeezubereiter schlägt!“ „Ach, das war auch nur so eine Idee, die mir beim Kaffeetrinken kam. Apropos“, fügte sie hinzu und ging mit dem Büchlein unter dem Arm zurück in die Küche. „Mein Kaffee ist mittlerweile kalt geworden. Ich mache mir jetzt einen neuen und dann lese ich mir den bisherigen Text durch. Danach übertrage ich alles in den Rechner und dann kann ich die Datei morgen schon dem Kursleiter schicken. Hach, das wird toll!“, seufzte sie und schickte Janni erneut einen Knutscher. „Das war so eine tolle Idee, Janni! Wenn du wüsstest, wie glücklich du mich mit dem Geschenk machst!“ „Ach, ich hab da so eine Ahnung“, scherzte Janni und wünschte ihr noch viel Spaß. Betti legte auf, machte sich noch einen Kaffee und begann, die ersten Seiten ihrer Liebesgeschichte „Die Barista“ zu lesen.
Als Tobias zwei Stunden später vom Joggen zurückkam, lag Betti mit ihrem handschriftlich verfassten Rohtext auf dem Sofa, neben sich eine Tasse Kaffee, im Rücken die Wärmflasche, und kam aus dem Staunen nicht heraus. Dieser Text, diese Worte, stammte das wirklich von ihr? Sie erinnerte sich noch an den Rausch der Worte beim Schreiben, aber nicht mehr an einzelne Sätze. „Hallo, mein Schatz!“ Tobias beugte sich verschwitzt und keuchend zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Was liest du denn da Feines? Ist das schon eine erste Zusammenfassung für unser Hochzeitsmenü?“ „Quatsch“, antwortete Betti lachend. „Das mache ich lieber mit dir zusammen.“ „Wie wäre es mit Fisch? Den könnten wir am Freitag schon mal antesten. Ich habe meine Eltern zum Essen eingeladen, um sie mit unserer Verlobung zu überraschen. Was hältst du davon?“ „Gute Idee!“ Betti machte einen Kussmund, und Tobias beugte sich zu ihr, um ihre Lippen zu küssen. Er schmeckte ein wenig salzig, aber es wehte auch ein männlicher Hauch zu ihr herüber. „Jetzt geh aber erst mal duschen. Und dann darfst du dich gerne zu mir unter die Decke kuscheln, mein Verlobter!“ „Ich bin gleich wieder bei dir“, antwortete Tobias lachend und verschwand im Badezimmer. Kurz darauf hörte Betti das Wasser in der Dusche rauschen und lehnte sich zufrieden zurück. „Verlobter“, flüsterte sie und spürte dem Klang des Wortes nach. Es hörte sich noch ungewohnt an, ein wenig sperrig, und gleichzeitig so bedeutungsvoll. Zukunftsschwanger. „Betti von Hohenstein, geborene Schwartz“, murmelte sie und strich mit den Fingern über das feste Papier ihres Notizbuches. Zog mit dem Zeigefinger unsichtbare Namenszüge über das Blatt, als wollte sie die Unterschrift vor ihrem ersten Einsatz üben. Von Hohenstein klang viel vornehmer als Schwartz. Und er passte viel besser in ihr neues Leben an der Seite des Geschäftsführers der Hohenstein Premium-Automobile.Ihr neues Leben, in dem sie nicht mehr jeden Cent umdrehen musste, in dem sie diese wunderbare Wohnung über den Dächern Hamburgs bewohnen konnte und in dem sie für ihre Kinder eine Schule nach ihren Vorstellungen aussuchen konnte. Kinder. Zwei wären ihr am liebsten. Ein Junge und ein Mädchen. Oder vielleicht doch drei? Tobias wünschte sich auf jeden Fall einen Sohn, der später einmal das Geschäft übernehmen würde. So wie Tobias das Autohaus von seinem Vater übernommen und durch die Erweiterung mit teuren Luxuswagen zur ersten Adresse für Automobilfreunde mit großem Geldbeutel gemacht hatte. Darauf war er zu Recht stolz, und Betti hatte schnell verstanden, dass er für seinen Erfolg und Geschäftssinn immer mal wieder gelobt werden wollte. Nicht zu oft natürlich, damit es nicht aufgesetzt wirkte. Aber hin und wieder schon. Ob sie mit Kindern immer noch in der