Heart of Rock: Drei Akkorde für die Liebe - Lilith van Doorn - E-Book

Heart of Rock: Drei Akkorde für die Liebe E-Book

Lilith van Doorn

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Beschreibung

Wie stark bist du, wenn dich deine Vergangenheit einholt?
Alex, Sänger der Straight Crew, steht vor den Trümmern seiner Existenz und muss eine schwierige Entscheidung treffen - doch wie viel kann die noch junge Liebe von Janni und Alex ertragen? Ein spannender Roman über Liebe und Verlangen, Intrigen und Verrat und das Überwinden eines alten Traumas.
»Aber so funktioniert Leben nicht. Leben ist unberechenbar. Jeden Tag, Stunde für Stunde, geschehen Dinge, die niemand vorherzusehen vermag. Dinge, die man nicht ändern kann. Und Dinge, die man nicht ändern will.« Sein Blick ergreift meinen, das Meergrün seiner Augen hüllt mich ein, ein leichtes Lächeln umspielt seine Lippen. »Und manchmal braucht man eben eine Weile, um das zu erkennen.«

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Lilith van Doorn

 

Heart of Rock

Drei Akkorde für die Liebe

 

Teil 3 von 3

 

Liebesroman

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Über das Buch

Anmerkung

Über die Autorin

Heart of Rock 3 - Drei Akkorde für die Liebe

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Epilog

Liebe Leserin, lieber Leser!

Heart of Rock 4 - Bettis Entscheidung

Deep Skin – Unter der Haut

Impressum

Über das Buch

 

Wie stark bist du, wenn dich deine Vergangenheit einholt?

 

Alex, Sänger der Straight Crew, steht vor den Trümmern seiner Existenz und muss eine schwierige Entscheidung treffen - doch wie viel kann die noch junge Liebe von Janni und Alex ertragen?

Ein spannender Roman über Liebe und Verlangen, Intrigen und Verrat und das Überwinden eines alten Traumas.

 

„Aber so funktioniert Leben nicht. Leben ist unberechenbar. Jeden Tag, Stunde für Stunde, geschehen Dinge, die niemand vorherzusehen vermag. Dinge, die man nicht ändern kann. Und Dinge, die man nicht ändern will.“

Sein Blick ergreift meinen, das Meergrün seiner Augen hüllt mich ein, ein leichtes Lächeln umspielt seine Lippen.

„Und manchmal braucht man eben eine Weile, um das zu erkennen.“

 

Anmerkung

Handlung und Personen sowie Songschnipsel sind frei erfunden; eventuelle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder realen Begebenheiten sind rein zufällig.

Die Geschichte um Janni, Alex und die Straight Crew startet mit „Heart of Rock - Wie küsst man einen Rockstar?“, der zweite Teil heißt „Heart of Rock - Unplugged ins Glück“.

 

Über die Autorin

Lesen und Schreiben waren schon immer wichtig für mich – logisch, dass ich irgendwann selbst mit dem Schreiben begann.

Mehrere Jahre lang veröffentlichte ich Kriminalromane und Kurzkrimis in großen und kleinen Verlagen, erhielt Stipendien und Preise und schrieb wissenschaftliche Veröffentlichungen.

Obwohl meine Romanfiguren stets sinnliche Erlebnisse haben, wollte ich mehr. Ich wollte sie nicht nur gelegentlich ins Bett schicken, wollte nicht mehr die Schlafzimmertür vor den Leserinnen und Lesern verschließen. Ich wollte meinen Figuren erotische Momente schenken, und zwar richtig. Leidenschaftlich, unverblümt und direkt.

Das erste Ergebnis dieser Schreiblust ist die Heart of Rock-Trilogie, die Ihnen beim Lesen hoffentlich so viel Freude bereitet wie mir beim Schreiben.

Heart of Rock 3 - Drei Akkorde für die Liebe

 

1. Kapitel

 

„Ich habe Kim getötet!“

Ein Blitz zuckt über den Himmel und erhellt die Wiener Nacht nur kurz, bevor sich das wolkenschwere Grau wieder über die Stadt legt. Der Donner folgt mit einem lauten Schlag, lässt beinahe den Boden unter meinen Füßen vibrieren. Die Regentropfen sind schwer und prasseln unaufhörlich auf den Asphalt.

Es ist erschreckend, wie das Wetter meine derzeitige Stimmung repräsentiert. Als befände ich mich in einem Film.

