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Der erste Band von Jon Fosses international gefeierter "Heptalogie" – über einen Künstler und verschiedene Arten zu leben, über Liebe, Glauben und das Vergehen der Zeit. Asle, ein Maler, lebt seit dem Tod seiner Frau allein in einem kleinen Ort bei Bjørgvin, einer Stadt an der Südwestküste Norwegens. Er will nicht mehr malen, was er sieht, sondern will bis zu einem Punkt vordringen, der hinter dem Gegenständlichen liegt. In seinem gerade vollendeten Ölgemälde etwa, auf dem sich zwei breite Pinselstriche kreuzen, bringt er ein besonderes Licht zum Vorschein, ein beinahe göttliches Leuchten. Seine einzigen Freunde sind sein alter Nachbar Åsleik, ein Fischer und Kleinbauer, der Junggeselle ist, sowie Beyer, sein in der Stadt lebender Galerist. Dort lebt auch ein anderer Asle, der ebenfalls Maler, aber dem Alkohol verfallen und sehr einsam ist – zwei Versionen eines Menschen, zwei Versionen eines Lebens. Dass sie einander in der Weihnachtszeit begegnen, ist das Herzstück des Romans. Vor dem Hintergrund der norwegischen Landschaft, dem Meer, den Fjorden, erzählt Jon Fosse in diesen ersten beiden Teilen seines großen Romanprojekts "Heptalogie" auf eindringliche, geradezu betörende Weise von den existentiellen Fragen des Lebens, von Liebe und Einsamkeit, Leben und Tod, von Licht und Schatten, Glaube und Hoffnungslosigkeit - und vom Wesen der Kunst.
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Seitenzahl: 575
Jon Fosse
Heptalogie I–II
Roman
Jon Fosse, einer der größten europäischen Autoren und Dramatiker, ist in diesem ersten Band seines Opus magnum wieder ein Meister der Sprache, der Musik.
Asle, ein Maler, lebt seit dem Tod seiner Frau allein in einem kleinen Ort bei Bjørgvin, einer Stadt, die an der Südwestküste Norwegens liegt. Er will nicht mehr malen, was er sieht, sondern will bis zu einem Punkt vordringen, der hinter dem Gegenständlichen liegt. In seinem gerade vollendeten Ölgemälde etwa, auf dem sich zwei breite Pinselstriche kreuzen, bringt er ein besonderes Licht zum Vorschein, ein beinahe göttliches Leuchten.
Seine einzigen Freunde sind sein alter Nachbar Åsleik, ein Fischer und Kleinbauer, der Junggeselle ist, sowie Beyer, sein in der Stadt lebender Galerist. Dort lebt auch ein anderer Asle, der ebenfalls Maler, aber dem Alkohol verfallen und sehr einsam ist – zwei Versionen eines Menschen, zwei Versionen eines Lebens. Dass sie einander in der Weihnachtszeit begegnen, ist das Herzstück des Romans.
Vor dem Hintergrund der norwegischen Landschaft, dem Meer, den Fjorden, erzählt Jon Fosse in diesen ersten beiden Teilen seines siebenteiligen Opus magnum auf eindringliche, geradezu betörende Weise von den existentiellen Fragen des Lebens, von Liebe und Einsamkeit, Leben und Tod, von Licht und Schatten, Glaube und Hoffnungslosigkeit – und vom Wesen der Kunst. Alles ist immer da, nichts ist vergangen, also fließen Vergangenheit und Gegenwart in eins. «Langsame Prosa» nennt er dieses melodiöse Buch, dabei ist sein wunderbar kreisendes, tastendes Schreiben auch bisher schon nicht hastig gewesen. Jetzt erreicht es eine neue Qualität.
«Jon Fosse zu lesen ist ein unbedingtes Erlebnis. Es ist schwer, fast unmöglich, sich der Suggestivität seiner Prosa zu entziehen, ihrer biblischen Wucht.» Der Tagesspiegel
Jon Fosse, 1959 in der norwegischen Küstenstadt Haugesund geboren, gilt als einer der wichtigsten europäischen Schriftsteller unserer Zeit. International bekannt wurde er zunächst durch seine mehr als dreißig Theaterstücke, die weltweit aufgeführt werden und ihm zahlreiche Preise einbrachten. Für seinen Roman «Trilogie» bekam er den Literaturpreis des Nordischen Rates verliehen. Auch die Bände seines Werks «Heptalogie» wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und waren u.a. für den Booker International Prize nominiert. Seit 2022 ist Fosse Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. 2023 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
Hinrich Schmidt-Henkel, geboren 1959, lebt in Berlin. Seit 1995 ist er Jon Fosses deutsche Stimme. Er übersetzt unter anderem auch Jean Echenoz, Édouard Louis, Tomas Espedal und Tarjei Vesaas. Ausgezeichnet wurde er mit dem Jane Scatcherd-Preis, dem Paul-Celan-Preis des Deutschen Literaturfonds und dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW (zusammen mit Frank Heibert).
Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel «Det andre namnet. Septologien I–II» bei Det Norske Samlaget, Oslo.
Die Publikation der Übersetzung wurde von NORLA, Norwegian Literature Abroad, gefördert.
Die Zeichensetzung in diesem Buch folgt den musikalisch-rhythmischen Besonderheiten der Prosa Jon Fosses.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Oktober 2019
Copyright © 2019 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
«Det andre namnet. Septologien I-II» Copyright © 2019 by Det Norske Samlaget, Oslo
Covergestaltung Anzinger und Rasp, München
Coverabbildung Foto von Lachlan Gowen on Unsplash, Elen11/iStock
ISBN 978-3-644-00193-0
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
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Und ich will ihm geben einen weißen Stein; und auf den Stein ist ein neuer Name geschrieben, den niemand kennt als der, der ihn empfängt.
Offenbarung
Dona nobis pacem.
