Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
In diesen heiteren und mitunter schwarzhumorigen Krimikurzgeschichten nimmt Andrea Neven ihre Leser mit in ihre Heimat, die mörderisch-schöne Eifel. Egal ob Kirmes-Frühschoppen, Theateraufführung oder stiller Eifelwald – mit einer Leiche muss man immer und überall rechnen. Für diejenigen, die den Band 1 "Hochmut kommt vor dem Tod" gelesen haben, gibt es in zwei Geschichten ein Wiedersehen mit alten Bekannten. Mehr wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 139
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
ANDREA NEVEN
DEMUT KOMMT
NACH DEM TOD
Kriminelle Kurzgeschichten
© 2019 Andrea Neven
Bildbearbeitung Cover: Björn Götten
unter Verwendung von: © captblack76 – Fotolia.com
Lektorat: krimi-lektorat.de
Verlag: Andrea Neven, Auf dem Hähnchen 6, Kalenborn
ISBN 978-3-748535-15-7
In diesen heiteren und mitunter schwarzhumorigen Krimikurzgeschichten nimmt Andrea Neven ihre Leser mit in ihre Heimat, die mörderisch-schöne Eifel.
Egal ob Kirmes-Frühschoppen, Dorftheateraufführung oder stiller Eifelwald – mit einer Leiche muss man immer und überall rechnen. Für diejenigen, die den Band 1 "Hochmut kommt vor dem Tod" gelesen haben, gibt es in zwei Geschichten ein Wiedersehen mit alten Bekannten. Mehr wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten.
Inhalt
Inhaltsbeschreibung
Günter, komm mal schnell!
Im stillen Eifelwald
Ein schöner Ausblick
Frühschoppen für Fortgeschrittene
Der Bauer und die lieben Frauen
Thema heute: Die Eifeler Mainacht
Fatales Misstrauen
Traudel kommt groß raus
Irmchens Weihnachtswunder
Der Advent
Ein Schwank aus der Eifel
Schöner Mist
Eine zündende Idee
Die letzte Wende
Autorenporträt
Meine Frau Elwira behauptet – nein, fangen wir anders an: Meine Frau Elwira, deren Nerv-Faktor inzwischen bedrohlich angestiegen ist, behauptet, ich sei in den vergangenen Wochen richtig lahmarschig geworden. Das sehe ich ganz anders! Nur, weil ich nicht mehr sofort springe, sobald sie etwas von mir will, bin ich noch lange nicht lahmarschig. Ich kann nichts dafür, dass sie ohne mich nichts auf die Reihe kriegt. Die mit Piepsstimme ausgerufene Aufforderung Günter, komm mal schnell! hat sich bei ihr offenbar so sehr ins Gehirn eingebrannt, dass sie sich gar nicht mehr bemüht, etwas ohne meine Hilfe zu schaffen. Mittlerweile vergeht kaum ein Tag, an dem sie mich nicht in meiner wohlverdienten Feierabendruhe stört. Am Anfang bin ich dann heldenhaft von der Couch aufgesprungen, heute stelle ich meine Ohren lieber auf Durchzug und bleibe gemütlich liegen. Das habe ich mir nach getaner Büroarbeit und den damit verbundenen geistigen Höchstleistungen auch verdient, finde ich. Erst wenn Elwira nach etlichen Rufen, die von mir unbeachtet geblieben sind, schlecht gelaunt vor mir im Wohnzimmer auftaucht, zeige ich eine erste Reaktion. Dass diese bei Elwira überhaupt nicht gut ankommt, wird Sie wohl kaum überraschen.
Muss ich denn wirklich ihr zuliebe versuchen, die Deckenlampe in unserem Schlafzimmer zu reparieren? Ich habe von Elektrik überhaupt keine Ahnung, und mit Elwiras billiger Mehrzweckleiter stehe ich auf Kriegsfuß. Die drückt sie mir immer in die Hände, wenn ich etwas in luftiger Höhe bearbeiten soll.
Beim letzten Efeustutzen an der Hausfassade war die aufgeklappte Leiter nach dem Aufstellen nicht richtig eingerastet, was bei mir zu einem bösen Sturz geführt hat, bei dem ich mich beinahe mit der Gartenschere lebensbedrohlich verletzt hätte. Anstatt sich Sorgen um mich zu machen, hat Elwira total genervt behauptet, einem richtigen Mann wäre so etwas nicht passiert. Nur bei mir müsse man für solche Arbeiten ein doppelt gesichertes Baugerüst mit Netz aufstellen.