Alex' letzte Worte liegen wie Blei auf meinen Schultern, drücken mich nieder und machen mir das Atmen schwer.

Das schmale Vordach des Hotels reicht nicht annähernd aus, mich vor dem Unwetter zu schützen. Die Bank aus billigem grünem Kunststoff ist klatschnass, aber ich setze mich trotzdem darauf, obwohl ich genauso gut in mein Hotelzimmer gehen und mich auf dem Bett ausheulen könnte.

Doch hier bemerkt niemand meine Tränen, auch ich nicht. Ich kann sie kaum von den Rinnsalen unterscheiden, die mir der Regen ins Gesicht zeichnet.

Ich muss meine Gedanken sortieren, und das fällt mir verdammt schwer. Sie fliegen wie Kolibris auf Speed durch meinen Kopf, mal hierhin, mal dahin, und ich kann sie einfach nicht einfangen oder wenigstens beruhigen.

„Ich habe Kim getötet!“, ist der letzte Satz, den ich von Alex gehört habe.

Dabei wollte ich nur wissen, was vor sieben Jahren passiert ist, warum die gesamte Straight Crew von einem Tag auf den anderen Straight Edge wurde. Warum die Bandmitglieder an diesem Tag allem abschworen, was ihnen irgendwie die Sinne vernebeln könnte: Alkohol. Drogen. Und warum ausgerechnet Alex Straight Edge so krass durchzieht, dass er sich sogar Sex versagt. Doch statt mir eine Antwort zu geben, lief er einfach davon, knallte die Garderobentür hinter sich zu und ließ mich mit meiner Verwirrung, der Trauer und der Wut allein zurück.

Wütend springe ich auf, gehe vor der Bank auf und ab. Das Wasser läuft mir am Nacken unters T-Shirt, es ist eiskalt und kitzelt am Rückgrat. Doch das spüre ich kaum, weil ich gleichzeitig das Gefühl habe, von innen zu verbrennen.

 

Die anderen sitzen jetzt vermutlich in ihrem Band-Bus, dem riesigen, orangefarbenen Ungetüm, mit dem sie auf Tournee sind.

Sie.

Nicht ich.

In dieser Nacht kann ich nicht mit ihnen im Bus schlafen, ich ertrage es einfach nicht. Ich fühle mich verraten und belogen. Wenn sie mir wenigstens erklärt hätten, was da vor sieben Jahren passiert ist und warum Alex einfach davonlief. Aber Adnan, der Bassist, meinte dazu nur, das müsse Alex klären. Er würde sich nicht in Angelegenheiten seines Freundes mischen, die unsere Beziehung betreffen. Die verschlossenen Gesichter von Joschi und Viktor verrieten mir, dass ich auch von ihnen nichts erfahren würde.

Blieb noch Zoe. Aber dass sie ihrem Freund Viktor und den anderen nicht in den Rücken fallen wollte, kann ich sogar verstehen.

Langsam wird mir kalt. Meine Klamotten sind völlig durchnässt, meine Sweat-Jacke hängt wie ein schwerer Sack an mir, die Jeans klebt an den Oberschenkeln, die Chucks quietschen bei jedem Schritt. Meine Kiefer klappern aufeinander und ich ziehe die Schultern nach oben, als könnte ich mich dadurch aufwärmen.

Ein weiterer Donner kracht durch die Nacht und ich beschließe, ins Hotel zu gehen und mich unter die heiße Dusche zu stellen. Eine Erkältung kann ich momentan unmöglich gebrauchen!

 

Doch auch die Dusche half mir nicht dabei, die Gedanken zu sortieren oder wenigstens das Gefühlschaos zu mildern. Jetzt liege ich mit nassen Haaren auf dem Hotelbett und spiele ein paar Runden Tetris auf dem Smartphone. Obwohl ich darin normalerweise ganz gut bin, stapeln sich die bunten Steine blitzschnell zu einem riesigen Haufen, bis ich auch diese Runde verliere.

Wieder und wieder dröhnt Alex’ Stimme in meinem Kopf, wiederholt sich in einem endlosen Echo.

Es tut weh. Es tut so verdammt weh! Und es verwirrt mich mehr als alles, was mir bisher passiert ist. Wie kann es sein, dass dieser herzliche, zuvorkommende und liebevolle Mensch einen anderen getötet haben soll? Ist das ein Test? Will er mich schockieren, will er herausfinden, wie ich zu ihm stehe?

