Der andere Kunsthändler - Shelia Fisher - E-Book

Der andere Kunsthändler E-Book

Shelia Fisher

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Beschreibung

Seit der Ankunft von Clive Henderson und seinen Begleitern in Kenia gehen in dem Farmhaus merkwürdige Dinge vor sich. Die gekappten Telefonleitungen und das plötzlich verschwundene Personal sind erst der Anfang. Als Clive und Violet auf der Suche nach weiteren ominösen Gemälden mit Waffen bedroht werden, gerät nicht nur ihr eigenes Leben in Gefahr. Doch auf die Unterstützung von Clives bestem Freund Alexander können sie im Moment nicht hoffen, denn sein suspektes Verhalten muss einen Grund haben und den gilt es herauszufinden. Deshalb entschließt sich Clive zu einer Planänderung und erhält dabei unerwartete Hilfe von einem alten Bekannten. Allerdings sorgt dieser für einige Turbulenzen und zusätzliche Überraschungen. Wird es Clive gelingen, diese Herausforderungen zu meistern?

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Shelia Fisher ist das Pseudonym der deutschen Autorin Silke Fischer.

Sie wurde 1967 geboren und lebt mit ihrer Familie und Hund am Niederrhein.

Nach abgeschlossenem Wirtschaftsstudium hat sie viele Jahre mit Zahlen jongliert, die sie in der letzten Zeit öfter in Buchstaben umwandelte.

Besuchen Sie die Autorin im Internet:

www.sheliafisher.de

für Tiffany und Jens

my joy and my hero

Inhaltsverzeichnis

Prolog: Clive

Chapter 1: Clive

Chapter 2: Clive

Chapter 3: Clive

Chapter 4: Clive

Chapter 5: Clive

Chapter 6: Clive

Chapter 7: Violet

Chapter 8: Violet

Chapter 9: Clive

Chapter 10: Clive

Chapter 11: Violet

Chapter 12: Violet

Chapter 13: Clive

Chapter 14: Clive

Chapter 15: Violet

Chapter 16: Clive

Chapter 17: Clive

Prolog

Clive

Wenn ich auf die letzten Wochen in meinem Leben zurückblicke, habe ich - bildlich gesehen - eine wilde Achterbahnfahrt hinter mir.

Begonnen hat alles mit den unhaltbaren Vorwürfen von häuslicher Gewalt, die ich meiner Ex-Frau Emma - liebevoll nenne ich sie Satan - angetan haben soll. Ihr nicht vorhandenes schauspielerisches Talent bei dem Scheidungsverfahren veranlasste die Richterin, meine Unschuld lückenlos zu bestätigen. Emma wird sich mit dem Urteil nicht zufriedengeben, denn ihre Anschuldigungen hatten nur einen Grund: ein großes finanzielles Vermögen aus der Scheidung herauszuschlagen.

Wirklich Zeit, nach dem Desaster zur Ruhe zu kommen, gönnte mir mein Schicksal nicht. Sofort schickte es mir eine neue Frau, die noch gefährlicher war als Satan: Mrs. Clark, die absolut nicht meinem Frauentyp entsprach. Ihre stechend blauen Augen verursachten nicht nur einmal ein flaues Gefühl in meiner Magengegend.

Kennengelernt habe ich sie durch ihre Bestellungen von außergewöhnlichen Kunstgegenständen, die ich allerdings nur auf illegale Weise beschaffen konnte. Durch einen Zufall - und ich glaube nicht an Zufälle - enttarnte mein bester Freund Alexander Mrs. Clarks wahre Identität. Eigentlich hätte ich es vorab ahnen müssen, dass sie für die Internationale Behörde - sie ist die Leiterin der Kommission gegen den illegalen Handel von Kunstschätzen - arbeitet. Übrigens ist ihr richtiger Name Violet Donovan.

Als sich zusätzlich herausstellte, dass sie ebenfalls in demselben Haus wohnt wie ich, musste ich tätig werden und herausfinden, was diese Frau vorhat. Bei einer Einladung zum Dinner überraschte sie mich mit einigen Offenbarungen und dabei wurde mir klar, dass durch sie meine gesamte Existenz in Gefahr war.

Eigentlich reichte dieser Umstand, um sie zu hassen, doch irgendetwas hatte sie an sich, was mich immer wieder in ihre Nähe lockte. Der schreckliche Überfall auf sie in New York - der, wie ich nun weiß, von ihrem Chef, Mr. Joss, inszeniert wurde - bescherte mir eine andere Sichtweise auf manche Dinge und zog mich immer tiefer in den Strudel undefinierbarer Gefühle für sie hinein.

