Der Aufbau der Kirche Christi auf den ursprünglichen Grundlagen - Ernst Adolf Rossteuscher - E-Book

Der Aufbau der Kirche Christi auf den ursprünglichen Grundlagen E-Book

Ernst Adolf Rossteuscher

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Beschreibung

Rossteuschers Geschichte des Ursprungs der Irvingianerkirche behält trotz des apologetischen Tons ihren Wert. Das Buch enthält zunächst die irving. Ansichten über die Entwicklung oder vielmehr Verderbnis der Kirche, die bereits in der Urkirche begonnen haben soll, nachdem das Hauptamt, das Apostolat, welches die göttliche Unmittelbarkeit und Allgemeinheit zum Wesen hat und die lebendige Verknüpfung des Leibes Christi auf Erden mit dem Haupt im Himmel instrumental und organisch darstellt, und die Geistesgaben in Abgang gekommen. Weder der Episkopalismus noch das Papsttum noch der Protestantismus mit seinem Individualismus und Gemeindeprinzip entsprechen dem kirchlichen Ideal. Die Aufklärungs- und die Revolutionsperiode bedeuten sogar den Anbruch des Antichristentums und den Bankrott des Staatskirchentums. Es bleibt nichts übrig als das im Gegensatz zu dem rechten Kirchenbau stehende christliche Vereinswesen. Mit einem Wort, die ganze Kirchengeschichte ist eine große Verirrung, der Kirche Heil und Wiederherstellung kann nur eine Tat Gottes sein. Diese Gottestat in ihrer Absicht des Aufbaues der Kirchengeschichte vollzieht sich in der prophetischen Schule in England, in den prophetischen Konferenzen zu Albury (Henry Drummond) , im schottischen Zeugenkreis (John Campbell) und in London bei Irving und seiner Gemeinde. Die geistlichen Gaben in Schottland, ihr Hervortreten und Verschwinden, die Weissagung, das Zungenreden und die wunderbaren Heilungen in London, sowie die Reaktion der bestehenden Kirchen und die Prozesse, welche die Kirchenbehörden den Erweckten bereiteten, führten zur Wiederherstellung geistlicher Gemeinden, welche freilich hier und da durch die "listigen Anläufe des Teufels und des Fleisches" in dämonische Verwirrung ausarteten. Im dritten Abschnitt beschreibt Rossteuscher die Hauptsache, "die Wiederherstellung der alten Kirchenordnungen."

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Der Aufbau der Kirche Christi auf den ursprünglichen Grundlagen

 

ERNST ADOLF ROSSTEUSCHER

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Aufbau der Kirche Christi auf den ursprünglichen Grundlagen, E. A. Rossteuscher

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783988681058

 

Textquelle: "Edition Albury - Sammlung Peter Sgotzai des Netzwerks Apostolische Geschichte e.V.", bei der wir uns sehr für die freundliche Genehmigung der Nutzung des Textes bedanken.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

VORREDE.. 1

VORBETRACHTUNG. DasWesenunddieEntwicklungderKircheChristi4

ERSTES BUCH. NähereVorbereitungender Wiederherstellung. 69

Erstes Kapitel. DieprophetischeSchuleinEngland. 69

ZweitesKapitel. DerschottischeZeugenkreis. 94

DrittesKapitel. EdwardIrving. 123

ZWEITESBUCH. DieWiederherstellungderGabendesHeiligen Geistes. 147

Erstes Kapitel. DiegeistlichenGabeninSchottland. 147

ZweitesKapitel. DiegeistlichenGabeninEngland. 179

DrittesKapitel, GeistlicheGemeinden. 212

ViertesKapitel. Geistliche Gefahren undAnfechtungen Robert Baxter235

DRITTESBUCH. DieWiederherstellungdergöttlichenKirchenordnungen. 253

Erstes Kapitel. DerAufbaudererstenGemeindendurchdenerstenApostel253

ZweitesKapitel. AufrichtungandererGemeinden,BerufungmehrererApostel294

DrittesKapitel. VervollständigungdesMustersderKirche. AussonderungderApostel.DasZeugnisderselben336

ANDIE PATRIARCHEN,ERZBISCHÖFEUNDBISCHÖFE.. 387

FUSSNOTEN... 461

VORREDE

DieschonseiteinerReihevonJahrenvergriffene ersteAuflagedieserSchrift(Basel 1871)warausden inderdamaligenVorredeangedeutetenGründennur fürdenVerkaufinnerhalbderapostolischenGemeinden bestimmt.

Dass man jetzt eine zweite und nicht wesentlich veränderteAuflagedemchristlichenPublikuminsgemein darbietet, erklärt sich nicht bloß aus der fortdauernden Nachfrage oder gar aus dem Aufgeben jener gebührlichen Scheu, heilige Dinge ohne weiteres für jedermann preiszustellen, die man unsere „Geheimtuerei“genannthat.VielmehrhatdazudieHoffnung bewogen, dass diese Geschichte heutzutage einigenderTreuenimLandeförderlichseinmöchte,die durch den seit den siebziger Jahren gewaltig vorgerückten Geisterkampf mehr als vordem für das Verständnis des göttlichen Gnadenwerkes in der Kirche vorbereitet worden sind.

Dabei wolle man doch dem Verfasser nicht die Erwartungbeimessen,dassdurchdenapologetischen Grundton, welchen die Darstellung einhält, die Widersacher, die Ungläubigen, die bei ihrem überliefertengeistlichenBesitzeGesättigten,zumalTheologen, jetzt wirksamer als früher überführt oder nur beschwichtigt werden könnten.

Zwar zum Schweigen in der Meinung, totschweigen zu können haben sich offenbar manche Gegner vereinigt. Indessen wird auch diese Absicht immer wieder vereitelt, durch eine Flut von Gegenschriften, welche mit all ihrem Hohn und Ingrimm dochnurvonderMachtundBedeutungdes„Irvingianismus“ zeugen und die Aufmerksamkeit auf denselben rege halten müssen.

Immerhin muss sich das Wort erfüllen. „Sehet, ihr Verächter, und verwundert euch und werdet zunichte; denn ich tue ein Werk zu eurer Zeit; welches ihrnichtglaubenwerdet,soeseuchjemanderzählen wird“ (Apostelg. 13,41). Daher ist es für jede Erzählung unmöglich, alle Angriffe zu widerlegen und alle Fragen zu befriedigen, die aus der Unwilligkeit oder Unfähigkeit zu glauben entspringen. Es handelt sich schließlich doch um die einzige Glaubensfrage: „Hat, oder hat nicht, in dieser Sache der lebendige Gott selbstsichwiederum geoffenbart, wie vor alters? Hat er wirklich, oder hat er nicht, diese Apostel erweckt und gesendet? Ist nicht der Herr unter uns getreten und tut solche Dinge?“ DasistdiegroßeTatsachenfrage,welchederKirche hier vorliegt; eine, nach so viel hundertjährigem Gezänk um die Formeln dogmatischer Begriffe, gnadenvoll einfach gestellte Entscheidung!

Aberfreilich,siekannnurdurchechtegeistliche Unterscheidungrichtiggetroffenwerden,durchden scharfen „Geruch in der Furcht des Herrn“, der eine Gnade des Geistes Gottes ist (Jesaja 11). Und dass diese Gnade diejenigen nicht geleitet hat, welche die von uns bezeugte Gottestat mit der finsteren Gestalt des Mormonismus zusammengeworfen haben, oder auch mit jener dürftigen Parodie, die ein im Jahre 1863inderBerlinerGemeindevomAmtesuspendierterProphetdurchBerufungimmerneuer,undzwar „deutscher“ Apostel,inHamburgu.a.Ortengeliefert hat,dasgebenhalbwegsbilligeBeurteilerjawohlzu.

Weit mehr aber, als durch grobes Absprechen, wird das Urteil verwirrt und der Glaube gehindert durchjeneDarstellungenderGeschichtedesGotteswerkes; welche den Schein der größten Objektivität vor sich hertragen, ohne ihr wahres Wesen zu besitzen: Schriftenvon Widersachern,diedenEreignissen „quellenmäßig“ nachgegangen sind, um sie von GrundaufmitihremVorurteilzufärben.AnspruchsvolleBände,wiedesHolländersKöhler1oderdesEngländers Miller2geben sich die Miene, den „Irvingianismus“ aufs gründlichste abgetan zu haben. Dabei mussmanihnendenVorteildesanständigenFormatesundToneseinräumen,dersievorfastallendeutschen Pamphleten bis herab zum neuesten eines norddeutschen Generalsuperintendenten rühmlich ausgezeichnet. Aber was ist auch eine glatte Form und äußerliche Ergründung wert, wenn sie doch nicht den richtigen Grund und Kern der Dinge erreichen kann! Keiner der Pharisäer und Schriftgelehrten,dieJesuauflauerten,umetwaswiderihnzufinden,hätteeinewahreevangelischeGeschichteliefern können, auch wenn er seine Worte genau protokolliertundseineWerkeaktenmäßigfestgestelltoder „objektiv“wiedergegebenhätte.

Für göttliche Dinge gibt es vorerst keine wahrheitsgemäße Erfassung außer durch den Glauben. Der Verfasser des nachfolgenden Berichtes von den AnfängendergöttlichenKirchenreformationderEndzeitbringtwenigstensdieseQualifikationzuseiner Aufgabemit.Seitdemer,schonalsjungerDozentder Theologie, aus den seine Seele umschnürenden Schlingen,hierdesLutheranismus,dadesRomanismus,nachGottesGnadeerlöstwordenwardurchdie köstliche Kunde von der Erweckung der geistlichen GabenundderErneuerungdesApostolischenAmtes, hat er nicht aufgehört, auch der genauen Erforschung der Tatsachen sich zu widmen, wie sie ihm vonsolchenbezeugtwerdenkonnten,dievonAnfang AugenzeugenundDienerdiesesWortesgewesensind.

InsoferndarferwohlredenausGlaubenundfür den Glauben.

Im Übrigen aber kann er diese Zeilen nur mit derselben Erklärung schließen wie s. Z. die Vorrede zurerstenAuflage:„IchbinvondergroßenUnzulänglichkeitmeinerArbeitzusehrüberzeugt,alsdassich nicht erwartete, sie werde den Lesern den Eindruck desUngenügendenmachen.Mögederselbedannnur von dem Zugeständnis gemildert sein, dass der Wucht und Würde des Gegenstandes auch weit bessere Kräfte wohl nicht gewachsen gewesen wären.

Leipzig,imAdvent1885.