Und wenn er sie wirklich umgebracht hätte, dann säße er doch jetzt im Gefängnis und würde nicht auf der Bühne stehen und Frauenherzen zum Schmelzen bringen!

Es ist mir unbegreiflich, ich kann mir keinen Reim darauf machen.

Und doch hat er es gesagt.

„Ich habe Kim getötet.“

Ich pfeffere mein Smartphone auf den Sessel neben meinem Bett und setze mich auf. Es ist Viertel vor elf. Die Straight Crew dürfte in diesem Moment auf der Bühne stehen und ihre Show spielen. Die Fans werden toben und jubeln, die Frauen kreischen und „Alex, Alex!“ rufen. Meinen Alex, bei dem ich mir nicht mehr sicher bin, ob er denn überhaupt noch mein Alex ist.

Wie es ihm wohl geht?

Kurz bin ich versucht, bei WhatsApp nach neuen Nachrichten zu schauen. Aber ich habe alle Benachrichtigungen stummgeschaltet, weil ich meine Ruhe haben möchte, weil ich Zeit brauche, das Gehörte für mich in das große Ganze einzuordnen. Ich will nicht telefonieren und ich will auch keine Nachrichten lesen. Nicht jetzt.

Ich knipse die Nachttischlampe ein, und eine schwache Glühbirne taucht das einfach eingerichtete Hotelzimmer in fahles, gelbes Licht. Es ist komisch, alleine im Bett zu liegen, wenn man die Nächte zuvor an der Seite eines liebevollen und zärtlichen Mannes verbracht hat. Und das passiert ausgerechnet mir, die doch vorher immer darauf geschworen hat, das Bett höchstens für Sex mit jemandem zu teilen, und nicht zum Einschlafen und Aufwachen! Aber diese Regel habe ich auch für meinen ehemaligen Lover Mark schon zwei Mal gebrochen.

Ich hebe die Bettdecke beiseite und setze mich auf die Bettkante. Mark. Warum schleicht er sich auf einmal in meine Gedanken?

Weil es solche Situationen mit Mark niemals gegeben hätte. Wir haben uns nur getroffen, wenn wir Lust auf Sex hatten. Wir haben uns die Verbindlichkeiten einer Beziehung erspart, lebten unser Leben, wie wir wollten, ohne auf den anderen Rücksicht nehmen zu müssen. Und das war verdammt noch mal auch gut so!

Mittlerweile bin ich regelrecht in Rage und muss mich dringend ablenken. Mein Blick fällt auf die Minibar, und ehe ich mich versehe, habe ich schon die Tür geöffnet. Auf der Innenseite der Tür stecken verschiedene Schokoriegel und ich nehme mir einen. Und, bevor ich die Tür schließe, gleich noch einen.

Der Riegel zergeht verführerisch auf meiner Zunge, ich genieße die Süße und den cremigen Schmelz und schließe die Augen. Doch die Schokolade löst einen heftigen Heißhungeranfall bei mir aus, gegen den ich mich nicht wehren kann - und eigentlich auch gar nicht wehren will. Also hole ich mir eine Packung gesalzene Erdnüsse, und weil sie so schön aussieht und jetzt sowieso alles egal ist, auch eine kleine Flasche Jack Daniels.

Beim Knacken des Drehverschlusses halte ich kurz inne, doch da ist es schon zu spät. Die Flasche ist geöffnet, also muss ich sie auch bezahlen. Dann kann ich sie genauso gut trinken, denke ich und proste dem leeren Zimmer zu.

„Scheiß auf Straight Edge! Scheiß auf die Straight Crew!“

Der Whisky brennt auf der Zunge und im Hals und füllt mein Inneres mit Wärme. Ich nehme noch einen Schluck und noch einen, und nachdem das Fläschchen leer ist, gehe ich noch einmal zur Minibar. Der mit Folie umhüllte Hals einer Piccolo-Flasche lenkt meine Aufmerksamkeit auf sich, ich höre sie regelrecht nach mir rufen. Kein Problem, denke ich spöttisch und öffne sie mit einem Plopp. Weil ich zu faul bin, ein Glas zu suchen, setze ich die Flasche direkt an meine Lippen und lasse das prickelnde Getränk in meinen Mund laufen. Der Sekt schmeckt süß, aber das ist mir im Moment egal. Hauptsache, er bringt mein Gedankenkarussell zur Ruhe.