Zusätzlich sorgte die geheime Suche nach vier ominösen Gemälden aus dem 16. Jahrhundert für heftige Turbulenzen, die von Tag zu Tag gefährlicher wurden. So hatte ich eines Abends eine Begegnung mit einem Mitglied der Familie Casa, eines Mafia-Clans, der Rom im Untergrund beherrscht. Nicht nur er zeigt Interesse an den Gemälden, sondern die britische Regierung ebenfalls. Die katholische Kirche ihrerseits versucht seit Jahrhunderten, die Entschlüsselung der Gemälde zu verhindern. Den Grund dafür kennen nur sie und ich bin mir sicher: sollte man den wahren Inhalt herausfinden, dann müssen die Geschichtsbücher umgeschrieben werden.

Da ich mich bereits im Besitz eines dieser Gemälde befinde und ich Violets Mutter, Valerie Spencer - eine renommierte Künstlerin -, mit der Restaurierung beauftragt habe, sind wir alle gespannt und zugleich aufgeregt, was uns erwartet, sobald wir das Geheimnis gelüftet haben.

Ich befinde mich zum jetzigen Zeitpunkt in Begleitung von Violet, ihrer Grandma, Will sowie Alexander und meiner Schwester Sammy in Kenia. In dem Farmhaus von Mrs. Paravon, welches in der malerischen Umgebung einer Kaffeeplantage liegt, sind wir auf der Suche nach den noch fehlenden Gemälden.

Allerdings ist mir gerade ein törichter Fehler unterlaufen und mein Schicksal wird entscheiden, ob ich dieses faszinierende Stück Land lebend wieder verlasse.

Chapter 1

Clive

Kenia, Farmhaus auf der Kaffeeplantage, 12 Uhr

Verflucht! Vor Aufregung, einen wertvollen Fund entdeckt zu haben, merkten Violet und ich nicht, was um uns herum passierte.

Ein fataler Fehler!

Erst das Geräusch, welches entsteht, sobald man eine Waffe entsichert, lässt uns den Atem anhalten. Zusätzlich höhnt eine männliche Stimme: „Ich merke, wir erscheinen zum richtigen Zeitpunkt!"

Genau in diesem Moment schnappt die Falle zu.

Jetzt steht nicht nur meine Existenz, sondern auch unser Leben auf dem Spiel. Ich bin bereit, all das vehement zu verteidigen und das große Küchenmesser - welches ich noch in der Hand halte - umklammere ich fester, um es im Notfall einzusetzen.

Nachdem ich mit Violet ermutigende Blicke ausgetauscht habe, drehen wir uns gleichzeitig um und sehen in die Läufe von Gewehren, die von zwei Einheimischen auf uns gerichtet sind. „Was machen Sie da?“, ruft der ältere von den Männern.

„Nach was sieht es denn es aus?“, blaffe ich. „Ich putze das Haus!“

„Mit einem Messer?“, knurrt der Mann und deutet mit dem Gewehrlauf auf meine Hand.

„Eine neue und noch unerprobte Methode“, antworte ich.

„Meine Herren, bitte!“, beschwört Violet und versucht, dabei eine versöhnliche Miene zu ziehen. „Wir können das Missverständnis bestimmt aufklären. Nur nehmen Sie doch bitte die Waffen herunter.“

„Solange wir nicht wissen, wer Sie sind, werden wir gar nichts tun“, sagt der jüngere Mann und sieht uns dabei finster an.

„Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“ So langsam beginnt mich die Situation zu nerven.

„Ich bin der Verwalter dieses Anwesens und das ist mein Sohn. Allerdings gehen hier seltsame Dinge vor sich und das will ich aufklären!“

Da sind wir schon mal zwei Personen!

„Was meinen Sie damit?“, frage ich, obwohl ich ahne, auf was er hinauswill.

„Ich wurde gestern plötzlich vom Grundstück abberufen und sollte mich dringend um ein einige Kilometer entferntes Objekt kümmern. Das hat es noch nie gegeben“, empört sich der Verwalter.

„Wer hat das veranlasst?“, frage ich sofort.

„Die Besitzerin, Mrs. Paravon.“

„Hat sie Ihnen das persönlich in einem Telefonat erklärt?“, frage ich weiter.

„Nein. Das ist ja das Kuriose daran. Ich erhielt eine E-Mail von Mrs. Paravon. Allerdings hat sie mit mir noch nie über diesen Weg kommuniziert, sondern stets alles telefonisch geklärt.“

Soweit ich weiß, besitzt die alte Dame weder einen Laptop noch ein Smartphone.

„Das ist alles total suspekt“, fährt er fort. „Ich sollte mich ursprünglich persönlich um einen Clive Henderson kümmern und mit ihm ein Gemälde suchen und jetzt sind Sie hier. Ich verstehe das alles nicht. Außerdem … wo ist das gesamte Personal hin?“, flucht er.

