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Im Gegensatz zum Medienbild von Alexander Schalck-Golodkowski, das besonders auf skandalträchtige Vorgänge wie die Beschaffung embargobewehrter Güter aus dem Westen, den Handel mit Waffen und Antiquitäten sowie die Versorgung der SED-Spitze mit Westprodukten ausgerichtet war, analysiert Matthias Judt vor allem das alltägliche Geschäft der Unternehmen des Bereiches Kommerzielle Koordinierung (KoKo). Dieser eigenständige Firmenverbund agierte im Wesentlichen außerhalb des Plans des DDR-Außenhandels und versuchte, systemimmanente Defizite der Staatswirtschaft zu mildern. Die Studie zeigt jedoch, dass die legendären Devisenbeschaffer von KoKo letztlich indirekt zum Untergang der DDR beigetragen haben.
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Seitenzahl: 481
FORSCHUNGEN ZUR DDR-GESELLSCHAFT
Matthias Judt
Der Bereich Kommerzielle Koordinierung
Matthias Judt
Das DDR-Wirtschaftsimperium des Alexander Schalck-Golodkowski – Mythos und Realität
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam
Editorischer Hinweis
Bei den Quellenangaben in den Fußnoten wird mit Kurztiteln gearbeitet, die in vollständiger Fassung im Literaturverzeichnis im Anhang des Buches zu finden sind. Bei Archivdokumenten, auf die mehrfach verwiesen wird, wurden ebenfalls Kurzbezeichnungen definiert. Die vollen Titel der Schriftstücke werden am Beginn der Liste mit den verwendeten Archiven, alphabetisch geordnet, aufgeführt.
Der ehemals im Bundesarchiv gesondert geführte Bestand zu KoKo (DL 2/KoKo) wird zurzeit in den Bestand des Ministeriums für Außenhandel (DL 2) eingearbeitet und dabei neu nummeriert. In dieser Studie werden die früheren Signaturen des KoKo-Bestandes verwendet, deren neue Signatur über Konkordanzlisten im Bundesarchiv erschlossen werden können.
Schwärzungen in MfS-Dokumenten sind entsprechend den Nutzungsregeln des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR mit … gekennzeichnet worden.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
1. Auflage, September 2013 (entspricht der 1. Druck-Auflage von März 2013)
© Christoph Links Verlag GmbH
Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0
www.christoph-links-verlag.de; [email protected]
Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Fotos vom Besuch von Franz Josef Strauß bei Erich Honecker im Jahr 1985, rechts im Bild Alexander Schalck-Golodkowski, im Hintergrund Strauß’ Sohn Franz Georg (Archivfoto Werek)
Satz: Marina Siegemund, Berlin
ISBN 978-3-86284-244-5
Einleitung: Der Bereich Kommerzielle Koordinierung – Mythos und Realität
1.
Wichtige Quellen für die Untersuchung
2.
Der Bereich Kommerzielle Koordinierung im Wirtschaftssystem der DDR
3.
Entwicklungsphasen von KoKo
1966 bis 1981: Außenhandel und Entspannungspolitik
1.
Start in schwierigem Umfeld: Der Bereich Kommerzielle Koordinierung und das Beleben des DDR-Westhandels seit Ende der 1960er Jahre
2.
Diplomatie und Geschäft: Die wachsende Bedeutung der KoKo
2.1.
Der DDR-Außen- und innerdeutsche Handel in den 1970er Jahren
2.2.
Verstetigte Devisenerwirtschaftung durch KoKo: Die Lieferung von Mineralölerzeugnissen nach Berlin (West) und in die Bundesrepublik
2.3.
Verstetigte Devisenerwirtschaftung durch KoKo: Müllgeschäfte in den 1970er Jahren
2.3.1.
Später Eintritt von KoKo: Müllgeschäfte mit Berlin (West)
2.3.2.
Hamburg: Der Müllimport wird zur Routine
2.4.
Verstetigte Devisenerwirtschaftung durch KoKo: »Inlandsexporte« als Geschäfte mit der Spaltung
2.4.1.
Intershop in den 1970er Jahren: DDR-Bürger erhalten Zutritt
2.4.2.
Genex – ein besonderes Versandhaus im Inlandsexport
2.5.
Verstetigte Devisenerwirtschaftung durch KoKo: Die Zwangsvertretung westlicher Firmen im Handel mit der DDR
3.
Fortgesetzte Devisenbeschaffung: KoKo als Kreditnehmer bei westlichen Gläubigern
4.
Kompensationsvorhaben und KoKo
4.1.
Das Kompensationsprinzip
4.2.
Kompensationsvorhaben in den 1970er Jahren
4.3.
Zwei Beispiele für Kompensationsvorhaben
4.3.1.
Mehr Kraftstoffe für Berlin (West)
4.3.2.
Keine Produktion westlicher Kraftfahrzeuge in der DDR
5.
Fragwürdige Geschäfte mit KoKo-Beteiligung: Die Kirchengeschäfte A, B und C
5.1.
Die Kirchengeschäfte A und C
5.2.
Der Freikauf politischer Gefangener aus der DDR
6.
Fazit: KoKo etabliert sich als wichtiger wirtschaftlicher Faktor
1981 bis 1984: Die Kreditkrise vom Beginn der 1980er Jahre und ihre Bewältigung
1.
Gründe für das Entstehen der Kreditkrise
2.