Dr. E. A. Roßteuscher

VORBETRACHTUNG. DasWesenunddieEntwicklungderKircheChristi

Indem der Mensch mit Freiheit begabt und als sichtbaresAbbildGottesandieSpitzederKreaturgestelltwar,hatteerdenBerufempfangen,sowohlsein eigenes Leben nach göttlichen Gedanken zu ordnen, als auch die ihm untergebene Welt zu einem freien AusdruckderselbenGedankenzugestalten.Dasunentbehrliche Licht seines Lebens war daher die ErkenntnisGottesunddergöttlichenDinge;seinewahre Lebenskraft, die Gemeinschaft mit Gott, seinem Urbilde. Jede Abweichung von dessen Vorschrift war Verleugnung des Grundgesetzes seiner eigenen Natur, das schlechthin Verfehlte und Verderbliche.

VondemAugenblickan,daderMenschwirklich indieSündeverfielundsichvonjenemhimmlischen Zusammenhange losriss, ward er unfähig, sein und der Kreaturen Leben nach einem irgend heilsamen, geschweige denn nach dem göttlichen Plane zu führen. Entweder er geriet sofort unter die Macht der niederenNaturgewalten,dieerinsichundinderWelt hatte beherrschen und wohltätig verwenden sollen; oder er schaltete mit bloßer Willkür nach allerlei urgöttlichenundunwahrenIdeen,dieersichselbstersonnenundseinemLebenundWirkenalsMuster vorgesteckt hatte. Kaum dass noch ein Dämmerschein des ursprünglichen Lichtes übrigblieb, oder auch von Gott aufgefrischt war, eben ausreichend, um das in Sünden verkommene Geschlecht aufrecht zu halten bis auf die Fülle besserer Zeiten.

AberalleHeidenvölkerdurchdringtdasBewusstsein, eine Erinnerung oder eine Ahnung, dass das menschlicheLeben,umwahrhaftLebenzusein,sich in Formen bewegen müsse, die dem Wesen und den IdeenGottesselbstentsprächen.IhreReligionenund Philosophien,ihreKunstundPolitikgehenvornehmlich darauf aus, jene echten Lebensprinzipien aufzufinden und zu verwirklichen. Jedoch, bereits unbekannt mit dem wahren und lebendigen Gotte, suchten sie vergeblich bei den falschen Göttern des PolytheismusundPantheismus;derWiderstreitihrernationalen und schulmäßigen Systeme zeigt nur, wie unbegrenzt die Möglichkeit des Irrtums wird, wenn einmal der eine Weg der Wahrheit verloren ist.

Eine leuchtende Ausnahme unter den Völkern bildetdasVolkIsrael.Dasselbe hatteGottgeradefür die Aufbewahrung seiner ursprünglichen und die Vorbereitung seiner zukünftigen höchsten Offenbarung besonders auserwählt und unter seine unmittelbare Leitung genommen. Für beide Zwecke wurde denIsraeliteneinMaßanErkenntnisjenerewigen Grundsätzemitgeteilt,nachwelchendasmenschliche Leben als das gottesbildliche erneuert und zur Vollendung gebracht werden sollte. Diese Mitteilung geschah vorerst in einer Form, die den Zeiten und demZustanddereinmalgottentfremdetenundnoch nicht wieder zurückgebrachten Menschennatur entsprach. Gott gab ihnen nämlich ein buchstäbliches Gesetz, das von keiner neuen Willkür umgestoßen oderhinweggeleugnetwerdenkönnte;einfestesbildlichesZeremoniell,dasdiegöttlichenGedankenauch dem sinnlichen Menschen in Erinnerung brächte, und eine oft wiederholte, stufenweise deutliche Verheißung auf das vollkommene Gottesreich, dessen AnbruchIsraelersehnenunddurchTreueindemzuvor Gegebenen mit herbeiführen sollte.

Hierdurch ward dieses Volk der Herd der göttlichenMitteilungenandasMenschengeschlecht;selbst schon ein vorbildlicher Gottesstaat, weil seine Lebensgrundlagen in einem Schattenriss bereits die rechten Formen zeigten; eine Nation von Zeugen für diewahrenWegeundgnadenvollenAbsichtenGottes, die zwar das Heil noch nicht besaßen, doch wissen konnten, von wannen und wie es kommen werde.

Gleichwohl fielen auch die Juden aus ihrer hohen Aufgabe. Auf ihrem besonderen Standpunkt wiederholtensiedieallgemeineSünde.Sieverkehrten das Gesetz in eine tote, äußerliche Übung und missbrauchtendiemessianischeVerheißung,umihrenationaleÜberhebungzunähren,durchwelchesiestatt ein Segen der Hass und Spott der anderen Völker wurden.

So war der Beweis vollends gegeben, dass der Mensch in seinem jetzigen Naturzustand, so wie er nun einmal geworden war, sein Leben auch mit den besten Hilfsmitteln bloßer Erkenntnis und Zucht nicht mehr gedeihlich ordnen, viel weniger zu den höchsten Zielen der göttlichen Bestimmung fördern könne. Sein Streben blieb notwendig immer festgebannt auf einem Boden, der der Sünde, dem Irrtum und dem Tode längst verfallen war. Was der Mensch mit seinen natürlichen Kräften leisten konnte, das hatteergeleistetimGutenwieimBösen.Seineigener Inhalt war vollends an den Tag gekommen, sein Vorrat war erschöpft; er konnte nicht mehr weiter, er konntenichtübersichselbsthinaus.Heilkonnteihm nur noch kommen durch jene verheißene Lebenserneuerung auf einem höheren Grunde, als den seine Natur darbot; nur durch einen Zufluss von oben aus der Quelle, die in sich unerschöpflich und ausreichend ist, die gesunkene Menschheit nicht bloß aufzurichten, sondern auch zu ihrem seligen Ziele zu tragen.DieswahreLebenaber,dasheiligeundreiche ewige Leben, das in Gott selbst ist, erschien in dem vom Vater gesandten Heilande Jesus Christus.

„Das Leben ist erschienen“, sagt der Apostel Johannes mit kurzem, tiefem Worte von dem Anbruch der christlichen Weltzeit. Was vordem an Geist und Leben in der Geschichte und Gesittung der Völker, selbstdesauserwähltenVolkesIsrael,hervorgetreten war,daswarnurleererScheinoderSchatten,höchstens Weissagung gewesen. Denn nun erst ward Gott selbstgeoffenbartimFleische.DerewigeSohnGottes, vom Heiligen Geiste als Mensch empfangen und als eineNeugeburtindenverwitterndenOrganismusdes Geschlechts eingeführt, war der Träger des wahren Lebens und selber das Leben.

WieseineheiligeGeburtindieWelt,sowarauch der Wandel, den Jesus in vollkommener SündlosigkeitvonJugendaufunterdenMenschenführte,eine wunderbare, obwohl damals kaum beachtete Erweisung göttlichen Lebens. Vornehmlich aber hat er nachseinerSalbungmitdemHeiligen Geisteundseiner Einsetzungin das Heilandsamt bei der Taufe JohannisdieKraftundWeisedeswahrenLebenserzeigt in allem, was er tat und redete und litt. Seine Worte warendie WortedesewigenLebens,seineWerkewarendieErstlingederErlösungdesdaniederliegenden MenschenseineWunderdieAnfängezurHerstellung derverlorenenHerrschaftüberdieäußereNatur.Die MachtundWeisheit,dieGerechtigkeitundLiebeGottesleuchtetenwiederauseinemMenschenhervor,ja aus einem Sohne des gefallenen Adam.

Denn was Jesus verrichtete, das tat er als der vom Geiste unterstützte Menschensohn; lediglich im menschlichen Glauben an seine Sendung vom Vater undimGehorsamgegendieWorteundWinkeseines Gottes. Gerade darin liegt das Geheimnis und die KraftseinesWerkesaufErden,dasser,entäußertder himmlischenHerrlichkeitunderniedrigtzurKnechtsgestalt;wiesiederMenschträgtnachdemFalle,also ganzindenVerhältnisseneinesschwachenversuchlichen Menschen, das göttliche Leben rein und ungebrochendurchführte,biszuräußerstenGrenzedes menschlichen Vermögens, bis zum Tode des Leibes.

Nach der Würde seiner göttlichen Person und nach dem Verdienst seines Tuns in der Menschheit war er vor Gott das Haupt des von ihm angenommenen Geschlechts, ihr Vertreter und Mittler. Indem er also an sich selbst das dem Fluche unterworfene Fleisch freiwillig dahingab, brachte er ein stellvertretendesOpfer,einSühnopfer,völligundgenugsamfür alle, mit denen er sich zur Einheit ihres Wesens, zur ÄhnlichkeitjenesFleischesderSündeverbundenhatte.DurchseinBlutwardieganzemenschlicheGattunggesühntundgereinigt,sodasssie vondemersten Fluche frei und wieder fähig ward, neues Leben zu empfangen und zwar dasselbe göttliche Leben, dass er in sich getragen undgeoffenbart hatte.

Die Lebensquelle ward durch Jesu Tod für alle aufgetan, aber darum nicht sofort auch mitgeteilt. ZunächstmussteChristusselbstzurvollenHöheseiner Kraft und Bestimmung gelangen. Auf Erden war die ihm innewohnende Lebensfülle noch gebunden gewesendurchdassterblicheFleisch;siekonntesich frei ausbreiten erst durch das Organ eines ihr angemessenen Leibes. Erst als er aus dem Grabe hervorgegangen war mit einem himmlisch verklärten Körper, haftete keine Schranke von dem bisherigen Zustande der Schwachheit mehr an ihm, und die MenschheitwarnuninihmauchzurgöttlichenHerrlichkeitaufgenommen.WasAdamnurvorbedeutsam gewesen, das war der aus den Toten auferstandene Christus in höchster Wahrheit: der Sohn Gottes, das Ebenbild des unsichtbaren Vaters in der entsprechendsten leibhaftigen Gestalt, der Herr über die gesamteSchöpfung,berufenundausgerüstet,sienach den Gedanken Gottes zu gestalten und zu regieren. DennfortanwardihmgegebenalleGewaltimHimmel und auf Erden, eben das verheißene Himmelreich in seinen beiden Beziehungen, als ein Priestertum zur SühnungundSegnung,undalseinKönigtumzur Lenkung der Kreatur. Seine Auferstehung und Himmelfahrt bezeichnen den Antritt, sein Sitzen zur Rechten des Vaters die jetzige Ausübung dieser Macht. Hiernach war in ihm das Urbild der ersten Menschenschöpfung verwirklicht; ihr ursprünglicher Beruf: gottesbildliche Lebensund Weltgestaltung, nicht einfach wieder aufgenommen, sondern auf die erhabensteStufegebrachtundfürewigunverrückbar festgestellt.