Früher sei ich anders gewesen. Früher … pah! Früher hätte ich mich auch über funktionierendes Licht im Schlafzimmer gefreut, heute sehne ich mich dort nach Dunkelheit.
Die Krönung meines Leitersturzes war nicht Elwiras Gemecker, wie Sie jetzt vielleicht vermuten. Nein, es war ihre Angst, die Nachbarn könnten mich blutend und jammernd im Blumenbeet liegen sehen. Deshalb hat sie mich um die Hausecke gezerrt. In einem kleinen Eifeldorf könnten sonst die dollsten Gerüchte entstehen. An einem Ende des Dorfes hieße es womöglich, ich habe eine Krankheit, die mit schlimmen Schwächeanfällen einhergeht. Am anderen Ende könne man vermuten, ich hätte mein Leben nicht mehr im Griff und sei deshalb aus dem Fenster gesprungen.
Pah! Wenn hier einer aus dem Fenster stürzt, dann ist es Elwira! Lange mache ich das Theater nicht mehr mit. Wenn ich bloß wüsste, wie ich sie am einfachsten …
Es muss ein genialer Plan her. Eine Scheidung, meinen Sie? Das wäre natürlich eine Möglichkeit, aber in unserem Fall keine gute für mich. Weder finanziell noch gütertechnisch. Deshalb soll es schon unwiderruflich mit ihr zu Ende gehen. Dann könnte ich hier in unserem schönen, rustikalen Bauernhaus in meinem Heimatort Wallenborn bleiben. Es muss nach einem tragischen Unfall aussehen.
Apropos Unfall: Mittlerweile habe ich den Eindruck, Elwira trachtet mir ebenso nach dem Leben. Die vielen Arbeiten, die ich für sie auf ihrer blöden Leiter erledigen soll, ihr angeblich defektes Elektromesser, das ich mir vergangene Woche mal genauer ansehen sollte, die verwitterte Dacheindeckung des Gartenhäuschens … fast immer sind es Gebiete, auf denen ich keine guten Kenntnisse besitze, was sie ganz genau weiß. Mich wundert, dass sie mir noch nie ein giftiges Reptil geschenkt hat. Ohne Terrarium, versteht sich! Aber irgendwann wird der Tag kommen, an dem Elwira widerfährt, was sie verdient.
»Günter, komm mal schnell!«
Was will die denn jetzt schon wieder von mir?
»Güüünter!«
So geht das jetzt seit drei Minuten. Die Frau gönnt mir echt keine Ruhe. Dieses Mal scheint es etwas besonders Dringliches zu sein. Ihre Stimme klingt beinahe flehentlich, was mich natürlich nicht zur Eile antreibt. Eher im Gegenteil. Dem Geschrei gehe ich nur ganz langsam nach.
Mit einem Mal ist Elwira ganz still. Ich schlurfe weiter den Flur entlang. In der Küche bietet sich mir ein ungewohntes Bild. Der sonst so blitzsaubere Raum hat sich in ein regelrechtes Schlachtfeld verwandelt. Blut auf der Arbeitsplatte, an den Küchenschränken und an einer Wand. Blut auf dem Boden, und Elwira liegt bäuchlings mittendrin. Ein heimliches Grinsen huscht über mein Gesicht. Das könnte der herbeigewünschte Unfall mit Happy End sein!
Ich trete vorsichtig näher und beuge mich über Elwira. Nein, zu früh gefreut, sie quakt schon wieder: »Wo warst du denn? Guck dir mal die Sauerei an. Alles nur deine Schuld!«
»Was ist los? Meine Schuld?«
»Natürlich! Du musstest ja wieder deinen Werkzeugkoffer mitten im Weg rumstehen lassen!« Elwira wirft mir einen erbosten Blick zu und setzt sich mühsam auf.
»Meinen … wer wollte denn vorhin, dass ich den Backofen wieder ans Laufen bringe?«
Bei diesem Gerät habe ich mich tatsächlich nicht lange bitten lassen. Seitdem Elwira ihre Ernährung auf Öko umgestellt hat, sind Gefrierfach und Backofen für mich sehr wichtig geworden. Ich verzichte wegen ihr doch nicht auf meine Leibgerichte. Schnell und fettig muss es sein!
Ich wette, Elwira sieht mittlerweile nicht mehr nur von außen aus wie eine Biotonne.
