Ein neuer Name - Jon Fosse - E-Book

Ein neuer Name E-Book

Jon Fosse

0,0
27,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Was macht uns zu denen, die wir sind? Warum leben wir gerade dieses Leben und kein anderes? Asle, alternder Maler und Witwer, wohnt allein an der Südwestküste Norwegens. In der nächsten Kleinstadt liegt ein anderer Asle, ebenfalls Maler, im Krankenhaus, zerfressen vom Alkoholismus. Asle und Asle sind Doppelgänger, zwei Versionen desselben Lebens, zwei Versionen derselben Person, die beide mit existenziellen Fragen zu kämpfen haben. In diesem letzten Teil von Jon Fosses Heptalogie verfolgen wir in Rückblenden das Leben der beiden Asles als junge Erwachsene: Der Erzähler lernt seine große Liebe Ales kennen, tritt in die katholische Kirche ein und verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Versuch, alle Bilder, die in seinem Kopf bereits existieren, auch zu malen.  «Die Lektüre der Heptalogie über die Abrechnung eines alternden Mannes mit den verflochtenen Realitäten von Gott, Kunst, Identität, Familie und dem Leben an sich erfüllt mit großer Ehrfurcht für die immense metaphysische Kraft dieses Texts.» The New York Times  «Eine tief bewegende Erfahrung.» The New York Review of Books

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 369

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Jon Fosse

Ein neuer Name

Heptalogie VI–VII

Roman

 

 

Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel

 

Vita

Jon Fosse, 1959 in der norwegischen Küstenstadt Haugesund geboren und am Hardangerfjord aufgewachsen, veröffentlichte auf Deutsch zunächst die Romane «Melancholie», «Morgen und Abend» und «Das ist Alise». Für sein Prosawerk «Trilogie» bekam er 2015 den Literaturpreis des Nordischen Rates verliehen, den renommiertesten Literaturpreis Skandinaviens. Mit dem ersten Band seines siebenteiligen Opus magnum, «Der andere Name», war er 2020 für den Booker International Prize nominiert. Über Norwegen hinaus bekannt wurde er durch seine mehr als dreißig Theaterstücke, die weltweit aufgeführt werden und ihm wichtige Preise einbrachten. Seit 2011 genießt er lebenslanges Wohnrecht in der «Grotte», einer Ehrenwohnung des norwegischen Königs am Osloer Schlosspark, und lebt mitunter auch in Hainburg an der Donau/Österreich oder in Frekhaug/Norwegen.

 

Hinrich Schmidt-Henkel, geboren 1959, lebt in Berlin. Er übersetzt u.a. auch Jean Echenoz, Édouard Louis, Jon Fosse, Tomas Espedal und Tarjei Vesaas. Ausgezeichnet wurde er z.B. mit dem Jane Scatcherd-Preis, dem Paul-Celan-Preis des Deutschen Literaturfonds und dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW (zusammen mit Frank Heibert).

Impressum

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel «Eit nytt namn   Septologien VI-VII» bei Det Norske Samlaget, Oslo

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Januar 2024

 

Copyright © 2024 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«Eit nytt namn Septologien VI–VII» © Det Norske Samlaget 2021

 

Die Publikation der Übersetzung wurde von NORLA, Norwegian Literature Abroad, gefördert.

 

Teile dieser Übersetzung entstanden während eines Stipendienaufenthaltes in der Villa Massimo Rom, für den der Übersetzer sich herzlich bedankt.

Covergestaltung Anzinger und Rasp, München

Coverabbildung Lachlan Gowen on Unsplash, Elen11/iStock

ISBN 978-3-644-00195-4

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

Die Nutzung unserer Werke für Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG behalten wir uns explizit vor.

Hinweise des Verlags

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

 

Im Text enthaltene externe Links begründen keine inhaltliche Verantwortung des Verlages, sondern sind allein von dem jeweiligen Dienstanbieter zu verantworten. Der Verlag hat die verlinkten externen Seiten zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung sorgfältig überprüft, mögliche Rechtsverstöße waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar. Auf spätere Veränderungen besteht keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Dieses E-Book entspricht den Vorgaben des W3C-Standards EPUB Accessibility 1.1 und den darin enthaltenen Regeln von WCAG, Level AA (hohes Niveau an Barrierefreiheit). Die Publikation ist durch Features wie Table of Contents (Inhaltsverzeichnis), Landmarks (Navigationspunkte) und semantische Content-Struktur zugänglich aufgebaut. Sind im E-Book Abbildungen enthalten, sind diese über Bildbeschreibungen zugänglich.

 

 

www.rowohlt.de

Nur Narr! Nur Dichter!