 

Mir ist schon leicht schwindlig, aber dafür sind meine Gedanken jetzt fokussiert - auf Alex' „Ich habe Kim getötet.“

Ich lasse mich auf den einzigen Stuhl im Zimmer plumpsen und stelle meinen Laptop auf den Tisch aus glänzendem Eichefurnier. Mit unsicheren Händen klappe ich den Computer auf und warte, dass er endlich hochfährt.

Die Buchstaben auf dem Bildschirm sind verschwommen, aber ich kann die Startseite der Suchmaschine noch erkennen. Weil meine Finger dummerweise so oft die Tasten verfehlen, dauert alles etwas länger als üblich. Aber für meinen mittlerweile extrem verlangsamten Geist geschieht alles trotzdem ganz schön schnell.

Obwohl ich „Straight Crew Verbrechen“ nicht einmal fehlerfrei eingeben kann, erscheinen mehrere Dutzend Trefferseiten.

Ups. Das ist viel.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich den ersten Treffer anklicke. Vor lauter Aufregung und Geflimmer gelingt es mir kaum, den Inhalt zu erfassen. Nur die Worte „Rockband“, „Sänger“, „Mörder“ und „Verbrechen“ springen mir ins Auge und wirbeln durch meinen benebelten Geist und lassen ihn erst recht Karussell fahren.

Ich kneife ein Auge zu, um den Text besser lesen zu können.

„Erfolgreicher Rocksänger vorbestraft!“, steht da, und mir wird schlagartig übel.

„Die aufstrebende Rockband „Straight Crew“ aus Hamburg feiert aktuell große Erfolge und gibt vor, moralisch über den Dingen zu stehen. Kein Alkohol, keine Drogen, wenig Fleisch und kein schneller Sex ist ihre offizielle Devise, doch hinter den Kulissen sieht es anders aus, wie wir jetzt aus ernstzunehmenden Quellen erfahren haben.

Sänger Alexis Christensen ist wegen eines Gewaltdelikts vorbestraft, das Opfer soll in enger Beziehung zum Täter gestanden haben.

Über genaue Details der Beziehungstat war bis Redaktionsschluss noch nichts bekannt.“

Ich glaube, ich muss mich übergeben.

 

*

Mein Wecker reißt mich aus einem unruhigen Schlaf und ich schrecke in die Höhe - und sinke gleich wieder stöhnend zurück ins Kissen.

Mein Kopf fühlt sich an, als wäre er in einen viel zu engen und mit Nadeln gespickten Helm gequetscht worden, und meine Zunge ist schwer und pelzig. Beim Aufsetzen wird mir schwindlig und ich muss die Augen schließen, damit sich das Zimmer nicht mehr um mich dreht.

Vorsichtig, als würde ich barfuß über Glasscherben laufen, wanke ich ins Bad, halte mich mal links, mal rechts an der Wand fest. Das Wasser aus dem Hahn am Waschbecken ist eiskalt, und ich strecke kurzerhand mein Gesicht in den Strahl und trinke, trinke, trinke.

Ich hatte vergessen, wie grässlich sich ein Kater anfühlt. Leider führt mich diese Erkenntnis sogleich wieder zu Alex und der Straight Crew, obwohl ich den ganzen Alkohol eigentlich nur getrunken habe, um genau das zu vergessen.

Verdammt!

 

Nach dem Frühstück und vier Tassen Kaffee fühle ich mich wieder halbwegs fit, aber mein Kopf dröhnt noch immer. In der Hoffnung, dass mir die frische Luft guttut, setze ich mich mit meinem Smartphone auf die alte grüne Bank, auf der ich schon gestern im Regen saß. Heute ist die Bank trocken und die Sonne scheint, als ob es das gestrige Gewitter nie gegeben hätte.

Leider taugt das Wetter heute nicht mehr als Sinnbild meiner Stimmung, denn die ist wegen des Katers noch schlechter als gestern. In solchen Situationen hat mir Betti auch früher schon geholfen, also wähle ich ihre Nummer.

„Hast du einen Moment Zeit für mich? Ich weiß, dass du gerade im Laden bist, aber mir reichen schon fünf Minuten. Oder sechs“, bitte ich und höre sie seufzen.