„Ob Sie es mir glauben oder nicht … ich bin Clive Henderson …“, sage ich. „Wir sind alle unter falschem Namen eingereist. Wo das Personal ist, kann ich Ihnen leider auch nicht erklären.“

„Das wird ja immer kurioser!“

„Genau!“, krächzt es.

Die Stimme kenne ich doch.

„Will? Grandma? Was macht ihr denn hier?“, ruft Violet und sie klingt dabei verzweifelt. Mit dem Kopf deutet sie dabei auf die Einheimischen, die immer noch mit den Gewehren auf uns zielen.

„Euch zur Hilfe eilen“, brummt Will und lädt sein Gewehr durch.

Jetzt wird es gefährlich.

„Also ich bin nur hier, weil ich den Rum vergessen habe“, erklärt Granny.

„Den Rum vergessen?“, fragt der ältere Einheimische und schüttelt dabei ungläubig den Kopf. Dann gibt er seinem Sohn zu verstehen, dass er seine Waffe senken soll. „Ich weiß nicht, was hier wirklich vor sich geht und vielleicht ist es auch besser, wenn ich es nie erfahre“, murmelt er vor sich hin.

Für mich ist das die Gelegenheit, unbeschadet vom Stuhl zu steigen und als versöhnliche Geste lege ich das Küchenmesser darauf. „Warten Sie! Mister …“, beginne ich. „Ich möchte Ihnen etwas zeigen“, sage ich, ziehe die zusammengefaltete und ausgedruckte E-Mail von Mrs. Paravon aus meiner Hosentasche und überreiche sie ihm. „Diese Nachricht habe ich vor einer Stunde erhalten.“

Nur zögerlich nimmt der Verwalter den Brief entgegen und reicht ihn gleich weiter an seinen Sohn. „Kannst du ihn bitte laut vorlesen, denn ich habe meine Brille vergessen.“

Der junge Mann kommt ohne Umschweife der Bitte seines Vaters nach und alle Anwesenden lauschen gespannt seinen Worten.

Als er fertig ist, schüttelt Will vehement den Kopf und knurrt: „Das könnte eine Falle sein … du sollst von hier weggelockt werden und unbedingt nach Rom reisen. Bist du dir sicher, dass die alte Dame wirklich verstorben ist?“

„Nein! Wie sollte ich? Ohne eine Telefonverbindung kann ich sie nicht erreichen“, sage ich.

„Wie? Das Telefon funktioniert auch nicht?“, fragt der Verwalter und sieht erst mich und danach Will mit verzweifelter Miene an.

„Die Kabel sind durchtrennt worden“, antwortet Will. „Das habe ich bei unserem letzten nächtlichen Streifzug entdeckt.“

„Jetzt weiß ich auch, warum ich hier abgezogen wurde“, knurrt der Verwalter. „Allerdings bin ich mir jetzt sicher, dass Mrs. Paravon nicht dahintersteckt. Wenn sie wirklich tot ist, wie es in der E-Mail steht, spielt jemand ein ganz perfides Spiel mit uns allen. Ich schlage vor, wir bereiten uns auf einen Überfall vor, denn nicht umsonst ist das gesamte Personal verschwunden. Das ist noch nie passiert. Mr. Henderson, Sie sind laut dieser E-Mail jetzt der neue Besitzer dieser Farm. Wie lauten Ihre Befehle?“

Was bin ich? Moment!

„Noch ist es nicht bestätigt“, sage ich schnell, „dass Mrs. Paravon verstorben ist. Bis dahin bleibt sie die Eigentümerin. Wir werden Ihnen natürlich zur Seite stehen. Ich habe nur eine Bitte an Sie. Sobald Mr. Alexander Grant hier wieder eintrifft, erfährt er weder etwas von irgendwelchen versteckten Gemälden noch von anderen Kunstgegenständen. Auch die gekappten Telefonleitungen und das verschwundene Personal sind kein Thema. Haben Sie mich verstanden?“

„Das war klar und deutlich, Sir. Ich habe aber auf Anweisung von Mrs. Paravon für Sie ein bestimmtes Gemälde bereits gesucht …“

„Darüber unterhalten wir uns später“, falle ich ihm ins Wort.

„Natürlich!“, bestätigt er.

„Du misstraust Alexander?“, fragt Will, der mich, als ich dem Verwalter meine Anweisungen mitgeteilt habe, unentwegt angesehen hat.