DieswardennerstdievonGottvorherverordneteStellung,vonderausChristus,derHerr,diedurch sein Blut versöhnte Menschheit auch mit dem göttlichenLebenerfüllenkonntedurchdieAusgießungdes Heiligen Geistes. Ihm selbst war in den Tagen seines Fleisches der heilige Geist der Vermittler des Lebens gewesen, das Band seiner Gemeinschaft in und mit demVater.DurchdieWirkungdesGeisteswarerins Fleisch als eine heilige Geburt gekommen; durch die Einwohnung desselben Geistes ward er für sein öffentliches Auftreten ausgerüstet; durch denselben warerzumSieg überdie VersuchungendesTeufels geleitet, trieb er die Dämonen aus, schöpfte er seine vollkommene Erkenntnis und redete und handelte nach Gottes Sinn; durch den ewigen Geist hatte er sichzuletztGottgeopfertundwarausdemTodewieder lebendig und leiblich verklärt worden. Sowohl seinAusgangzurErniedrigung,alsseinLebeninderselben und seine Rückkehr zum Vater, das ist, das ganze von ihm vollbrachte Werk der Erlösung und Verklärung der menschlichen Natur, war durchweg getragen,vermitteltgewesen durch den Geist Gottes. Die unendliche Gottesfülle der hochgelobten dritten Person hatte in dem menschgewordenen Sohne ihre leibhaftige Wohnung und angemessenen Tempel gefunden. Aber darin blieb sie zunächst auch eingeschlossen;fürdieMenschenwarderGeistnochnicht da, solange Jesus noch nicht verklärt war3. Als er aberaufdenThronGotteserhöhtward,ererbteervornehmlich die Macht, auch den Heiligen Geist den Menschen als Gabe und Vermittlung ewigen Lebens auszuteilen, gleichwie er selbst für seinen menschlichen Lauf ihn vormals vom Vater empfangen hatte.

Durch die Herabkunft des Geistes ward das Heilswerk,dasbishernurandemMenschenChristus durchgeführt war, vollends ergänzt mit der anderen Seite,dassnämlichauchdieMenschenandemSohne Gottes Gemeinschaft und Anteil erhielten, wie er seinerseits an ihrer Natur teilgenommen hatte. Wie vordem zwischen dem Vater und dem erniedrigten Sohne,sowardnunzwischendemerhöhtenChristus und dem Menschen im Staube der Welt eine Lebensgemeinschaftaufgerichtet,dieGemeinschaftdesselbenHeiligenGeistes,dervonihmzuihnenherabkam, um sie zu seinem Bilde zu gestalten und zu seiner Herrlichkeitzuerheben.DerHerrvomHimmelerwies sich nun auch darin als der zweite Adam, der neue Mensch, dass er durch seinen Geist, die himmlische Kraftausströmung, Abbilder seiner selbst erzeugte zum ewigen Leben, wie Adam sein seelisches Leben fortgepflanzt hatte auf die Nachkommen.

DieAusgießungdesHeiligen Geisteswardieerste Frucht, und das Wirken desselben in den Menschen ist der lebendige Inbegriff jener wunderbaren Tätigkeit, die der erhöhte Menschensohn zur Erneuerung derMenschheitanhob.ZwaristderGeistalsgöttliche Person der „andere“ Paraklet, Tröster, Vertreter und MahnernachChristoselbstundnebenihm.Ersollte dieJüngerbesser,alsJesusaufErdenesvermochte, in alle Wahrheit leiten und zu göttlichen Worten und Werkentüchtigmachen,weilerihnendaswahrhafte Leben nicht bloß vor Augen stellen, sondern in die Herzeneingießenkonnte;weilernichtbloßeineWeile unterihnenwohnen,sonderninihnenseinundbleiben sollte ewiglich. Aber indem der Geist doch nur von dem, was Christo zugehört, nehmen und ihnen verkündigen,undwaservonJenemhörte,redensollte, so ward sein Werk in Wahrheit ein höheres Tun Christiselbst,undseinWortdasWortChristi,sowie esdiesernunvomHimmelherabredet…DerGeist sollte nicht ein zweiter, zwischeneintretender Herr sein an Christi statt, der allein Mensch geworden ist und Menschen zu seinem Eigentum erworben hat; sonderndurchdieEinwohnungundWirksamkeitdes Parakleten sollte gerade der Menschensohn verklärt und dessen Herrschaft bekundet und entfaltet werden.DurchihnwollteChristusselbstzudenGläubigenkommenundmitdemVaterinihnenunsichtbar Wohnung machen, bis er auch persönlich wieder erscheinen und sie in seine Herrlichkeit aufnehmen würde.

So war denn mit der den Menschen gegebenen Gemeinschaft desselben Geistes, der in dem Herrn ist, nichts Geringeres bezweckt als dies, dass ein neues, ihm ähnliches und wahrhaft gottesbildliches Geschlecht erwüchse, ein mystischer Leib entsprechend dem himmlischen Haupte, eine geistliche Familie von der Art des ewigen Stammvaters. Kurz, es sollteendlicheinemenschlicheGesellschafterstehen, in der nun Christi Sinn wohnte und Christi Willen gältedurchseinenGeist.SiesollteseingöttlichesLebenoffenbaren,eineFortsetzungundVervielfältigung seineseigenenheilvollenLebensaufdemSchauplatze der Welt und im sterblichen Fleische, solange das Fleisch währt, bis sie auch in seine Herrlichkeit eingeholt würde. Auf diese Weise wollte Christus der ErstgeboreneuntervielenBrüdernwerdenundder Ratschluss des Vaters sich erfüllen, welcher MenscheninChristoerwählthatzuseinerKindschaftvor Grundlegung der Welt.

DiegöttlichenRatschlüssesindvollkommen,allumfassend und unfehlbar; sie bedürfen keines ZutunsvonSeitenderMenschen,andenensiewirksam werden sollen; sie sind berechnet für alle Zeiten, alle Individuen und Völker. Gleichwohl lassen sie der Freiheit jedes Einzelnen und der geschichtlichen EntwicklungderVölkervollenRaum,jasievollziehen sich gerade in den Äußerungen derselben.

Denn die Wirkungen des Heiligen Geistes beginnen zuvörderst mit keiner äußerlichen Veränderung, dersichniemandentziehenkönnte,nocherscheinen sie sogleich in einer Gestalt, die auch den HartnäckigstenüberwältigenoderdemTörichtestenzusagen müsste. Sie heben vielmehr mit einer Herzensbekehrung an, die je gründlicher, desto reizloser für den natürlichen Menschen ist. Denn indem sie ihn zur ReueüberseineSündenundzumAbscheugegenihre Lockungen, zum Glauben an die Erlösung Christi und zum Entschlusse seiner Nachfolge führt, bringt sie ihn in den peinlichsten Gegensatz zu der sündlichenWeltunddenihmselberanklebendenGelüsten. Gewiss, zu einer solchen Haltung wird niemand außerdurchgöttlicheGnadenkraftgebrachtwerden; aberauchniemandwirdsieeinnehmenodergardarinausharren,dernichtalleKräfteseinesWillensdaransetzt,sodassdanichtunwiderstehlicheWirkungen desGottesgeistesvorgehen,sonderneineErneuerung desfreienmenschlichenWesensvermittelstdesGeistes. Der Mensch behält die Macht, auch den BezeugungendesHeiligen Geistessichzuverschließen,und zwar nicht bloß ein für allemal; er mag sie zu jeder Zeit und auf allen Stufen entweder aufnehmen oder abweisen, gebrauchen oder missbrauchen. Ja, er kann im erklärten Gegensatze gegen das göttliche Wirken eine ungöttliche, nunmehr widerchristliche Lebensgestaltungdurchzuführensuchen,bisdasGerichtbeiderErscheinungdesHerrnmitseinenHeiligen jeder dem Heil entgegenstrebenden Freiheit ein Ende machen wird.

ZumanderensolltedasHeilGottes,dasinChristo allerdings auf alle Menschen angelegt war, doch nicht allen zu gleicher Zeit und in gleichem Maße dargeboten, vielmehr in einem geschichtlichen VerlaufzuerstetlicheninganzerFüllemitgeteilt,denandernabernochvorenthaltenwerden.Miteinerweisen und gnadenvollen Ökonomie des Verfahrens wollte Gott,voneinerzuvorerwähltenScharalsdemHerd und Mittelpunkte der Gnade ausgehend, sein Werk allmählich und stufenweise bis zu den äußersten Grenzen der Menschheit durchdringen lassen.

DerHeilanderschienunterIsrael,undzunächst für dasselbe. Er nahm die Menschheit an, aber so, wiesiesichindergeweihtenErstlingsnationdarstellte; der Menschensohn war der Sohn Abrahams, der SohnDavids.ErgabsichalsderdemVolkeverheißeneMessias,deralleAufgabenundVerheißungendesselben in seiner Person zusammenfasste, das wahre Urbildund dasHauptIsraels.Daherwardie Summe seiner Predigt die, dass das dem Volke geweissagte Gottesreich nun herbeigekommen sei in seiner Person,dochnochingeistigerWirksamkeitundäußerlicher Niedrigkeit. Er bestätigte die messianischen ErwartungeninihremganzenUmfange,nurdaraufbedacht,allefleischlichenVorstellungenvonjenemReich zu beseitigen, als ob es seine Herrlichkeit sofort und ohne vorgängige Ertötung und himmlische Verklärung des Fleisches entfalten könne. Aber er bestrittvonvornhereindenArgwohn,dassergekommensei,dasGesetzunddieProphetenaufzulösen;er warstetsdaraufbedacht,dieaufihndeutendeSchrift wörtlich zu erfüllen. Das in ihm erschienene Leben wähltesichüberalldieindenVorbildernundWeissagungen des alten Testamentes niedergelegten Formen,biszumEnde seinesirdischenLaufes,dadann inseinemLeidenundSterbendieSatzungenvonPassah und den anderen blutigen Opfern noch ihre zutreffendste Erfüllung erhielten.