Buchhandlung arbeiten würde? Oder sollte sie sich lieber ganz um die Erziehung der von Hohenstein-Sprösslinge kümmern, und ansonsten Tobias den Rücken freihalten? Aber was würde sie ohne ihre geliebten Bücher machen? Ohne die Gespräche mit den Kundinnen, ohne die sehnsüchtig erwarteten Besuche der Verlagsvertreter, die ihre Neuerscheinungen vorstellten? Nein. Ein Leben ohne Bücher wäre undenkbar. Außer ... Betti schlug seufzend das rote Notizbuch zu und setzte sich auf. Außer, sie würde es auf die andere Seite des Buchmarktes schaffen. Eine Autorin werden, Romane veröffentlichen, Lesungen veranstalten und Bücher signieren. Und Janni hatte ihr eine kleine Tür dafür geöffnet und den Schreibkurs geschenkt. Sie holte ihren Laptop aus der Küche und klappte ihn auf, um die Bemerkungen aus dem Notizbuch in das angefangene Dokument zu übertragen. Später am Abend würde sie es noch einmal lesen, damit sie es morgen endgültig dem Kursleiter schicken konnte. Den Seminarunterlagen zufolge brauchte er die Texte der Teilnehmer bis spätestens Dienstag. Damit hätte sie sogar noch einen Tag Puffer, falls die Überarbeitung doch länger dauern sollte als geplant. Doch so weit sollte sie nicht kommen, denn als Tobias mit noch feuchten Haaren und nur mit einem locker um die Lenden gewickelten Handtuch bekleidet aus der Dusche kam, waren alle guten Vorsätze dahin. Sie liebten sich auf dem dunklen Ledersofa und kurz darauf schliefen sie Arm in Arm ein.
Am Freitagabend trafen sie sich mit Tobias‘ Eltern zum Essen. Renate von Hohenstein war eine schlanke, elegante und kluge Frau, die unsichtbar, aber streng im Hintergrund des Familienbetriebes wirkte. Anfangs schien sie nicht besonders begeistert über die Wahl ihres Sohnes gewesen zu sein und hatte kein Hehl daraus gemacht, dass ihr eine Geschäftsfrau mit abgeschlossenem Studium in Betriebswirtschaft lieber gewesen wäre als die überwiegend im Stil der Sechzigerjahre gekleidete Buchhändlerin. Doch nachdem sich die beiden Frauen näher kennengelernt hatten, entdeckten sie doch einige Gemeinsamkeiten. Die Liebe zu Büchern war dabei die größte, und immer wieder tauschten sie sich über neue Romane aus, während Tobias und sein Vater über Luxuswagen fachsimpelten. Günter von Hohenstein hingegen war Betti gegenüber immer etwas verschlossen geblieben. Ihm war deutlich anzumerken, dass er sich für seinen Sohn eine bessere Partie gewünscht hatte, und er brachte regelmäßig die in seinen Augen erfolgreichen Eheschließungen seiner wohlhabenden Kunden ins Gespräch. Deshalb hatte Betti diesem Abend mit viel Herzklopfen entgegengeblickt und sich extra einen halben Tag frei genommen, um das mehrgängige Menü mit französischer Fischsuppe und frischer Dorade vorzubereiten. „Vielen Dank für die Einladung, ihr Lieben.“ Renate faltete die Serviette auseinander, legte sie sich betont langsam auf den Schoß und warf einen kurzen Blick auf ihren Mann, der neben ihr saß. „Ich nehme an, dass wir nicht zufällig hier zusammensitzen, oder? Deinen dreißigsten Geburtstag haben wir ja bereits am Samstagnachmittag bei Kaffee und Kuchen gefeiert, Betti.“ Günter von Hohenstein nickte höflich, dann sah er abwechselnd von Tobias zu Betti und wieder zurück, bis Tobias endlich aufstand und sein Weinglas in die Höhe hielt. „Wir haben euch heute Abend zum Essen eingeladen, weil wir euch etwas sagen möchten.