Friedrich Nietzsche

VI

Und ich sehe mich dastehen und das Bild mit den beiden Strichen anschauen, einer ist lila, einer braun, sie kreuzen sich in der Mitte, ein längliches Bild, und ich sehe, dass ich die Striche langsam und mit dicker Ölfarbe gemalt habe, und sie hat getropft, und wo die braune und die lila Linie einander kreuzen, mischt die Farbe sich schön und tropft herab und ich denke, jetzt kann ich dieses Bild nicht mehr anschauen, denn jetzt hat es so lange da auf der Staffelei gestanden, ein paar Wochen vielleicht, jetzt muss ich es entweder weiß übermalen oder es auf den Dachboden bringen unter die eine Schräge, wo die Bilder stehen, die ich nicht verkaufen will, aber das denke ich jeden Tag, denke ich und dann nehme ich den Keilrahmen und lasse ihn wieder los und ich merke, dass ich, der mein ganzes Leben lang, ja seit ich ein kleiner Junge war, so unbedingt habe malen müssen, mit Öl auf Leinwand, jetzt überhaupt keine Lust mehr zum Malen habe, alle Freude am Malen ist weg, denke ich und seit ein paar Wochen habe ich jetzt schon nicht mehr gemalt und habe nicht mal den Skizzenblock aus meiner braunledernen Schultertasche genommen, die da über dem Stapel mit Gemälden hängt, die ich beiseitegestellt habe zwischen der Flurtür und der Tür zur Schlafkammer und ich denke, dieses Gemälde soll weg und die Staffelei soll weg, die Tuben mit Ölfarbe, ja alles, vom Stubentisch soll alles weg, das mit Malerei zu tun hat in diesem Zimmer, das immer zugleich Atelier und Wohnstube war, so ist es gewesen, seit Ales und ich vor langer Zeit hier eingezogen sind, denn das quält mich alles und es muss weg, weg, und ich verstehe nicht, was mit mir passiert ist, aber etwas ist da, etwas ist passiert, und eigentlich ist auch egal, was das ist, denke ich und ich höre Åsleik sagen Andreaskreuz, mit Betonung auf dem Wort, dieser widerwärtigen Betonung, er sagt das so, als wollte er zeigen, dass er auch was weiß, stolz, ja so einfältig, wie er ist, Åsleik, ja das ist das rechte Wort, einfältig, denke ich und ich denke, ich habe gesagt, ich fahre mit ihm nach Øygna und feiere da Weihnachten mit ihm und Der Schwester, wie er es sagt, mit ihr, die Guro heißt und für mich ist das sicher das Beste, denn wenn ich allein bleibe, liege ich wahrscheinlich die ganze Zeit nur im Bett, stehe wahrscheinlich nicht mal auf, um Wasser zu trinken, wenn ich Durst habe und was zu essen, wenn ich Hunger habe, sonst bleibe ich die ganze Zeit da in der Schlafkammer im Bett liegen, ohne das Licht anzumachen, so dunkel, wie es geht und dann versuche ich zu schlafen und dann versuche ich an nichts zu denken, denn alles soll leer sein, ja leer und still, ja still, ja still und dunkel, denn ich sehne mich nur noch nach Stille, ja es soll ganz still sein, eine Stille soll auf mich herabrieseln wie Schnee und mich zudecken, ja eine Stille soll auf alles fallen, was es gibt und auch über mich, ja über mich, ja dass doch eine Stille über mich schneit und mich zudeckt, mich unsichtbar macht, alles unsichtbar macht, alles verschwinden lässt, denke ich und alle Gedanken sollen weg sein, alle in meiner Erinnerung aufgehäuften Bilder, die mich so plagen, sollen weg sein und ich will leer sein, einfach leer, ich will zu einem stillen Nichts werden, zu einem stillen Dunkel und vielleicht denke ich dabei ja an Gottes Frieden, oder vielleicht ist es das nicht? vielleicht hat es nichts mit dem zu tun, was man Gott nennt? denke ich, falls man denn über Gott reden kann, falls das irgendeinen Sinn ergibt, denn ist Gott nicht etwas, das es gibt, aber über das man nichts sagen kann?, denke ich und ich denke, zu beten, ja den Rosenkranz auf meine Art zu beten tut mir immer noch gut und zur Messe gehen auch, aber es ist weit bis nach Bjørgvin, jedenfalls am selben Tag hin- und zurückzufahren und ich scheue das, denke ich und ich habe oft im Hotel Heimen übernachtet, denke ich, aber jedes Jahr bin ich am ersten Weihnachtsfeiertag zur Messe gefahren und das würde ich dieses Jahr wohl wieder tun, wenn ich nicht mit Åsleik zu Weihnachten zu Der Schwester fahren würde, da wird das dies Jahr also nichts mit der Messe am ersten Weihnachtsfeiertag, denke ich und ich stehe da vor der Staffelei und ich schaue hinaus und obwohl es dunkel ist, sehe ich die Auffahrt, die ich zur Landstraße runter gebaut habe und ich sehe Wasser, einfach nur Wasser, und Inseln und Schären, ja die Sygnesee und da, da draußen, da sehe ich das Meer, ja die Öffnung zur offenen See, obwohl es dunkel ist, sehe ich alles gut und ich denke, ich muss dieses Bild wegschaffen, ich muss es wegbringen, ich will es nicht mehr sehen, ich will es nicht mehr in der Stube haben, ich muss es wegschaffen, denke ich und dann gehe ich zur Staffelei und greife den Keilrahmen und ich hebe das Bild von der Staffelei und ich stelle es zu dem Stapel mit unfertigen Bildern unter dem Haken, an dem meine braunlederne Schultertasche hängt, zwischen der Tür zur Schlafkammer und der Flurtür, über dem Stapel mit den Gemälden, mit denen ich noch nicht zufrieden bin und ich blicke auf die Wand neben der Küchentür und da steht kein Bild, denn vor ein paar Wochen habe ich die Bilder nach Bjørgvin gebracht zur Galleri Beyer, denke ich und ich sehe Brage da neben der Küchentür stehen und er schaut mich an und ich scheine ihm leidzutun, denke ich, ja es ist, als ob Brage mich trösten wollte, aber er weiß nicht wie und ich sehe die Hundeaugen und sie scheinen alles zu verstehen, ja es ist, als ob ihnen nichts verborgen bliebe, denke ich und Brage ist immer in meiner Nähe, er legt sich zu mir auf die Bank und auch ins Bett abends in der Schlafkammer, er kommt mir nach und hüpft aufs Bett, nein ohne den Hund wäre das Leben nicht besonders toll, ohne Brage, denke ich, aber bald ist Asle wieder gesund und dann muss ich den Hund wieder abgeben, denke ich und dann schaffe ich mir einen Hund an, ganz sicher, denke ich, denn ich hatte noch nie einen Hund, habe aber so oft gedacht, dass ich gern einen hätte, ich habe immer wieder gedacht, dass ich gern einen hätte, und außerdem ein Boot, ein Barmerboot, aber es ist nie mehr draus geworden als der Gedanke