Ich lasse den Blick erneut durch die Küche wandern. Elwira hat sich aufgerappelt und steigt mit einem übertrieben großen Schritt über meinen zierlichen Werkzeugkoffer. Das war es wohl mit dem Happy End. Was ich anfangs für Blut gehalten habe, ist in Wirklichkeit roter Johannisbeersaft, den Elwira vorhin aus ihrem riesigen Entsafter gewonnen hat. Beim Forttragen der Auffangschale stand ihr dann angeblich mein Handwerkszeug im Weg. Dieses und mein kurzzeitiger Arbeitseifer haben nichts genützt, der Backofen ist immer noch defekt. Schöner Mist!
Nach einem schnellen Kleiderwechsel beginnt Elwira humpelnd mit dem Putzen. Dass ihre Worte: »Du könntest mir gut helfen!«, nicht als Vorschlag gemeint sind, verrät mir ihr grimmiger Gesichtsausdruck sofort.
Dem Ganzen muss ein Ende gesetzt werden! Sonst springe ich tatsächlich irgendwann freiwillig aus dem Fenster. Mit Anlauf!
Am darauffolgenden Tag hat sich Elwiras Laune nicht verbessert. Was vielleicht auch daran liegt, dass ich ihr bei der Küchenreinigung nicht geholfen habe.
Erst am Nachmittag geht sie einen Schritt auf mich zu. Dabei reicht sie mir ein Glas Bio-Cola, eine kleine Schale mit Gebäck und erklärt: »Das sind selbst gebackene Ayurvedische Chai-Kekse und Orangen-Kardamom-Plätzchen. Probier mal, die schmecken dir bestimmt.«
»Hä? Karda… was?« Ich verstehe kein Wort, und dass die Öko-Dinger schmecken, wage ich zu bezweifeln. Aber ich bin ja offen für Neues.
Elwira lächelt mir fröhlich zu, bevor sie mir den Rücken zukehrt und in Richtung Küche geht. Ich fahre die Rückenlehne meines Fernsehsessels in eine aufrechte Position und sehe Elwira nach. So schlecht, wie ich ihn in Erinnerung hatte, sieht ihr Hintern heute gar nicht aus. Kurz darauf beobachte ich etwas, das mir weniger gut gefällt. Was war das? Hat Elwira gerade ein kleines Fläschchen in ihrer Hosentasche verschwinden lassen? Jetzt wird mir auch klar, warum ich ihre Kekse unbedingt probieren soll!
Einen Teil des Gebäcks lasse ich noch vor dem ersten Bissen im Seitenfach des Fernsehsessels verschwinden. Auch die Bio-Cola rühre ich nicht an, ich bin ja nicht lebensmüde.
Als Elwira ins Wohnzimmer zurückkommt und sich die halbleere Schale in meiner Hand besieht, schwärme ich sofort von ihren Keksen. Sie scheint zufrieden zu sein und mustert mich weiter.
»Darf ich dir jetzt auch etwas Gutes tun?«, frage ich mit sanfter Stimme. »Lass dich überraschen.«
Elwira blickt kurz auf ihre Armbanduhr und nickt zaghaft.
Ich gebe ihr zu verstehen, dass sie entspannt im Wohnzimmer sitzen bleiben soll, bis ich sie rufe. Ein Glück, dass ich noch weiß, wo sie Teelichter und anderen Tinnef aufbewahrt. Nach wenigen Minuten erstrahlt unser Badezimmer im Kerzenschein, auf dem Boden liegen rote Rosenblätter aus Stoff, und aus meinem alten CD-Player erklingen die Kuschelhits von damals. Wenn das nicht hilft, dann weiß ich’s auch nicht.
»Elwira, komm mal schnell!« Meine Vorfreude wächst. Ich habe schon lange auf einen passenden Moment gewartet und denke, dass dieser nun gekommen ist.
Als sie die Badezimmertür öffnet, scheint sie ihren Augen nicht zu trauen. Ihr erstaunter Blick fällt sofort auf die Badewanne, in der das Wasser samt erfrischend ringelblumig duftendem Bio-Wohlfühlschaum langsam steigt. Diese Eigenschaften sind mir natürlich nicht aufgefallen, sie stehen in werbewirksamer Größe auf der Flasche.
»Oh, Günter, das sieht ja toll aus! Und so viele Kerzen. Hast du das alles selbst hergerichtet?«
Ich lächele und sage nur: »Klar, wer denn sonst?«
Meine Befürchtungen, dass diese Worte genervt geklungen haben, scheinen sich nicht zu bestätigen. Elwira legt gut gelaunt ihre Kleidung ab und steigt in die Wanne. »Kommst du nicht mit rein?«
Diese Frage habe ich nicht erwartet. Sieht die nicht, dass das mathematisch und physikalisch unmöglich ist? Geschweige denn, dass ich das überhaupt möchte.