Agnus Dei
Für Anna
Und ich sehe mich dastehen und das Bild mit den beiden Strichen anschauen, einer ist lila, einer braun, sie kreuzen sich in der Mitte, ein längliches Bild, und ich sehe, dass ich die Striche langsam und mit dicker Ölfarbe gemalt habe, und sie hat getropft und wo die braune und die lila Linie einander kreuzen, mischt die Farbe sich schön und tropft herab und ich denke, das ist kein Bild, aber zugleich ist das Bild genau, wie es sein soll, es ist fertig, es ist nichts mehr daran zu tun, denke ich, und ich muss es wegschaffen, ich will es nicht mehr auf der Staffelei stehen haben, ich will es nicht mehr sehen, denke ich und ich denke, heute ist Montag, und ich denke, ich muss das Bild zu den anderen Gemälden stellen, an denen ich arbeite, mit denen ich noch nicht fertig bin, sie stehen mit der Rückseite, den Keilrahmen nach vorn, an der Wand da zwischen der Tür zur Kammer und der Tür zum Flur, unter dem Haken, an dem die braune lederne Schultertasche hängt, darin sind Skizzenblock und Bleistift, und dann schaue ich zu den beiden Stapeln mit fertigen Bildern, die neben der Küchentür an der Wand lehnen, ich habe schon ein knappes Dutzend größerer Gemälde fertig, dazu noch vier, fünf kleinere, so in etwa, insgesamt sind es vierzehn Bilder und sie stehen auf zwei Stapel verteilt nebeneinander dort bei der Küchentür und es ist nicht mehr lange hin, bis ich eine Ausstellung habe, die meisten Bilder sind mehr oder weniger quadratisch, wie sie es nennen, denke ich, aber inzwischen male ich auch lange, schmale Bilder, und das Bild mit den beiden sich kreuzenden Strichen ist rechteckig, wie sie es nennen, aber das Bild will ich nicht in meiner nächsten Ausstellung haben, denn eigentlich mag ich das Bild nicht und vielleicht ist es auch gar kein Gemälde, nur zwei Striche, oder vielleicht will ich es für mich behalten und es nicht verkaufen? denn es gibt auch Bilder, die ich für mich behalten und nicht verkaufen will, und dies gehört vielleicht dazu, obwohl ich die Gemälde gar nicht mag? ja obwohl man das Bild vielleicht missglückt nennen muss, möchte ich es vielleicht aufbewahren und für mich selber haben? und ich weiß nicht, warum ich es behalten will zusammen mit den wenigen anderen Bildern, die ich auf dem Dachboden stehen habe, unter der einen Schräge dort, von denen ich mich nicht trennen will, oder vielleicht, ja vielleicht will Åsleik das Bild haben? ja als Weihnachtsgeschenk für seine Schwester? denn jedes Jahr zur Adventszeit bekommt er ein Gemälde von mir, das er seiner Schwester dann zu Weihnachten schenkt, und von ihm bekomme ich Fleisch und Fisch und Feuerholz und noch andere Sachen, ja und dann dürfen wir nicht vergessen, dass er im Winter auch meine Auffahrt räumt, wie Åsleik immer sagt, ja das auch, und wenn ich sage, was so ein Gemälde in Bjørgvin kostet, wenn ich sie verkaufe, ja dann sagt Åsleik, unbegreiflich, dass die Leute so viel für ein Bild ausgeben wollen, ja wer das tut, der muss es ganz schön dicke haben, sagt er und ich sage, ich kann verstehen, dass er das viel Geld findet, ich finde das auch, und Åsleik sagt, wenn das so ist, dann ist das für ihn eigentlich ein guter Handel und dann macht er seiner Schwester jedes Jahr ein zu teures Weihnachtsgeschenk, sagt er und ich sage ja, ja, und dann ist es still und dann sage ich, ich stecke ihm noch ein paar Scheine zu für das Lammfleisch und das Pökelfleisch und den Laugenfisch und das Feuerholz und für das Schneeräumen, und vielleicht eine Tüte mit bisschen was zu essen, wenn ich in Bjørgvin einkaufen war, sage ich und er sagt etwas verlegen, ja, das mache ich ja, Recht, wem Recht gebührt, sagt er und ich denke, das hätte ich nicht sagen sollen, denn Åsleik will kein Geld oder etwas anderes annehmen, aber wenn ich doch meine, dass ich genug habe zum Zurechtkommen, mehr als nur notdürftig, und er doch so gut wie pleite ist, ja dann stecke ich ihm doch rasch und unbemerkt ein paar Scheine zu und wir tun so, als würden wir es irgendwie nicht bemerken, und ebenso, wenn ich in Bjørgvin einkaufen war, dann kaufe ich auch immer etwas für Åsleik mit, denke ich, denn ich mag zwar wenig Geld verdienen, aber verglichen mit dem, was ich verdiene, verdient er so gut wie gar nichts, denke ich und ich blicke auf die Stapel mit den fertigen Gemälden, die da stehen, flach an der Wand, die selbstgemachten Keilrahmen nach vorn, und jedes Bild hat einen Titel und der steht mit dicker schwarzer Ölfarbe oben auf dem Rahmen, und das Gemälde ganz am Rand, auf das ich gerade schaue, das heißt Und die Wellen schlagen ihrs, ja Titel sind wichtig für mich, sie sind wie ein Teil des Bildes selbst und immer schreibe ich sie mit schwarzer Ölfarbe oben auf den Blindrahmen, und meine Keilrahmen, die baue ich selbst, das habe ich immer gemacht und werde es machen, solange ich male, denke ich und ich denke, eigentlich sind das vielleicht zu viele Bilder für eine Ausstellung, aber ich nehme sie alle mit und gebe sie in der Galleri Beyer ab und dann soll lieber Beyer selbst ein paar wegstellen da im Nebenraum von seiner Galerie, in der Bank, wie er den Raum nennt, wo er Bilder lagert, die gerade nicht ausgestellt werden, denke ich und dann gehe ich wieder zu dem Bild mit den beiden Strichen, die einander kreuzen, und schaue es an, beide sind dick gemalt, pastos, wie sie es nennen, und die Ölfarbe hat ein wenig getropft und dann ist so ein ganz wunderlicher Farbton entstanden, wo die beiden Striche einander kreuzen, eine schöne Farbe ohne Namen, wie es so häufig geht, denn man kann natürlich keinen Namen für all die zahllosen Farben erfinden, die es gibt, denke ich und ich trete ein paar Meter von dem Bild zurück und ich bleibe stehen und ich schaue es an und dann mache ich das Licht aus und dann stehe ich da und schaue das Bild im Dunkeln an, denn draußen ist es dunkel, in dieser Jahreszeit ist es den ganzen Tag lang dunkel, oder fast dunkel, denke ich und ich schaue das Bild an und meine Augen gewöhnen sich allmählich an die Dunkelheit und ich sehe die Striche, sehe sie sich kreuzen, und ich sehe, dass viel Licht in dem Bild ist, ja viel unsichtbares Licht, und darum, ja darum ist es wohl doch ein gutes Gemälde vielleicht, denke ich, und ich will das Bild nicht länger ansehen, denke ich und dann stehe ich da und schaue das Bild doch an, und jetzt muss ich damit aber aufhören, denke ich und dann schaue ich zu dem runden Tisch dort vor dem Fenster, rechts und links an dem runden Tisch stehen zwei Sessel und in dem einen, dem linken, da habe ich immer gesessen und sitze ich heute, und in dem rechten hat immer die Ales gesessen, ja solange sie lebte, aber dann ist sie so viel zu jung gestorben und daran will ich nicht denken, und ihre Schwester Alida, die ist auch so viel zu jung gestorben und ich will nicht daran denken, denke ich und ich sehe mich da auf meinem Sessel sitzen und zu derselben Stelle schauen, auf die ich immer schaue, da auf der Sygnesee, meinen Peilpunkt, der Wipfel der Fichte unterhalb von meinem Haus soll mitten in der mittleren Glasscheibe von meinem zweiflügeligen Fenster sein, im rechten Teil, denn das Fenster hat zwei Flügel und beide Flügel kann man öffnen und beide Teile des Fensters sind in drei Scheiben aufgeteilt und in der Mitte des rechten Flügels soll sich der Wipfel von der Fichte befinden und ich habe die Fichte im Auge und an meinem Zielpunkt kann ich die Wellen dort im Dunkeln sehen und ich sehe mich da sitzen und auf die