Ja du Brage, sage ich

und gleich wedelt er mit dem Schwanz und ich denke, jetzt muss er mal raus

Jetzt gehen wir bisschen raus, Brage, sage ich

und ich gehe zur Haustür und mache sie auf und Brage rennt in den Schnee hinaus, aber jetzt schneit es nicht und es ist kälter geworden, ja es ist ein wirklich kalter und klarer Abend und ich sehe die Sterne klar leuchten im Weltall draußen und ich sehe den Mond, er ist groß und rund und gelb, denke ich und ich denke, durch den Mond, und durch die Sterne, da leuchtet Gott, ja irgendwie, auch wenn er kein Etwas ist, und er kein Wie hat, und auch kein Warum, denn Gott hat ebenso wenig ein Warum, ja wie der Mond eines hat, wie die Sterne eines haben, der Mond ist einfach da, die Sterne sind einfach da, ja eine Blume ist einfach da, und ein Hirsch, denn Mond und Sterne und Blumen und Hirsche sind einfach nur, was sie sind, aber sie haben ihr Wie im Gegensatz zu Gott, denke ich und ich friere und heute ist Freitag und morgen ist der Tag vor Heiligabend und dieses Jahr fahre ich mit Åsleik zu Der Schwester nach Øygna, Weihnachten feiern, und in all den Jahren, seit Der Spielmann Die Schwester verlassen hat, hat Åsleik mich gefragt, ob ich mitkommen will, denn als Die Schwester und Der Spielmann noch zusammengelebt haben, hat Åsleik Weihnachten nicht bei Der Schwester gefeiert, und ich habe sicher zehn Jahre lang gesagt, dass ich Weihnachten lieber allein bin, aber dieses Jahr habe ich keine Lust allein zu sein, ich habe zu nichts Lust, um die Wahrheit zu sagen, und auf jeden Fall habe ich überhaupt keine Lust mehr zu malen, das ist schon wirklich seltsam, denke ich und ich rufe Brage und er kommt angewuselt und wir gehen in den Hausflur und er schüttelt sich, schüttelt den Schnee ab und ich mache die Haustür zu und ich gehe hinein in die Stube, mein Atelier und bald ist das nur noch meine Stube und ich merke, dass ich müde bin, ich hätte mich längst hinlegen sollen, denke ich und dann gehe ich zu dem Sessel an dem runden Tisch und blicke hinaus ins Dunkel zu meinem Peilpunkt, zu meiner Stelle da draußen in der Sygnesee und ich schaue auf die Wellen und ich sehe Asle von seinem möblierten Zimmer in der Universitetsgata 7, von Herdis Åsens Wohnung zur Kunstschule gehen und er denkt, jeden einzelnen Tag müssen sie nach Modell zeichnen, drei Stunden lang, Croquis heißt das, und dann gibt es zwei Wochenstunden Kunstgeschichte und davon hat er vielleicht am meisten Nutzen, ja der Mann, der die Vorlesungen hält, Professor Christie, ist Kunsthistoriker an der Universität von Bjørgvin, und weniger das, was er sagt, bleibt hängen, als die Dias, die er zeigt, denkt Asle und Professor Christie sagt, es ist klar zu sehen, dass die größten Künstler etwas Neues eröffnen, sie bringen mit ihrer eigenen, ihrer ureigenen Kunst etwas Neues in die Welt, ja eine neue Art zu sehen, die bis dahin unbekannt war, und wenn ein solcher Künstler sein Werk vollendet hat, sieht die Welt anders aus als zuvor, hat Professor Christie gesagt, aber erst die Bilder, die er zeigte, haben auf Asle den größten Eindruck gemacht, und die Bücher, die er mitgebracht hatte und die man in der Kunstschule ausleihen konnte, denn da gab es eine große Bibliothek, aber die Wartelisten waren lang, zum Beispiel hatte er sich in eine Warteliste für einen Bildband mit Gemälden von Lars Hertervig eingetragen, und es hat drei Monate gedauert, bis er das Buch ausleihen konnte und dann hat er es nur vier Wochen lang behalten dürfen, denkt Asle, aber dann ist er in einer Buchhandlung in Bjørgvin auf ein kleines Buch mit Bildern von Lars Hertervig gestoßen, und das Buch hat er gekauft und es ist so klein, dass es in die Innentasche von seiner Cordjacke passt und so hat er es immer in seiner Innentasche und überall mit hingenommen und die Bilder angeschaut, wenn es passte, auf einer Bank in einem Park, oder wenn er allein in Der Kaffeestube oder im Wirtshaus saß, und dann gab es da noch die Kunstsammlung Bjørgvin, ja die hat Asle vielleicht am allermeisten gegeben, denn in Wahrheit hatte er, bis er nach Bjørgvin kam, nie richtige Gemälde gesehen und schon am ersten Tag auf der Kunstschule hörten die Schüler, ja Eiliv Pedersen sagte das, sie sollten so oft sie konnten in die Kunstsammlung Bjørgvin gehen und gern mal eine oder auch mehrere Stunden vor ein und demselben Gemälde sitzen, aber wer noch gar nicht da war, solle sich schnellstmöglich einen Gesamteindruck von der Kunstsammlung verschaffen, sagte er, und sich danach ein Gemälde aussuchen und sich gründlich hineinvertiefen, es gern auch skizzieren oder auch eigene Skizzen im Austausch mit diesem Gemälde anfertigen, hatte Eiliv Pedersen gesagt, denkt Asle und wenn sie mal gut genug malten, konnte es sein, dass die Kunstsammlung Bjørgvin eines Tages ein oder mehrere von ihren Gemälden ankaufen würde, und das sei eine große Ehre, hatte er gesagt, ja ungefähr die größte abgesehen davon, Hauptkünstler bei den Festspielen von Bjørgvin zu sein oder dass die Norwegische Kunstsammlung in Oslo ein oder mehrere Gemälde ankaufte, hatte er gesagt, denkt Asle und er denkt, er für sein Teil ist schon zufrieden, wenn er Bilder malen und genug zum Leben mit ihnen verdienen kann, denkt er und ich sitze an dem runden Tisch und ich schaue in die Dunkelheit hinaus und obwohl es dunkel ist, kann ich die See sehen, die Wellen sehen, da an meiner Stelle mitten draußen in der Sygnesee, ja so deutlich wie am helllichten Tag kann ich die See sehen, die Wellen sehen, und heute Abend ist die See recht ruhig, denke ich, wie ich da sitze und meinen Peilpunkt an derselben Stelle ausmache wie immer, ja irgendwo ziemlich in der Mitte von der Sygnesee ist meine Stelle, denke ich und ich denke, heut Abend kommt Åsleik bei mir Laugenfisch essen und ich habe keine große Lust auf Besuch, ich mag irgendwie überhaupt nichts mehr, nein, nicht mal mehr in meinem Sessel mag ich sitzen, denke ich, aber irgendwo muss ich sein, und irgendwas muss ich tun, und morgen ist der Tag vor Heiligabend und dann kommt der Heilige Abend selbst, und ich habe gesagt, dass ich mit Åsleik mitfahre, Weihnachten bei Der Schwester feiern, und am Morgen oder Vormittag vom Heiligabend fahren wir mit Der Shark nach Øygna, haben wir besprochen, denke ich und ich schaue zu meinem Peilpunkt, auf den Wellen dort, und dann sehe ich Ales und Asle da gehen, Hand in Hand