Wege aus der Kreditkrise
2.1.
Verstärkter Außenhandel
2.2.
Liquidität für den »Satellitenstaat«: Die UdSSR hilft der DDR
Exkurs: Liquidität zu einem hohen Preis – Ölgeschäfte mit Österreich und Schweden
2.3.
Liquidität für den »anderen Teil Deutschlands«: »Strauß-Kredite« an die DDR und »Zürcher Modell«
2.4.
Liquidität durch Mangel: Der Beitrag der Bevölkerung zur Bewältigung der Kreditkrise
3.
Ende der Kreditkrise
1985 bis 1989/90: KoKo und das Ende der DDR
1.
Außen- und innerdeutscher Handel der DDR in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre
2.
Verstetigte Devisenerwirtschaftung durch KoKo: Energiegeschäfte mit Berlin (West)
2.1.
Mineralölgeschäfte mit Berlin (West) und der Bundesrepublik
2.2.
Ein Kuriosum: Der deutsch-deutsche Stromverbund
3.
Verstetigte Devisenerwirtschaftung durch KoKo: Müllgeschäfte in den 1980er Jahren
3.1.
Fortsetzung des Langfristvertrages mit Berlin (West)
3.2.
Müllgeschäfte mit Hamburg
Exkurs: Eine weitere Deponie wird geplant
4.
Geschäfte mit der Spaltung: Intershop und Genex in den 1980er Jahren
4.1.
Intershop und die Forum Handelsgesellschaft
4.2.
Genex: Sinkende Konkurrenzfähigkeit für DDR-Produkte im Inlandsexport
5.
Ein zweiter Modernisierungsschub? KoKo und Kompensationsgeschäfte in den 1980er Jahren
Exkurs: KoKo und das Mikroelektronikprogramm
6.
Sondergeschäfte mit den Kirchen in den 1980er Jahren
6.1.
Die Sondergeschäfte A und C
6.2.
Häftlingsfreikäufe in den 1980er Jahren
7.
KoKo und das Ende der DDR
8.
War die DDR 1989 am Ende?
Was war KoKo?
1.
Was war KoKo – marktwirtschaftliche Nische oder virtuelle Freihandelszone?
2.
Mythos KoKo
3.
Von Nutzen oder schädlich: Hat KoKo der DDR geholfen oder geschadet?
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Literatur- und Quellenverzeichnis
Personenregister
Dank
Angaben zum Autor
»Als ich in der eiskalten Nacht vom 2. zum 3. Dezember 1989 mit meiner Frau Sigrid zum [Ost-Berliner] Grenzübergang Invalidenstraße fuhr, fühlte ich mich von meinem Staat, meiner Partei [der SED] und dem MfS [dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR] – dem wir beide angehörten – verlassen. Ich hatte Angst um mein Leben. Für mich war dieser Grenzübergang eine Flucht. Vorausgegangen waren in diesem Herbst 1989 die turbulentesten Wochen meines Lebens.«1
Alexander Schalck-Golodkowski, aus dessen im Jahre 2000 veröffentlichten »Deutsch-deutschen Erinnerungen« dieses Zitat stammt, floh überstürzt. Schalck war gerade erst von einer Dienstreise zum Diakonischen Werk in Stuttgart zurückgekehrt. Bis kurz nach Mitternacht hielt er sich noch im Dienstgebäude der KoKo in der Ost-Berliner Wallstraße auf, um nur wenige Minuten später, um 0.40 Uhr, gemeinsam mit seiner Frau den Grenzübergang in der Invalidenstraße zu passieren.2
Er löste mit der Flucht hektische Aktivitäten bei der ostdeutschen Partei- und Staatsführung aus. Noch am 3. Dezember 1989 ordnete der nur wenige Wochen zuvor gewählte Ministerpräsident Hans Modrow an, dass aus »Gründen der nationalen Sicherheit […] mit sofortiger Wirkung der Einsichtnahme in die Geschäftsakten der Hauptabteilung I des Bereiches Kommerzielle Koordinierung nicht stattgegeben« werde. Dieser Abteilung der KoKo (wie der Bereich intern abgekürzt genannt wurde) oblagen unter anderem solche Geschäfte, die unter Umgehung westlicher Embargos durchgeführt wurden. Die DDR-Regierung fürchtete, dass ein Offenlegen der Geschäftsverbindungen der Firmen der Hauptabteilung I (HA I) »zu einem außerordentlich hohen außenpolitischen und finanziellen Schaden für die DDR und zur Gefährdung von Personen führen« könnte. In der Anordnung wurden besonders zu schützende Firmen, die mit der HA I zusammenarbeiteten, aufgelistet. Darunter befanden sich Unternehmen, die KoKo selbst gehörten (wie das Waffenhandelsunternehmen IMES), dem MfS zuzuordnen waren (wie z. B. CAMET Industrievertretungen oder Delta Export und Import GmbH) oder sich im Besitz der SED befanden (wie die Simpex GmbH). Sie waren in der Vergangenheit wie auch die ebenfalls aufgelisteten privaten Vertretergesellschaften Forgber und F.C. Gerlach von KoKo angeleitet worden.3
Das MfS leitete Fahndungsmaßnahmen gegen Dutzende von leitenden Mitarbeitern des Bereiches Kommerzielle Koordinierung und wichtiger Kombinate in der DDR, die mit ihm zusammengearbeitet hatten, ein.4 Es wurde befürchtet, weitere wichtige Mitarbeiter von KoKo, der Firmen des Verbundes oder anderer wichtiger Unternehmen der DDR könnten es Schalck gleichtun und das Land ebenfalls verlassen.