“ Bettis Herz schlug heftig gegen den Brustkorb, ihre Hände wurden feucht und begannen leicht zu zittern. Sie war diesen Augenblick mehrmals im Geiste durchgegangen, hatte sich vorgestellt, wie ihre Schwiegereltern in spe reagieren würden, was Renate dazu sagte, ob Günter ihr endlich wohlwollender gegenübertrat? Doch jetzt, wo sie Tobias‘ Eltern Auge in Auge gegenübersaßen, war sie noch viel aufgeregter, als sie sich vorher ausgemalt hatte. Renate und Günter sahen einander erwartungsvoll an, Renate legte den Kopf leicht schräg und wartete darauf, dass ihr Sohn fortfuhr. Obwohl ihr doch eigentlich klar sein müsste, was er sagen würde. Bei so einer Eröffnung gab es nur zwei Möglichkeiten: Heiratspläne oder eine Schwangerschaft. „Betti und ich werden heiraten.“ Tobias hielt Betti die Hand hin, damit sie aufstand. Ihre zukünftigen Schwiegereltern standen ebenfalls auf, sodass sie einander über den hübsch gedeckten Tisch zuprosten konnten. Von Hohenstein Senior auf der einen Tischseite, von Hohenstein Junior auf der anderen. „Herzlichen Glückwunsch“, flötete Renate und kam um den Tisch herum, um Betti zu umarmen und ihr Küsschen auf die Wangen zu geben. „Willkommen in unserer Familie!“ Günter umarmte sie ein wenig hilflos und so kurz, als wäre es ihm unangenehm. Renate lächelte ihren Mann glückselig und beinahe erfolgstrunken an, und er hob kurz die Mundwinkel, um ein Lächeln anzudeuten. Das Familienunternehmen war gerettet, schien Renates Blick zu sagen. Hohenstein Premium-Automobile konnte also bald in die dritte Generation übergehen. Doch Betti fühlte sich in dieser Situation seltsam fremd, als würde sie neben sich stehen und die Szene nur beobachten. Wo blieben die Schmetterlinge im Bauch, wo das Herzklopfen? Wahrscheinlich musste sie sich erst einmal daran gewöhnen, dass ihre Verlobung nun offiziell war, redete sie sich ein. Der Rest würde später kommen. „Ich möchte dir nicht zu nahe treten, Liebes“, wandte sich Renate an Betti und legte ihre Gabel beiseite, um sich ganz ihrer zukünftigen Schwiegertochter zu widmen. „Aber weiß denn deine Familie schon Bescheid? Deine Großmutter wird ja sicher kommen wollen. Und wie sieht es mit deiner Mutter aus? Wird sie den weiten Weg aus Australien auf sich nehmen, um dir an diesem wichtigen Tag zur Seite zu stehen?“ Sie sagte es zwar in freundlichem Ton, doch Betti entging der neugierige und lauernde Unterton nicht. Und sie fühlte sich gleich doppelt schuldig: wegen des schwierigen Verhältnisses zu ihrer Mutter und deswegen, weil sie deshalb bei Tobias‘ Eltern durchs Raster der perfekten Schwiegertochter fiel. Aber was konnte sie dafür, dass sich ihre geschiedene Mutter in einen zehn Jahre jüngeren Mann verliebt hatte und mit ihm Hals über Kopf ans andere Ende der Welt durchgebrannt war? „Sie weiß es noch nicht“, gab Betti kleinlaut zu. Woher auch? Sie hatten seit mindestens drei Jahren nichts mehr voneinander gehört. Betti wusste nicht einmal, ob sie Astrid überhaupt unter der letzten Adresse erreichen würde. Oder ob sie noch mit diesem Connor zusammen war. „Habt ihr immer noch keinen Kontakt?“, fragte Renate mitfühlend, und Betti spürte einen unangenehmen Kloß im Hals aufsteigen. „Nein“, antwortete sie kurz und fügte dann mit übertriebener Fröhlichkeit hinzu: „Aber meine Großmutter wird ganz bestimmt kommen! Ruth wird froh sein, mich endlich bald unter der Haube zu wissen!“ „Ja, deine Großmutter darf auf keinen Fall fehlen! Dann kann sie ja anstelle deiner Mutter an deiner Seite sitzen.