Dass wir uns kennengelernt haben, sagt Ales

Ja, sagt Asle

Nicht zu glauben, sagt sie

Stimmt, sagt er

und sie gehen weiter, Hand in Hand

Und dass wir uns auf den ersten Blick verliebt haben, sagt Ales

Ja da im Buscafé, sagt er

Ja, sagt Asle

Ist einfach passiert, sagt er

und Ales lacht und Asle spürt, wie gut es ist, die Hand von Ales zu halten und er kann nicht ganz begreifen, was passiert und was passiert ist, denkt er, denn er hat einfach nur im Buscafé gesessen und dann ist Ales auf einmal da gewesen, ja wie aus dem Nichts ist sie gekommen und dann hat sie dagesessen und dann sind sich ihre Blicke begegnet, denkt er und Ales sagt, wirklich seltsam, denn in dieses Café geht sie sonst nie, ja ins Buscafé, denn das soll gar nicht so gut sein, sagt sie, also ist sie heute ehrlich gesagt zum ersten Mal da gewesen, sagt sie, und warum sie ausgerechnet heute ins Buscafé hat gehen wollen und warum Asle ausgerechnet heute dagesessen hat, nein ganz unbegreiflich, oder sie begreift es schon, es ist eine göttliche Fügung, sagt sie und Asle hört ihr zu, wie sie spricht, aber er ist ganz tief drin in der guten Wärme von ihrer Hand und sie kommen auf eine breite Straße und Ales sagt, das ist die Høggata, und da, in der Høggata 1, und sie zeigt dahin, in dem großen weißen Haus, ja da ist die Galleri Beyer und das ist ganz sicher die größte und wichtigste Galerie von Bjørgvin, und sie hat alle Ausstellungen dort gesehen, seit sie ein kleines Mädchen gewesen ist, denn ihre Mutter Judit geht gern in Ausstellungen, sie ist aus Österreich, sie kommt aus einer kleinen Stadt in der Nähe von Wien, einem Städtchen mit dem schönen Namen Hainburg an der Donau, aber ihr Vater ist Norweger gewesen und ein typischer Westnorweger noch dazu, er stammte aus einem Ort namens Dylgja, wo fast niemand wohnt, und da wohnt seine Schwester, die alte Alise immer noch in einem schönen alten Haus, sagt sie und Asle sagt, den Namen Dylgja hat er schon mal gehört, aber er weiß nicht so richtig, wo es ist und Ales sagt, es ist schön dort, der Ort liegt schön an der Sygnesee, ja dem Meeresstück, in das der Sygnefjord mündet, bevor er das offene Meer erreicht, sagt sie und dann sagt sie, ihr Vater ist ein guter Mann gewesen, und er, der Junge vom Dorf, wie er sich immer genannt hat, vor allem, wenn er bisschen getrunken hatte, ja, der Junge vom Dorf, war Arzt, und als er in Österreich Medizin studierte, haben ihre Mutter Judit und ihr Vater sich kennengelernt und als er mit dem Studium fertig war, sind sie nach Norwegen gezogen, nach Bjørgvin und dann haben sie beide im Krankenhaus von Bjørgvin gearbeitet, und ihre Mutter Judit, die arbeitet da immer noch, ja sie ist Krankenschwester, sagt Ales, und ihr Vater hat immer gesagt, Arzt werden, das ist für einen Jungen aus Dylgja gar nicht übel, aber, sagt Ales, letztes Jahr ist er plötzlich gestorben, besonders alt ist er nicht geworden, wahrscheinlich weil er so viel getrunken hat, er hat so viel getrunken, dass er daran gestorben ist, sagt Ales, aber darüber will sie jetzt nicht reden, und auch nicht daran denken, nicht heute, wo sie und Asle sich kennengelernt haben, sagt sie und Asle schaut auf die Uhr und er fragt, ob sie nicht jetzt gleich in die Universitetsgata 1 gehen können, er hat Angst, dass er zu spät kommt, die Vermieterin von dem möblierten Zimmer und er sind für drei Uhr verabredet, sagt er, und Ales sagt, natürlich können sie das, aber dann haben sie ja noch genug Zeit, sagt sie und sie gehen die Straße namens Høggata runter und dann zieht Ales ihn geradezu in eine Gasse hinein und sie sagt, die heißt Schmalgang und Asle sieht, auf einem Schild steht Schmalgang, und schmal ist die Gasse ja wirklich