Die DDR-Regierung befürchtete zudem, der langjährige Leiter von KoKo könnte sich Zugriff auf die Auslandskonten dieser Institution verschaffen. Schalcks Stellvertreter, Manfred Seidel, wurde deshalb sofort angewiesen, sämtliche Konten von KoKo im In- und Ausland der möglichen Kontrolle durch den Geflohenen zu entziehen.5 Kurze Zeit später, am 6. Dezember 1989, wurde er selbst in Haft genommen.6
Mit diesen ersten Maßnahmen wurde das Ende eines geheimnisumwitterten Wirtschaftsimperiums eingeleitet, von dessen Existenz die Bürger der DDR erst wenige Wochen zuvor überhaupt erfahren hatten.
Ende Oktober 1989 war Schalck in einer Sendung des DDR-Jugendfernsehens vorgestellt worden. Dabei präsentierte man ihn als durchaus fähigen Verhandler in den Ex- und Importgeschäften der DDR. Neben der dabei mitschwingenden Hochachtung wurde er allerdings bereits in diesem Interview mit solchen Fakten konfrontiert, die ihn und den Bereich in ein eher schlechtes Licht rückten. Ging es am 30. Oktober 1989 in der Sendung »AHA« noch allein um die Versorgung der SED-Führung mit westlichen Gütern an ihrem abgeschotteten Wohnort in der Waldsiedlung bei Wandlitz, trugen andere Nachrichten, die in den nachfolgenden Wochen bekannt wurden, wesentlich dazu bei, Schalck und KoKo zu einem Sündenbock für die gescheiterte Politik der Partei- und Staatsführung zu machen.7
Im November und Dezember 1989 wurden in Kavelstorf bei Rostock und in Mühlenbeck bei Berlin Lagerräume zweier Firmen entdeckt, die die Geschäftstätigkeit von KoKo in der Tat fragwürdig erscheinen lassen mussten. Das in Kavelstorf entdeckte Waffenlager der KoKo-Firma IMES zeigte, dass sich die DDR am internationalen Waffenhandel beteiligt hatte, was dem in der eigenen Propaganda so intensiv gepflegten Bild vom »Friedensstaat« gründlich zuwiderlief.8 In Mühlenbeck wiederum lagerte die Kunst & Antiquitäten GmbH (K&A) Kunstgüter und wertvolle Antiquitäten für den Verkauf in westlichen Ländern, die zuvor zum Teil unter Anwendung rigider steuerrechtlicher Bestimmungen bei Sammlern in der DDR eingezogen worden waren.9 Zum Jahreswechsel 1989/90 geriet die Übernahme von Abfällen aus Berlin (West), mehreren Bundesländern der Bundesrepublik und einigen weiteren westeuropäischen Staaten in den Blickpunkt, die ebenfalls durch eine KoKo-Firma (Intrac) abgewickelt wurde. Im Zusammenwirken von Umweltgruppen aus Berlin (West) und Anwohnern von Mülldeponien im Berliner Umland, auf die Abfallstoffe aus dem Westen verbracht worden waren, kam es zu öffentlichen Protesten, die schließlich zum vorläufigen Ende bzw. zur zeitweiligen Unterbrechung der Verkippungen führten.10 Schließlich hatte KoKo das verhasste Ministerium für Staatssicherheit mit westlicher Spionagetechnik versorgt und nicht nur dafür westliche Embargobestimmungen bewusst umgangen. Überhaupt stellte die enge Verbindung zwischen KoKo und MfS (dessen Dienststellen in der DDR seit Anfang Dezember 1989 von den Bürgern besetzt wurden) eine weitere Tatsache dar, die dem »Leumund« des Bereiches nur abträglich sein konnte.
Schalcks Flucht nach Berlin (West) in der Nacht zum 3. Dezember 1989 tat vor diesem Hintergrund ihr Übriges. In der öffentlichen Meinung konnte der Eindruck erzeugt werden, da sei jemand geflohen, der sich etwas vorzuwerfen habe. Der am 18. November 1989 von der letzten nicht frei gewählten Volkskammer eingerichtete Untersuchungsausschuss zum Amtsmissbrauch durch die SED-Führung war bei Vorlage eines ersten Zwischenberichts am 1. Dezember 1989 aufgefordert worden, KoKo-Chef Schalck vorzuladen.11 Dem entging dieser durch den Übertritt nach Berlin (West).
Seit dem Spätherbst 1989 herrschte in der Charakterisierung von KoKo ein überwiegend negatives und auf die gerade genannten Aktivitäten fokussiertes Bild vor. Binnen weniger Wochen prägten dämonisierende Begriffe die Diskussion.