Wellen schauen und ich sehe mich zu meinem Auto gehen, das vor der Galleri Beyer steht, ich trage meinen langen schwarzen Mantel, über der Schulter habe ich die braune lederne Schultertasche, und ich bin eben im Kaffeehaus gewesen, aber heute habe ich nicht so Appetit gehabt und darum habe ich mir wie sooft schon kein Essen bestellt, nur ein Brot mit Bulette und Zwiebeln, und jetzt ist es schon spät am Tag und ich habe alles, was ich in Bjørgvin hatte einkaufen wollen, also ist es jetzt Zeit, dass ich nach Hause nach Dylgja fahre, eine gar nicht so kurze Fahrt, trotz allem, denke ich und ich setze mich ins Auto und lege die braune Schultertasche auf den Beifahrersitz und ich lasse den Motor an und dann fahre ich aus Bjørgvin raus auf der Strecke, die Beyer mir früher mal beigebracht hat, ja einmal hat er mir beigebracht, wie ich nach Bjørgvin rein- und wieder hinausfahren kann, wie ich zur Galleri Beyer reinfahren und dann dieselbe Strecke in der umgekehrten Richtung wieder zurückfahren kann, denke ich und ich fahre aus Bjørgvin raus und gerate in die gute Dösigkeit, die man manchmal beim Fahren kriegt, und ich sehe, dass ich jetzt bald an dem Häuserblock vorbeifahre, wo Asle wohnt, da in Skutevika, dicht am Wasser liegt der Block und davor ist ein kleiner Anleger, denke ich und ich sehe Asle da auf dem Sofa liegen und er zittert, am ganzen Leib zittert er und Asle denkt, kann das Zittern nicht mal aufhören? und er denkt, gestern Abend hat er sich einfach nur auf das Sofa schlafen gelegt, weil er es einfach nicht geschafft hat aufzustehen und sich auszuziehen und ins Bett zu gehen, und er hat nicht einmal mehr mit dem Hund, Brage, rausgehen können, der hat jetzt sicher ordentlich Druck, denkt er, und jetzt darf er nicht so zittern, er zittert ja am ganzen Leib, nicht nur die Hände, denkt Asle und er denkt, jetzt muss er aber aufstehen und in die Küche rübergehen und einen Schluck nehmen, damit dieses Zittern endlich aufhört, denn gestern Abend hat er sich nicht ausgezogen und ist nicht ins Bett gegangen, nein er ist auf dem Sofa liegen geblieben und hat seinen Rausch ausgeschlafen, denkt er und jetzt liegt er da und schaut vor sich hin und zittert am ganzen Leib, zittert immer nur, denkt er, und alles ist, ja was ist es? ein Leerraum? ein Nichts? ein Abstand? ja, ja vielleicht, ja vielleicht ein Abstand, denkt er, und jetzt braucht er aber einen Schluck, damit das schlimmste Zittern nachlässt, denkt Asle, und dann, dann geht er raus und dann geht er ins Wasser, denkt Asle, er will nichts sonst als das, er will weg sein, will verschwinden, wie seine Schwester Alida verschwunden ist, schon als Kind, hat einfach nur tot in ihrem Bettchen gelegen, Die Schwester, denkt Asle, und wie Der Nachbarjunge verschwunden ist, Bård hat der geheißen, der hinten aus dem Boot von seinem Vater gefallen ist und nicht hat schwimmen können und nicht mehr zurück ins Boot gekommen ist und auch nicht wieder an Land, denkt Asle und er denkt, jetzt muss er sich aber mal zusammenreißen und aufstehen und in die Küche rübergehen und sich ein ordentliches Glas Schnaps eingießen, damit das Zittern aufhört, und dann geht er durch die Wohnung und macht das Licht aus, in der ganzen Wohnung will er nach dem Rechten sehen und dann will er aus der Wohnung rausgehen und die Tür hinter sich abschließen und dann geht er zum Wasser runter und ins Wasser rein und dann geht er immer weiter, denkt Asle und er denkt den Gedanken immer wieder, das ist der einzige Gedanke, den er denken kann, der Gedanke daran, wie er ins Wasser geht, denkt er, und dass er im Wasser verschwinden wird, im Nichts der Wellen, denkt Asle und der Gedanke kreist in seinem Kopf, um und um, der Gedanke lässt nicht locker, macht immer weiter, denn nur dieser Gedanke, dieser eine Gedanke, hat Nähe in sich, alles andere ist Abstand, leere Nähe, nein nichts ist leer, trotzdem ist es leer da im Dunkeln und alle anderen Gedanken, die er zu denken versucht, kann er nicht denken, sie sind zu schwer, auch der Gedanke, dass er jetzt den Arm heben will, fühlt sich zu schwer an und er merkt, dass er zittert, sein Körper zittert, obwohl er sich überhaupt nicht bewegt, und warum ist ihm der Gedanke aufzustehen zu viel? die Hand zu heben? warum kann er einzig und allein denken, dass er ins Wasser gehen will? er will genug trinken, dass das Zittern nachlässt, dann das Licht in der Wohnung löschen, vielleicht die Wohnung aufräumen, falls das nötig ist, denn alles muss geordnet sein, wenn er geht, denkt Asle und er denkt, vielleicht sollte er dem Kleinen etwas schreiben, auch wenn der jetzt schon lange ein erwachsener Kerl ist, ja erwachsen ist er, wohnt jetzt da in Oslo, oder sollte er ihn vielleicht anrufen? aber weder er noch der Kleine telefonieren sonderlich gern, denkt Asle, oder sollte er vielleicht Liv einen Brief schreiben? sie waren schließlich mehrere Jahre lang verheiratet, aber sie sind schon so lange geschieden, dass da keine bösen Gefühle mehr sind zwischen ihnen, er kann nicht einfach so gehen, ohne sich von irgendjemandem zu verabschieden, das kommt ihm verkehrt vor, aber die andere, mit der er verheiratet war, an die mag er nicht mal denken, hat einfach den Jungen und das Mädchen genommen und ist ausgezogen, auf einmal war sie einfach weg, ja er hatte noch nicht mal den Gedanken gehabt, dass sie sich scheiden lassen sollten, da hat sie gesagt, jetzt reicht es, und dann hat sie den Jungen und das Mädchen genommen und ist ausgezogen, sie hätte schon eine Wohnung gefunden für sich und die Kinder, sagte sie und er begriff gar nichts, denkt Asle, und dann sind der Junge und das Mädchen eine Zeitlang jedes zweite Wochenende gekommen, aber dann hat Siv einen anderen Mann gefunden und hat den Jungen und das Mädchen mitgenommen und ist in die Gegend von Trondheim gezogen, irgendwohin, zu dem neuen Mann, den sie gefunden hatte, hat die Kinder mitgenommen und ist weggezogen und dann war er wieder allein und dann hat Siv geschrieben, er soll dies bezahlen und das bezahlen, und egal was sie verlangte, er hat gezahlt, solange er Geld hatte, denkt er, und warum denkt er das? denkt Asle, das ist nur etwas, das vor langer Zeit war, denn alles ist jetzt aufgeräumt, alle Malsachen liegen an ihrem Platz da auf dem Tisch, die Bilder stehen da gestapelt, die Keilrahmen nach vorn, die Pinsel liegen gereinigt nebeneinander, der Länge nach geordnet, und alle sind sie mit Terpentin gründlich gereinigt, und die Tuben mit Ölfarbe liegen auch nebeneinander, danach sortiert, wie viel Farbe noch in jeder Tube ist, jeder Verschluss ist fest aufgeschraubt und die Staffelei steht leer da, alles ist aufgeräumt, alles ist an seinem Platz und er liegt nur da und zittert und denkt gar nichts, er zittert nur, und dann denkt er wieder, dass er aufstehen und losgehen soll, und dann wird er die Tür hinter sich absperren und dann rausgehen und er wird zum Meer hinuntergehen und ins Wasser gehen, immer weiter ins Wasser gehen, bis die Wellen über ihm zusammenschlagen und er im Wasser verschwindet, wieder und wieder denkt er das, sonst gibt es nichts, sonst ist da die Dunkelheit des Nichts, die ihn dann und wann, in plötzlichem Aufblitzen, wie ein Leuchten durchfährt, und ja, ja dann wird er von einer Art Glück erfüllt und er denkt, irgendwo gibt es wohl ein leeres Nichts, ein leeres Licht, und wenn alles einfach nur das wäre? denkt er, ein leeres Licht, ach wenn es so einen Ort gäbe? mit seiner Leere, mit seiner