„Okay. Wunder dich aber nicht, wenn ich dich zwischendrin beiseitelege. Wie geht’s dir? Bist du immer noch in Wien?“

„Ja“, antworte ich zögernd und warte darauf, dass sie nachfragt.

„Fünf Minuten!“, unterbricht Betti mein Schweigen, und ich nicke ergeben.

„Betti, hier ist das totale Chaos ausgebrochen.“

Weil ich den Jammerton dabei nicht verhindern kann, hakt sie alarmiert nach. Doch auch bei ihr bemerke ich einen Unterton, der sonst nicht da ist.

„Ist irgendwas bei dir?“, will ich wissen, doch sie wimmelt mich ab.

„Erzähl du. Das ist wichtiger.“

„Ich hab dir doch erzählt, dass die Band seit sieben Jahren Straight Edge lebt, also auf Alkohol und Drogen verzichtet. Und gestern habe ich Alex gefragt, warum.“

„Und? Was hat er gesagt?“

Es kommt mir so absurd vor, dass ich es gar nicht aussprechen mag. Vielleicht habe ich mir alles ja nur eingebildet und es bleibt ein Gedankenspiel, wenn ich es nicht laut sage.

„Janni, ich hab nicht so viel Zeit. Komm auf den Punkt.“

Ein dicker Kloß breitet sich in meinem Hals aus und macht mir das Sprechen schwer. Aber wenn ich es jetzt nicht sage, werde ich es wahrscheinlich nie sagen.

„Er behauptet, dass er Kim umgebracht hat.“

„Er hat WAS?“

Bettis Stimme ist schrill und laut und tut mir in den Ohren weh. Irgendwie fühlt sich plötzlich alles ganz falsch an. Als wäre ich in einem billigen Film oder einem schlechten Traum. Ich möchte, dass es aufhört. Dass ich aufwache, und alles wieder so ist, wie es vor ein paar Tagen war.

„Das ist nicht dein Ernst, oder?“

„Das waren seine letzten Worte, bevor er gegangen ist.“

Am anderen Ende herrscht Stille und ich fürchte schon, die Verbindung ist unterbrochen, doch dann höre ich Betti schnaufen.

„Das ist echt ein starkes Stück. Wie geht es dir damit? Brichst du die Tour ab? Ich hab kein gutes Gefühl, wenn du allein mit den Typen in der Gegend herumfährst, das ist mir nicht geheuer.“

„Ich kann die Tour nicht abbrechen“, erkläre ich verzweifelt. Es dreht sich schon wieder alles um mich herum und ich weiß nicht, ob es mit dem Restalkohol zu tun hat oder mit dem Gefühlschaos, in dem ich mich befinde. Wenn ich die Homestory über die Tournee der Straight Crew nicht weiterführe, gehen die Verkaufszahlen des Kulturexpresses wieder nach unten und die gesamte Redaktion muss um ihre Jobs bangen.

„Kannst du nicht mit deinem Chef reden? Das muss er doch verstehen! Er kann dich doch nicht in dieser gefährlichen Situation lassen!“

„Gefährliche Situation?“

Ich höre im Hintergrund die Türglocke des Buchladens und Betti, die ein fröhliches „Guten Morgen“ in den Raum zwitschert.

„Kundschaft“, raunt sie in den Hörer und legt ihn mit einem Rascheln und Klappern beiseite. Sie bedient die Kunden und ich bekomme eine kurze Zeit Aufschub, um meine Gedanken zu sortieren.

Ist die Situation hier wirklich gefährlich?

Mir gehen die Worte des Onlineartikels durch den Kopf. Von einer Beziehungstat war da die Rede. Würde Alex mir wirklich etwas antun?

Andererseits hat er auch Kim etwas getan. Etwas, das so heftig ist, dass mir der Gedanke daran Gänsehaut über den Körper jagt. Ich will nicht näher darüber nachdenken, ich will einfach nur, dass sich alles als Irrtum herausstellt.

Ich stehe auf, um ein wenig umherzulaufen, doch mein Kreislauf zwingt mich mit einem erneuten Schwindelanfall zurück auf die Bank.

Geht der Kater auch irgendwann weg?

„So, da bin ich wieder“, höre ich Betti in den Hörer flüstern. „Aber ich habe wirklich keine Zeit, hier steppt der Bär. Ich verstehe einfach nicht, was da los ist. Dein toller Alex hat jemanden umgebracht, und du fährst noch seelenruhig mit ihm in der Gegend herum? Aber sonst läuft nichts mehr zwischen euch, oder?“

Wie soll ich ihr das bloß erklären?