Vordergründig in Reaktion auf die Ereignisse entzog die DDR-Regierung öffentlichkeitswirksam die dem KoKo-Firmengeflecht jahrzehntelang gewährten besonderen Rechte und stellte seine Unternehmen den volkseigenen Außenhandelsbetrieben gleich. Sie veranlasste, dass einzelne, besonders »belastete« KoKo-Firmen (wie IMES und K&A) bis zum Jahresende ihre Geschäftstätigkeit einstellten und danach in die Liquidation gingen.12
Andere KoKo-Unternehmen wurden jedoch umfirmiert oder veranlasst, Teile ihrer bisherigen Geschäfte an eigens neu gegründete Tochterfirmen abzugeben. An der Jahreswende 1989/90 wurden sie offensichtlich als solche Unternehmen angesehen, die in der zu dieser Zeit von der letzten SED-geführten DDR-Regierung noch angestrebten grundlegenden Wirtschaftsreform eine wichtige Rolle spielen würden.13
Die Intrac gründete mit der AWUS Abfallwirtschaft und Umweltservice GmbH ein hundertprozentiges Tochterunternehmen, das in den nachfolgenden Jahren das Abfallgeschäft mit westlichen Partnern fortsetzte. Die Forum HGmbH, die bisher das Netz der Devisenläden in der DDR betrieben hatte, versuchte vor dem Hintergrund des absehbaren Endes der Intershopläden mit zwei Neugründungen (Service GmbH und Projekt GmbH) einen Neustart unter Einbezug von KoKo-fremden Partnern. Die Vertreterfirma Transinter wurde zum einen in Berliner Makler- und Handelsvertretergesellschaft mbH (BMH) umbenannt. Zum anderen gründete sie mehrere Tochtergesellschaften ebenfalls mit KoKo-fremden Partnern und strukturierte schon bestehende Beteiligungen an anderen Gesellschaften neu. Die erst 1977 gegründete Berliner Import- und Exportgesellschaft mbH (BIEG), die bisher vor allem mit Textilien und Schuhen gehandelt hatte, startete mit westdeutschen Partnern zwei Joint Ventures (Sachsenbörse und SPL Sanitärtechnik GmbH).14
Bis Ende März 1990 stellte der den Firmen zuvor übergeordnete Bereich Kommerzielle Koordinierung seine Tätigkeit offiziell ein. Die Abwicklung der von ihr kontrollierten Firmen sollte sich noch über Jahre hinziehen und zum Gegenstand der Untersuchungen mehrerer parlamentarischer Ausschüsse im wiedervereinigten Deutschland nach 1990 werden.15
Mit der Auflösung von KoKo ging eine fast 25 Jahre währende Geschichte eines wichtigen Instruments des DDR-Außenhandels anscheinend ohne Glanz und Gloria zu Ende. Dabei hatte der Bereich Kommerzielle Koordinierung, der mit Wirkung vom 1. Oktober 1966 im Vollzug einer sechs Monate zuvor erfolgten Verfügung des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR gebildet worden war, große wirtschaftliche Bedeutung für Ostdeutschland.16
Nach Angaben seines langjährigen Chefs hatte KoKo in dem knappen Vierteljahrhundert des Bestehens »insgesamt ca. 25 Milliarden DM erwirtschaftet«.17Mehrfach mit den höchsten Orden der DDR ausgezeichnet, war es zu einem ganz wesentlichen Teil Schalck selbst, der maßgeblich am Einfädeln wichtiger Geschäfte des Bereiches, der Expansion von KoKo in den 1970er und 1980er Jahren und letztendlich diesem offensichtlichen Erfolg des Unternehmensverbundes beteiligt war.
Als KoKo im Herbst 1989 in der DDR öffentlich wahrgenommen wurde, sollten diese Fakten jedoch so gut wie keine Rolle spielen. Frühe Warnungen vor einem Fehlurteil über die gesamten KoKo-Geschäfte verhallten zunächst.18 »Wandlitz« als Synonym für Privilegien und Amtsmissbrauch seitens der SED-Führung, der Verkauf von Kriegsgerät (selbst in Krisengebiete), die Müllgeschäfte und das »Verscherbeln« von Kulturgütern sollten zudem auf Jahrzehnte die öffentliche Meinung über den Bereich Kommerzielle Koordinierung im vereinigten Deutschland prägen. Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages und des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern beschäftigten sich in den 1990er Jahre ausgiebig gerade mit jenen Geschäftsaktivitäten der KoKo-Unternehmen, die bereits im Herbst 1989 im Vordergrund der öffentlichen Debatten gestanden hatten.