“ Bumms. Das saß. „Es wäre schade, wenn niemand von deiner Familie bei diesem besonderen Ereignis dabei sein könnte“, trat Günter hinterher, und wieder bekam Betti den Anflug eines schlechten Gewissens. Dabei hatte sie sich nichts vorzuwerfen! Schließlich konnte sie nichts für das Chaos, in dem sie aufgewachsen war. Immerhin war doch etwas aus ihr geworden! Sie hatte ihren Traumjob ergriffen, stand finanziell auf eigenen Beinen und hatte mit Susanne die beste Chefin, die man sich vorstellen konnte. Und jetzt würde sie auch noch heiraten! „Ich habe ja auch noch einen Vater“, warf sie ein. „Auch wenn wir uns nicht so oft sehen, freut er sich ganz bestimmt, mich zum Traualter führen zu dürfen!“ Und ihre reizenden, pubertierenden Halbschwestern würden sich mit ätzenden Kommentaren wahrscheinlich nicht zurückhalten und sie vor der versammelten Hochzeitsgesellschaft zu Tode blamieren. Vielleicht war das doch keine so gute Idee. „Aber über solche Details müssen wir uns ja jetzt noch keine Gedanken machen. Darüber sprechen wir später!“, fügte sie hinzu und nahm einen Schluck Wein, um ihre Verlegenheit zu überspielen. Langsam bekam sie eine Ahnung davon, warum die Planung einer Hochzeit zu einer Bewährungsprobe für die Beziehung ausarten konnte. „Betti hat Recht. Lasst uns diesen besonderen Moment einfach genießen“, durchbrach Tobias die angespannte Stille und schaute in die Runde. Demonstrativ nahm er Bettis Hand, drückte sie und lächelte Betti an. „Ich will heute Abend mit euch unsere Verlobung feiern!“ Sie machten sich über das Fischmenü her, Tobias‘ Eltern lobten das zarte Fleisch der Dorade in den höchsten Tönen, und bald bewegten sich die Gespräche in ungefährlichem Fahrwasser. Auch Betti vergaß das Unbehagen bezüglich der Hochzeitsfeierlichkeiten, und erst, als sie später am Abend gemeinsam mit Tobias unter die Bettdecke kroch, dachte sie kurz an das Gespräch. Doch sobald sie Tobias‘ Hand unter ihrem Schlafshirt spürte, wichen die schlechten Gedanken und machten Platz für ein paar kleine, schmutzige Phantasien.
Am Samstag kamen vergleichsweise wenige Kunden in die Buchhandlung, sodass Betti ausreichend Zeit hatte, in den Katalogen der Verlage zu blättern. Sie suchte Hochzeitsplaner und, als Ausgleich dazu, Romane, die den ganzen Trubel rund ums Heiraten ein wenig auf die Schippe nahmen. Zwischendurch zog sie verschiedene Liebesromane aus dem Regal und las einige Kapitel, legte sie aber mit einem unbestimmten Gefühl des Unbehagens wieder zurück. Stattdessen nahm sie die Vorschaukataloge zur Hand, um nach Covern für Liebesromane Ausschau zu halten. Ob sie es wohl schaffen würde, eine Lektorin von ihrer Barista zu überzeugen und einen Vertrag von einem namhaften Verlag zu erhalten? Welches Cover würde der Roman dann wohl bekommen? Und wie würde es sich überhaupt anfühlen, seinen eigenen Roman in der Hand zu halten, über seine Oberfläche zu streichen, durch die Seiten zu blättern und sein Gewicht zu spüren? Aber zuerst würde sie den Kurs im kreativen Schreiben absolvieren und hoffentlich lernen, wie sie aus ihrer Idee und der ersten Rohfassung einen handwerklich soliden Roman erschaffen konnte. Sie drückte das Buch, das sie gerade in der Hand hielt, seufzend an ihre Brust. Als die Türglocke der kleinen Buchhandlung erklang, legte sie das Buch schnell beiseite, als hätte die Kundin sie bei etwas Ungehörigem ertappt. „Guten Tag“, wandte sie sich mit rotem Kopf an die Kundin, „wie kann ich Ihnen helfen?“ „Ich brauche einen neuen Stadtplan für Hamburg“, erklärte die ältere Dame mit dem grauen Dutt im Hamburger Dialekt. „Meiner ist schon ganz schön in die Jahre gekommen.“ Betti zeigte ihr die Abteilung mit den Reiseführern und eilte dann zurück zu den Liebesromanen, um das so achtlos beiseitegelegte Buch wieder einzusortieren. Das würde noch ein hartes Stück Arbeit werden, ehe sie die Barista in ein Bücherregal einsortieren könnte. Wenn es überhaupt jemals soweit käme.