leuchtenden Leere? mit seinem Nichts? denkt Asle und während er an einen solchen Ort denkt, den es natürlich nirgends gibt, denkt er und da fällt er in eine Art Schlaf, der kein Schlaf ist, sondern eine körperliche Bewegung, in der er reglos ist bei all seinem Zittern, ja obwohl er die ganze Zeit zittert, ist alles schwer und dort irgendwo, in der großen Schwere, ist das unglaublich leichte Licht, ja wie ein Glaube, denkt Asle und ich sehe ihn da in seinem Wohnzimmer liegen oder dem Atelier oder wie man es nun nennen soll, denke ich und er liegt auf einem Sofa und es steht unter dem Fenster, das zum Meer hinausgeht, und neben dem Sofa steht ein Sofatisch und darauf sind ein paar Skizzenbücher und Bleistifte liegen geblieben, alles schön ordentlich nebeneinander, es ist Asles Zimmer, einfach nur das, denke ich und alles in seinem Zimmer ist ordentlich und an der einen Wand steht eine große Leinwand, Keilrahmen nach außen, das Bild zur Wand, und ich sehe, dass Asle in schwarzen Buchstaben oben auf den Keilrahmen Leuchtendes Dunkel geschrieben hat, das ist also der Titel des Bildes, denke ich und in einer Ecke steht eine Rolle Leinwand, in einer anderen sind Leisten für Keilrahmen, sehe ich und ich sehe Asle da auf dem Sofa liegen und sein Körper zittert und er denkt, er muss etwas Schnaps in den Leib kriegen, damit dieses Zittern aufhört, und er setzt sich auf und dann sitzt er auf dem Sofa und er denkt, er braucht unbedingt eine Zigarette, aber er zittert so, dass er sich nicht einmal eine Zigarette rollen kann, also nimmt er eine Zigarette aus dem Päckchen, das auf dem Sofatisch liegt, und er zieht eine Zigarette aus dem Päckchen und steckt sie sich in den Mund und er bekommt die Streichholzschachtel aus der Hosentasche und er zündet ein Streichholz an und es gelingt ihm irgendwie, die Zigarette anzustecken, und er nimmt ein paar gute tiefe Lungenzüge und er denkt, die Zigarette nimmt er einfach nicht mehr aus dem Mund, soll die Asche ruhig abfallen, jetzt muss er sich jedenfalls bald mal ein paar Gläser Schnaps genehmigen, denkt Asle und er zittert und zittert weiter und es gelingt ihm, die Streichholzschachtel wieder in die Hosentasche zu stecken, und er beugt sich zu dem Aschenbecher, der auf dem Sofatisch steht, und er spuckt die Zigarette in den Aschenbecher und ich fahre Richtung Norden und ich denke, ich hätte stehen bleiben und nach Asle schauen sollen, ich hätte nicht einfach an seiner Wohnung vorbeifahren sollen, dort in Skutevika, aber wenn er es wirklich will, kann ich ihn nicht daran hindern, zum Wasser zu gehen und ins Wasser zu gehen, wenn er es will, kann er es tun, denke ich und ich fahre nach Norden und ich sehe mich dastehen und das Bild mit den beiden sich kreuzenden Strichen ansehen und ich sehe mich in die Küche gehen in meinem alten Haus, denn es ist ein altes Haus, eine alte Küche, und ich sehe, dass alles dort an seinem Platz ist und dass die Arbeitsplatte und der Küchentisch abgewischt sind, das sehe ich, alles ist sauber und schön, wie es sein soll, und ich sehe mich ins Bad gehen, das Licht anmachen, und auch dort ist alles aufgeräumt und sauber, das Waschbecken ist sauber, die Toilette ist sauber, und ich sehe mich, wie ich mich vor den Spiegel stelle und ich sehe meine grauen dünnen Haare, die grauen Bartstoppeln, und ich fahre mir mit der Hand durch die Haare und dann nehme ich den schwarzen Gummi weg, der meine Haare im Nacken zusammenhält, und dann fallen mir die Haare lang und dünn und grau über die Schultern, auf die Brust, und dann fahre ich mir mit den Fingern durch die Haare, streife mir die Haare hinter die Ohren und dann nehme ich den schwarzen Gummi und binde mir die Haare im Nacken zusammen und dann gehe ich in den Flur und ich sehe meinen schwarzen Mantel dort hängen, wie viele Jahre habe ich den jetzt schon, denke ich, niemand kann mir vorwerfen, ich würde im Übermaß neue Kleidung kaufen, denke ich und ich sehe viele Schals an einem Haken hängen und ich denke, ich habe viele Schals, denn Ales hat mir öfter Schals zu Weihnachten oder zum Geburtstag geschenkt, weil ich mir die wünschte, sie fragte, was für ein Geschenk ich mir wünsche, und ich sagte allermeistens, ich wünsche mir einen Schal, und dann bekam ich einen, denke ich und ich gehe wieder in das Wohnzimmer oder das Atelier oder wie ich es jetzt nennen soll, es ist wohl beides, aber ich nenne es das Wohnzimmer, und ich sehe die braune Lederschultertasche dort am Haken über den Bildern hängen, die ich weggestellt habe, mit denen ich nicht ganz zufrieden bin, sie stehen zwischen der Tür zur Kammer und der Tür, und wenn ich hinausgehe, hänge ich mir immer die braune Schultertasche um, und darin habe ich Skizzenbuch und Bleistifte, denke ich und ich sehe die Schultertasche an ihrem Platz auf dem Beifahrersitz und ich fahre nordwärts und ich denke, ich freue mich nach Hause zu kommen in mein gutes altes Haus dort in Dylgja und ich sehe, wie ich da stehe und den runden Tisch beim Fenster ansehe und die beiden leeren Stühle am Tisch, und über dem einen Stuhlrücken hängt eine schwarze Samtjacke ja, die ich jetzt anhabe, und dort, auf dem Sessel bei der Bank, da sitze ich immer, und Ales hat auf dem Sessel daneben gesessen, das war ihr Sessel, denke ich und ich sehe wieder, wie ich da stehe und das Bild mit den beiden einander kreuzenden Strichen ansehe, ich sehe das Bild nicht gern an, aber ich muss es irgendwie tun, denke ich und ich fahre weiter im Dunkeln nordwärts und ich sehe Asle dort auf dem Sofa sitzen und er schaut auf etwas und er schaut auf nichts und er zittert, schlottert, die ganze Zeit zittert er, zittert, und er trägt die gleichen Sachen wie ich, schwarze Hose und Pullover, und über dem Rücken des Stuhls neben dem Sofatisch hängt eine schwarze Samtjacke genau wie die, die ich jetzt anhabe und die ich immer über den Rücken des Stuhls neben dem Sofatisch hänge, und seine Haare sind grau und wie meine hinten mit einem schwarzen Gummi gefasst, und dann seine grauen Bartstoppeln, und ich habe auch graue Bartstoppeln, die ich einmal die Woche stutze, denke ich und ich sehe Asle dort auf dem Sofa sitzen, er zittert am ganzen Leib und er hebt eine Hand etwas hoch, vor sich und etwas zur Seite, und seine Hand zittert und er denkt, aus irgendeinem Grund fühlt er sich jetzt leichter und besser, und er denkt, er sollte bisschen was essen, aber er zittert so, also müsste er erst mal auf die Beine kommen, und was trinken, denkt er dort auf dem Sofa und ich denke, ich kann Asle nicht allein lassen, wo es ihm so geht, ich hätte nicht einfach an seiner Wohnung dort in Skutevika vorbeifahren sollen, denn dort schaue ich manchmal schon bei ihm vorbei, und er braucht mich jetzt, denke ich, aber ich bin schon lange an dem Block, in dem Asle wohnt, vorbeigefahren und das hätte ich nicht tun sollen und vielleicht sollte ich umkehren und zurückfahren? aber ich bin so müde, denke ich und ich fahre nordwärts und oberhalb der Straße erkenne ich ein altes braunes Haus, es ist auffällig, und ich sehe, dass ein paar Dachsteine fehlen, und dort haben Ales und ich irgendwann früher mal gewohnt, denke ich, und das ist sehr lange her, so kommt es mir vor, ja als ob es in einem anderen Leben gewesen wäre, denke ich und ich fahre an dem Haus vorbei und als ich ein Stück weitergefahren bin, sehe ich die Ausfahrt und ich fahre ab und halte und dann sitze ich im Auto, ich sitze einfach im Auto und ich denke nichts, tue nichts, ich