Die Berichte dieser Untersuchungsausschüsse haben die in den Jahren danach erschienenen Publikationen sehr stark geprägt. Die in vielen Fällen eher von Publizisten als von Historikern verfassten Bücher zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie das »Skandalöse« und »Sensationelle« an der Tätigkeit von KoKo besonders herausstellten und somit das schon bestehende negative Bild bis in die Gegenwart noch festigten.19 Selbst wichtige Mitarbeiter des Bereiches, wie zum Beispiel der Chef des sogenannten Handelsbereichs 4, Gerhardt Ronneberger, verstärkten mit ihren, nach dem Ende der DDR erschienenen Büchern diesen Eindruck. Der von ihm geführte Bereich war in der Vergangenheit maßgeblich am Schmuggel von embargobewehrter Ware in die DDR beteiligt.20
Schalck selbst stellte den Bereich Kommerzielle Koordinierung in seinen Memoiren aus nachvollziehbaren Gründen ausgewogener dar.21 Eine Gesamtschau auf die Geschichte von KoKo konnten und sollten sie jedoch nicht sein. Die Rezensenten gerade dieses Buches fanden in der Regel daher keine guten Worte: Schalck stelle sich einen »Persilschein in eigener Sache« aus.22 Die Memoiren seien »unverfroren« und hätten »dem bisher Bekannten nichts Neues hinzugefügt«.23 Er habe »Seine ungenaue Wahrheit« – so der Titel einer weiteren Rezension – bei der Beschreibung von KoKo aufgeschrieben und damit einen Beitrag zur »Geschichtsklitterung« geliefert.24
Kurz vor Schalcks 80. Geburtstag am 3. Juli 2012 veröffentlichten der Chef des Verlages »edition ost«, Frank Schumann, und Schalcks Hausarzt Heinz Wuschech einen weiteren Porträtband, der schon in seinem Titel erkennen lässt, in welche Richtung die Aussage des Buches geht: »Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte«.25 Der Porträtierte äußerte sich in dem Buch selbst nicht, was seiner angegriffenen Gesundheit geschuldet ist, nachdem er 2003 einen zeitweiligen Herzstillstand erlitten hatte und mehrere Krebsoperationen über sich ergehen lassen musste.26 Schalcks nur dem Namen nach letzter Vorgesetzter als Außenhandelsminister, Gerhard Beil, veröffentlichte bereits 2010 kurz vor seinem Tod eigene Memoiren, die jedoch ebenfalls wenig aussagekräftig in Bezug auf KoKo sind.27
Insofern stellt der Bereich Kommerzielle Koordinierung trotz der vielen Berichte über ihn nach wie vor ein Forschungsdesiderat dar, das insbesondere noch in Bezug auf eine Darstellung seiner gesamten Geschichte besteht. Neben wenigen Studien zu einzelnen Unternehmen des KoKo-Verbundes wie der Dissertation von Ulf Bischof zur Kunst & Antiquitäten GmbH28 wurden andere KoKo-Unternehmen oder der Bereich als Ganzes bisher eher nur im Rahmen von Untersuchungen zum gesamten Außenhandel der DDR oder ihres Wirtschaftssystems betrachtet.29
1 Schalck 2000, S. 15. Die Einfügungen stammen vom Verfasser dieser Studie.
2 Vgl. Arbeitsgruppe BKK, »Information HA VI/OLZ« (vom 3. Dezember 1989), in BStU, MfS, AG BKK, Nr. 25, Bl. 25; »Anwesenheit im Dienstgebäude Bereich Kommerzielle Koordinierung Wallstraße am 2.12.1989« (o.D.), in ebd., Bl. 27.
3 Vgl. »Anordnung« (vom 3. Dezember 1989), in BStU, MfS, AG BKK, Nr. 25, Bl. 53 – 64, hier Bl. 53, 56 und 57f.
4 Vgl. Arbeitsgruppe BKK, »Einleitung von Fahndungsmaßnahmen« (vom 3. Dezember 1989), in BStU, MfS, AG BKK, Nr. 25, Bl. 30.
5 Vgl. u.a. »Status über [sic!] das Konto 0628« (von Anfang Dezember 1989), in BA, DL 2/KoKo, Nr. VA 818, Bl. 51f. Siehe auch Buthmann 2003, S. 57.
6 Vgl. Arbeitsgruppe BKK, »Einleitung von Fahndungsmaßnahmen« (vom 3. Dezember 1989), in BStU, MfS, AG BKK, Nr. 25, Bl. 30.
7 Vgl. Judt 2009, S. 307 – 315 und 630 – 633, hier S. 309; Bahrmann/Links 1994, S. 66f., dort die Sendung des DDR-Jugendfernsehens »AHA« vom 30. Oktober 1989 zitierend; Steiner 2009, S. 249 – 274.
8 Vgl. Borchert 2006, S. 192 – 194.
9 Ausführlich dazu: Bischof 2003; Anton 2010, S. 1029f.
10 Vgl. Park 2004.
11 Vgl. Volkskammer, Protokolle, 9. Wahlperiode, Bd. 25, S. 343 – 353, hier S. 344 und 347 – 349.
12 Vgl. Bericht vom 12. März 1990, Bl. 156 – 158.
13 Vgl. Seibel 2010. Siehe auch: Fragen 1990.
14 Vgl. »Übersicht zu Veränderungen im Status der Betriebe des Bereiches Kommerzielle Koordinierung per 6.3.1990«, in BA Berlin, DL 2/KoKo, Nr. 845, Bl. 180 – 183.
15 Vgl. u.a. Bundestag 1994a; Bundestag 1998; Landtag MV 1994.
16 Vgl. »Verfügung Nr. 61/66« (des Vorsitzenden des Ministerrates) vom 1. April 1966 (im folgenden Verfügung Nr. 61/66), abgedruckt in Fischer 1993, hier Dokument 2; »Mitteilung des Ministers für Außen- und innerdeutschen Handel über die erfolgte Bildung des Bereiches ›Kommerzielle Koordinierung‹ und die Festlegung ihrer Hauptaufgaben, Befugnisse und Pflichten mit Wirkung vom 01.10.1966« [o.D. Ende 1966], abgedruckt in ebd., hier Dokument 3.