Doch war auch damit der geistige ZusammenhangzwischenseinemTununddenisraelitischenInstitutionennochkeineswegsabgeschlossen.Derselbe erhielt vielmehr, seit Christus in seine Herrlichkeit eingegangen war, eine noch ausgedehntere Bedeutung und den erhabensten Ausdruck. Denn die himmlischeStellungundTätigkeitdesGottmenschen ergab sich als die höchste Ausführung der den mosaischenEinrichtungenzuGrundeliegendenGedanken. Christus der wahrhafte Hohepriester in seinem himmlischen Heiligtum vor Gott selbst erscheinend mit den rechten Opfern, der Darbietung seines eigenen Leibes und Blutes und seiner unfehlbaren Fürbitte; der ewige König undHerr, der sein Volk ordnet und regiert durch das vollkommene Gesetz seines Geistes; der eigentliche Prophet, der vom Himmel herab redend aus dem Eigenbesitz der himmlischen Geheimnisse heraus verkündigt, was da ist und was danach geschehen soll. Kurz, die ganze israelitische Haushaltung, die theokratische Verfassung und Disziplin, der Kultus, die Prophetie erscheint durch den Messias verklärt, verewigt, umgesetzt in göttliche Wahrheit!DasmessianischeReich,fürwelchesIsrael durch das Gesetz und die Propheten erzogen werden sollte, stand verwirklicht da in der Person des verherrlichten Christus, nur noch harrend der entsprechendengeistlichenZubereitungdesberufenenVolkes,umdurcheinezweiteAnkunftdesHerrnmitallsichtbarer Kraft in die Welt eingeführt zu werden.

DennnachdemdasHauptIsraels,ihrKönigund Priester, als Sohn Gottes in Kraft und Herr vom Himmel erzeigt war, konnte sein Volk nicht länger in der schwächlichen Verfassung des natürlichen Menschenwesens bleiben. Statt der bloßen Andeutungen und Bilder göttlichen Lebens und Wirkens sollten auch sie nunmehr das Leben und die Kraft empfangen. In dem durch das sühnende Leiden zu seiner Herrlichkeit eingegangenen Christus war Israel bereits zu dem neuen, besseren Bunde mit Gott, dem Bundwirklicher Lebensgemeinschaft,hinangebracht worden. Nun aber wurde auch die freie Beteiligung des Volkes an demselben zustande gebracht durch jene AusgießungundEinwohnungdesHeiligen Geistes, die Christus den Gläubigen verschaffte.

Gewiss, zuerst den Israeliten und ihren Kindern gehörte die Verheißung der Gabe des Geistes; ihnen sollte sie das Siegel ihrer vormaligen Berufung und Auserwählung sein und das Mittel, dieselbe auf der neuen, höheren Stufe der göttlichen Offenbarung nunmehr ein geistliches Israel würdig zu betätigen. Allerdings hatte Gottdie Verheißung desGeistes von Anfang an auch für so viele der ferne stehenden Heidenbestimmt,alsernacheinerAuswahlseinerGnade herzurufen würde4. In das geistliche Israel sollten auch zahlreiche Erstlinge aus den Heiden eingeführt werden. So war von vornherein dem Wahne gewehrt, als ob der neue Bund noch auf der fleischlichen Abstammung von Abraham, Isaak und Jakob beruhte; statt ausschließlich auf der himmlischen LebenserneuerungdurchdenGeistdessen,derallerMenschen Naturangenommen,dermitseinemKreuzdieBuchstabensatzung abgetan und sie mit seiner Erhöhung in ein ewiges Lebensgesetz umgewandelt hatte. Und sovielSorgetrugGott,diesenunterscheidendenCharakter der neutestamentlichen Bürgerschaft hervorzuheben, dass er den Anfang zur Einberufung der heidnisch Geborenen durch eine wiederholte unmittelbare Geistesausgießung5und weiterhin durch die AufstellungeinesdenerstenZwölfengleichberechtigten Heidenapostolates machte6.

Immerhin waren nach Gottes Treue die Kinder des alten Bundes die Erstberufenen zu dem neuen, undeswarnichtseine Schuld,dassdieZahlderNationaljuden in dem wahren Israel je länger je mehr hinterdenzugezogenenHeidenzurückbliebundendlich ganz ausfiel. Es waren die Juden selbst, die an demaltenSchattenwerkklebendunddieneueGnade Gottes in dem Messias Jesus verachtend, ihren Israelberuf tatsächlich hinwarfen, während die auserwählten Heiden ihn mit Eifer und Hingebung aufnahmen. Darum bildeten, wenn auch in der Folge keineinzigerBeschnittenermehrzumGlaubenChristi gelangt wäre, die in seine Lebensgemeinschaft eingetretenen Menschen, welcher leiblichen Abstammungsieauchwaren,nichtwenigerdasgeistigeIsrael. Denn nur sie hatten Teil an der geistlichen ErfüllungdesisraelitischenTestamentes,nursieGemeinschaftmitdemgöttlichenHaupteundUrbildeIsraels; während diejenigen mit Recht ohne alle Bundessegnungen blieben, die an dem alten Bunde, so wie er bisher gewesen war, gerade dann festhalten wollten, als Gott ihn in den neuen verwandelte.

So bildeten nun die Christgläubigen die wahre Auswahl aus der übrigen Menschheit, die ErstlingschaftausdenVölkernderErde,dasheiligeVolk,das königliche Priestertum, den Herd der Offenbarung Gottes, die Verkündiger seiner Gnade und Wahrheit an die Welt. In Summa: Was irgend das fleischliche Israel gewesen war für die Zeit der bloßen Vorbereitung, das war die christliche Gemeinde in Kraft des wirklich erschienenen Heils; was irgend von göttlichenGedankenbeijeneninVorbildernsichgezeigt hatte,das mehrundmehr konntendiese ingeistlicher Wirklichkeit aufweisen.

Die christliche Kirche, Ecclesia7, ist die durch Christi Geist konstituierte und aus der übrigen Menschheit ausgehobene Gemeinschaft, in welcher das Leben, das in ihm persönlicherschienen war, eine korporative Entfaltung empfangen sollte. Sie bestand zuerst nur aus den hundertundzwanzig Jüngern, welche nach der Himmelfahrt des Herrn laut seines besonderen Befehls in Jerusalem versammelt blieben und die Gabe des Geistes vom Himmel empfingen8.

Alle später Hinzugekommenen haben den Geist durchdiesakramentalenMittel,zuerstdurchdieheilige Taufe, empfangen, welche Christus eben hierzu imVorausangeordnetunddenApostelnzurVerwaltung übergeben hatte9. Aber diese unvermeidliche undunwesentlicheVerschiedenheitabgerechnet,warendochalleeinunddesselbenGeistesteilhaftigund dadurch mit Christo und untereinander in eine Einheit gebracht worden, von der alle sonstigen Verbindungen von Menschen mit Menschen, ja von Menschen mit Gott, nur schwache Abbilder lieferten. Denn ganz zu schweigen von anderen, willkürlichen Gesellschaftungen derMenschen, waren nicht selbst ihre wesentlichsten und heiligsten Verbindungen in derEheundFamilie,indemVolkeundStaatebisher nur auf das natürliche Leben basiert, während auch dasengsteVerhältnis,inwelchesMenschenbisdahin zuGottgetretenwaren,dasalttestamentliche,dievon derSündeaufgerisseneKluftnichtwirklichausgefüllt hatte.InderKircheaberwarenMenschenineineauf den gemeinsamen Gottesgeist begründete höchste Lebenseinheitgebracht,wieesheißt:„Wirsinddurch einenGeistalle zueinemLeibegetauft,undsindalle zueinemGeistegetränkt.“UndGottselberinChristo war mit der Kirche in eine so innige und wesentliche Verbindunggetreten,wiesiesonstnurimHimmel zwischen dem Vater und dem Sohne besteht10, auf Erden aber vergleichsweise zwischen dem Haupte unddenGliederneinesbeseeltenOrganismuswirkt.

„IchbinderWeinstock,ihrseiddieReben.“„Christus ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.“ Und„IhrseidderLeibChristiundGlieder,jedernach seinem Teil.“ Und so sehr ist in Christo und den Seinigen nur ein Leben und Wesen, dass Paulus nicht ansteht, ihre vom Geiste gebundene Gemeinschaft miteinandergeradezuden„Christus“zunennen,den einen Organismus göttlichen Lebens!11.

DieseEinheitistnachihremUrsprungundihrer nächsten Wirkung allerdings unsichtbar, nur dem Glauben fasslich. Denn wie das Haupt Christus zur Zeit unsichtbar im Himmel wohnt, so wohnt und wirktauchderHeiligeGeistindemunsichtbarenBereichdesMenschengeistes.Dennochwirddiekirchliche Einheit nicht schlechthin unsichtbar bleiben, schon weil der Heilige Geist, der nun in Jesu mit der ganzen Fülle wohnen konnte, durch alle Gläubigen hin, je nach dem Maße der einzelnen, so ausgeteilt ist, dass jeder mit seiner Gabe die Ergänzung aller übrigenbildetundwiederumderErgänzungvonallen bedarf. So ist durch die Gabe des Geistes selbst ein jeder auf die Gemeinschaft und Zusammenwirkung mit allen angewiesen, nur in derselben wird er geistlich bestehen und gedeihen können.

Aber noch mehr. Es ist in Christo nicht nur „ein Geist“, welcher nach seinen menschlich doch immer unabsehbarenAntriebendiekirchlicheGemeinschaft zusammenzubringenhätte12;esistaucheinLeib,ein sinnfälliger Organismus, mystisch zusammengefügt aus Menschen von Fleisch, eine wahre Korporation von fester, regelmäßig wirkender Gliederung, in der die geistlichen Lebenskräfte durch menschliche Tätigkeit sich äußern. Denn wie das Heil Gottes der sichtbar erschienene Sohn ist, der Mensch Jesus Christus,somusstedieVerwirklichungdesgöttlichen Lebens unter den Menschen auch die sichtbare Gestalt einer menschlichen Gesellschaft empfangen.

DieBezeichnungderKirchealsder„LeibChristi“ ist die in der Schrift häufigste und an Aufschlüssen über ihr Wesen fruchtbarste. Sie enthält vor allem dies,dassdiemitChristoverbundenenMenschen,als eine solche Einheit, das natürliche Werkzeug des himmlischen Hauptes sein sollten. Der Herr, der der Geistist,willdurchdieKircheseineGedankenkundgeben, seinen Willen ausführen, sein Tun sichtbar undfürdiesichtbareWeltwirksammachen.Wasdie Kirchetäte,wiesiesichverhielte,sollteebensogewiss Christi Tun sein, wie die Bewegungen eines Leibes Kundgebungen der im Haupte webenden Gedanken sind. Daher sind die beiden wesentlichsten Seiten seinesChristusamtessofortauchdiedeskirchlichen Lebens: Sein himmlisches Priestertum bedingt das priesterliche Verhalten, den Kultus der Kirche; sein ewiges Königtum gestaltet ihre Verfassung und Verwaltung.