sitze einfach da und dann denke ich, warum um Himmels willen fahre ich in diese Ausfahrt? hier bin ich doch noch nie stehen geblieben, obwohl ich so oft hier vorbeigefahren bin, nein jetzt muss ich aber nach Hause kommen, ich hätte Asle besuchen sollen, aber jetzt ist es zu spät, denke ich und dann sitze ich im Auto und ich denke, ich sollte vielleicht ein Gebet sprechen, und dann denke ich an die Leute, die sich Christen nennen und meinen oder jedenfalls meinten, es sei für die Erlösung eines Kindes wichtig, dass es getauft wird, und zugleich meinen, Gott wäre allmächtig, und warum ist es dann für die Erlösung so wichtig? kann Gott nicht tun, was er will? denn falls er allmächtig ist, dann ist es vielleicht sein Wille, dass die einen getauft werden sollen und andere nicht? nein so ein Unsinn, zu denken, die Taufe wäre für die Erlösung wichtig, das ist doch abwegig, denke ich und ich spüre, dass mir bei diesem Gedanken leichter zumute wird, bei dem Gedanken an den Unsinn, den manche Christen erzählen, von wegen die Taufe wäre wichtig für die Erlösung, was das auch sein mag, was für ein dummer Gedanke, so einleuchtend dumm, dass man nicht einmal über ihn lachen kann, denn einleuchtender Unsinn ist nichts, worüber man lacht, auch nicht die Dummheit von denen, die sich Christen nennen, die Dummheit von vielen unter ihnen, nicht allen, natürlich nicht, denke ich und ich denke, wer so denkt, kann kein großes Gottvertrauen haben, und ich denke an Jesus, wie sehr er Kinder liebte, daran, dass er sagte, den Kindern gehört das Reich Gottes, und das ist schön und wahr gedacht, denke ich, warum also soll es dafür die Taufe brauchen? wo ihnen das Reich Gottes doch schon gehört? denke ich und ich denke, die Taufe, die Kindstaufe, ist ja gut und schön, aber sie ist für die Menschen, nicht für Gott, für die Menschen ist sie wichtig oder kann es sein, oder besonders für die Kirche, ja besonders für die Kirche, aber für Gott ist sie das nicht, denn ihnen, den Kindern, gehört das Reich Gottes schon, und man muss sein wie sie, wie die Kinderlein, um in Gottes Reich hineinzukommen, so steht es geschrieben, denke ich und ich denke, nein jetzt muss ich aber aufhören, ich denke selber Unsinn und denke zugleich über den Unsinn anderer nach, nie herrscht Klarheit in meinen Gedanken, sie hängen nicht zusammen, denn man muss natürlich nicht mit Wasser getauft werden, um getauft zu sein, man kann auch in sich getauft sein mittels des Geistes, den man in sich hat, des Geistes, dessen man ist und den man in sich hat, des Geistes, den man in sich hat, weil man als Mensch geboren ist, denke ich und die allerallermeisten Menschen, ob sie früher gelebt haben oder noch leben, sind nur in sich getauft, nicht mit Wasser in irgendeiner Kirche, nicht von irgendeinem Priester, sie sind getauft durch den Geist, den sie mitbekommen haben und den sie in sich haben, und vielleicht durch ihre Gemeinschaft mit anderen Menschen, eine Gemeinschaft, deren Sinn in dem Geist besteht, der ihm innewohnt, ja den die Sprache in sich trägt, denke ich und ich denke, manche Menschen sind getauft als Kinder oder Erwachsene, ja manche sind durch Wasser gereinigt, durch geweihtes Wasser, denke ich, und das ist an sich ja gut und schön, aber mehr auch nicht, und die Taufe des Einzelnen, jede einzelne Taufe, ist, denke ich, eine Taufe für alle, für die Menschheit, denn alle Menschen hängen zusammen, die Lebenden, die Toten, die noch nicht Geborenen, und was ein einzelner Mensch tut, kann in gewisser Weise nicht von dem getrennt werden, was ein anderer tut, denke ich, ja so, wie Christus lebte, starb, auferstand und eins wurde mit Gott, als der eine Mensch, der er war, ja so werden auch alle anderen Menschen, indem sie Menschen in Christus sind, ob sie es nun wollen oder nicht, mit Gott verbunden, in und durch Jesus Christus, durch den Menschensohn, ob sie es nun wissen oder nicht, ob sie daran glauben oder nicht, es ist einfach so, denn schließlich und endlich, denke ich, weiß auch das Christentum etwas, ich selbst bin ja zum Katholizismus konvertiert, was ich wohl nie gemacht hätte, wenn es nicht für Ales gewesen wäre, da ich ja nicht einmal in der Sicht auf die Kindstaufe eines Sinnes mit der katholischen Kirche bin, aber ich habe nie bereut, dass ich konvertiert bin, denke ich, denn der katholische Glauben hat mir viel gegeben und ich begreife mich selbst als Christen, ja ungefähr so, wie ich mich als Kommunisten oder mindestens Sozialisten begreife, und ich bete jeden Tag den Rosenkranz, auf meine eigene Weise, ja ich bete jeden Tag mehrmals und sooft wie möglich gehe ich zur Messe, denn auch sie, ja die Messe, hat ihre Wahrheit, wie auch die Taufe ihre Wahrheit hat, ja auch die Taufe hat Anteil an der Wahrheit, auch sie kann einen weiterbringen, ja kann zu Gott führen, denke ich, zu Gott jedenfalls so, wie ich ihn denken kann, doch das gilt auch für andere Arten zu denken und an die Wahrheit zu glauben, alles, was sich voller Ernst Gott zuwendet, ob man jetzt das Wort Gott verwendet oder vielleicht so klug oder so scheu ist angesichts der unbekannten Gottheit, dass man es nicht tut, alles führt zu Gott, so gesehen sind alle Religionen eine, denke ich, und so gesehen fallen auch Religion und Kunst in eins, auch weil sowohl Bibel als auch Liturgie Fiktionen sind und Poesie und Bilder, sie sind Literatur und Theater und Bildende Kunst und besitzen als solche ihre Wahrheit, denn natürlich besitzt auch die Kunst ihre Wahrheit, denke ich, doch jetzt sollte ich nicht hier herumsitzen und mich in Gedanken verlieren, in unklaren Gedanken, denke ich, jetzt muss ich weiter nach Norden fahren und zusehen, dass ich wieder nach Hause komme in mein Haus in Dylgja, zu meinem guten alten Haus, jetzt sollte ich nicht in meinem Auto sitzen und so langsam anfangen zu frieren, jetzt muss ich den Motor anlassen und dann muss ich nach Dylgja fahren, denn ich fahre gern Auto, das schenkt mir eine Art Ruhe, ich gerate in eine Dösigkeit, ja es bereitet mir regelrecht Freude, und der Gedanke, nach Hause zu kommen in mein gutes altes Haus, bereitet mir auch Freude, denke ich, auch wenn ich jetzt immer in ein leeres Haus komme, seit Ales gestorben ist, nein das ist nicht wahr, obwohl es lange her ist, dass Ales gestorben ist, so ist sie doch noch dort im Haus, denke ich und ich denke, ich sollte mir einen Hund anschaffen, ich habe Hunde immer gemocht, Katzen auch, aber ich möchte lieber einen Hund haben, denn mit einem Hund kann es mehr Freundschaft geben, denke ich und das habe ich so oft gedacht, aber es ist nie so weit gekommen, dass ich mir einen Hund angeschafft hätte, ich weiß nicht ganz warum, vielleicht weil ich doch am liebsten mit Ales allein bleiben möchte? denn obwohl sie tot ist, ist sie dennoch da, denke ich, oder soll ich vielleicht Ernst machen und mir einen Hund anschaffen? denke ich, aber Asle hat einen Hund, ja er hatte all die Jahre Hunde, denke ich und dann denke ich, ich hätte nicht einfach an dem Wohnblock vorbeifahren sollen, wo Asle wohnt, so, wie es ihm jetzt geht, sollte er nicht allein sein, so schwersinnig, wie er jetzt ist, so sehr von seinem eigenen Stein herabgezogen, einem bebenden Stein, einem Stein, dessen Gewicht ihn in die Erde drückt, denke ich, ich muss umdrehen und zurück nach Bjørgvin fahren, denke ich, und dann muss ich bei Asle vorbeischauen, denke ich, denn ich muss ihm dabei helfen, ihn von sich selber wegzuziehen, denke ich und ich sehe