Das ist eine von den schmalsten Gassen in ganz Bjørgvin, sagt sie

und Asle sagt nichts und sie gehen Hand in Hand den Schmalgang runter und dann bleibt Ales plötzlich stehen und dann umarmt sie Asle und drückt ihren Mund auf seinen und dann stehen sie da, jeder die Zunge im Mund des anderen und dann lassen sie einander auf einmal los und nehmen einander wieder bei der Hand und dann gehen sie den Schmalgang runter und Ales sagt, wenn sie nach rechts abbiegen und die Straße runtergehen, dann können sie das Hotel Heimen sehen, wo viele aus den Dörfern ringsum übernachten, wenn sie in der Stadt zu Besuch sind, und im Erdgeschoss, da ist Die Kaffeestube, eins von den gemütlichsten Cafés von Bjørgvin, sie geht selbst oft dahin und arbeitet in ihrem Skizzenbuch, sagt sie, am liebsten sitzt sie einfach an einem Tisch und beobachtet unbemerkt diesen oder jene und dann versucht sie, ihn oder sie zu zeichnen, sagt Ales, und dann sagt sie, Asle hat wirklich Glück, dass er gleich einen Platz an der Kunstschule bekommen hat, und dann sagt sie, heute gehen sie nicht nach rechts, zu Der Kaffeestube, das können sie an einem anderen Tag tun, denn wenn sie nach links gehen bis zum Ende des Gässchens, dann können sie den Fischmarkt sehen und wenn sie da angekommen sind, gehen sie einfach nach rechts und dann geradeaus und dann kommen sie in die Universitetsgata, sagt Ales und sie sagt, er heißt Asle und sie heißt Ales, aber mehr wissen sie eigentlich nicht voneinander, kaum mehr als das, sagt er, sie können sich ja hinsetzen und einfach nur zusammen sein, sagt Ales und jetzt sind sie beim Fischmarkt angelangt und sie zeigt auf eine Bank nahe am Wasser, mit Aussicht über die Bucht und sie gehen zu der Bank und setzen sich hin und Asle legt sich seine Schultertasche auf die Beine und macht sie auf und nimmt seinen Skizzenblock heraus und dann schreibt er seine Adresse in Aga hinein und dann schreibt er Universitetsgata 7 und er sagt, jetzt müssen sie aber bald in die Universitetsgata 7 gehen und Ales sagt, hat er eben nicht Universitetsgata 1 gesagt und Asle sagt, er hat den Brief von der Vermieterin in der Jackentasche, da kann er ja nachschauen, sagt er und er nimmt den Brief hervor und darin steht Universitetsgata 7, sagt er und er sagt, die Frau, die ein möbliertes Zimmer zu vermieten hat, heißt Herdis Åsen und Ales sagt, sie wird gleich ein bisschen eifersüchtig, wenn er nur diesen Namen sagt, und Asle sagt, das ist eine ältere Frau, und Ales fragt, woher er das wissen kann und Asle sagt, er weiß das, weil er mit ihr telefoniert hat und da hat er an ihrer Stimme erkannt, dass sie eine ältere Frau ist und aus Bjørgvin kommt und er sagt, diese Herdis Åsen hat gesagt, dass sie viele Jahre lang an einen Studenten aus Hardanger vermietet hat, aber der hat jetzt fertig studiert, hat sie gesagt, und sie möchte gern, dass ihr nächster Mieter auch wieder aus Hardanger ist, sagt Asle und dann reißt er das Blatt mit den beiden Adressen von seinem Skizzenblock ab und gibt es Ales und dann gibt er ihr den Skizzenblock und den Bleistift und sie schreibt ihre Adresse und eine Telefonnummer auf und sie sagt, das ist die Adresse, wo sie mit ihrer Mutter Judit wohnt, sie wohnen zu zweit in einer Wohnung gar nicht weit von Der Kaffeestube und darum geht sie oft dahin, damit sie in Ruhe dort sitzen und ihre Skizzen machen kann und das hat sie zum Beispiel auch heute vorgehabt, aber dann hat sie zuerst ein bisschen spazieren gehen wollen und ist an Dem Busbahnhof vorbeigegangen und dann hat sie das Schild vom Buscafé gesehen und hat gedacht, da ist sie noch nie gewesen, könnte doch interessant sein, sich das mal anzusehen, hat sie gedacht, denn sie hatte so dies und das über das Café gehört, sagt sie und so ein Glück, dass sie hineingegangen ist, so haben sie sich kennengelernt und jetzt müssen sie einander Briefe schreiben, ja bis Asle nach Bjørgvin zieht, und er sagt, bis dahin ist es nicht mehr lange hin, jedenfalls falls er bei dieser Herdis Åsen das möblierte Zimmer mieten kann, dann hört er sofort mit dem Gymnasium auf und kündigt das möblierte Zimmer in Aga und wahrscheinlich passt sein gesamtes Eigentum in den Gepäckraum vom Bus und dann nimmt er wahrscheinlich ein Taxi von Dem Busbahnhof bis zu dem möblierten Zimmer in der Universitetsgata, sagt er, und Ales sagt, sie kann ihm gern beim Einzug helfen, wenn es so weit ist, sagt sie, und Asle nimmt seinen Skizzenblock und den Bleistift, den Ales ihm hinhält

Ja das ist die Telefonnummer von meiner Mutter, aber da kannst du natürlich anrufen, sagt sie

und Asle sagt, er hat kein eigenes Telefon, aber die Frau, bei der er wahrscheinlich das möblierte Zimmer mietet, hat gesagt, sie hat Telefon, und Asle kann es benutzen, solange es nicht zu viel Telefoniererei gibt, eingehende Anrufe oder ausgehende, das hat sie gesagt, und er hat dann noch gedacht, das Telefon wird er niemals benutzen, aber wo er jetzt die Telefonnummer von Ales hat, kann er ihr die Nummer auch geben, ihr auf jeden Fall, sagt Asle und Ales sagt, gut so, gut, dass sie einander telefonisch erreichen können, sagt sie und dann gibt sie Asle das Blatt und er schreibt die Telefonnummer aus dem Brief ab, den Herdis Åsen ihm geschickt hat und gibt Ales das Blatt und sie sagt, jetzt müssen sie aber allmählich los, wenn er rechtzeitig bei dieser Herdis Åsen sein will, in der Universitetsgata 7, sagt sie und Asle steckt den Skizzenblock und den Bleistift zurück in seine Schultertasche und dann gehen Ales und Asle Hand in Hand über den Fischmarkt und dann gehen sie eine Straße entlang, die Asle nicht kennt