»Nein, entspann du mal in Ruhe, das hast du dir verdient«, gebe ich schnell als Antwort. Die kleine, halbvolle Gebäckschale stelle ich für sie gut sichtbar auf den Badewannenrand neben die Teelichter und das volle Sektglas. Sie soll ja nicht merken, dass ich ihren Plan durchschaut habe. Mich mit Bio-Cola und Öko-Keksen vergiften zu wollen, finde ich ganz schön clever von ihr. Da mir ihre komischen Zutaten und ausländischen Gewürze fremd sind, würde mir anfangs gar nichts ungewöhnlich vorkommen. Bis mir auffallen würde, dass daran irgendetwas nicht stimmt, wäre es wahrscheinlich zu spät. Aber ohne mich!
Ich ziehe die Badezimmertür hinter mir zu und warte eine Weile.
Bevor Sie jetzt denken, ich leide an einem plötzlichen Sinneswandel und gönne Elwira tatsächlich ein Entspannungsbad, stelle ich das lieber an dieser Stelle klar. Elwira ist nicht die Einzige von uns beiden, die einen Plan geschmiedet hat. Der Unterschied: Meiner ist sehr gut durchdacht! Den CD-Player habe ich so auf der Fensterbank platziert, dass er ganz schnell versehentlich ins Badewasser fallen kann. Einen laufenden Fön hineinzuwerfen wäre mir zu heikel. Das ist der Klassiker, den man aus dem Fernsehen kennt, der wird sofort mit Mord in Verbindung gebracht. Das ist bestimmt auch hier in der Vulkaneifel so. Bei einem CD-Player sieht das anders aus, finde ich. Der kann dem Badenden durchaus selbst in die Wanne rutschen. Bei Elwira soll es demnach keine Entspannung, sondern Hochspannung in der Badewanne geben! Das ist bei unserem alten Bauernhaus und der ebenso alten Elektrik kein Problem, da habe ich mich schlau gemacht.
Bevor ich ins Badezimmer gehe, atme ich einmal tief durch. Vom Quietschen der Tür lässt Elwira sich offenbar nicht stören. Sie hat die Augen geschlossen und schnarcht leise. Ich neige mich vorsichtig nach vorne, um den CD-Player zu erreichen. Dann halte ich inne, Elwira sieht so friedlich aus. Unsicherheit keimt in mir auf. Was, wenn mein Plan schiefgeht? Wir hatten auch viele schöne Jahre zusammen. Dann denke ich: Ich kann das nicht, in mir steckt kein Mörder. Oder doch? Mich irritiert nicht nur die leere Gebäckschale. Meine Gedanken überschlagen sich. Gerade als ich meine Hand zurückziehen will, wacht Elwira auf. Sie erschrickt und packt mich am Unterarm. Meine Finger schlagen gegen den CD-Player. Ich rufe noch: »Elwira, pass auf!«, aber es ist zu spät. Der Strom erreicht nicht nur Elwiras, sondern auch meinen Körper. Die Folgen sind Kammerflimmern und Herzstillstand. In meinem vorletzten Moment fällt mein Blick auf die leere Keksschale. In meinem letzten Moment sehe ich noch das Etikett des Fläschchens, das Elwira vorher in ihrer Tasche hat verschwinden lassen und das jetzt am Wannenrand steht. Ein Aphrodisiakum.
Und ich hatte mich schon von dem Gedanken verabschiedet, dass Elwira und ich noch mal etwas Knisterndes zusammen erleben würden. Aber unsere Ehe war nie ein Wunschkonzert gewesen.
Albert liebt sein Schießgewehr,
und hasst die Ruth dagegen sehr.
Ruth liebt ihren neuen Hut,
Alberts Alter macht ihr Mut.
Albert möchte wieder jagen,
ohne Ruth vorher zu fragen.
Ruth ist ihn leid, den ganzen Streit,
sie macht zum Shoppen sich bereit.
Albert vermisst sein liebes Geld,
die kauft ja noch die ganze Welt!
Ruth möchte nicht mehr warten,
wünscht sich einen neuen Garten.
Albert hat was in der Hand,
die Gefahr hat Ruth sogleich erkannt.
Sie hat den Braten längst gerochen,
möchte jetzt was Gift’ges kochen.
Doch Albert mag heute nichts essen,
er hat noch was im Wald vergessen.
Dort hätt´s der Albert hören müssen,
neben all den and’ren Schüssen.
Ruth hat nun sein Schießgewehr,
zur Jagd geht Albert nimmermehr.