Asle da auf dem Sofa sitzen und er zittert immer nur und ich sollte umkehren, er braucht mich jetzt, aber ich bin müde und ich will so gern nach Hause kommen, einfach weiter nach Norden fahren, nach Hause kommen, denn ich war in Bjørgvin und habe Leinwand beim Künstlerbedarf gekauft und Leisten für Keilrahmen, die habe ich im Baumarkt gekauft, und dann habe ich viel zu essen eingekauft, und jetzt will ich sofort wieder nach Hause nach Dylgja fahren, denke ich und eigentlich hätte ich noch in Bjørgvin bleiben und die Abendmesse in der Pauluskirche besuchen wollen, aber ich war zu müde, besser, ich fahre nächsten Sonntag nach Bjørgvin und gehe in die Morgenmesse, ich war schon lange nicht mehr zu einer Messe, es wäre gut, wieder vor den Altar zu treten, und dann kann ich auch Asle besuchen, denke ich und ich sehe ihn da auf seinem Sofa sitzen und er zittert immer nur, aber will er nicht bald mal mit seinem Hund rausgehen? denke ich und ich sehe Brage da an der Flurtür liegen und darauf warten, dass sie rausgehen, und ich sehe ihn aufstehen und zum Sofa tapsen und dann springt er auf das Sofa und legt sich in Asles Schoß und dann liegt er da einfach nur und auch der Hund zittert und Asle bringt es nicht über sich, sich zu bewegen, nicht einmal die Hand zu heben bringt er über sich, und nicht, ein Wort zu sagen, allein schon ein Wort sagen zu sollen, fühlt sich unüberwindlich schwer an, als müsste er sich dazu zwingen, denkt er, aber jetzt, ja aus irgendeinem Grund sitzen seine Gedanken nicht mehr so fest, jetzt kreisen sie nicht mehr rundherum im Kreis, jetzt nicht mehr, seit der Hund gekommen ist und sich ihm auf den Schoß gelegt hat, kommen seine Gedanken wieder in eigene Bahnen, denkt er
Guter Brage, sagt Asle
Mein guter guter Brage
und Asle streichelt Brage mit seiner zitternden Hand den Pelz und wuschelt ihm im Pelz und Asle denkt, wie hat er nur denken können, er will ins Wasser gehen, wer soll sich denn dann um den Hund kümmern? dass er wirklich daran denken kann, den Hund zu verlassen, denkt Asle und jetzt zittert er weniger, aber immer noch zittert er, sein Körper bebt, denke ich und nein, ich will nicht mehr an Asle denken, ich will ihn nicht mehr vor mir sehen, seine langen grauen Haare, die grauen Bartstoppeln, ich will nicht mehr an ihn denken, es bringt nichts, noch länger an ihn zu denken, er ist nur einer von vielen, denen es so geht, er ist einsam, er ist einer von vielen, die einsam sind, er ist nur einer von vielen Künstlern, einer von vielen Malern, er ist nur einer von vielen Malern, die kaum einer kennt, abgesehen von der nächsten Familie und ein paar Bekannten aus der Studienzeit und sonst noch ein paar Kollegen, er ist nicht mehr oder weniger als sonst irgendein Kunstmaler, er ist einer von Tausenden, nein ich will nicht mehr an ihn denken, denke ich und dann denke ich wieder, ich hätte mal hochgehen und nach ihm schauen sollen, so einsam, wie er ist, so heruntergekommen, ich hätte nach ihm schauen und fragen sollen, ob wir nicht zusammen ein Glas trinken gehen sollen, ja er hätte ein Bier trinken können und ein Glas Schnaps danach und ich eine Tasse Kaffee mit Milch, denn ich trinke kein Bier mehr, trinke weder Bier noch Wein oder Schnaps mehr, ich bin jetzt abstinent, ja das hätte ich machen sollen, denn wenn Asle etwas zu trinken bekommt, wird alles viel leichter, dann würde er aufhören zu zittern, würde sich beruhigen, wenn er nur etwas zu trinken bekäme, würde das Schwere in ihm leichter, der Stein würde leichter, ja der Stein in ihm würde sich vielleicht ein wenig verschieben, sodass etwas Licht und Luft hereinkämen, ich hätte mit ihm an einen Ort gehen sollen, wo andere Menschen sind, wo andere etwas trinken, wo andere zusammen sind und die Seele Trost erfährt, das hätte ich tun sollen, ich hätte nicht einfach an seinem Haus vorbeifahren, sondern anhalten und ihn mitnehmen sollen, ja hinaus ins Leben, damit er ein bisschen auflebt, aber ich bin einfach weitergefahren, als würde ich mir gar keine Sorgen machen, als wollte ich nur billig von ihm wegkommen, denn ich habe es nicht über mich gebracht, wollte Asle nicht daliegen sehen, denke ich und da bin ich einfach an dem Wohnblock vorbeigefahren, wo seine Wohnung ist, da in Skutevika, als ob Asle zu schwer wäre, als ob sein Schmerz oder sein Leid, vielleicht ist das Wort besser, mich dazu bringen würde, dass ich wegfahren will, nicht, weil ich nicht mit ihm zusammen sein will, sondern mit seinem Schmerz und Leid, nein ich weiß nicht, aber ich wollte weg und vielleicht dachte ich, ich könnte seinen Schmerz sozusagen mit mir mitziehen, ihn hinter mir herziehen, ich könnte das Leid von ihm wegziehen, indem ich weiterfahre? oder jedenfalls denke ich das jetzt wie zur Entschuldigung dafür, dass ich nicht angehalten und nach ihm geschaut habe, sondern einfach weitergefahren bin, denn warum habe ich ihn nicht besucht? weil ich feige war? weil ich seinen Schmerz nicht mit ihm teilen konnte? dieses Leid, aber was will ich damit, dass ich so denke? das sind doch alles nur Redensarten, Schmerz teilen, Leid teilen, das sind Redensarten, als ob es möglich wäre, Schmerz zu teilen, Leid zu teilen, denke ich und ich sehe mich im Auto sitzen und ich schaue auf den Spielplatz unterhalb der Ausfahrt und es sind keine Kinder da, doch dort, ja dort auf der Schaukel, sitzt eine junge Frau mit langen dunklen Haaren und auf einer Bank neben der Schaukel sitzt ein junger Mann, er hat halblange braune Haare, er trägt einen schwarzen Mantel und dazu einen Schal, und es ist Spätnachmittag oder früher Abend und er sitzt da und blickt zu ihr hinüber auf der Schaukel, an seiner Schulter hängt eine braune Ledertasche, und sie blickt vor sich hin, es ist Herbst, das Laub verfärbt sich schon, es ist die beste und die schönste Jahreszeit, denke ich, und am schönsten wohl dann, wenn der Abend kommt, wenn das Licht langsam abnimmt, wenn etwas Dunkelheit sich in das Licht mischt, es aber noch so hell ist, dass ich leicht sehen kann, wie das Laub zum Teil schon die grüne Farbe verloren hat, denke ich, das ist meine Jahreszeit, ist es immer gewesen, soweit ich zurückdenken kann, war der Herbst mir am liebsten, denke ich und ich sehe zu dem jungen Mann hinunter, der reglos auf der Bank sitzt und vor sich hinschaut, als ob er nichts sehen würde, und ich sehe zu der jungen Frau hinunter, die dort auf der Schaukel sitzt, auch sie schaut vor sich hin wie ins Nichts, und warum sitzen beide so reglos da? warum rühren sie sich nicht? denke ich, er sitzt auf der Bank, sie sitzt auf der Schaukel, beide sitzen nur da, und warum sitzen sie beide nur da? warum reden sie nicht miteinander? warum sitzen sie ganz reglos, als wären sie auf einem Bild? denke ich, jaja genau wie auf einem Bild, einem Bild, das ich malen kann, denke ich und ich weiß, dass genau diese Stunde, genau dieses Bild sich schon in meiner Erinnerung festgesetzt hat und nie wieder verschwinden wird, ich habe viele solcher Bilder fest in der Erinnerung, Tausende, und bei einem Gedanken oder wenn ich etwas Ähnliches sehe oder auch ganz von selbst kann ein solches Bild auftauchen, oft zur merkwürdigsten Zeit, am merkwürdigsten Ort, ein Bild, ein religiöses Bild, das dennoch eine Art Bewegung in sich hat, es ist, als würde jedes dieser Bilder, jedes der tausend Bilder, die ich im Kopf habe oder wo sie nun auch sein mögen, etwas sagen, etwas fast Eindeutiges sagen, und doch ist es nicht recht möglich zu begreifen, was