„Du etwa nicht?“

„Ich bin ganz auf deiner Seite.“

„Naja … ich bin einfach nur vorsichtig“, entgegne ich und hoffe zwar, dass ich mit meinem Verdacht falsch liege und sich Alexanders seltsames Verhalten schnellstens aufklärt. Das ist auch ein Grund, warum er von dem kompromittierenden Gemälde, welches sich bereits in meinem Besitz befindet, nichts weiß.

„Psst … hört ihr das?“, krächzt Granny.

Das sind Motorengeräusche.

Jetzt bleibt uns keine Zeit mehr, uns auf einen Überfall vorzubereiten.

„Wir sollten Stellung beziehen“, knurrt Will und bedenkt uns alle mit einem bedeutungsschweren Blick.

„In den Geheimgang?“, fragt Granny und reibt sich vor Anspannung die Hände. „Das ist alles so aufregend“, flötet sie weiter.

„Woher wissen Sie davon?“, fragt der Verwalter und ihm ist anzusehen, dass er mehr als überrascht ist.

„Ich bin nachtaktiv und zufällig dort gelandet“, entgegnet Granny und schielt ihn dabei über den Rand ihrer roten Hornbrille an.

Dass der Verwalter ihr kein Wort glaubt und ihre Behauptung mit einem lapidaren „Aha …“, kommentiert, ist absolut nachvollziehbar.

„Zeig uns den Geheimgang“, bitte ich stattdessen Granny.

„Und ob …“, sagt sie voller Stolz. „Folgt mir!“ Mit extra großen Schritten schreitet sie voran und öffnet eine - für das bloße Auge kaum sichtbare - in die Wand eingelassene Tür.

„Ihr seid letzte Nacht wirklich fleißig gewesen“, lobe ich sie.

„Schlafen können wir, wenn wir tot sind“, entgegnet Will.

Daran will ich jetzt nicht denken.

Bevor das Motorengeräusch vor dem Farmhaus erstirbt, sind wir alle hinter der Geheimtür verschwunden und befinden uns zu meiner großen Überraschung in dem sogenannten Bediensteten-Gang. Dieser ist ungefähr einen Meter breit und so hoch, dass jeder gut darin stehen kann. Nur leider ist er spärlich beleuchtet, was uns die Suche erschwert.

Im letzten Jahrhundert war es üblich, dass das Personal nur über diesen Gang die Zimmer ihrer Herrschaften betreten durfte.

Viel Zeit, um über diese menschenverachtende Bauweise nachzudenken, bleibt mir nicht, denn als ich eine Frauenstimme „Schaaatz?“ rufen höre, weiß ich unweigerlich, wer gekommen ist.

Meine Schwester und wahrscheinlich Alexander.

Ich muss nicht lange warten, um ihre Absätze auf dem Holzfußboden im Wohnzimmer zu hören. „Hier ist niemand!“, sagt sie und klingt dabei enttäuscht. „Nicht einmal Personal ist da. Ich habe aber Hunger. Soll ich mir etwa mein Essen selbst zubereiten?“

„Wo sind denn alle hin … verdammt!“, flucht Alexander. „Ich dachte, Clive sucht nach den Gemälden. Wenn er die nicht findet, bin ich im Arsch!“

„Was ist mit deinem Hintern, Schatz?“

„Nichts … das war nur eine dumme Redensart von mir. Komm mit … lass uns nach Clive suchen."

Erst als ihre Schritte langsam verhallen, trauen wir uns wieder zu atmen.

„Alexanders Aussage gefällt mir nicht“, flüstert Violet, die eng neben mir steht.

„Mir auch nicht“, antworte ich und fahre nachdenklich fort: „Er ist seit der Schulzeit mein bester Freund und hat mir nicht erst einmal meinen Arsch gerettet. Was auch immer hinter seiner Aussage steckt, ich werde es herausfinden.“

„Können wir jetzt wieder aus dem stickigen Gang verschwinden?“, bemerkt Granny. „Ich habe immer noch keinen Rum gefunden.“

„Du hast Probleme“, blafft Violet ihre Großmutter

an.

„Ist doch so“, verteidigt sich diese.

„Wo führt dieser Gang hin?“, frage ich und sehe dabei den Verwalter an. Bevor dieser mir antworten kann, erklärt Granny: „Ich weiß es!“, und drängt sich an uns vorbei.

Tatsächlich gibt es eine Möglichkeit, das gesamte Haus ungesehen zu umgehen. Auf diese Weise gelingt es uns, das Gebäude durch den Hinterausgang zu verlassen und wir entdecken dabei Alexander und Sammy, wie sie durch das angrenzende Gelände staksen. Genauer gesagt: nur Sammy, denn sie trägt immer noch ihre High Heels.

Wir schleichen uns unterdessen in die andere Richtung davon und kommen zusammen - scheinbar wild diskutierend mit dem Verwalter und seinem Sohn - die Auffahrt zur Farm zurückgelaufen.