Wie ein aufmerksames Erdmännchen streckte Lothar seinen Kopf in die Höhe. »Margit, jetzt guck doch mal. Da drüben ist doch wer.« Der 54-Jährige erhob sich schnell von seinem Stuhl.
Margit ließ sich von der Aufbruchsstimmung ihres gleichaltrigen Gatten nicht anstecken, sie blieb zeitunglesend am Küchentisch sitzen. Sie kannte seine blühende Fantasie.
Lothar hastete zum Küchenfenster, warf einen Blick hinaus auf die Straße, die spärlich beleuchtet wurde, und stolperte anschließend zur Haustür hinaus. Das musste er sich aus der Nähe ansehen. Am Nachbargrundstück angekommen, sah Lothar nicht nur ein rotes Auto mit Bitburger Kennzeichen, das er noch nie in Georgs Einfahrt gesichtet hatte, sondern auch eine dunkle Gestalt, die sich dessen Haus langsam näherte. Lothar war sich sicher, dass es sich dabei um die Person handelte, die vorhin beim Abendbrot seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Schwarze Kleidung und Handschuhe, Taschenlampe, Skimaske – so lief man in der Eifel nicht mal in der Karnevalszeit herum. Es sei denn …
Margit stand nun doch von der gemütlichen Eckbank auf und schlappte zum Küchenfenster. Sie beobachtete, wie Lothar im Licht der Straßenlaterne in gebückter Haltung über Georgs gepflasterten Hof huschte. Kurz darauf klebte er förmlich mit dem Rücken an der massiven, beigefarben verputzten Hauswand und schritt seitwärts daran entlang.
»Der guckt eindeutig zu viel Fernsehen, und abspecken müsste der auch noch mal«, murmelte sie vor sich hin. »Jetzt kriecht der auch noch auf allen vieren über den Rasen. Wenn den einer sieht … megapeinlich!« Margit hielt sich entsetzt die Augen zu.
Lothar hatte sich an dem hölzernen Gartenhäuschen vorbei bis zur Hausecke geschlichen, von wo er einen guten Blick auf Georgs Terrassentür hatte. Dort begann der Vermummte, mit Werkzeug am Türschloss herumzufummeln.
Mittlerweile war Lothar aus ihrem Blickfeld verschwunden. Margit machte sich keine Sorgen, sondern einen Tee.
Lothar kratzte sich ratlos am Hinterkopf. Was war nun der beste Weg? Sein Herzschlag wurde schneller. Dann geschah etwas, das er in diesem Moment überhaupt nicht gebrauchen konnte. Georgs Festnetztelefon klingelte. Als der Hausherr das Gespräch in der Nähe eines gekippten Fensters mit kräftiger Stimme annahm, ergriff der vermeintliche Einbrecher die Flucht – und zwar in Lothars Richtung. Das Aufeinandertreffen verlief für Lothar kurz und schmerzhaft. Der Maskierte zog ihm eins mit der Taschenlampe über den Schädel. Er ging zu Boden und blieb dort so lange liegen, bis ihm jemand auf die Beine half.
»Was machst du denn schon wieder auf meinem Grundstück?«, wollte Georg genervt von Lothar wissen. »Du blutest ja alles voll!«
Lothar fasste sich vorsichtig an den Kopf, er hatte sich eine Platzwunde zugezogen. »Da war dieser maskierte Kerl, der hat mir … ich wollte nur …«
»Lothar, deine Vorwitzigkeit bringt dich irgendwann um. Guck dir die Sauerei an, alles voll mit Erde und Scherben. Stapfst hier einfach auf meinem Grund und Boden rum«, unterbrach Georg forsch. »Der große Gartenzwerg war neu! Und teuer!«
»Das war ich nicht, ich hab extra einen großen Bogen um dein Blumenbeet gemacht. Das muss der Eindringling gewesen sein. Da stand ein rotes Auto mit Bitburger Kennzeichen in deiner Einfahrt.«
»Welches Auto? Da steht kein Auto, und ich sehe hier nur einen einzigen Eindringling.« Georg stemmte die Hände in die schmalen Hüften und starrte Lothar grimmig an.
Als Lothar zu einer Erklärung ansetzen wollte, kam Margit um die Hausecke gebogen. »Was ist denn hier los? Tut mir leid, Georg, ich konnte ihn nicht aufhalten, er ist aus unserer Küche gestürmt. Das ist schon ein Weilchen her, deshalb bin ich jetzt rübergekommen. Wenn ein Wagen auf deinem Hof stehen würde, wäre ich zu Hause geblieben. Ich möchte dich nicht stören, wenn du Besuch hast«, plapperte Margit drauflos.