Hinzu kommt noch, was gleichfalls in jener BezeichnungderKirchealsdesLeibesChristischongegebenist,dasssienämlicheindurchausbestimmtes Gesetz ihres Lebens, sowohl des inneren Bestandes als der äußeren Gestaltung, in sich tragen muss, so gut, ja mehr, als irgend ein natürlicherLeib.Solange derihrvomHaupteausinnewohnendeGeistinungestörterWirksamkeitbleibt,kannerderKirchenureinerlei,nämlichdieihmselberunddemHaupteeinzig passendeGestalt,diediesemLeibeausschließlichzugehörige Form anbilden, mit einer eigentümlichen Gliederung und bestimmten Verteilung der Funktionen an die einzelnen Glieder. Denn darin zeigt sich dochwohldie NatureinesOrganismus,einesLeibes. Es ist daher eine grundfalsche Vorstellung, dass die äußereGestaltderKircheetwasbeinaheGleichgültiges, dieOrdnungihrer Glieder undTätigkeitenbeliebig, und ganz verschiedene Verfassungen, Liturgien und Übungen der Kirche gleich angemessen sein könnten. Kaum an einem mechanisch verbundenen AggregatvonStoffen,oderauchvonMenschen,dürfte dieAnordnungdereinzelnenBestandteilewillkürlich geändertwerdenunddochdieKraftundWirksamkeit der Verbindung bewahrt bleiben. Aber an einem lebendigen Leibe können die Glieder nie anders gemischtwerden,alsdasihminnewohnendeLebensgesetz sie ein für alle Mal angeordnet hat, ohne das Lebenselberzugefährden.HierbedingtsichdasÄußere und das Innere wechselseitig; eine bestimmte Daseinsaufgabe kann nur in einer entsprechend bestimmten Organisation verwirklicht werden, je nach dem schöpferischen Willen dessen, der sowohl das Äußere als das Innere gemacht hat13.

Auch die übrigen im neuen Testament gegebenenBeschreibungenderKirche,alsTempeldesHeiligen Geistes, Braut Christi, Haus oder Stadt Gottes, treffendarinzusammen,dasssiesowohlnacheinem göttlichen Plane ursprünglich angelegt, als für jede rechte Entwicklung auf das Eingreifen Gottes, ihres einigenSchöpfersundBaumeisters,angewiesenwar. UndnurwenndaswirklichderFallwar,bildetedie Kircheeinezuverlässige,lebendigeOffenbarungChristi, den Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit, die echte Gestaltung des göttlichen Lebens, mitten in dembloßnatürlichenodergarungöttlichenWeltlauf; das erschienene Himmelreich, zwar noch nicht in offenbarerHerrlichkeit,aberdochso,wieesvordemin JesuselbstaufErdengewesenwar,nämlichimGeisteundimGeheimnisseerkennbarfürjedermannund anerkannt von den Gläubigen und geistlich Gesinnten.Endlich hatte die Kirche nur wenn sie durchweg Gottes Gebilde, ein unverfälschtes Gebilde seiner Handwarundblieb,aufjenesgöttlicheWachstumzu rechnen, durch das sie zum Maße der vollen Größe Christi hinankommen und zur Teilnahme an seiner HerrlichkeiterhobenwerdensolltebeiseinerZukunft, die ihr als Ziel und Hoffnung vorgehalten war.

Welches ist nun die Gestaltung, die der Kirche nach ihrem himmlischen Ursprung und Wesen notwendig und eigen ist; welches die wahrhaftige Erscheinungsform des einen Geistes in dem einen Leibe?

Ohne Zweifel diejenige, welche der Herr selbst angeordnethat!Esheißteinmalvonihm,dasserauf ErdennichthabePriesterseinkönnen,weilernicht vonAaronabstammte14.SolässtsichineinemSinne auch sagen, dass er auf Erden nicht König war, weil er,obwohlausDavidsGeschlechte,dieRechtedieser Würde über sein Volk noch nicht ausübte. In beiden Hinsichten ward seine Macht auf Erden noch nicht offenbar, sondern erst durch seinen Weggang von derselben,mitseinerAuferstehungundHimmelfahrt angetreten, als zu ihm gesagt ward: „Setze Dich als KönigzumeinerRechten,bisichDeineFeindezum Schemel Deiner Füße lege“ und: „Du bist Priester in EwigkeitnachderOrdnungMelchisedeks“15.Nurder Himmel konnte der Schauplatz für die Tätigkeit des zum Haupte des Himmelreichs erhöhten Christus sein, und nur vom Himmel herab sollten die Bürger desselben, das Volk dieses Königs und die Gemeinde diesesPriesters,ihreVerfassung,sowohldieKraftals die Vorschrift ihres Lebens, empfangen durch den Geist Christi.

Dennoch hatte der Herr auch schon auf Erden kraft der Gottessalbung, die ihn zu jener doppelten Würdeim Voraus versiegelte,einzelneköniglicheund priesterlicheHandlungenvollzogen,VorauserweisungenseineshimmlischenTunsundAktedertheokratischen Gesetzgebung für seine zukünftige Kirche. In gewisserHinsicht gehörtdazualles,was erunterdenen,dieihnalsdenChristusGottesanerkannten,geredet und geordnet hat. Denn es sind alles authentische AnweisungenüberdieSittenundRechteseines Reiches, und aus einem Stücke mit dem anderen, was die Jünger damals noch nicht tragen konnten, und was er ihnen deshalb erst durch den Geist vom Himmel herab verkündigen wollte16. Aber ganz besondersgehörenhierherdieAnordnungen,welche er eigensfürdaskorporativeLebenderJüngerbestimmte. Wenn er Zwölf derselben, entsprechend den StammesfürstenIsraels, auswählte, sie an die Spitze der übrigenstellteundihnenmitdemNamen„Apostel“eineallumfassende VollmachtzurDurchführung seines Werkes gab17, wenn er andere Siebenzig nach der Zahl der Geschlechter des Hauses Israels und zugleich der Zahl der Völkerfamilien der Erde aussonderte und sie als untergeordnete Mitarbeiter voraussendete, gleichfalls mit amtlichen Aufträgen und Verheißungen18,wennerfüretwavorkommendeVersündigungen in der Gemeinschaft seiner Gläubigen gewisse Regeln des Prozesses aufstellte19und noch vieles andere von ähnlicher Tragweite verordnete, so warendasErstlingsäußerungenseinesKönigtums,in denenmanbereitsGrundlagenfürdieVerfassungder Kirche anzuerkennen hat.

Gleicherweisehaterauchschonhieniedeneinige Male als jener wahre Priester gehandelt, der allein MenschenzuGottbringen,daherauchalleindieWeiseihresZugangszuGottbestimmenkann.Durchdie zweivornehmstenSakramentehaternochaufErden sowohldenAusgang alsdenHöhepunktdeskirchlichen Kultus festgelegt. In der Anordnung der Taufe ersetzte er die äußerliche Beschneidung des alten Bundes durch eine geistliche und wahrhafte Ablegung des alten und Aneignung des neuen Lebens, das in ihmselberist20.DieTaufesolltefürimmerdiemystische Einpflanzung in Christum bilden, durch welche die Gläubigen nicht nur seines Sterbens und Auferstehensteilhaftig,sondernauchmitihmindiehimmlischenRegionenversetztwürden,imGeiste21.Somit bildetsiedieEingangspfortesowohlzurKircheselbst alszudemKultus,dendieKircheinmystischerTeilnahme an der hohepriesterlichen Tätigkeit Jesu im Himmel zu feiern haben würde.

DennauchvondieserTätigkeithatteerzumVoraus auf Erden ein Zeugnis gegeben, indem er am VorabendseinesLeidensdieEucharistie,dasAbendmahl,einsetzte.Davollzogernämlich,alsschondem Tode übergeben und nicht mehr in der Welt, im Geheimnis des Brotes und Kelches auf unblutige Weise jenen priesterlichen Opferakt und jene Darreichung seinesLebens,wodurcheinerseitsseinKreuzestodals die Tat seiner freien Hingabe, andererseits sein EingangindasAllerheiligstedesHimmelsundSeinWalten in demselben abgebildet wurde. Am Kreuz, da sein Leib gebrochen und sein Blut vergossen wurde, sühnteerdieSündederWeltunderwarbihrdasAnrecht ewigen Lebens. Doch erst nachdem er durch seineigenesBlut,mitdenDenkmalenseinesOpfertodes in den Himmel eingegangen war, erschien er vor GottzugleichalsdasgeschlachteteLammundalsder in der Kraft unauflöslichen Lebens handelnde Priester, zugleich als der Darbringer und der Ausspender derFruchtseinesLeidens.Geradeweildie EucharistiehiervondiemystischeVergegenwärtigung,dasrealeGedächtnisist,solltesiedenMittelpunktundGipfel des Kultus seiner Kirche bilden.

So waren wirklich durch diese irdischen AnordnungenChristi,dieÄmterdesApostolatesmitseinen untergeordneten Gehilfen und die Sakramente der Taufe und des Abendmahls, die Grundsteine für den künftigenKirchenbauunverrückbargelegt.Dasübrige geschah nach der Himmelfahrt und Ausgießung desHeiligenGeistes,durchwelchederHerralsPfleger des Heiligtums und der wahrhaftigen Hütte, die Gott aufgerichtet und kein Mensch, nun aufs vollkommenste tätig wurde22. Die Anordnungen, welche er fortan durch den Heiligen Geist traf, stehen so wenig zurück hinten denjenigen, die er schon auf Erden gemacht hatte, dass diese nun erst ihre eigentliche WeiheundewigeBestätigungempfingen.Daherheißt es in Betreff der Kirchenverfassung, dass der Herr, erst nachdem er emporgefahren, etliche der Jünger als Apostel gab (obwohl die Elf schon vorher ernannt gewesen waren), etliche als Propheten, etliche als Evangelisten, etliche als Hirten und Lehrer23.

Diese vom Herrn selbst im Heiligen Geiste gegebenevierfacheAmtsstiftungenthieltaberdieSumme der Verfassung der Kirche und war ihr verliehen für alleAufgabenundZeitenihresLaufes,dennsiewar nach der Ausführung des Apostels Paulus bestimmt, die vollkommene „Gliederung der Heiligen“ zustande zu bringen, jegliches „Werk des Amtes“ Christi und seiner Diener auszuführen, kurz die ganze in Gottes Ratschlussentworfene„ErbauungdesLeibesChristi“ zu vollbringen. Und sie war angelegt auf die ganze Zeitdauer bis alle Auserwählten zu jener Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes,zu dervollkommenengeistlichenMannheit,zudemMaße der vollen Größe Christi hinan gekommen sein würden, welche das Ziel der Kirche und ihren Eingang in die Herrlichkeit bezeichnet24.