Meine Schwester entdeckt uns dabei zuerst und schreit bereits von Weitem: „Brüderchen … du bist doch hier.“

Granny, die neben mir läuft, brummt: „Rum würde ihr bestimmt ebenso guttun wie mir.“

Eigentlich will ich es nicht, trotzdem huscht mir ein hämisches Grinsen über das Gesicht.

Alexander nimmt mich nach Sammys Freudenschrei sofort mit einem angespannten Gesichtsausdruck ins Visier. „Hast du die Gemälde gefunden?“, ruft er mir zu.

Ich antworte ihm erst, als ich nah genug vor ihm stehe. „Darf ich dir den Grundstücksverwalter, Mr. … ähm wie war doch gleich Ihr Name?“, frage ich.

„Kumo, Sir.“

„Ah … stimmt“, lüge ich, denn ich habe in der ganzen Aufregung vergessen, schon vorher nach seinem Namen zu fragen. „Also … das ist Mr. Kumo und sein Sohn“, stelle ich beide vor.

„Schön …“, antwortet Alexander und wirft den Männern nur einen flüchtigen Blick zu. „Was ist jetzt mit den Gemälden?“, drängt er.

„Jetzt bleib mal schön ruhig. Violet hat ein Exemplar in einem der Gästezimmer entdeckt.“

Das ist natürlich nicht das, was wir in Wirklichkeit suchen.

„Oh … toll“, faselt Alexander.

Alle anderen schweigen betreten und beobachten ihn heimlich. Für einen Moment kann man nur das Rauschen des Windes in den Bäumen hören. Das stimmt so nicht, denn es zwitschern auch ein paar Vögel.

Die Ruhe hält nicht lange an, denn plötzlich johlt Granny los: „Das müssen wir feiern. Wir brauchen Rum …“

Verstohlen beobachte ich daraufhin Alexander und dieser scheint nicht zu wissen, wie er sich verhalten soll. Deshalb zieht er bei Grannys Aussage eine fürchterliche Grimasse und zu meiner Enttäuschung ist er nicht in der Lage, mir in die Augen zu sehen.

„Hast du eine Ahnung, wo das gesamte Personal verblieben ist?“, will ich nun von ihm wissen.

„Ich habe keinen Plan, was hier vor sich geht“, murmelt er und vergräbt seine Hände tief in seinen Hosentaschen.

„War der Sex letzte Nacht nicht gut oder warum bist du plötzlich so schlecht drauf?“, zische ich ihm leise zu.

„Doch … doch … alles gut … ich glaube, ich werde krank … ich fühle mich nicht so gut … ich sollte wieder nach London zurückfliegen … und wenn du willst, kann ich das besagte Gemälde mitnehmen … ihr könnt euch stattdessen in dieser Idylle noch ein paar schöne Tage machen.“ Bei seinen Worten sieht er kurz auf und versucht, eine versöhnliche Miene zu machen. Dabei entgeht mir nicht, dass seine Augenlider leicht flattern.

„Dein Vorschlag ist sehr lobenswert“, betone ich voller Ironie.

Soll ich wirklich glauben, dass mich Alexander hintergeht?

„Wir haben noch nicht alle Gemälde gefunden …“, werfe ich ein.

„Eins reicht doch, Clive. Ich finde, das ist alles zu gefährlich und der Einsatz dafür ist viel zu hoch.“

„Weißt du mehr als ich?“, frage ich und gebe mich erstaunt.

„Nein … nein …“, beschwichtigt er. „Ich bin nur von dem Thema etwas genervt und würde das Kapitel ominöse Gemälde gerne schließen.“

„Ich nicht!“, sage ich provokant. „Gerade habe ich Kurs auf das nächste Schiff genommen und plane eine weitere Kaperung!“

„Oh!“, ruft Alexander aus und ist sichtlich überrascht. Nervös wühlt er daraufhin in seiner Jackett-Tasche.

„Schatz! Was suchst du?“, flötet meine Schwester, die uns anscheinend beobachtet hat.

„Die Zigaretten!“, flucht Alexander.

„Die hast du doch im Haus vergessen … deshalb sind wir doch schon wieder hier.“

„Stimmt! Wie dumm von mir.“

Alexander vergisst nie seine Zigaretten! Nie!

Was hat er wirklich vor?

„Wollt ihr noch länger als Zielscheibe dienen?“, blafft Will plötzlich.

„Nein!“, antworte ich nachdenklich und sehe mich daraufhin nach allen Seiten um. Ich kann im Moment nur diesen prächtig blühenden Garten und die saftig grünen Wiesen entdecken, die definitiv keine Gefahr für uns darstellen. Was ist das doch für ein faszinierendes Stück Erde, auf dem wir uns gerade befinden? „Du hast recht, Will … es ist ziemlich naiv von uns … unter den gegebenen Umständen!“, setze ich nach.