Der Montag wollte einfach nicht vorübergehen, und weil Betti mit ihren Gedanken ohnehin nicht im Laden war, sondern nur über den am Abend stattfindenden Kurs nachdachte, ließ Susanne sie eine Stunde früher nach Hause gehen. „Aber nur unter der Voraussetzung, dass du deine erste öffentliche Lesung hier in unserem Laden hältst!“, hatte sie lachend gesagt und Betti damit ein Versprechen abgenommen, dessen Erfüllung ihr ohnehin eine große Freude bereiten würde. „Auf jeden Fall“, hatte Betti geantwortet und ihre Chefin, die im Laufe der Zeit zu einer richtigen Freundin geworden war, umarmt. „Und ich mache Signierstunden!“ Aufgeregt und beschwingt zugleich war sie zur S-Bahn gegangen und wäre beinahe in die falsche Linie eingestiegen, bis ihr einfiel, dass sie ja umgezogen war und nun in Altona wohnte. Tobias war noch nicht zu Hause, aber das hatte sie ohnehin nicht erwartet. Montags blieb er meist länger im Büro, und heute kam ihr das gerade recht. Irgendwie wollte sie während ihres ersten Kurstermins nicht gestört werden. Was würde sie wohl erwarten? Wer leitete den Kurs, wer waren die anderen Teilnehmer? Um welche Inhalte würde es gehen und wann würden sie über ihre eigenen Texte sprechen? Noch während die Fragen durch ihren Kopf wirbelten, setzte sie sich mit ihrem Laptop an den Esszimmertisch, öffnete die Seite der Poetenzeit und loggte sich mit ihrem persönlichen Kennwort ein.Herzlich willkommen!, stand dort zur Begrüßung, und ihr Herz begann zu klopfen. Jetzt ging es los!Heute beginnt die erste Einheit. Bevor wir jedoch mit der Arbeit loslegen, wollen wir einander ein wenig kennenlernen. Schließlich werden wir in den nächsten Wochen viel Zeit miteinander verbringen. Fülle dazu bitte kurz das Wichtigste über dich aus: deinen Forumsnamen und ein Avatarbild, und wenn du magst, kannst du uns etwas über dein bisheriges Schreiben erzählen. Für unseren Kurs ist es aber nicht wichtig, ob man schon etwas veröffentlicht hat oder wie lange man schon schreibt. Für unseren Kurs ist nur wichtig, ob du etwas lernen möchtest.Bei dieser Anrede fühlte sie sich gleich wie in einer anderen Welt und füllte voller Vorfreude ihr Profil aus. Sie gab sich den Namen „Barista“ und lud ein Foto hoch, auf dem sie mit einer Tasse Cappuccino in der Hand am weißen Sandstrand von Övelgönne saß und, von der Sonne geblendet, in die Kamera blinzelte. Wenn man genau hinschaute, konnte man sie erkennen - aber der flüchtige Betrachter sah darauf nur eine junge Frau in einem schwarzen Rockabilly-Kleid. Als sie mit ihrem Profil zufrieden war, klickte sie sich in das eigens für diesen Kurs eingerichtete Forum und las die kurzen Vorstellungen der anderen Mitglieder. Sie waren zu siebt - sechs Teilnehmer und der Kursleiter. Der war auch gleich als solcher zu erkennen, weil er einfach Kursleiter hieß. Sein Avatarbild zeigte einen gut aussehenden, blonden Sonnyboy vor einer beeindruckenden Naturkulisse. Goldgelbe Bergrücken erhoben sich im Hintergrund, der Modeltyp lehnte lässig an einer amerikanischen Kiefer und die Sonne strahlte von einem wolkenlosen Himmel. Betti starrte sprachlos auf das Bild. Na, das konnte ja heiter werden, dachte sie mit einem Anflug von Enttäuschung. Sie hatte mehr Seriosität erwartet und keinen Angeber, der sich hinter einem fremden Avatar versteckte. Es mochte gute Gründe geben, anonym bleiben zu wollen, aber für die Gruppe hätte sie sich dennoch mehr Offenheit gewünscht. Doch sie wollte nicht vorverurteilen, und hoffte, dass er seine Sache trotzdem gut machen würde. Ein kurzer Blick auf die Profile der anderen Kursteilnehmer entlockte ihr ein leichtes Schmunzeln; offenbar wurde hier jedes Klischee bestätigt.Hannibal war ein pensionierter Oberstudienrat, der sich der Geschichte seines älteren Bruders in der Hitlerjugend widmete. Sein Avatarbild zeigte ihn in Outdoorkleidung mit Hund, im Hintergrund bewaldete Mittelgebirgshügel.