DasobersteallerÄmterbliebimmerdasapostolische, weil es das allein ursprüngliche war. Denn der HerrhattezunächstnurdenApostelndieFortsetzung seines Werkes auf Erden und damit alle Vollmacht anvertraut,diezurAusführungeinessolchenAuftrages nötig waren. Die Sendung Christi vom Vater enthältdenInbegriffseinerVollmacht,dieBeglaubigung füralleseineWerkealsMenschensohn:Soliegtinder von ihm selber ausgehenden Sendung jener besonderserwähltenMännereineÜbertragungseinereigenengeistlichenMachtfülle,soweitdieselbeüberhaupt derMitteilungfähigundzurfernerenDurchführung des Heilsplanes in der Kirche notwendig war. In diesemSinnesprichterimhohepriesterlichenGebet:

„Wie du mich gesandt hast in die Welt, so sende ich sie auch in die Welt.“ Und nach der Auferstehung zu denElfen:„WiemichderVatergesandthat,alsosende ich euch.“ In ein und demselben Sinne heißt Christus „der Apostel“ unseres Bekenntnisses, und nannte er jene Männer „Apostel“. Der Sendung Jesu vom Vater und der Sendung der Zwölf von Ihm selberwirdeinerelativgleicheBedeutungbeigelegt.Dieselbe vom Vater stammende Autorität, die Christo, demOffenbarerderWahrheitunddesWillensGottes und dem Haupte der um diese Offenbarung erwachsendenGemeinde,beiwohnt,wirddenApostelnbeigelegt, um sie, zunächst während seiner Abwesenheit vonderErde,inseinemNamenauszuüben.Weshalb derHerrauchihrenkraftdieserStellungverrichteten AmtshandlungendieselbeWirkungzuschreibtalsden von ihm selbst getanen: „Wer euch höret, der höret mich“„WelchenihrdieSündenvergebet,denensind sie vergeben.“

Eine höhere geistliche Autorität, als diese, ist nicht denkbar. Es ist eben die in Menschen, Christi Werkzeugen, niedergelegte und wirkende Fülle der AutoritätChristiselbst.Darumkonntesieauchnicht einem einzelnen Menschen übertragen werden. Kein einzelnerkannfähigsein,diegesamtegeistlicheGewalt des Herrn auf seine Schultern zu nehmen und somit gleichsam ein Ersatzmann Christi zu werden. Wenn Christus an einer Stelle die apostolische VollmachtdemPetrusbesondersübergibtMatth.16,18 sogeschiehtesnur,weilderselbebeijenerGelegenheitalsderRepräsentantderZwölferscheint,indem er auf die an alle gerichtete Frage namens aller das allen gemeinsame Bekenntnis ausspricht und demgemäßauchnamensallermitderallengemeinsamen VollmachtvonChristobekleidetwird;wiedennineiner bald darauf folgenden Stelle Matth. 18, 18 an alle Zwölf, als Gesamtvorsteher der künftigen Gemeinde, derselbe Auftrag gerichtet wird. Müsste aus jenernamentlichenAnredean Petruswirklichaufeine ihm eigentümliche Stellung geschlossen werden, so könnte es nur die eines Ersten unter Gleichen, gleichsam eines Vorsitzenden in dem Apostelkollegium sein. Denn die kirchliche Vollgewalt ward nur dem ungeteilten und unteilbaren Apostolat, allen Zwölfen kollektiv anvertraut. Ihre Mehrzahl wies beständigebensosehraufdasallengemeinsameeinzige HauptChristushin,alsaufdieunterihnenselbstzu haltende Einigkeit im Geiste. Wie das alte Israel in zwölf Stämmen unter zwölf Stammfürsten bestand, deren jeder nur eine relative Selbständigkeit hatte, währendsieungeteiltzusammengehörten,umdaseine Volk Gottes unter seinem einen Könige auszumachen,sohatChristusinderAufstellungvonzwölf Aposteln für das geistliche Israel eine analoge Form des neutestamentlichen Kirchenregiments vorzeichnen wollen.

DasHauptamtdieserVerfassung,dasApostolat, hat also zwei Merkmale, durch die es sich von allen anderenKirchenämternwesentlichunterscheidet:die göttliche Unmittelbarkeit und die Allgemeinheit seiner Sendung. Indem der Herr die Apostel sandte, wie er selbst vom Vater gesandt war, ist die Tätigkeit von Mittelpersonen bei ihrer Einsetzung und Amtsführung notwendig ausgeschlossen. Apostel können so wenig von Menschenberufen,erwählt, ordiniert werden, als sie unter der kirchlichen Aufsicht anderer stehenkönnen.DiesesMerkmalmusstenalletragen, die als Apostel anerkannt werden wollten, wie verschieden auch die Zeit und die Form ihrer unmittelbaren Berufung sein mochte. Daher ward nach dem Weggang des Herrn von der Erde, doch schwerlich ohne seine ausdrückliche Anweisung, die Wahl des Ersatzapostels Matthias Gott anheimgestellt durch dasLos25.DaherwurdenauchdieGenossendeszweitenApostolates,diederHerreigensfürdiePflanzung derKircheunterdenHeidenbestellte,Barnabas und Paulus, auf eine Weise berufen, die ihnen erlaubte, sichdenerstenZwölfeninjederHinsichtgleichzustellen,als„Apostel,nichtvonMenschen,nochdurcheinen Menschen, sondern durch Jesum Christum und GottdenVater,derihnvondenTotenauferweckt“26, also ihn befähigt hat, sein Leben durch die Sendung neuer Apostel in der Kirche zu erzeigen.

Andererseits wird die Unbeschränktheit des apostolischenAuftragsindenVollmachtswortenChristiausgesprochen:„GehethininalleWeltundmachet alle Völker zu Jüngern und lehret sie alles halten, wasicheuchbefohlenhabe“27.BotendesChristus,in welchem alle Wahrheit Gottes für alle Menschen offenbart ist, haben die Apostel notwendig den ganzen Inhalt seiner Lehre und Autorität für den ganzen Weltkreis zu verwalten; es kann keine lokalen und keine geistlichen Grenzen ihrer Amtsführung geben, bis die Kirche zur Erfüllung der Erde und zur VollkommenheitinseinenBefehlengelangtist.Dieseruniversellen Vollmacht widersprechen keineswegs die zeitweiligenArbeitsteilungen der Apostel, welche uns berichtet werden, weil ja ein jeder in dem ihm zufallendenGebietenichtkrafteinespersönlichoder amtlich beschränkten Rechts, sondern als Mitträger des einen apostolischen Auftrags arbeitete28.

Ebenso wenig konnte das Apostolat durch die anderen Kirchenämter eingeschränkt sein. Auch diese waren vom Herrn gegeben, und jeder einzelne Arbeiter warddurchÄußerungendesHeiligenGeistesberufen. Aber dann mussten sie durch das Apostolat, als die allein rechte Türe, eintreten; erst durch die von den Aposteln im Namen des Herrn und Hauptes der Kirche gespendete Ordination wurden sie zur Amtsverrichtungbevollmächtigt.IhreWürdewareineabgeleitete, mittelbare, daher auch untergeordnete. Ihre Vollmacht ging entweder auf besondere Richtungen der geistlichen Tätigkeit, wie bei jenen Propheten, Evangelisten,HirtenundLehrern,diealsGehilfen,Begleiter oder Legaten der Apostel erscheinen; oder sie waren auf einzelne Gemeinden und Bezirke beschränkt, wie die Diakonen, Presbyter und Bischöfe oder Engel der Gemeinden, welche die nächste AufsichtüberdieGläubigenführten.DieApostelkonnten undsolltenvielenandereneinenAnteilandenArbeitenimHauseGottesübertragen,dieihnenvomHerrn anbefohlen und anfänglich auch von ihnen allein ausgeführtwordenwaren.JewiedieKirchesichvergrößerte und die geistlichen Bedürfnisse der Gläubigensichvervielfältigten,wurdennachdemWillendes HerrnnichtbloßmehrArbeitereinundderselbenArt, etwa nur Hirten für jede neue Gemeinde, herzugerufen,sonderneineMannigfaltigkeitderÄmtergeschaffen, die in dem göttlichen Bauplane vorgesehen war. Zwar anfänglich, und wohl überhaupt während der Lebzeiten der Apostel, blieb den Umständen und Menschen entsprechend die Ausbildung der göttlichen Kirchenverfassung selbst in den größeren Gemeinden aus den Heiden auf die nötigsten Grundlinien beschränkt.

Gleichwohl hat das im himmlischen Haupte begründete,darumlebendigePrinzipderGestaltungbereits mächtig und in der ihm eigenen Richtung gewirkt. Es ergab sich schon eine wundersame Verschiedenheit der Gaben und Stellungen, ein Zusammenwirkenvielerundverschiedentlichformierter Glieder, um das Wachstum des einen Leibes Christi zu seiner Vollständigkeit und Vollkommenheit zu bringen.Aberindemjedesderselbeninseinemeigentümlichen Wirkungskreis zur allgemeinen Erbauung beitrug,tratauchdeutlicherdieEigentümlichkeitdes apostolischenAmtesumomehrhervor,undzwarso wie dieselbedurchseine alleinunmittelbare undunbeschränkteSendungbestimmtwar.Demgemäßeignete dem Apostolat die oberste Anordnung und Aufsicht und Leitung des Ganzen in jenem Sinne des Herrn, der ihnen allein für die Gesamtkirche kund gemacht ward. Die Lehre und die Gebote der Apostel regelten den Glauben und Wandel aller übrigen. Die Handauflegung, mit der sie alle Getauften versiegelten undalleAmtsführerordinierten,teiltejedemdasMaß derGabedesGeistesmit,dasihnzuseinerbesonderen Aufgabe in dem Herrn tüchtig machte29. So wurdendurchsie namentlichauchjenemächtigenGeistesgaben, Weissagung, Zungenreden, Geisterunterscheidung, Krankenheilung und dergleichen, mit denenderTrösteramPfingsttageüberdieersteJüngerschar gekommen war, auf alle Gläubigen fortgepflanzt,derenAusübungmitgöttlicherWeisheitgeleitetundzueinemstetenFortschrittinderHeiligung und Hoffnung fruchtbar gemacht. So wurde unter dem Regiment der Apostel, wie Paulus es ausdrückt, dasZeugnisChristiinderKirchelebendigbekräftigt, sodasssiekeinenMangelhatteanirgendeinerGnadengabe und wartete auf die Offenbarung des Herrn Jesu Christi30.