17 Schalck 2000, S. 171.
18 Vgl. u.a. Alexander Osang, »Intrac GmbH – alles klar?«, in: Berliner Zeitung vom 8. Dezember 1989.
19 Vgl. u.a. Bahrmann/Fritsch 1990; Koch 1992; Przybylski 1992; Behling 2007.
20 Ronneberger 1999.
21 Vgl. Schalck 2000.
22 Rezensionsnotiz in Neue Zürcher Zeitung vom 11. September 2000.
23 Rezension von Annette Weinke in Süddeutsche Zeitung vom 10. Juli 2000 sowie Peter-Jochen Winters, »Ein ehrenwerter Mann« in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. Mai 2000.
24 Rezension von Manfred Lemaire, »Seine ungenaue Wahrheit«, in Berliner Lese-Zeichen, Ausgabe 08 + 09/2000, siehe http://www.luise-berlin.de/lesezei/blz00_08/text51.htm, aufgerufen am 10. Januar 2013.
25 Schumann/Wuschech 2012.
26 Vgl. Leipziger Volkszeitung (Onlineausgabe) vom 27. Juni 2012, in http://www.lvz-online.de/nachrichten/mitteldeutschland/ick-hab-fuer-die-ddr-gekaempft-devisenbeschafferschalck-golodkowski-wird-80/r-mitteldeutschland-a-143440.html, aufgerufen am 10. Januar 2013.
27 Beil 2010.
28 Vgl. Bischof 2003.
29 Vgl. Haendcke-Hoppe-Arendt 1996, S. 59ff.; Schwarzer 1999, S. 152 – 154; Steiner 2004; Kruse 2005, hier besonders S. 218 – 247; Zatlin 2007a, hier besonders S. 246, 259 – 267 und 284; Krewer 2008, hier besonders S. 185 – 285; Ahrens 2009, S. 104 – 112; Judt 2009.
Die vorliegende Studie zielt darauf ab, einen Beitrag zur Darstellung der Geschichte des gesamten Bereiches Kommerzielle Koordinierung zu liefern. Das Bild von KoKo soll dabei differenzierter gezeichnet werden, als das durch frühere Publikationen bestimmt ist.
Sie stützt sich dabei in wichtigen Teilen auf die nach dem Abschluss der Untersuchungen des Bundestages sowie dem Ende von Strafprozessen gegen KoKo-Chef Schalck in den 1990er Jahren an das Bundesarchiv in Berlin übergebenen Unterlagen. Sie wurden lange Zeit als ein gesonderter Bestand DL 2/KoKo geführt, der inzwischen jedoch in den Bestand DL 2 (Ministerium für Außenhandel der DDR30) eingegliedert wurde. Wichtige weitere Quellen im Bundesarchiv waren zum einen Akten der Staatsbank der DDR und vor allem Bestände der SED und hier besonders die der Büros Mittag, Krenz und Honecker, der Abteilungen des SED-Zentralkomitees Planung und Finanzen, Handel, Versorgung, Außenhandel und – in geringerem Maße – anderer ZK-Abteilungen.
Zusätzliche Unterlagen konnten im Archiv des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR (BStU) eingesehen werden. Hier hat sich allerdings gezeigt, dass viele Berichte zu einzelnen Geschäften ebenfalls im Bundesarchiv eingesehen werden konnten, ohne dass dort die Namen der handelnden Akteure geschwärzt sind, wie das nach den Bestimmungen des Stasiunterlagengesetzes bei der BStU üblich ist. Darüber hinaus zeigte sich, dass andere Unterlagen bei der BStU, insbesondere Treffberichte mit Inoffiziellen Mitarbeitern des MfS in Unternehmen des Bereiches Kommerzielle Koordinierung, weniger ergiebig waren als ursprünglich angenommen.
In der Studie sind unterschiedliche statistische Daten ausgewertet worden, deren Vergleichbarkeit nicht in jedem Fall gegeben ist, die indes dennoch zur Analyse herangezogen werden mussten. Das betrifft sowohl Angaben zum gesamten Außenhandel der DDR mit den unterschiedlichen Ländergruppen als auch zum Ausmaß ihrer Verschuldung bei westlichen Gläubigern. Die Unterschiede ergeben sich vor allem aus drei Gründen.
Die DDR-internen Angaben zur Verschuldung bei westlichen Gläubigern fallen zum einen aus dem gleichen Grund höher aus,32 als sich aus nachträglichen Berechnungen, z. B. der Deutschen Bundesbank von 1999, ergeben.33 Zum anderen sind in den DDR-Statistiken versteckte Reserven an Devisen nicht oder nur eingeschränkt berücksichtigt worden.34 Deshalb gibt es erhebliche Unterschiede im Ausweis der Daten zur Verschuldung, sowohl im Hinblick auf den Stand am Ende des Jahres 1989 als auch bezüglich der Entwicklung in den Jahren zuvor.