„Wir haben uns seit gestern nicht gesehen“, weiche ich aus. „Ich habe mir ein Hotelzimmer genommen, während die Band im Bus geschlafen hat. Sie hatten gestern ein Konzert, aber das konnte ich mir nicht anschauen. Weder die Band noch Zoe haben mir verraten, was damals passiert ist, da bin ich ins Hotel gegangen, weil ich das einfach nicht mehr ertragen habe.“

„Und jetzt?“

„Bin ich immer noch im Hotel. Betti, gestern habe ich im Internet ganz schreckliche Artikel über Alex gefunden“, beginne ich vorsichtig, doch Betti unterbricht mich.

„Ich weiß.“

„Wie, du weißt? Wie meinst du das?“

Auf die Idee, Betti könnte vielleicht ebenfalls im Internet nachgeschaut haben, bin ich noch gar nicht gekommen.

„Ich hab vorhin in der U-Bahn davon gelesen. Sämtliche Boulevardmedien haben das Thema aufgegriffen. Und je größer das Blatt, desto greller der Artikel.“

Ein erneuter Schwindelanfall sucht mich heim, doch diesmal will das flaue Gefühl nicht weichen. Dass es schon so weit sein könnte, habe ich nicht erwartet, das erwischt mich eiskalt. Meldungen im Internet sind das Eine - aber ein gedruckter Artikel ist noch einmal eine ganz andere Nummer.

„Eigentlich bin ich bei solchen Meldungen erstmal vorsichtig, aber scheinbar ist es noch viel schlimmer als gedacht! Von Mord hat nämlich niemand etwas geschrieben, auch wenn die Andeutungen teilweise schon in die Richtung gingen“, fährt sie unerbittlich fort, bis ich sie unterbreche.

„Es ist ganz anders, als du denkst. Es ist nicht so, wie es in den Zeitungen steht. Nicht so schlimm“, sage ich lahm und sie antwortet mit einem unechten Lachen.

„Nicht so schlimm? Was denn dann? Janni, bist du jetzt total geblendet, oder was ist los? Blind vor Liebe?“

So hatte ich mir das Telefonat nicht vorgestellt.

„Wenn das alles stimmen würde, dann müsste er doch im Gefängnis sitzen, Betti.“

Ich sehe sie förmlich mit dem Kopf schütteln.

„Jannilein, Liebste. Ein guter Anwalt kann einen beinahe überall raushauen. Und Recht haben und Recht bekommen ist nicht das Gleiche. Nicht in Deutschland und erst recht nicht anderswo. Dass er frei herumläuft, hat nicht viel zu sagen.“

„Dann müsste er aber einen verdammt guten Anwalt gehabt haben“, erwidere ich und ärgere mich selbst über meine Zweifel. Aber ich kann nichts dagegen tun, Bettis Einwände sind nicht von der Hand zu weisen. Vielleicht kann Alex deshalb so offen mit der Tat umgehen, weil er vor Gericht freigesprochen wurde. Und ein Fall, der einmal per Gericht entschieden wurde, kann nicht noch einmal aufgerollt werden. Außer, die Beweislage verändert sich dramatisch. Aber das scheint hier ja nicht der Fall zu sein.

„Janni, tut mir leid, wenn ich dich jetzt so abwürgen muss, aber hier sind wirklich viele Leute im Laden. Eigentlich sollte ich dir als gute Freundin davon abraten, die Zeitungen zu lesen. Aber in diesem Fall gebe ich dir einfach den Tipp: Hol dir eine Tageszeitung und überleg dir gut, was du danach machst. Jetzt muss ich aber wirklich aufhören, tut mir echt leid!“

Und ehe ich es richtig kapiere, hat sie aufgelegt. Und lässt mich mit diesem Gefühlschaos allein.

 

Ich gehe zurück in den Frühstücksraum des Hotels, wo zwei Mitarbeiterinnen in Kellnerinnen-Kluft schmutziges Geschirr wegräumen, saubere Tischdecken auflegen und Stühle geraderücken.

Auf einem kleinen Tisch vor dem breiten Holzfenster liegen Tageszeitungen aufgefächert. Mit klopfendem Herzen nähere ich mich der Leseecke und hoffe, dort nur den Wirtschaftsteil oder Berichte über den kommenden Bundesliga-Spieltag zu finden.