das Bild sagt, freilich kann ich denken, es würde dies oder das sagen, freilich kann ich das und freilich ist es auch so und etwas von dem, was das Bild sagt, kann ich dann auch denken, aber nie, was es eigentlich sagt, denn das Bild ist nicht ganz zu begreifen, es ist, als ob es nicht ganz von dieser Welt wäre, wie sie es nennen, und ja das ist seltsam, ja fast wundersam, denn jetzt sitzen er und sie wie in einem dieser unergründlichen Bilder, die ich in mir drinnen sehe, und jetzt sehe ich es in der Wirklichkeit, er sitzt da auf der Bank, sie sitzt auf der Schaukel, als ob sie sich nicht berühren könnten, sitzen sie dort, als ob etwas Unsichtbares sie festhielte, und so sitzen sie anscheinend schon lange, ja sie sitzen so, als ob sie immer schon so dagesessen hätten, ja alle Zeit, allzeit, und sie hat einen Rock an, einen lila Rock, und der wirkt ziemlich dunkel in der frühen Dunkelheit, ja das Lila geht gegen Schwarz, und er sitzt da in dem langen schwarzen Mantel, die braune Tasche über der Schulter, und seine Haare sind braun und halblang, von Bart ist in seinem Gesicht nichts zu sehen, aber ich kann nicht einfach hier sitzen, denke ich und ich denke, die beiden, sie und er, sitzen reglos da und ich tue dasselbe, genau wie sie sitze ich reglos da, und ich kann doch nicht einfach nur so im Auto sitzen, denn wenn jemand vorbeikommt, wundert er sich vielleicht, warum ich einfach so in meinem Auto sitze, warum ich nicht weiterfahre, aber es kommt niemand vorbei und wenn doch jemand vorbeikäme, würde er es wohl nicht seltsam finden, dass ich eine Pause in einer Ausfahrt mache, höchstens die beiden auf dem Spielplatz dort, falls sie mich bemerkt haben, aber das haben sie nicht, jedenfalls hat keiner von beiden zu mir hochgeschaut, wo ich in meinem Auto sitze, während es allmählich dunkel wird, noch ist es hell, aber die Dunkelheit liegt in der Luft, langsam langsam kriecht sie in die Luft, denke ich, wie ich da sitze und zu dem jungen Mann in einem schwarzen Mantel blicke, der auf einer Bank sitzt und eine braune Ledertasche über der Schulter hat, und zu der jungen Frau, die in einem lila Rock auf einer Schaukel sitzt, denn immer noch sitzen beide dort, reglos, ja als ob sie Teil eines Gemäldes wären, ja auch das, aber wenn ich male, dann ist es immer so, als ob ich versuchen würde, solche Bilder, die sich in mir festgesetzt haben, wegzumalen, ja solche Bilder wie dieses von ihm und ihr, die da sitzen, ja als ob ich sie loswerden müsste, wegschaffen müsste, ich habe gedacht, genau darum bin ich Maler geworden, weil ich all diese Bilder in mir habe, ja so viele Bilder, dass es eine Qual ist, ja immer wieder, ja fast wie Visionen, und bei allen möglichen Gelegenheiten, und ich kann nichts daran tun, das Einzige, was ich tun kann, ist malen, versuchen, diese Bilder, die sich mir festgesetzt haben, wegzumalen, sonst nichts, sie eines um das andere wegzumalen, indem ich genau das male, was ich gesehen habe und was sich in mir festgesetzt hat, nein das habe ich so oft getan und dann male ich nur, was ich gesehen habe, und nicht mehr als das, und dann verdoppele ich das Bild nur irgendwie und es wird ein schlechtes Gemälde und ich werde das Bild in mir doch nicht los, das ich wegmalen möchte, nein ich muss das Bild auf eine Art und Weise malen, die das Bild, das sich in mir festgesetzt hat, dazu bringt, sich aufzulösen und zu verschwinden, als ob es ein unsichtbarer, vergessener Teil von mir selber wäre, von meinem einen eigenen Bild, dem einen Bild, das ich bin und habe, denn das ist sicher, ich habe nur ein Bild, ein einziges Bild, und all die anderen Bilder, auch diejenigen, die ich sehe und die sich festsetzen und die ich nicht vergessen kann, haben etwas an sich, das dem einen Bild ähnelt, das ich in mir habe, und zwar etwas, das man nicht sehen kann, sondern etwas, das in dem ist, was ich sehe, das dazu führt, dass es sich in mir festsetzt ja, und es ist auch in dem, was ich jetzt sehe, wo ich in meinem Auto sitze und zu einem jungen Mann und einer jungen Frau blicke, die einfach da sitzen und vor sich hinschauen, nicht zueinander, und sie sagen nichts zueinander, dennoch ist es, als ob sie zusammengehören würden, als ob sie eins wären, denn man kann ihn gleichsam nicht ohne sie sehen und sie nicht ohne ihn, ihre dunklen Haare, seine braunen, ihre langen Haare, seine halblangen, sie sind nicht voneinander zu unterscheiden, wie sie da sitzen, und dass sie sich nicht bewegen, ist am Ende auch nicht seltsamer als dass ich mich nicht bewege, denn ich sitze reglos im Auto, aus keinem besonderen Grund sitze ich hier, und warum tue ich das? denke ich und dann kommt mir der Gedanke, ich könnte ja zu den beiden hinuntergehen, aus dem Auto aussteigen und schlicht und einfach zu den beiden dort auf dem Spielplatz hinuntergehen, aber so etwas kann man wohl nicht tun? man muss die beiden in Ruhe lassen, sie sitzen dort in einem solch großen und langsamen und zerbrechlichen Frieden, dass ich sie nicht stören darf, es wäre eine zu große Störung, wenn ich zu ihnen hinuntergehen würde, denn sie sitzen da so ruhig, so friedsam, denke ich, aber wirklich, so im Auto zu sitzen, als würde ich gar nichts zustande bringen, nichts schaffen, als ob ich zu müde wäre, nachdem ich Asle dort in seiner Wohnung beim Wasser in Skutevika gesehen habe, nachdem ich das Zittern seines Körpers gesehen habe, und als ob ich zu müde wäre nach allen Besorgungen, die ich in Bjørgvin erledigt habe, denke ich, aber jetzt muss ich nach Hause fahren, zu meinem alten Haus in Dylgja kommen, zu meinem guten Haus, denn jetzt reicht es, denke ich und ich blicke zu der jungen Frau auf der Schaukel und dem jungen Mann auf der Bank und er denkt, als er jung war, da haben sie jedes Jahr für ein paar Wochen im Sommer bei seinen Großeltern gewohnt, bei den Eltern seiner Mutter, und bei ihrem Haus war ein Spielplatz, ganz genau wie dieser, ein kleiner Spielplatz mit einer Schaukel, einer Bank, einer Wippe und einem Sandkasten, einem aus grauen Steinen gebauten Haus, nicht sehr groß, und der Boden im Flur war mit Steinplatten belegt, fällt ihm ein, und draußen war ein Klohäuschen, ein kleines Häuschen etwas versteckt hinter dem grauen Steinhaus, umgeben von ein paar Büschen, und dann, beim Haus, etwas entfernt, war ein Spielplatz, und er war oft auf diesem Spielplatz, denkt er und vielleicht könnte er ihr das erzählen, aber so etwas interessiert sie wohl nicht, und jetzt sitzen sie schon so lange hier, ohne etwas zu sagen, und dann soll er die Stille damit durchbrechen, dass er als kleiner Junge manchmal bei einem Spielplatz wie diesem hier gewohnt hat, in einem grauen Steinhaus, denkt er, denn sie können doch nicht unendlich weiter da sitzen und nichts sagen, denkt er
Als ich klein war, sagt er
und er sieht sie an
Ja, sagt sie
und sie sieht ihn an und in ihrer Stimme ist etwas wie Erleichterung und Erwartung und dann bleibt er doch da sitzen, ohne weiter etwas zu sagen, und sie fragt ihn, was er hat sagen wollen
Ja als du klein warst? sagt sie
Ja da hab ich manchmal in einem Haus bei einem Spielplatz fast wie diesem hier gewohnt, sagt er
Ja, sagt sie
Fast, als ob das derselbe Spielplatz wäre, sagt er
Das ist ein bisschen seltsam, sagt er
Für mich fühlt es sich an, als ob es derselbe Spielplatz wäre, sagt er
Aber es ist kein graues Steinhaus in der Nähe, oder? sagt sie
Nein, nein es ist nicht derselbe Spielplatz, natürlich nicht, sagt er