Chapter 2

Clive

Kaffeeplantage in Kenia, Farmhaus, 23 Uhr

Noch bis vor Kurzem waren Will, Mr. Kumo und ich mit der Reparatur der Telefonleitungen beschäftigt. Alexander kam später dazu und zu unser aller Überraschung wusste er genau, wo man mit den Instandsetzungsarbeiten beginnen musste. Natürlich liegt da der Verdacht nahe, dass er besonders mir etwas verschweigt. Ich weiß, dass ich jeden anderen verdächtigt hätte, an der Sabotage beteiligt gewesen zu sein, doch bei Alexander gilt im Moment der Bonus unserer langjährigen Freundschaft.

Sobald wir die Reparatur erfolgreich beendeten, drängte Alexander auf einen schnellen Rückflugtermin, den wir daraufhin für 5 Uhr morgens am nächsten Tag mit einer Fluggesellschaft, die unter anderem auch Privatflüge organisiert, vereinbarten. Das bedeutete für mich, dass ich bis dahin das richtige Gemälde gefunden haben muss. Deshalb warte ich momentan voller Ungeduld auf den Verwalter, Mr. Kumo. Zusammen mit Violet wollen wir uns auf die Suche nach dem besagten Gemälde begeben.

Mrs. Paravon hat dem Verwalter gegenüber die Vermutung geäußert, dass sich das Gemälde im Wohnzimmer - versteckt in einem Wandschrank - befinden könnte, deshalb haben wir beschlossen, den Bediensteten-Gang für unsere Suche zu nutzen. So ist es hoffentlich möglich, den Wandschrank von der Rückseite her zu öffnen und sollte unsere Expedition erfolgreich sein - was ich erwarte -, können wir so auf diesem Weg das Gemälde in Sicherheit bringen. Um uns den Rückzug abzusichern, haben Will und Granny angeboten, sich in der Nähe des Wohnzimmers aufzuhalten.

Ein hervorragender Plan.

„Wann kommt Mr. Kumo endlich?“, fragt Violet, die auf dem Bett sitzt und dabei nimmt sie ihre Haare im Nacken zusammen, dreht sie mehrmals, um sie dann auf die rechte Schulter zu legen.

„Du bist nervös?“, frage ich, als ich das sehe.

„Eher angespannt, würde ich sagen … es ist irgendwie auch wahnsinnig aufregend und ich bin dir sehr dankbar, dass ich mit nach Kenia kommen durfte“, sagt sie.

„Ich bin froh, dass du hier bist“, antworte ich und würde sie jetzt am liebsten küssen. Während ich noch überlege, ob ich einfach zu ihr hingehen soll, klopft es verhalten an unsere Zimmertür.

Ein unpassender Zeitpunkt.

„Das ist er bestimmt“, ruft Violet und springt auf. In den nächsten Sekunden ist sie bereits an der Tür und doch öffnet sie diese erst, nachdem sie sich mit einem Blick zu mir abgesichert hat.

„Du kannst nachsehen, wer draußen ist“, flüstere ich und greife zur Vorsicht an meine Pistole, die am Rücken in meinem Hosenbund steckt.

Violet öffnet daraufhin nur einen Spalt die Tür und - wie erwartet - steht Mr. Kumo in Begleitung von Will und Granny davor. Mit einem leichten Kopfnicken grüßt er und gibt uns danach mit einem Handzeichen zu verstehen, dass wir ihm folgen sollen.

Während Granny und Will ins Wohnzimmer verschwinden, gehen wir weiter. Vorsichtig öffnet Mr. Kumo die quietschende Eingangstür zum Bediensteten-Gang und verschwindet augenblicklich dahinter. Wir folgen ihm und ich schließe die Tür von innen und hoffe, dass die Geräusche uns nicht verraten haben. Für ein paar Sekunden verharre ich und dann folge ich Violet und dem Verwalter den Gang entlang - der parallel zum Wohnraum verläuft - bis zur nächsten Ecke. Wenn unsere Vermutungen korrekt sind, müsste sich genau dort der Wandschrank befinden.

Während Mr. Kumo sein mitgebrachtes Werkzeug aus seinem Rucksack holt, hocke ich mich hin und klopfe leise die dunkelbraune Holzverkleidung ab. Leider kann ich keinen Unterschied im Klang ausmachen und deshalb bleibt mir nichts anderes übrig, als mit einem kleinen Brecheisen - welches mir Mr. Kumo reicht - vorsichtig ein Stück der Verkleidung zu lockern. Zu unserem Verdruss verbirgt sich darunter nur eine kahle Wand.