Ich habe Pech. Von der zuoberst liegenden Zeitung grinst mich Alex an. Durch die Auflösung des Drucks wirkt sein Blick verschwommen, das Leuchten und die meergrüne Farbe seiner Augen kommen nicht zur Geltung. Aber das ist vermutlich auch nicht gewollt, denn die Textüberschrift neben dem Bild ist reißerisch und vorverurteilend: „Ist der nette Rockstar von nebenan ein Verbrecher?“

Mir bleibt fast die Luft weg und ich gebe ein unartikuliertes Geräusch von mir, als ich mir die Zeitung schnappe und damit in die Hotellobby eile. Eine der beiden Frauen ruft mir noch etwas hinterher, aber ich überhöre ihren Aufruf. Mit zitternden Fingern falte ich die Zeitung auf und überfliege den Artikel.

Der Text verschwimmt vor meinen Augen, die Worte brennen, als hätte sie jemand in Zwiebelsaft getränkt. Ich kann den Inhalt kaum aufnehmen und verarbeiten, weil mir immer wieder Worte wie „Verbrecher“, „Opfer“ und „Gewalt“ ins Auge stechen. Er enthält im Wesentlichen die Aussagen, die ich auch gestern im Internet gefunden habe, darüber hinaus aber noch einen Haufen wilder Spekulationen, die ich mir gar nicht genauer anschauen möchte.

Ich lasse mich in den Sessel sinken und knülle die Zeitung in meinen schweißfeuchten Händen zusammen. Das kann nicht sein. Das kann einfach nicht wahr sein! Es muss eine Erklärung für all das geben, es kann sich nur um einen Irrtum handeln!

Doch dann höre ich wieder Alex' Worte, sie kommen aus den Ecken des Raumes gekrochen, krallen sich wie winzige Insekten an mir fest und wispern diesen einen Satz, der alles so dramatisch verändert hat:

„Ich habe Kim getötet.“

„Hallo, junges Fräulein!“, höre ich hinter mir in breitestem Wienerisch. „Jetzt legen's die Zeitung wieder z’rück. Und machen die Seiten wieder glatt!“

Eine der beiden Hotelangestellten hat sich bedrohlich hinter mir aufgebaut und fuchtelt mit einem faltigen Zeigefinger vor meinem Gesicht herum.

„Des können’s dahoam machen, aber ned bei uns.“

„Schon gut“, murmele ich und versuche erfolglos, die Zeitung wieder zu glätten. Ohne die Dame mit den ausladenden Hüften anzublicken, gehe ich in den Frühstücksraum und lege die Zeitung mit Alex' zerknülltem Konterfei zurück an ihren Platz.

Es hat keinen Zweck, mich mit diesen Artikeln zu quälen - ich muss Alex fragen. Er muss mir einfach sagen, was damals wirklich passiert ist. Das ist er mir schuldig!

Bevor ich es mir anders überlege, hole ich mein Smartphone hervor und wähle seine Nummer. Aber ich erhalte lediglich die Nachricht, dass der Empfänger nicht erreichbar sei. Also schaue ich nun doch bei WhatsApp nach und erschrecke: Zoe hat mir heute Nacht insgesamt dreiundvierzig Nachrichten geschickt.

 

Mit klopfendem Herzen und zitternden Fingern rufe ich bei ihr an.

„Moin, Zoe. Ich bin’s.“

Sie atmet tief ein, als ich meinen Namen sage. Im Hintergrund ertönt Stimmengewirr, es klingt nach einer lebhaften Diskussion.

„Alex ist verschwunden“, sagt sie statt einer Begrüßung.

„Wie bitte?“, frage ich und hoffe, mich verhört zu haben.

„Seit er gestern aus der Garderobe gestürmt ist, hat er sich nicht mehr gemeldet. Sein Handy ist aus, und wir haben keine Ahnung, wo er sein könnte.“

Jetzt fällt mir erst auf, wie müde und übernächtigt ihre Stimme klingt, wie langsam und gedrückt sie spricht. Eine eisige Hand greift nach meinem Herzen und presst es schmerzhaft zusammen.

„Ist ihm was passiert? Ist er verletzt?“

„Janni, wir wissen es nicht“, antwortet sie erschöpft. Das Gemurmel im Hintergrund verstummt, als sie meinen Namen nennt.