Starkstrom zeigte sich als Elektriker im Blaumann und schrieb einen Actionthriller rund um Verschwörungstheorien, und Blaue Rose litt an einer seltenen Krankheit, die sie in Romanform aufarbeiten wollte.Chaosmums Profil rief ein breites Grinsen bei Betti hervor und bekam für das Avatarbild in unaufgeräumter Küche sofort Sympathiepunkte. Der heitere Frauenroman versprach, wirklich witzig zu werden. Einzig Frau Doktor rief Stirnrunzeln bei Betti hervor, denn auf dem Avatarbild sah man lediglich eine großgewachsene Frau in Arztkittel und mit Mundschutz, aber man konnte beim besten Willen nicht erkennen, wie sie wirklich aussah. Nach eigenen Angaben schrieb sie Erotikromane, die sie als E-Books selbst herausgab. Betti fragte sich, wie sie wohl auf die anderen wirkte, konnte sich aber nicht lange mit der Frage beschäftigen. Der Kursleiter begrüßte sie alle persönlich im Chat und gab kurz die Eckdaten des Kurses bekannt:Wir treffen uns zwei Mal in der Woche hier im Forum zum Live Chat, und zwar montags und donnerstags um 19 Uhr. Für die Zeit zwischen den Terminen gibt es Hausaufgaben - ob und wie ihr sie erledigt, ist natürlich euch überlassen. Für euer persönliches Vorankommen und den Verlauf des Kurses wäre es aber besser, wenn ihr die Aufgaben erledigt. Noch eine Formsache, bevor wir endgültig anfangen: In der Vergangenheit hat es sich eingebürgert, dass wir einander duzen. Das macht die Kommunikation im Internet einfacher und auch persönlicher, was durchaus auch gewollt ist. Die Erfahrung lehrt, dass man einander dann nicht so schnell missversteht. Zum Thema Kritik: Wir kritisieren stets sachlich, nie persönlich. Vergesst nicht: Jeder von uns ist mal dran, und wer austeilt, muss auch einstecken können. Fragt euch bei jeder Aussage über einen fremden Text, ob ihr noch Maß haltet und ob ihr selbst mit eurer Wortwahl umgehen könntet. Vermutlich werden sich im Laufe des Kurses immer wieder Fragen ergeben, die wir gern gemeinsam erarbeiten können. Ich bin zwar der Kursleiter, aber ich bin nicht allwissend und vor allem kein Lektor. Meine Aufgabe ist es nicht, eure Texte zu bewerten. Ich bin hier, um euch Handwerkszeug mit auf den Weg zu geben und euch anzuregen, über euren eigenen Schatten zu springen. Und jetzt lasst uns anfangen, damit wir keine Zeit verschwenden.Nachdem alle - mehr oder weniger kurz - etwas über sich erzählt hatten, ging es schon mit der ersten Einheit los. Der Kursleiter sprach über „Infodump“ und zeigte an Beispielen auf, wo der Leser gleich zu Beginn mit Informationen überhäuft und der Lesefluss empfindlich gestört wurde. „Starkstrom“ hingegen fand, dass er den Lesern doch erst mal erklären müsse, worum es in seinem Roman ginge, da man ihn sonst nicht verstehen würde. Nachdem die Gruppe aber gemeinsam zu dem Schluss kam, dass man die nötigen Informationen auch im Text verteilen kann, stimmte er zögernd zu. Die Hausaufgabe bestand nun darin, seinen eigenen Manuskriptanfang auf Infodump abzusuchen und ihn lesefreundlicher zu gestalten.