Innerlich beginne ich jetzt schon zu fluchen.

Bei einem weiteren Stück ergeht es mir nicht anders und plötzlich vernehmen wir aus dem Wohnzimmer Stimmen. Unmittelbar stelle ich meine Arbeit ein und sehe zu Violet, die ihren Zeigefinger auf den Mund legt und mir damit andeutet, dass ich leise sein soll.

„Haben die hier immer noch keinen Rum im Haus?“, krächzt es aus dem Wohnzimmer und sogleich kann ich ein Kratzen und Klopfen an der Wand ausmachen. Mr. Kumo reagiert sofort und gibt mir mit einem Zeichen zu verstehen, wo sich die besagte Stelle an der Wand befindet.

Ich bin mir sicher, dass Granny nicht vordringlich den Rum gesucht hat, denn sie ist bereits nach dem Eintreffen des Personals mit dem köstlichen Getränk versorgt worden.

Jedenfalls ist der Schrank nicht dort, wo wir ihn vermutet haben, sondern ungefähr einen Meter weiter links. Das darauffolgende Ablösen eines weiteren Stücks der Holzverkleidung bringt uns dem erklärten Ziel näher und zaubert mir ein triumphierendes Grinsen ins Gesicht.

„Was ist das?“, fragt Violet, die jetzt mit einer von Mr. Kumo gereichten Taschenlampe in den entstandenen Hohlraum leuchtet.

„Das muss es sein“, flüstert der Verwalter. „Mrs. Paravon hat mir erzählt, dass das besagte Gemälde in einen dunkelroten Samtstoff eingewickelt ist.“

Und genau dieser leuchtet uns wohlwollend entgegen.

Behutsam und so leise wie möglich löse ich weitere Stücke der Verkleidung, damit wir besser an das Gemälde herankommen. Mit viel Sorgfalt ziehen wir es danach heraus und schon fast ehrerbietig entfernen wir die dunkelrote Samtdecke.

„Oh … nein“, jammert daraufhin Violet und sieht schockiert zu mir.

„Wow … damit habe ich jetzt nicht gerechnet“, murmle ich und betrachte unseren Fund voller Skepsis.

„Ist es das Gemälde, was Sie gesucht haben, Mr. Henderson?“, fragt Mr. Kumo und an seiner Tonlage kann man hören, wie ungläubig er ist.

„Das kann ich Ihnen nicht sagen“, presse ich hervor und streiche mir vor Anspannung die Haare aus dem Gesicht.

„Ich denke schon …“, murmelt Violet und fährt mit ihrem Zeigefinger über den verschnörkelten goldfarbenen Holzrahmen des Gemäldes. „Auf den ersten Blick könnte der Rahmen aus dem 15. bis 16. Jahrhundert stammen. Also aus der Zeit, als der Künstler mit dem magischen M lebte. Nur ist verdammt nochmal kein Motiv zu sehen“, mault sie und klopft vorsichtig auf die schwarz gestrichene Holzplatte, mit der das Gemälde versiegelt wurde.

„Was für ein Desaster. Kann man die Leinwand erkennen?“, will ich wissen.

„Nein, sie ist ebenfalls mit einer schwarzen Platte abgedeckt“, erklärt Mr. Kumo.

Was für ein beeindruckender Fund. Wenn mich meine Intuition nicht täuscht, wird die Entschlüsselung des Motivs ein sensationelles Geheimnis ans Tageslicht bringen.

Allerdings kann man erst Genaueres sagen, sobald das Gemälde in meiner Galerie gründlich untersucht wurde. Eins ist jetzt schon gewiss: die nächsten Tage werden nicht langweilig werden.

Doch jetzt ist Eile geboten. Vorsichtig schlagen wir die dunkelrote Samtdecke wieder um das Gemälde, als wir plötzlich Will fragen hören: „Was suchst du denn zu dieser Zeit noch hier?“

„Ich kann nicht schlafen“, antwortet eine männliche Stimme.

Alexander!

Sofort tauschen Violet, Mr. Kumo und ich entsetzte Blicke aus.

„Wissen Sie, ob Clive schon schläft?“, fragt Alexander und er klingt niedergeschlagen.

„Natürlich!“, antwortet Granny energisch. „Was wollen Sie denn um diese Uhrzeit von ihm?“

„Ich muss mit ihm reden … dringend!“

„Das hat Zeit bis morgen!“, wiegelt Granny freundlich ab. „Kommen Sie mit mir aufs Zimmer und dann trinken wir zusammen ein Glas Rum. Das hilft immer … egal, was man für Sorgen hat.“

„Sie wissen nicht …", ruft Alexander und plötzlich höre ich, wie Schritte verhallen.