„Habt ihr in den Krankenhäusern angerufen? Bei der Polizei?“, frage ich beinahe hysterisch und mit viel zu schriller Stimme.

„Natürlich. Aber dort ist er nicht. In den letzten Stunden wurde kein Verletzter irgendwo eingeliefert, auf den Alex' Beschreibung passt. Auch die Polizei weiß von nichts. Aber sie suchen ihn auch nicht. Klar. Er ist ja volljährig und kann machen, was er will.“

So abgeklärt, wie sie klingt, hat sie mit den Jungs vermutlich schon unzählige Male über sämtliche Möglichkeiten gesprochen. Die guten wie die schlechten.

„Wo seid ihr?“

„Wir stehen mit dem Bus immer noch am Donaukanal, auf dem Hof des Clubs. Wir durften hier schlafen“, seufzt sie und mir fällt siedend heiß ein, dass sie gestern Abend einen Konzerttermin hatten.

„Das Konzert ist geplatzt, es gab heftige Tumulte. Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, was gestern los war. Aber trotzdem lässt uns der Besitzer hier warten, bis wir mehr wissen. Zum Glück. Gestern Abend hat er uns noch mit Polizei und Anwalt gedroht. Mehr als tausend Menschen sind gekommen, alle wollten die Straight Crew sehen. Und Alex. Doch der ist einfach nicht aufgetaucht. Zuerst gab es einen ziemlichen Aufruhr, die Leute sind sauer und ausfällig geworden, einige haben angefangen, in der Nachbarschaft zu randalieren. Haben Mülleimer umgeworfen und Flaschen an Hauswände geworfen. Aber wir konnten ja nichts machen. Alex ist einfach untergetaucht. Wir mussten das Konzert absagen, der Veranstalter hat einen Tobsuchtsanfall bekommen und die Meute draußen wurde wirklich aggressiv und ausfallend.“

Sie schluckt und hält einen Moment inne, als müsste sie die nächsten Worte abwägen.

„Ich bin dann auf einen der großen Müllcontainer geklettert und hab den Leuten erklärt, dass wir auch nichts wissen. Dass wir uns Sorgen um Alex machen und nicht wissen, ob ihm etwas zugestoßen ist. Dann hat sich die Stimmung schlagartig geändert. Die Leute wurden ruhiger, viele sind dann sogar losgezogen, um Alex zu suchen.“

Sie lacht kurz auf.

„Wahrscheinlich waren in der Nacht Horden in der Stadt unterwegs, um Alex zu finden. Es gibt sogar einen Hashtag bei Twitter: #SuchtAlex. Aber wir haben auch dort nichts Neues erfahren. Alex ist wie vom Erdboden verschluckt.“

„Kennt er sich in Wien aus? War er schon mal in der Stadt?“

„Keine Ahnung. Wir sind jedenfalls total orientierungslos. Trotzdem werden wir ihn suchen. Irgendwas müssen wir ja tun. Wir können schließlich nicht einfach ohne ihn weiterfahren.“

Sie müssen in die Schweiz fahren, fällt mir ein. Morgen spielen sie in Bern - vorausgesetzt, Alex taucht wieder auf. Unbeschadet.

Ich weigere mich, den Gedanken weiterzuführen, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Dass er tot sein könnte oder schwer verletzt. Dass er blutend oder bewusstlos in irgendeiner Seitenstraße in einem Wiener Außenbezirk liegt, wo wir ihn niemals finden werden.

„Wir haben versucht, dich zu erreichen, aber du bist nicht ans Handy gegangen. Und weil Alex' Handy aus war, haben wir uns natürlich unseren Teil gedacht. Doch dann haben uns ein paar Fans erzählt, sie hätten Alex gesehen, wie er in Richtung Donauinsel gegangen ist. An seinen Tattoos haben sie ihn zweifellos erkannt. Und dann hat sich das Ganze verselbstständigt. Es gab diesen Hashtag bei Twitter, und daraufhin haben sich Leute gemeldet, dass sie Alex am Donaukanal gesehen haben. Allein. Da war uns klar, dass er nicht mit dir zusammen ist und auch nicht vorhat, zu dir zu gehen.“

Ich ärgere mich furchtbar, dass ich mein Handy lautlos gestellt habe. Wenn Alex etwas passiert ist, werde ich mir ewig Vorwürfe machen. Wie konnte ich nur so egoistisch sein und nur an mich denken?

---ENDE DER LESEPROBE---