Also wirklich, dass wir uns heute kennengelernt haben, sagt Ales

Ich bin so froh, ja wirklich glücklich, sagt sie

Das ist eine göttliche Fügung, sagt sie

und Asle sagt nichts, aber er spürt die gute Wärme von der Hand von Ales und wie gut ihre Hände zueinander passen irgendwie, alles ist richtig irgendwie, und alles ist ganz einfach, und nichts ist peinlich oder falsch und schwierig, alles ist ganz selbstverständlich, denkt Asle, wie er und Ales weitergehen, ohne zu reden und dann zeigt Ales auf ein Haus und sagt da, in dem Haus, wohnt diese Herdis Åsen und Asle sagt, es ist im sechsten Stock und Ales sagt, sie kann mit ihm hochgehen und dann drückt Asle gegen die Haustür und sie ist offen und Ales sagt, wahrscheinlich hat diese Herdis Åsen die Tür aufgesperrt, weil sie ihn erwartet, sagt sie und ich sitze im Sessel am Fenster und schaue auf meine Stelle dort draußen in der Sygnesee, die Stelle, zu der ich immer schaue, meinen Peilpunkt, auf die Wellen dort und ich denke, es ist, als ob die Zeit einfach stehen geblieben wäre, so was habe ich noch nie erlebt, und ich schaue auf den leeren Sessel, wo die Ales immer gesessen hat, das war ihr Sessel und der Sessel ist leer, und trotzdem sitzt Ales da, denke ich, denn jetzt spüre ich ganz deutlich, dass Ales da sitzt, so geht es mir ja oft, denke ich und ich schaue wieder aufs Meer, auf die Sygnesee, auf meine Stelle da und ich kann so deutlich spüren, dass Ales in ihrem Sessel neben mir sitzt und ich denke, jetzt ist die Ales schon seit vielen Jahren tot, ich habe sie so allzu früh verloren, viele Jahre hatten wir nicht miteinander, und Kinder, nein Kinder haben wir nicht gekriegt, also bin ich jetzt allein und meine Eltern sind auch schon vor vielen Jahren gestorben, erst Die Mutter und nicht lange danach ist auch Der Vater gestorben, und Die Schwester Alida ist schon gestorben, als ich noch fast ein Junge war, denke ich, und sie ist ganz plötzlich gestorben, hat einfach tot in ihrem Bett gelegen, denke ich und ich will nicht daran denken und ich denke, ich wollte doch mal im Krankenhaus anrufen und fragen, wie es Asle geht, aber jetzt ist es dafür zu spät, jetzt ist es Abend und ich habe schon so oft angerufen und immer dieselbe Antwort bekommen, er braucht Ruhe und darf keinen Besuch haben, denke ich, da rufe ich lieber morgen früh wieder an, am Tag vor Heiligabend, denke ich, denn in den letzten paar Wochen habe ich so gut wie jeden einzelnen Tag dort angerufen und gefragt, ob ich Asle besuchen kann, und die Frau da am Empfang vom Krankenhaus sagt immer, am besten, er bekommt keinen Besuch, die Ärzte sagen, er braucht Ruhe und Besuch würde ihm nicht guttun, sagt sie und wenn ich frage, wie es ihm geht, sagt sie immer, es gibt nichts Neues, sie sagt, alles wie gehabt, denke ich, aber Asle hat wenigstens seine Kinder, denke ich, da ist Der Kleine, der jetzt erwachsen ist und in Oslo wohnt, ja sein Sohn, den er mit Liv hat, ist völlig erwachsen, und dann hat er noch Den Jungen und Die Tochter, die beiden Kinder aus seiner zweiten Ehe mit Siv, aber die hat beide Kinder mitgenommen, als sie zu einem Mann in der Nähe von Trondheim gezogen ist und diese beiden Kinder sind wohl noch nicht erwachsen, denke ich und ich denke, heute Abend kommt Åsleik und wird mit mir Laugenfisch essen, dieses Jahr bin ich an der Reihe damit, zu Laugenfisch einzuladen, denn während der Adventszeit essen wir einmal Laugenfisch und einmal Lammfleisch zusammen, in dem einen Jahr mache ich Laugenfisch und Åsleik macht Lammfleisch, im Jahr danach umgekehrt, und jedes Jahr essen wir an Silvester zusammen Lammfleisch, das eine Jahr bei Åsleik, das andere bei mir, und dieses Jahr lade ich an Silvester zu Lammfleisch ein, denke ich und sonst freue ich mich immer auf diese Mahlzeiten, aber dieses Jahr hat das Lammfleisch, das ich bei Åsleik gegessen habe, nicht besonders geschmeckt, und jetzt kommt es mir wie eine Strafarbeit vor, dass ich Essen machen soll, als ob ich nicht mehr wüsste, wie ich es zustande bringen soll, Kartoffeln und Mohrrüben zu schälen, den Speck zu schneiden, aber ich muss es einfach tun, denke ich und ich schaue auf die Uhr und gleich denke ich an Ales, denn die hat mir diese Uhr mal zu Weihnachten geschenkt, denke ich, ja bis dahin hatte ich all die Jahre eine Uhr getragen, die ich von Der Großmutter zur Konfirmation geschenkt bekommen hatte und dann habe ich diese Uhr von Ales bekommen und die habe ich seitdem getragen und ich sehe, dass Åsleik jeden Augenblick kommen kann, da werde ich mal den Tisch decken und die Kartoffeln aufsetzen, denke ich und ich stehe auf und gehe vom Fenster weg und ich sehe die leere Staffelei und werde von etwas wie Glück erfüllt und dann gehe ich in die Küche und hole Teller und Messer und Gabeln und ich decke den Küchentisch wie immer und neben Åsleiks Teller stelle ich ein Bierglas und ein Schnapsglas und neben meinen eigenen nur ein gewöhnliches Glas und ich denke, am besten, ich setze die Kartoffeln gleich auf, denke ich und ich schäle Kartoffeln und Mohrrüben und tue die Kartoffeln in einen Topf mit Salz und Wasser und dann stelle ich den Herd an, und das ist eine gute schnelle Kochplatte und es dauert nicht lang, bis das Wasser kocht und dann stelle ich die Platte ganz klein und sogar dann kocht das Wasser immer noch mehr als eigentlich nötig, aber so ist es nun mal, ja das macht wahrscheinlich nichts, denke ich, und dann tue ich die Mohrrüben in den Topf und dann kann ich ja auch gleich den Speck braten, denke ich und ich schneide den Speck in Würfel und tu ihn in die Bratpfanne und drehe die Platte an und es dauert nicht lange, da zischt und knistert es in der Bratpfanne, einer guten alten Bratpfanne aus Gusseisen, die hier gestanden hat, als Ales und ich ins Haus gezogen sind, die und vieles andere waren schon hier im Haus, denke ich und ich bin heute offenbar ein bisschen durcheinander gewesen, denke ich, denn der gute Duft von gebratenem Speck bringt mich wieder etwas zu Sinnen, und stell dir vor, jetzt merke ich ja auch, dass ich Hunger habe, ich habe wohl den ganzen Tag lang nichts gegessen, denke ich, und dabei ist Laugenfisch eins von meinen Lieblingsessen, vielleicht das liebste, denke ich und ich sehe die großen Fischstücke da liegen und ich stelle einen großen Topf mit Wasser und viel Salz auf den Herd und drehe die Kochplatte voll auf, aber den Fisch lege ich erst in das kochende Wasser, wenn Åsleik kommt, denn mit Laugenfisch muss man sehr aufpassen, dass er genau richtig gekocht ist, nicht zu sehr, sonst wird er weich, und nicht zu wenig, sonst bleibt er hart und ist nicht zu essen, denke ich und der Speck darf auf gar keinen Fall anbrennen, auf den muss ich auch aufpassen, denke ich und ich drehe die Platte unter der Bratpfanne runter und dann rühre ich den Speck um und schaue ihm eine Weile zu und rühre ihn mehrmals um und dann stelle ich die Bratpfanne beiseite auf eine kalte Platte und dann ist das Geknatter und Gequietsche von Åsleiks Traktor zu hören und ich gehe in den Flur und stelle mich in die Haustür und Brage kommt und setzt sich neben mich und ich sehe Åsleiks Traktor um die Ecke kommen und anhalten und dann sehe ich Åsleik aus dem Steuerhaus steigen und er kommt auf mich zu