Der Kurs endete nach eineinhalb Stunden, und Betti rauchte der Kopf von den vielen neuen Informationen. Am liebsten würde sie sich sofort an ihre Barista setzen und entsprechende Szenen abändern, doch sie brauchte erst mal eine Pause. Mittlerweile war es halb neun, und Tobias müsste jeden Moment nach Hause kommen. Meist ging er montags noch ins Fitnessstudio, aber nie länger als bis Viertel vor neun. Da war er ausgesprochen zuverlässig. So wie in den meisten anderen Dingen auch. Gerade, als Betti sich einen Tee in der Küche aufgoss, kam Tobias nach Hause und ging direkt ins Badezimmer, um seine vom Sport noch feuchten Klamotten aufzuhängen. Sie lehnte sich in den Türrahmen der großen Küche und erwartete ihren zukünftigen Ehemann. „Hallo, mein Lieber!“ Sie gab ihm einen Kuss, den er stürmisch erwiderte. Seine Hand fuhr hinunter zu ihrem Po und drückte ihren Unterleib gegen seinen. Deutlich konnte sie seine Erektion spüren und seine Hände glitten über ihre Oberschenkel. „Lass uns ins Schlafzimmer gehen“, keuchte Tobias heiser in ihr Ohr, und unter vielen Küssen drängte er sie langsam in Richtung Schlafzimmer, wo sie sich auf das weiche Bett fallen ließen. Sie liebten sich schnell und heftig, und nach wenigen Minuten zog sich Tobias aus ihr zurück und rollte sich erschöpft neben sie. „So könnte es in Zukunft gerne weitergehen!“ Er grinste und legte seinen Arm um sie. Betti kuschelte sich an ihn, doch ihre Gedanken befanden sich längst nicht mehr im Schlafzimmer und drifteten immer wieder zu dem Schreibkurs ab. „Ich hatte heute den ersten Termin im Schreibkurs“, begann sie und richtete sich auf. „Und, wie war es? Was hast du gelernt?“ Sie erzählte ihm von den Kursteilnehmern, von Hannibal, Chaosmum und Starkstrom. „Wir haben uns dann Textbeispiele angeschaut, die das Prinzip schön zeigen“, führte sie weiter aus, doch Tobias unterbrach sie gähnend. „Schön, dass du etwas für dich gefunden hast.“ „Wie meinst du das?“, fragte sie irritiert und drapierte ihr Kopfkissen so, dass sie sich bequem dagegenlehnen konnte. „Na, für später ist das doch gut, oder? Als Ausgleich zum Alltag mit den Kindern“, erklärte er und rieb sich die Augen. „Ich weiß noch, wie wichtig es meiner Mutter war, neben der Erziehung auch noch andere Aufgaben zu haben. Deshalb hat sie von Anfang an die Buchführung für den Betrieb gemacht. Und es scheint ihr gut getan zu haben.“ Betti starrte ihren Verlobten an. Was wollte er damit sagen? Dass sie zu Hause bleiben und Kinder hüten solle und vielleicht nebenbei noch ein bisschen arbeiten dürfe? Sie war eine selbstständige Frau und konnte auf ihren eigenen Beinen stehen und war gewiss nicht davon abhängig, was ihr Mann ihr zugestand und was nicht. Hatte Tobias tatsächlich so ein antiquiertes Rollenbild? Doch ihr zukünftiger Ehemann konnte ihr nicht mehr antworten. Er hatte sich mit einem Seufzer auf die andere Seite gedreht und war eingeschlafen. Betti hingegen lag im dunklen Schlafzimmer noch lange wach und spürte dem unangenehmen Gefühl im Magen nach, das sich langsam auszubreiten begann.
Drei Tage später hatte sich Renate zum Kaffee bei Betti angemeldet. Eigentlich hatte Betti ihren freien Donnerstagnachmittag für die Bearbeitung ihrer Barista nutzen wollen, aber sie ahnte, dass ihre zukünftige Schwiegermutter triftige Gründe für diesen plötzlichen Besuch hatte. Schon mit ihrem energischen Klingeln machte Renate deutlich, dass dieser Termin wichtig war, und Betti eilte zur Tür, um zu öffnen.