Das apostolische Amt war und blieb der fruchtbare Boden, auf welchem das reiche geistliche Leben der Kirche nicht nur erwuchs, sondern auch nach denGedankenGottesgeordnet,gegliedertundseinem herrlichen Ziele entgegengeführt ward. Es bildete wirklich das dem Eckstein Christus zunächst angefügteFundament31,auswelchem derganzeBausich erheben sollte. Durch die Gegenwart und Wirksamkeit der Apostel ward das Gedeihen des ganzen Werkes des Herrn bedingt, weil er ein Gott der Ordnung ist,derSegenundLebendarreichtaufseineneigenen Wegen.DarumverbürgtedieEinigkeitimGeiste,welchedieApostelhielten,dieEinheit,undihreNachfolge Christi die Heiligkeit der Kirche. Sie war apostolisch,weilsieApostelChristianihrerSpitzehatte,als den Ausdruck des himmlischen Ursprungs der gesamtenKörperschaft;undkatholisch,umfassendalle GeisterundLänderderMenschen,nirgendsgefesselt andietrennendenMächtedernatürlichenWelt,eben weilsiehimmlischwar.Kurz,dieApostelbildetendie lebendigeVerknüpfungderKircheaufErdenmitdem HaupteimHimmel,dasUnterpfandgöttlicherLeitung fürjene,dasWerkzeugderselbenfürdiesen.Undsolche Leitung konnte nur ein Ziel haben: die Offenbarung des Herrn vom Himmel und die Offenbarung seiner Kirche mit ihm in der Herrlichkeit, damit das LebenausGottendlichfürimmerfestgestelltunderhöht sei, wenn nun der Herr, mit seinen Heiligen regieren werde in dem verheißenen Reiche. Diese Hoffnung der Kirche ward, nicht minder als ihr Glaube und ihre Liebe, bezeugt, aufrecht gehalten schon durchdasDaseinderunmittelbargesandtenReichsboten.

Hingen denn alle wesentlichen Lebenskräfte der KirchemitihrerursprünglichenVerfassungundganz besonders mit dem Hauptpfeiler derselben, dem Apostolat, aufs tiefste zusammen, so springt das Widersinnige einer Vorstellung in die Augen, nach welcher Apostel und Propheten und übernatürliche BegabungenganzaußerordentlicheundnurfürdenerstenAnfangbestimmteMittelgewesenseien,dienach AblaufderGründungsperiode überflüssigoderdurch anderweitige Einrichtungen ohne Schaden ersetzt wordenwären.WiekanndieGestalt,welchederweise Baumeister selbst dem Haus gegeben, als eine bloß vorläufigebetrachtetundbisindenGrundumgestaltet werden, ohne einen Trümmerhaufen daraus zu machen! Oder wie kann die Bildung, die Gott dem Leibe anerschaffen hat, gerade ihrer hervorragendsten Glieder beraubt werden, ohne ein krüppelhaftes Wesen hervorzubringen! Die Unterscheidung zwischen außerordentlichenundordentlichenÄmternundGabenderKircheistnichtsweiteralseineÜbereinkunft zur Verhüllung der Kluft, durch welche die spätere weltförmige Entwicklung von dem gottgeschaffenen, in der heiligen Schrift beschriebenen Urzustand getrennt wird.

Die Tatsache istfreilichunleugbar,dass die Kirche bald nach ihrer ersten Generation das Apostolat und mit ihr die ursprüngliche, ihre eigentlich naturwüchsigeOrganisation,bisaufeinigeResteeingebüßt hat. Aber es schwebt über dieser Tatsache ein dunklesGeheimnis,daswenigejemalsbedacht,kaumetliche durchschaut haben, und das sicherlich niemandem ohne göttliche Erleuchtung zugänglich werden kann. Warum geschah es, wie durfte es geschehen, dass die Kirche, dieser lebendige Tempel Gottes und mystische Leib Christi, so bald zu einer Gestalt wurde,dieverglichenmitderGottesfülledesAnfangseine Verstümmelunggenanntwerdenmuss?DieAntwort, dass dies, weil es einmal so geschehen ist, darum auchgeschehensollte,entstammtnurdenpantheistischenGrundgedanken,diesichoftunbemerktindie ErkenntnisauchderFrommeneingeschlichenhaben. Wer eine weitgreifende Katastrophe, eine VeränderungursprünglicherStiftungenschondarumalsÄußerungdesvollkommenenGotteswillensverehrt,weil sieeinmalgeschichtlichundwiederumGrundlageeinergroßenEntwicklunggewordenist,derleugnetdie wahre Quelle der Hergänge im geistigen Bereich, die göttlicheundmenschlicheFreiheit.Ausdieserfließen die Wendungen im Geschicke menschlicher Reiche, wievielmehrdiejenigenimReicheChristi,dasinder Kirche besteht! Es gibt also keinen mit der Wahrheit vereinbarenAufschlussüberden gewaltigenWechsel derDinge,dersichzwischendemerstenundzweiten JahrhundertinderKirchevollzog,esseidenneinaus derTreueoderUntreuederMenschenundausGottes Gnade oder Gericht abgeleiteter.

„Christus ist der Kirche zum Haupt gesetzt über alles“ 32alles was sie zu sein und zu tun hat. Er ist derUrheberihresLebensundderOrdnerihresHandelns; sie besteht nach ihrem geistlichen Wesen aus ihm undinihm. Undinsofernkann zujederZeitvon ihrgesagtwerden,wasPaulusdenGläubigenzurief: „Ihrseiderfüllet,vollkommeninChristo“33.

IhrwahrerMittelpunktistinundmitChristoauf demThronsitzzurRechtendesVaters,unddaistsie unfehlbar, unbesieglich für jede Gestalt der Sünde und des Todes, „die Pforten der Hölle können sie nicht überwältigen“34. Aber, inwiefern es gestattet ist, dieKircheauchabgesehenvondemgöttlichenHaupte zu betrachten als eine Gemeinschaft von Menschen, welche jeder einzelne und alle insgesamt aufgrund ihrer geistlichen Wiedergeburt erst hinanzuwachsenhabenzurVollkommenheit,soistihrLauf von jeglicher Versuchung bedroht. Gerade weil ihr Lebensgesetz, Christus im Geiste, nicht abermals in einer buchstäblichen Konstitution besteht, noch mit magischer,unwiderstehlicherKraftwirkt,sondernim Glauben aufgenommen und ausgeübt werden muss, sokannesvondenen,dieungeistlichseinwollen,auf mannigfacheWeiseverlassen,verleugnetundverworfen werden. Die Menschen von Fleisch, welche die GliederderKircheundzugleichdieOrganedesHerrn bilden, können der Sünde Raum geben sowohl in ihrempersönlichenalsinihremkirchlichenVerhalten; denndaseinehängtinnigzusammenmitdemanderen. Und wenn sie es tun, vielleicht sogar in der Mehrzahl es tun, so wird unvermeidlich die Entfaltung des Lebens in dem ganzen Leibe gestört, das Wachstum zur göttlichen Größe aufgehalten, die gesamteGestaltderKircheaufErdenzumSchlimmeren verändertwerden.WäresienureineaufgelösteSchar christgläubiger Seelen oder willkürlich formierter Gemeinden, welche jede für sich die himmlischen AufgabennacheigenemErmessenbetreibenkönnten, soließesichdenken,dassdurchdasVerderbnisetlicherdergesundeFortschrittderübrigennichtgestört würde. Nun aber ist sie so beschaffen, dass, wenn nur ein Glied leidet, alle anderen mitleiden müssen. KommtalsoUnreinheit,Selbstsucht,Ungehorsambei einigen oder gar bei vielen zur Herrschaft, ohne dass sie durch die Kraft der heiligen Gemeinschaft, in der sie stehen, entweder gebessert oder ausgeschieden werdenkönnen, so wird das Ganze die verderblichen Folgen spüren: „Ein wenig Sauerteig versäuert den ganzenTeig.“EsisteinefalscheLehre,dassdiekirchliche Anstalt in unberührter Heiligkeit fortbestände und fortwirke, wenn auch die einzelnen Christen der Sünde und dem Irrtum huldigten. Denn die Anstalt der Kirche auf Erden besteht eben in und aus den einzelnenMenschen.NurinChristoistunantastbare HeiligkeitundGewissheit.WieerdaslebendigeHaupt ist,wirderauchzuallenZeiteneinwirksamesZeugnisseinerGnadeundWahrheitinderKirchehaben; wirksamzurErrettungeinesjeden,dersichbekehrt; wirksamzurBestreitungderLüge,dasssienichtgar obsiegen kann; wirksam auch zur schließlichen Durchführung seiner Vollkommenheit, der Vollkommenheit seiner Kirche, in denen, die ihm wahrhaft angehören. Inzwischen aber mag sehr wohl die irdische Oberfläche des Leibes die kirchliche Anstalt, einermenschlichverschuldetenundimmerzunehmenden Verderbnis verfallen.

Die Kirche war bei ihrem Ausgange von Gott so ausgerüstet,dassihreEntwicklunginderWeltzeiteine sündlose, auf das Ziel der himmlischen Berufung geradeswegs hinsteuernde hätte sein können. Der Herr selbst in unserem Fleisch nahm nur immer zu wie an Alter so an Weisheit und Gnade bei Gott und denMenschen;sohatjeder,derausGottgeborenist, und vielmehr die Körperschaft aller Getauften, die klare Aufgabe, das göttliche Leben unversehrt zu bewahren und immer reicher zu entfalten. Was zu dem Ende dem einzelnen die von der Kirche verwalteten Gnadenmittelwaren,MitteldesstetsneuenZuflusses von Gnade zur Bewahrung und Förderung: Das war der Kirche durch die Funktionen ihrer himmlischen Verfassung dargeboten. In dem Apostolat hatte sie denFelsen, aufdemsie sicherstehenkonnte; inden vierAmtsklassenund dendreiAmtsstufen ihrerDienerschaftalleWerkzeugeundHilfsmittelihrerAuferbauung; in den geistlichen Gaben und Tugenden ihrerGliedereinenrichtigenMaßstabfürdenErfolgihrerArbeiten.SowarsieallenLagenundErfordernissen gewachsen, und Gott machte an ihr seine mannigfaltigeWeisheitkundvorallerKreatur35. Aberdes Herrn Gaben wollten nicht nur anfänglich mit Freuden aufgenommen, sondern auch in beharrlichem Glauben behalten werden, wenn sie ihren heilvollen Erfolghabensollten.IndenHändenvonFleischlichen undTrägenwürdensieganzunnütz,durchdenMissbrauchderVerkehrtenundBoshaftensogarverderblich geworden sein. Sie wirkten auf einem unfruchtbaren Boden ein um so schnelleres Gericht36. Die Apostelundalle Ämter ChristiundKräfte desGeistes, ein Geruch des Lebens zum Leben für die Gehorsamen, werden ein Geruch des Todes zum Tode,zumal denen, die sie einmal aufgenommen und wieder verworfen haben.