Essen ist bald fertig, sage ich

Das wird guttun, sagt Åsleik

Ich habe ordentlich Hunger, sagt er

und wir gehen hinein und Åsleik zieht im Flur seine Stiefel und den Winteroverall aus und nimmt die Fellmütze mit Ohrenklappen ab und dann geht er in die Stube und ich ihm hinterher und dann sagt er, ja ist wohl bisschen kalt hier in der Stube und er geht zum Ofen und sagt, da ist noch Glut in der Asche und legt ein Scheit nach und ich gehe in die Küche und ich sehe, dass das Wasser kocht und ich lege ein Stück Laugenfisch nach dem anderen in das kochende Wasser und Åsleik kommt in die Küche und er sagt, er hat Schnaps und Bier im Traktor vergessen, er geht mal schnell die Flaschen holen

Bei dir ist so was ja nicht zu kriegen, sagt er

Ich habe das mir zugemessene Maß gekriegt, sage ich

Ja ja, sagt Åsleik

und er geht hinaus und ich habe alle Stücke Laugenfisch in das kochende Wasser gelegt und schaue darauf und Åsleik kommt wieder in die Küche und er sagt, na aber da hat Die Schwester sich gefreut, als sie gehört hat, dass sie dieses Jahr Weihnachten mit uns beiden feiern kann, ganz besonders gefreut hat sie sich da, sagt er und ich sage, er kann sich gern eingießen

Ja wie du siehst, habe ich den Tisch schon gedeckt, sage ich

Und das Essen ist bald fertig, sage ich und Åsleik fragt nach einem Flaschenöffner und ich hole einen und er macht die Bierflasche auf und er setzt sich auf die Bank am Küchentisch, an der Wand, und gießt sich Bier und Schnaps ein und nippt am Schnaps und dann sagt er noch einmal, also wirklich, ja dass Die Schwester sich so freut, dass ich dies Jahr zu Weihnachten mitkomme, nein das hätte er nicht gedacht, sagt er und dann hole ich das Essen und stelle es auf den Tisch und dann setze ich mich ans Tischende und wir tun uns auf und keiner von uns beiden sagt was

Du bist heute irgendwie nicht ganz auf dem Posten, sagt Åsleik

Nein ich bin vielleicht ein bisschen müde, sage ich

Aber so darf es wohl sein am Tag vor Kleinweihnacht, ja so haben wir als Kinder gesagt, sagt er

Ihr doch wohl auch, sagt er

und ich sage, ja haben wir

Gehört eben dazu, dass die Weihnachtsvorbereitungen bisschen mühsam sind, sagt er

und dann sitzen wir da und essen und sagen nichts und Åsleik trinkt Bier und nippt am Schnaps und ich denke, vielleicht kann Åsleik mir dabei helfen, die Bilder und die Malsachen auf den Dachboden zu bringen, denn jetzt mag ich nicht mehr malen, auch das nicht mehr, und warum das auf einmal so ist, das weiß ich auch nicht zu sagen, und ich denke, ich kann Åsleik fragen, ob er mir mit dem ganzen Stapel Bilder helfen will, der zwischen der Tür zur Schlafkammer und der Stubentür steht, das muss alles auf den Dachboden, in die Kammer, wo die Bilder stehen, die ich nicht verkaufen will

Ja das schmeckt, sagt Åsleik

und ich sage nichts und wir essen und das Essen schmeckt mir nicht besonders und ich sehe, dass Åsleik das Bier austrinkt