2. Die internen Umrechnungskurse für Einnahmen und Ausgaben in westlichen Währungen (außer in DM) in VM wurden in der Regel einmal jährlich festgelegt. Das bedeutet, dass Angaben in VM aus einem Jahr nicht unbedingt vergleichbar sind mit denen aus anderen Jahren.35 Das betrifft auch die in der Studie verwendeten Statistiken, aus denen die Entwicklung des geplanten und des sonstigen Westhandels der DDR ersichtlich werden.36
3. In einigen Fällen, z. B. in der Abrechnung des innerdeutschen Handels, sind in manchen DDR-Statistiken zusätzliche Geschäfte (z. B. mit Mineralöl und Mineralölerzeugnissen) mit ausgewiesen worden,37 die in anderen Statistiken keine Berücksichtigung fanden.38
Wann immer es geeignet erschien, wurden statistische Daten unterschiedlicher Provenienz gegenübergestellt. Zum einen werden den Lesern damit die Abweichungen deutlich gemacht, die sich aus der Zusammenführung aller verfügbaren Informationen bei der Neuberechnung der DDR-Statistiken in den 1990er Jahren ergeben hatten. Sicherlich stellen die jüngeren veröffentlichten Statistiken korrekt dar, wie hoch Außenhandelsumsätze und die Verschuldung der DDR tatsächlich waren. Das hat es ermöglicht zu bewerten, ob die DDR Ende 1989/Anfang 1990 tatsächlich vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch gestanden hat oder nicht.
Zum anderen war der Rückgriff auf die den Verantwortlichen in der DDR bekannt gewesenen Statistiken notwendig, weil nur diese bei den damaligen Akteuren Grundlage ihrer Entscheidungen waren. Will man sie nachvollziehen, kann auf zeitgenössische Statistiken nicht verzichtet werden.
Welche Probleme damit verbunden sein können, sollen zwei Werte illustrieren. In ihrer Analyse der ökonomischen Lage der DDR von Ende 1989 wiesen der Chef der Staatlichen Plankommission, Gerhard Schürer, der Leiter der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik, Arno Donda, der Finanzminister der DDR, Ernst Höfner, KoKo-Chef Schalck und der Minister für Außenhandel, Gerhard Beil, eine Verschuldung der DDR bei westlichen Gläubigern von 49 Mrd. VM aus. Das sollte den historischen Höchststand darstellen.39
Die Bundesbank wies in ihren Neuberechnungen von 1999 nicht nur einen weitaus geringeren Betrag von unter 20 Mrd. VM aus, sondern stellte zudem fest, dass der historische Höchststand bereits 1982 mit damals gut 25,1 Mrd. VM erreicht worden war. Danach ist der Saldo zunächst bis 1985 gesunken, um danach wieder anzusteigen, ohne den Höchstbetrag noch einmal bis 1989 zu erreichen.40
Viele Entscheidungsträger in der DDR gingen auf der Grundlage der Daten, die ihnen zur Verfügung standen, in den 1980er Jahren davon aus, dass sich die Verschuldung der DDR insgesamt weiter verstärkte, wo sie tatsächlich zurückging. Das musste Konsequenzen für ihre Vorschläge zur weiteren Entwicklung in den Außenwirtschaftsbeziehungen der DDR haben.
Für diese Studie waren vor allem die Daten zum Westhandel, und hier besonders zum Handel mit westlichen Industrieländern, wichtig. Als Westhandel wird dabei jener Teil des DDR-Außenhandels definiert, der nicht mit staatssozialistischen Ländern durchgeführt wurde. Das sind alle Länder der Welt mit Ausnahme der Mitgliedsländer des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) Albanien, Bulgarien, Tschechoslowakei, Kuba, Mongolei, Vietnam, Polen, Rumänien, Sowjetunion und Ungarn sowie Jugoslawien, China, Laos, Nordkorea.
Auf die auch in der Studie der Bundesbank von 1999 verwendete Bezeichnung »nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet« (abgekürzt NSW) wird außerhalb von Zitaten verzichtet, weil dieser in der DDR durchaus geläufige Begriff im heutigen Sprachgebrauch nur noch selten zu finden ist. Im Westhandel sind also alle anderen außereuropäischen Länder, die damaligen zwölf Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft (Belgien, Luxemburg, Frankreich, Italien, Niederlande, Bundesrepublik Deutschland (mit West-Berlin), Dänemark, Großbritannien, Irland, Griechenland, Spanien und Portugal), die damaligen EFTA-Länder Island, Norwegen, Schweden, Finnland, Schweiz und Österreich sowie die Türkei und Zypern erfasst worden.
Innerhalb des Westhandels hatte der Handel mit den westlichen Industrieländern herausragende Bedeutung. Diese Ländergruppe umfasst die Mitgliedsländer der EG-12 und der EFTA sowie die USA, Kanada, Neuseeland, Australien und Japan.
Innerhalb des Handels mit diesen beiden Gruppen von Ländern spielte wiederum der innerdeutsche Handel zwischen der DDR und Berlin (Ost), auf der einen Seite, und der Bundesrepublik und Berlin (West), auf der anderen, eine große Rolle. In Statistiken ostdeutscher Provenienz war er als Teil des Westhandels ausgewiesen, in solchen westdeutscher Provenienz wiederum gesondert geführt. Hieraus resultierte ebenso das Erfordernis, unterschiedliche statistische Angaben für die Analyse zu verwenden.
Neben der Unterscheidung nach Ländergruppen ist in dieser Studie die Einordnung der Handelsaktivitäten in den geplanten bzw. in den »sonstigen« oder außerplanmäßigen Außenhandel wichtig. Der Planhandel wurde in der DDR durch volkseigene Außenhandelsbetriebe (VE AHB) durchgeführt. Der außerplanmäßige Außenhandel wurde durch andere Unternehmen, vor allem die, die dem Bereich Kommerzielle Koordinierung direkt oder indirekt zugeordnet waren, betrieben. Anders als die VE AHB, die aus den Unternehmen des sogenannten Deutschen Innen- und Außenhandels (DIA) entstanden, waren die anderen Außenhandelsunternehmen bis zum Ende der DDR meist in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisiert. Die Firmen im Eigentum der KoKo waren allesamt GmbH, sofern sie ihren Sitz in der DDR hatten. Von KoKo betreute Unternehmen, die dem MfS zuzuordnen waren (z. B. Günter Forgber Industrie- und Handelsvertretungen) wurden offiziell als »Privathändler« bezeichnet.