Nun ist es aber nach den Berichten der Apostel und ältesten Väter nur zu gewiss, dass in der Urkirche sehr bald eine entschieden antichristliche Strömung Eingang fand. Gott hatte zugelassen, dass der FeinddieTreuedermitdemGeistegesalbtenKörperschaft versuchte, und nur zu viele unterlagen in dieser Prüfung. Der Heilige Geist hatte ein allgemeines NachlassenvonjenererstenLiebezubeklagen,durch derenFortdauerdemhellenLeuchterderKircheseine Unbeweglichkeit hätte gesichertwerdensollen.Während die judenchristlichen Gemeinden sich vom Dienst des Buchstabengesetzes nicht los machen wolltenoderdarinzurückfielenundverdorrten,erhob sich in den heidenchristlichen allerOrtenzuchtloses Wesen, Missbrauch der himmlischen Kräfte, gottlose Lehrsysteme, Ungehorsam gegen die Vorsteher, WiderstandselbstgegendieAutoritätderApostelChristi; ja falsche Apostel und Propheten, und durch sie Sektiererei und Spaltungen, traten offen hervor. JenesGeheimnisderBosheitbegannsichzuregen,das darauf abzielt, das Leben zu dämpfen und Gottes Werkzunichtezumachen.DieApostelundihretreuen Mitarbeiter (denn auch von diesen gingen etliche hinter sich und gewannen die Welt lieb) verzehrten sichimKampfewiderdieseninnerenFeind.Dervöllige Sieg schien nur noch durch die baldige Erscheinung des Herrn gesichert werden zu können.

Aber dazu war Gottes Zeit und Stunde damals nochnichtgekommen.Auchwarenseinevollkommenen Ordnungen nicht dazu gegeben, ein widerspenstiges Volk wie mit Gewalt unter das Joch eines Bundeszuzwingen,derseinerNaturnachgeistlichist.

Die Macht, die er in sie gelegt hatte, war zur ErbauungderGlaubenswilligen,nochnichtzurZerstörung der Unbändigen. So kann es nicht verwundern, dass Gott sie hinwegnahm, nach gerechtem Gericht, und doch nach gnädiger Langmut. Denn obwohl die Kirche durch die Hinwegnahme ihrer ursprünglichen Ausrüstung ohne Zweifel geschwächt ward, ward sie darumnichtdenwiderwärtigenKräftenpreisgegeben. GeradediesesolltenaufdemneuenweitenWege,den die Kirche fortan einschlagen musste, in der Weise, die ihnengebührte durchharte Zuchtunterden ElementenderWelt37zurückgedämmtwerden,bisdie Fülle der Zeiten käme, da sowohl sie zum Gericht reif,alsauchderguteSamebereitseinwürdefürdie himmlischen Scheunen. Der Plan Gottes, die Kirche zu vollenden durch seine ewigen Ordnungen, war nicht aufgehoben, nur aufgeschoben, nur für eine Weile zurückgetreten. Gottes Gaben und Berufung gereuen ihn nicht. Sein Zweck sollte dennoch einstmalserreicht,seineMittelnocheinmalundmitvoller WirkunginBewegunggesetztwerden:Beidewarenja in dem Haupte Christus unverrückbar begründet.

Mit diesem inneren Zusammenhang der großen Veränderung, welche die Gestalt der Kirche betraf, stimmtesganzüberein,dassdieMassederersten Christen von dem überschwänglich hohen Wert der ursprünglichen Organisation keine entsprechende Erkenntnis gehabt zu haben scheint. Vollends müssen in den nächsten Generationen nach dem Aussterben des Apostolates nur wenige die ganze Größe des Verlustes begriffen haben. Sicherlich sind uns nur schwache Spuren von einer Buße und Sehnsucht, die wir bei den Gläubigen und Erleuchteten jener Zeit voraussetzen möchten, aufbewahrt geblieben38.IhreAugenwurdengehalten,dasssiediejammervollen Folgen des Verlustes, den sie erlebten, nicht übersehenkonnten.Esscheint,dassdieselben ersterfahrenwerdenmussten,janoch weiterbiszur letzten Hefe geschmeckt werden müssen, ehe eine rechte Würdigung des Eingebüßten und ein klares VerlangennachWiederherstellungunterdenVielen Platz greifen kann. Wie Israel, nach dem Worte der Weissagung, lange ohne König, ohne Fürsten, ohne Opfer und Priesterkleid sein sollte, um sich danach erst zu bekehren und den Herrn ihren Gott und Davids-König zu suchen und seiner Gnade entgegenzueilen in der letztenZeit39, so mag auch das geistliche IsraeldieEntblößungvonseinerursprünglichenVerfassung viele Jahrhunderte lang fast unbewusst haben erdulden müssen, um endlich dennoch seines Schadens inne und seiner Hilfe vom Herrn gewiss zu werden.

UndwiegestaltetesichdieserSchaden?

Mit dem Aussterben der Apostel (da der Herr neue nicht berief, und kein Mensch für ihre Ergänzungsorgenkonnte)verschwandenbaldauchdieihnenzunächstgestelltenHauptgliederderursprünglichen Verfassung, namentlich die Propheten. Die Kirche war also gerade derjenigen Organe beraubt, welcheihreunmittelbareVerbindungmitdemHaupteim Himmelvertretenhatten.Damithörtenaberauchdie immer neuen Zuflüsse der Gnade und Wahrheit, deren Fülle in Christo ist, und die beständigen FortschrittezumZielederVollendung,soweitsiekirchlich geordneteÄußerungenjenerVerbindungwaren,völlig auf. Im geistlichen Wachstum der Kirche trat ein Stillstand ein, sie war beschränkt auf das einmal Vorhandene und glücklich genug, wenn sie dies unversehrt bewahrte. An die Stelle der lebendigen Apostolizität trat eine apostolische Tradition, die mit der Zeit immer trockener und zweifelhafter werden musste. Dann aber fehlte die allgemeingültige und göttlicheAutorität,dasBandderEinheit,welchesdie Apostel gebildet hatten. Sollte einmal die Tradition den Anforderungen einer Zeit nicht mehr genügen undungewisswerden,waswahre apostolische Lehre und Disziplin sei, so gab es kein zuverlässiges und berechtigtesTribunalfürdieEntscheidung.Trennungen zwischen solchen, die sich auf den unsichtbar gewordenen apostolischenGrundberiefen,eigentliche Kirchenspaltungen mit allen verderblichen Folgen,warendannunausbleiblich.Esistwahr,derKirche blieben unter allen Umständen die Sakramente und die Heilige Schrift, nun auch die des neuen Testamentes, der Schlüssel des alten. Aber wer konnte seit dem Abgange des Apostolates vollgültige Bürgschaft für die rechte Verwaltung der einen und die gesunde Auslegung der anderen bieten? Und wenn dennoch der Heilige Geist, der ewiglich bleibende Tröster, durch jene Gnadenmittel stets neues Leben hervorrief, ja gerade wenn er es reichlicher wachsen ließ, so musste der Mangel der göttlichen, allein und fürallesgeeignetenOrganisationdestofühlbarer werden. Wie eine Wasserfülle, derihr Bett zu eng geworden ist, verheerend überströmt oder sich neue Gänge reißt, um in denselben zuletzt doch zu versiegen: Ähnlich wirkten die mächtigsten Geistesströmungen, die nach dem Verlust der ursprünglichen VerfassunginderKircheaufgequollensind.Diegeistlichen Lebenskräfte wogten bald einmal plan- und fruchtloshinundher,baldbildetensiesich,vonkeiner apostolischen Hand geleitet, sonderbare Formen an,diedemgöttlichenPlaneurfremdwaren,unddarumzuletztallemalverderblichoderkläglichverliefen. Vom alten Klosterwesen an, bis zu den modernen VereinenundErweckungenistdieKirchengeschichte voll solcher aus echten Lebensregungen entsprungenen Missbildungen.

Kurz, der Nerv der Autorität in der Kirche, welcher in göttlicher Sendung besteht, war gebrochen; daher die Lehre verknöchert oder ungewiss, der Kultus und die Lebensordnung unverbürgt, die Einheit unhaltbar, das geistliche Wachstum verkümmert oder infremdeBahnenabgelenkteinallgemeinesHerabsinkenvondemhimmlischenStand;daswardieFolge,welchederVerlustdervomHerrngegebenenVerfassung, wenn auch nicht sofort überall wahrnehmbar, doch unausbleiblich nach sich zog.

DerübriggebliebeneTeilderAmtsordnungenwar durchaus ungenügend, diesen Verlauf zu hindern. DasbischöflicheAmt,nundashöchsteinderKirche, war nach seiner göttlichen Anlage eben nur Gemeindeamt, bevollmächtigt und begabt, eine einzelne Kirche oder Diözese nach den Geboten der Apostel zu lenken und als ein wohlbereitetes Glied des ganzen Leibes darzustellen. Hatten die Engel oder Bischöfe der Gemeinden40einen Anteil an dem durch Apostel ausgeübtenökumenischen Episkopat empfangen, so war es ein delegierter, lokal beschränkter, also amtlichuntergeordneter.VoneinemAkt,durchwelchen die Apostel für die Zeit nach ihrem Abscheiden den Bischöfen größere, allgemein kirchliche Vollmachten verliehen hätten,findet sichkeine Spur.Sie konnten sich, angenommen, dass sie die lange Dauer dieser ZeitbiszuderZukunftdesHerrngewussthätten,dazuauchschwerlichfürberechtigtansehen;siehatten denBauderKirche nichtnachdem,wasmenschlich zweckmäßig,janotwendigscheinenmochte,sondern nachderOffenbarungdesHerrnzuleiten;unddieser ändert nichts an seinen eigenen Grundsätzen. Aus der bloßen Tatsache aber, dass das Regiment der ApostelmitihremTodeaufhörte,konntedenBischöfen eine höhere Vollmacht nicht erwachsen. Kein UnterbeamtererhältschondurchdenAbgangseinesVorg