Das hat geschmeckt ja, sagt er

und dann trinkt er den Schnaps aus, mit einem Schluck, und ich sage nichts

Danke für das Essen, sagt Åsleik

Das hat wirklich gut geschmeckt, sagt er

und dann sitzen wir da und wir sagen nichts

Besonders gesprächig bist du heute nicht, sagt Åsleik

und ich sage nichts und wir sitzen stumm da und dann sagt Åsleik, er schaut mal zu, dass er nach Hause kommt, damit ich mich hinlegen kann, wenn ich müde bin, und dann sagt er danke für das gute Essen und wir sehen uns Heiligabend am Morgen oder Vormittag, am besten, wir fahren ab, sobald es halbwegs hell ist, wenn ich gegen neun zu ihm komme, passt das gut, sagt Åsleik, am besten, er ruft mich an, wenn er findet, es ist Zeit zur Abfahrt, sagt er und dann bedankt er sich noch mal für das Essen, hat wirklich gut geschmeckt und dann nimmt er seine Schnapsflasche und lässt die leere Bierflasche stehen und ich sage, wir hören uns und ich sehe Åsleik in den Flur gehen und ich stehe auf und räume den Tisch ab und ich denke, Åsleik war kaum da, da ist er schon wieder gegangen, denke ich und dann höre ich den Motor von seinem Traktor und ich gehe zu meinem Sessel an dem runden Tisch und setze mich und schaue auf die See hinaus, die Sygnesee, zu meiner Stelle dort draußen und ich denke, warum sitze ich eigentlich immer hier und schaue zu dieser fixen Stelle, auf die Wellen dort, sogar jetzt, wo es dunkel ist und es ist Abend, und ich sollte ins Bett gehen, denke ich und ich denke, das verstehe ich nicht, genauso wenig verstehe ich, dass immer, wenn ich nachts aufwache, die Ales neben mir im Bett liegt, immer, ich wache auf und dann dauert es seine Zeit, bis ich begreife, dass sie gar nicht da ist, aber das stimmt nicht, sie ist wirklich da, wir liegen dicht beieinander, wie zu ihren Lebzeiten, denke ich und dann denke ich, dass ich nichts weiß, aber alles fühlt sich so sinnlos an, ja das Einzige, das Sinn ergibt ist das in der üblichen Bedeutung Sinnlose, dass Jesus Christus gekreuzigt wurde, starb und auferstand und damit war der Tod, der in die Welt kam, als sie entstand, so wie wir sie kennen, mit Leben und Tod in ewiger Folge, den Menschen als Erfahrung genommen, freilich stirbt einer in dieser sichtbaren Welt, in der Welt, entstanden nach dem Unbegreiflichen, das Sündenfall genannt wird, und der sterbliche Körper verschwindet, ob er jetzt zu Erde wird oder verbrannt wird, er verschwindet egal wie, das Sichtbare ist weg, doch die Seele wird vom Geist erhoben, sie ersteht zum Leben auf in und bei Gott, weil Jesus Christus, Gottes Sohn, die alte Welt aufgehoben hat, und die Leute stellen sich das buchstäblich vor, als ob Gott eine Art menschlicher Vater wäre und Jesus Christus eine Art menschlicher Sohn eines menschlichen Vaters, und da braucht man sich nicht zu wundern, dass manche das unsinnig finden, denn natürlich ist Gott Vater und ist Jesus Christus Sohn nur in übertragener Bedeutung und auch, dass der Heilige Geist die Schöpferkraft und Vermittler zwischen beiden ist, all so was ist nur eine Art Versuch, etwas zu sagen, und ob es wirklich so geschehen ist, hat nichts zu sagen, nicht solange es im Herzen geschieht, in der Seele, denn der Geist, der Geist ist wirklich, so wie der Sündenfall, was auch immer das nun sein mag, auch nur eine Art ist, einen Bruch zwischen Gott und den Menschen zu beschreiben, als der Tod in die Welt kam, und eine Ursache dafür lässt sich nicht finden, certum est quia impossibile est, aber ich denke unablässig und ich begreife nicht, was ich denke und ich weiß nicht, was ich glaube oder nicht glaube, denn für mich ist Gott nahe, und fern zugleich, ganz nah, ganz fern, und in Jesus Christus kommt man Gott irgendwie näher, als wenn man sich Gott ganz ohne menschliche Eigenschaften vorstellt, ja indem man Gott als Menschen denkt, mit dem man irgendwann in der Zeit hat reden können und hat zusammen sein können wie mit einem anderen Menschen, ja so, wie ich jetzt mit Åsleik zusammen sein kann, denke ich, oder nachdem ich Ales kennengelernt und sie mich in die Pauluskirche mitgenommen hatte, ja, denke ich und ich denke, ich mag nicht mehr an Ales denken und ich denke, es ist ja einleuchtend, dass man mithilfe seines Verstandes nicht zum Glauben kommen kann, der Glauben ist Gnade, Gnadengeschenk, hat es mal geheißen, und wenn man glaubt, dann weiß man darum auch, was Gnade ist, aber glaubt man nicht, so weiß man auch nicht, was Gnade ist oder ein Gnadengeschenk ist, dann weiß man nicht, dass alles geschenkt ist, denke ich, aber das sind wohl nur Worte und Worte lügen immer, ich glaube nicht an Worte und auch nicht an das, was ich selbst in Worten denke, denke ich und ich denke, nur in meinen Bildern, wenn ich gut male, kann etwas ausgedrückt werden, ja etwas Winziges, von dem, was ich erlebt habe und weiß, und dann kann es nur so ausgedrückt werden, nicht als Bild an sich, nicht als Farben, Formen, nicht durch alles im Bild und auch nicht durch das, was das Bild irgendwie zeigt, sondern eben in einer einzigen Gemeinschaft von Form und Inhalt, wie Geist, und diese Gemeinschaft, dieser Geist ist ebenso unsichtbar, wie das Bild, wie das Gemälde sichtbar ist und der Geist ist die Wirklichkeit in dem Bild, also ist das Wirkliche in dem Bild weder Materie noch Seele, es ist beides zugleich und ist vereint in dem, was ich mir als Geist denke und vielleicht haben darum alle meine guten Gemälde, ja überhaupt alle guten Gemälde etwas von dem an sich, das die Christen den Heiligen Geist nennen, denn gute Kunst hat Geist, das gute Bild, und was all das gut macht, ist nicht das Material, die Materie und es ist nicht der Inhalt, die Idee, der Gedanke, nein was all das gut macht, ist eben genau die Gemeinschaft von Materie und Form und Seele, die zu Geist wird, denke ich, nein jetzt denke ich wirr, denke ich und wie oft habe ich diesen Gedanken schon gedacht, denke ich, dass dank des Geistes im Bild das Malen mit dem Beten verglichen werden kann, das Bild ist Gebet, denke ich, meine Bilder sind sowohl Gebet als auch Beichte als auch Bußübung, wie auch gute Dichtung genau das ist, ja alle gute Kunst kann so gesehen werden, denn alle gute Kunst strebt am Ende nach demselben, denke ich und ich denke, aus diesem Gedanken lässt sich ebenso wenig klug werden wie aus all meinen anderen Gedanken, denke ich, wie ich da sitze und aus dem Fenster schaue, ins Dunkle hinaus, auf meinen Peilpunkt in der Sygnesee, auf die Wellen und ich sehe Asle im Wirtshaus sitzen und er hebt seine Halbe und sagt Prost und Siv hebt ihr Glas und sie prosten sich zu und dann sagt Asle, es gibt ja viele Cafés und Restaurants und Bars in Bjørgvin, aber am wohlsten fühlt er sich im Wirtshaus, wohler als im Künstlercafé, denn im Wirtshaus herrscht