Es fühlt sich nur so an? sagt sie
Ja, sagt er
und dann sagen sie nichts mehr, und wieder schaut sie vor sich hin und er schaut vor sich hin
Das war ein kleines Haus, ein kleines graues Steinhaus, sagt er
und sie sitzt da auf der Schaukel, er sitzt da auf der Bank, reglos sitzen sie da und sie sagen nichts und dann sagt sie, er ist auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen, auf einem kleinen Bauernhof am Hordafjord, einem kleinen Bauernhof mit Obstbäumen, sagt sie und er sagt ja, ja so war es, und er sagt, er hat nur manchmal in dem kleinen Steinhaus gewohnt, wenn sie bei den Eltern seiner Mutter waren, seinen Großeltern, denn die wohnten in so einem Steinhaus, bei so einem Spielplatz, sagt er und ich weiß, dass ich dieses Bild wegmalen muss, das nächste Bild, das ich anfange, muss mit diesen beiden sein, ich muss sie wegmalen, ich muss sie in mein eigenes innerstes Bild einmalen, denn wenn ich das tue und wenn es mir gelingt, dann verschwindet das Bild und es lässt mich in Frieden, hört auf, mich heimzusuchen, denn sonst, das weiß ich, kommt dieses Bild immer und immer wieder in meiner Erinnerung hoch, aber wahrscheinlich habe ich dieses Bild schon gemalt oder ein ähnliches, eines, das ungefähr genauso ist wie das, das ich jetzt sehe, aber dann muss ich es noch einmal wegmalen, ich muss es immer und immer wieder wegmalen, denke ich, aber jetzt muss ich fahren, ich kann nicht nur so in meinem Auto sitzen und zwei Menschen anschauen, die nicht wissen, dass ich da sitze und sie anschaue, denke ich und Missmut befällt mich, eine Trauer, ja eine Trauer wallt in mir auf, von irgendwoher, von überallher, und es ist, als würde diese Trauer mich ersticken, als ob ich diese Trauer einatmen und es nicht schaffen würde, sie wieder auszuatmen, und ich falte die Hände und ich atme tief ein und ich sage in mir drinnen Kyrie und ich atme langsam aus und ich sage eleison und ich sage es immer wieder und der Atem und die Wörter machen, dass ich nicht mehr von Trauer erfüllt bin, von Angst, von jäher Angst, von dieser Trauer, die mich in der Angst so plötzlich ergriffen hat und mich jetzt beherrscht und das, was ich in mir bin, in ein kleines Nichts verwandelt hat, aber ein Nichts, das trotzdem da ist, fest, unverrückbar, und das nur deutlicher wird in seiner lückenlosen Bewegung, und ich atme tief ein und ich sage innen in mir Kyrie und ich atme langsam aus und ich sage eleison, und ich atme aus meinem tiefsten Inneren, ich versuche aus meinem tiefsten Inneren zu atmen, und ich atme tief ein und ich sage innen in mir Christe und ich atme langsam aus und ich sage eleison und ich versuche aus dem heraus zu atmen, was einfach tief innen ist, aus dem Bild, das ist und über das ich nichts sagen kann, ich versuche aus dem zu atmen, was in mir ist, um die Trauer zu vertreiben oder jedenfalls auf Abstand zu halten, damit die Angst nicht überhandnimmt, damit die Angst keine Herrschaft über mich gewinnt, und ich spüre, dass die jähe Trauer, die jähe Angst, die in mir aufwallt, kleiner wird und ich werde größer und ich denke, ich bin ganz und gar lächerlich, könnte jemand mich sehen, er würde sich schieflachen, stell dir nur vor, so in einem Auto in einer Ausfahrt zu sitzen und Kyrie eleison Christe eleison zu sagen, das ist zum Lachen, sonst nichts, aber sollen sie ruhig lachen, denn es hilft! es hilft! ja jetzt fühle ich mich wieder ruhiger und ich schaue wieder zu den beiden auf dem Spielplatz und ich denke, jetzt ist es Zeit, nach Hause zu meiner Frau und unserem Kind zu fahren, sie warten zu Hause auf mich, aber ich bin doch unterwegs nach Dylgja, das hier ist doch die Straße nach Dylgja? ja jetzt muss ich nach Dylgja fahren, natürlich, wohin sonst soll ich denn fahren? und ich werde zu meiner Frau und unserem Kind fahren, von wegen zu Frau und Kind, was denke ich denn da? nein jetzt muss ich nach Dylgja fahren, zu dem alten Haus, in dem ich wohne, wo ich allein wohne, so ist das, und was denke ich, dass ich nach Hause zu meiner Frau und unserem Kind fahren muss, und vielleicht ist es genau das, was ich mir wünsche, und deswegen denke ich es? weil ich das gern tun würde? weil ich gerne zu meiner Frau und unserem Kind nach Hause kommen würde? weil ich es mir gerne ersparen würde, in ein leeres Haus zu kommen, ein leeres und kaltes Haus? in meine eigene Einsamkeit? und darum denke ich, dass ich zu meiner Frau und unserem Kind fahren will, obwohl ich in ein leeres Haus kommen werde, ein kaltes Haus, aber ich habe wohl einen Ofen angelassen? und es ist sowieso gut, nach Hause zu kommen, nach Hause in mein altes gutes Haus, und ganz sicher kann ich nicht so in meinem Auto sitzen bleiben, in dieser Ausfahrt, denke ich und ich blicke zu dem Spielplatz und es ist jetzt ziemlich dunkel geworden und ich sehe, dass der junge Mann aufgestanden ist, und jetzt steht er da und er steht hinter der jungen Frau in seinem langen schwarzen Mantel und er fasst die Seile an, an denen der Sitz aus vergrautem Fichtenholz hängt, auf dem sie sitzt, und er zieht sie sacht nach hinten
Nein, sagt sie
Ich will nicht schaukeln, sagt sie
Ich bin auch kein Kind mehr, sagt sie
und er lässt die Seile los und sie schwingt nach vorn
Nein lass das jetzt, sagt sie
und sie schwingt zurück
Lass das, lass das, ruft sie
und er macht einfach weiter, nimmt sie entgegen und schubst sie an, und jedes Mal schubst er fester, er lässt sie immer mehr schaukeln und sie schaukelt vor und zurück und er denkt, wenn sie nicht schaukeln will, dann kann sie die Schaukel ja einfach mit den Füßen bremsen, das ist doch einfach, sie hat doch Schuhe an den Füßen, aber sie bremst die Schaukel nicht
Ich will nicht schaukeln, sagt sie
Warum schubst du mich an, obwohl ich nicht schaukeln will? sagt sie
Ich habe dich nicht darum gebeten, sagt sie
Ich habe nicht gesagt, dass ich schaukeln will, sagt sie
Ich will nicht, sagt sie
Du schubst mich einfach an, als ob es überhaupt nichts zu bedeuten hätte, was ich will oder nicht, sagt sie
und er nimmt sie weiter entgegen und schubst sie dann an und er denkt, warum macht er das jetzt? und warum schubst er sie jedes Mal kräftiger an? gibt ihr jedes Mal mehr Schwung und sie fliegt nach vorn, von ihm weg, und dann kommt sie wieder zurück, ihm entgegen, und dann schubst er sie wieder an, vor und zurück, zurück und vor
Nicht böse gemeint, sagt er
und er schubst mit aller Kraft an und die Schaukel schießt nach vorn und sie jault auf und der Rock flattert und ihre dunklen Haare flattern hinter ihr her, ja es ist ein Geheule, und sie jault, er soll aufhören, sie mag das nicht, jetzt soll er wirklich aufhören, sie hat Angst, sie hat richtig Angst, sie wird runterfallen, ruft sie, er soll aufhören, jetzt reicht es, sie will nicht mehr
Hör auf, ruft sie
Aber es macht dir doch Spaß? sagt er
Nein hör auf, sagt sie
Es macht dir Spaß, sagt er
Nein, nein, sagt sie
Doch, sagt er
und sie sagt nein, sie sagt, was ist, wenn sie ganz oben abstürzt, und er schubst sie wieder an, mit aller Kraft schubst er sie an, so fest er nur kann, und sie schießt nach vorn und ihre dunklen Haare wehen hinter ihr her, wenn sie hinauffliegt, und der flatternde Rock, und sie jault auf, eine Art Jaulen, der Schrei kommt aus ihr, wenn sie ganz oben ist, noch höher, schreit sie und auf dem Rückweg fliegen ihre dunklen Haare zur Seite und vor ihr Gesicht und sie schreit nein, nein, nein, lass das, ich mag es nicht, ich habe Angst, hör wieder auf, hör jetzt auf
Klar magst du das, sagt er