Im Unterschied zu den KoKo-Firmen unterlagen die Betriebe des geplanten Außenhandels einer intensiven Kontrolle durch das Ministerium für Außenhandel der DDR (MAH) und der jeweiligen Fachministerien, die Staatliche Finanzrevision sowie der Aufsicht durch die den Außenhandel begleitenden Banken Deutsche Außenhandelsbank AG (DABA) und Staatsbank der DDR. Sie waren überdies stärker spezialisiert oder genauer: mussten ihre Tätigkeit auf ein eher kleines Wirtschaftssegment konzentrieren. Einige dieser AHB waren wichtigen Kombinaten der DDR zugeordnet, andere ließen bereits an ihrem Namen erkennen, mit welcher Produktpalette sie Handel trieben. Der AHB SKET vertrieb zum Beispiel Produkte des Magdeburger Schwermaschinenbaukombinats Ernst Thälmann, der AHB Heimelectric vor allem elektrische Haushaltsgeräte.
Die Unternehmen des außerplanmäßigen Außenhandels waren weder einer intensiven Kontrolle durch Außenhandels- und Fachministerien sowie Banken und Finanzrevision unterworfen, noch ging ihre Spezialisierung so weit wie bei den Planbetrieben. Sie erhielten nur in eingeschränktem Maße Planvorgaben: Das betraf vornehmlich Vorgaben zu den zu erwirtschaftenden Devisenerträgen, nicht aber Anweisungen dazu, auf welche Weise sie zu erbringen waren. Vorab vereinbart wurde die Höhe der abzuführenden Devisenerträge, die jedoch nicht nach jedem Geschäft, sondern nur über die Jahresabrechnung an den Staatshaushalt abzugeben waren.
30 Diesen Namen führt das Ministerium erst seit 1974. Zuvor führte es die Bezeichnungen »Ministerium für Außenhandel und innerdeutschen Handel« (MAI, von 1950 bis 1967) bzw. Ministerium für Außenwirtschaft (1967 bis 1974).
31 Vgl. Volze 1999, S. 151 – 183.
32 Vgl. vor allem StJb DDR 1990, S. 32f. Die Aussage trifft jedoch auch auf zuvor erstellte Statistiken zu.
33 Vgl. Bundesbank 1999, S. 50f.
34 Vgl. Analyse vom 30. Oktober 1989 (22 Seiten), abgedruckt in Deutschland Archiv 25 (1992), S. 1112 – 1120.
35 Vgl. u.a. Entwicklung der Bilanz der Leistungen und Faktoren, die den Gesamtsaldo aus Forderungen und Verbindlichkeiten beeinflussen sowie die Finanzierungsstruktur – NSW – Blatt 2« [o.D.], in BA Berlin, DN 10, Nr. 3492, o.Bl. und Nr. 3493, o.Bl.
36 Vgl. Entwicklung der Ex- und Importe, o.Bl.
37 Vgl. Innerdeutscher Handel zusammengestellt und berechnet nach BA Berlin, DL 2/KoKo, Nr. 1044, Bl. 264f.
38 Vgl. Volze 1999, S. 178 und 180.
39 Vgl. Analyse vom 30. Oktober 1989.
40 Vgl. Bundesbank 1999, S. 60.
Ein differenziertes Bild von KoKo zu zeichnen bedeutet keineswegs, die fragwürdigen Aktivitäten des Bereiches und seine Einbindung in das Herrschaftssystem der DDR zu relativieren. Die Beteiligung am Geschäft mit dem Freikauf politischer Gefangener aus der DDR durch die Bundesrepublik, bei dem KoKo die Gegenlieferungen des Westens weiter vermarktete, ist der wohl markanteste Beleg für diese Einbindung: Die Staatssicherheit war zuständig für die Auswahl der Personen, die auf die Freikauflisten kamen. KoKo wickelte die Übernahme von Waren ab, die im Austausch für ihre Freilassung geliefert wurden.
Unter den Geschäften, die nach wie vor als moralisch fragwürdig oder sogar illegal einzuordnen sind, stellte der Häftlingsfreikauf mit Abstand das bedeutendste dar. Zwischen 1962 und 1990 erhielt die DDR mehr als 3,4 Mrd. D-Mark für die Freilassung von politischen Gefangenen. Fast in allen Geschäften trat fast ausnahmslos die KoKo-Firma Intrac als Geschäftspartner der westdeutschen Firmen auf, die in der Regel gut vermarktungsfähige Rohstoffe wie Erdöl, Kupfer, (Industrie-)Diamanten, Silber oder Quecksilber lieferten. Die Einnahmen aus dem Weiterverkauf dieser Güter wurden zudem von KoKo verwaltet und spätestens seit Mitte der 1970er Jahre zur Erwirtschaftung von weiteren Zinseinnahmen durch Festanlagegeschäfte genutzt.
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