„Er ist einfach gegangen“, bemerkt Granny - und das besonders laut.

Ich bin mir sicher, dass das ein Zeichen für uns war.

Mr. Kumo und ich setzen daraufhin so schnell wie möglich wieder die Holzverkleidung instand. Danach bringen wir das Gemälde zur Tür und mit einem vereinbarten Klopfzeichen öffnet Will uns von außen. „Alexander ist weg!“, sagt er, „und er sah ziemlich mitgenommen aus.“

Darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen.

Granny erwartet uns bereits vor unserem Zimmer und deutet mit ausschweifenden Gesten an, dass wohl im Moment keine Gefahr von Alexander oder anderen verdächtigen Personen ausgeht.

Jetzt das gefundene Gemälde zu dem anderen aus dem Gästezimmer in den dafür eigens präparierten Koffer zu verstauen, ist schnell erledigt. Auch die fingierten Kaufverträge auszufüllen - die ich als Blanko-Vordrucke immer mit mir führe - ist kein Hexenwerk. Allerdings bereitet mir die Motivbeschreibung für das dubiose Gemälde etwas Kopfzerbrechen, denn schreibe ich völlig schwarz, wird der dümmste Zöllner stutzig. Also entscheide ich mich für das Motiv einer weiß blühenden Kaffeepflanze. Sollten wir allerdings in eine Kontrolle geraten, bin ich in einer akuten Erklärungsnot. Deshalb werde ich den Plan für den Rückflug ändern und ich weiß auch schon, wen ich dafür anrufen muss.

***

Inzwischen ist es weit nach Mitternacht, als Violet und ich erschöpft ins Bett fallen.

„In ein paar Stunden müssen wir schon wieder aufstehen“, jammert sie und kuschelt sich unter ihre Decke. Dass sie auch heute nur ein schwarzes Negligé trägt, ist mir natürlich nicht verborgen geblieben, aber ich versuche, es stur zu ignorieren.

„Ich will hier noch nicht weg“, murmelt sie, nachdem sie schon die Augen geschlossen hat.

Ich auch nicht!

Doch das spielt im Moment keine Rolle. Sobald Violet eingeschlafen ist, schlüpfe ich wieder in meine Kleidung und hole aus dem Geheimfach meines Koffers eine kleine Plastiktüte - in der sich ein hochbrisanter Inhalt befindet - heraus. Damit in der Hand schleiche ich aus dem Zimmer zu einem heimlichen Treffen.

Chapter 3

Clive

Kenia, Farmhaus, 3.30 Uhr

Verstohlen schiele ich auf die Uhr von meinem Smartphone und stelle fest, dass es bereits 3.30 Uhr ist. Es wird langsam Zeit, sich auf die Rückreise vorzubereiten.

Der Fund des ominösen Gemäldes - gepaart mit Alexanders auffälligem Verhalten - hat mich zu einer Kursänderung und einem heimlichen Treffen veranlasst. Violet bekam von alldem nichts mit, denn sie schlief schon tief und fest - wie jetzt auch noch.

Leise, um sie nicht zu wecken, schleiche ich ins Bad und ziehe mich um. Als ich es eine Viertelstunde später wieder verlasse, blinzelt sie mir entgegen.

„Guten Morgen“, sagt sie leise. „Habe ich verschlafen?“

„Nein, schöne Frau“, säusle ich und stecke mir dabei meine Pistole am Rücken in den Hosenbund. „Ich musste ein paar Sicherheitsvorkehrungen treffen und deshalb bin ich schon so früh auf.“

„Ist irgendetwas passiert?“, fragt sie und setzt sich auf. Dabei rutscht ihr unbeabsichtigt die Bettdecke zur Seite und ihr schwarzes Negligé kommt zum Vorschein.

Das ist jetzt ein ungünstiger Zeitpunkt.

„Es wäre mir sehr recht, wenn du dir etwas anziehen würdest“, nuschle ich und mein Blick zu ihr ist leicht verfänglich. „Ich bin auch nur ein Mann … und außerdem kommt gleich Alexander.“

„Was soll ich denn da sagen?“, jammert Violet. „Dann schließe alle Knöpfe an deinem Hemd und sieh gefälligst nicht so unverschämt gut aus!“

Das sagt eine Frau zu mir, die ich jetzt trotz der widrigen Umstände verführen möchte, weil sie einfach unwahrscheinlich sexy auf mich wirkt.

„Was will Alexander hier?“ Violet sieht mich bei ihrer Frage mit verklärtem Blick an und ich glaube, das liegt nicht an der Tatsache, dass er hier gleich auftaucht.