Der Bewohnerbeirat - Siegfried Räbiger - E-Book

Der Bewohnerbeirat E-Book

Siegfried Räbiger

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Beschreibung

Alle reden von Pflegenotstand durch fehlende Pflegekräfte. Gleichzeitig wird von explodierenden Heimkosten durch Tariflohn ab September 2022 gesprochen. Ohne Qualitätsverbesserung sollte es ein Wunsch des Einrichtungsträgers bleiben. Vergessen wird, dass die Kommunen, Caritas und Diakonie seit Jahren entsprechende Gehälter zahlen. Umso wichtiger wird die Kontrolle der geforderten neuen Entgelte durch das gewählte Gremium der Bewohner. Keine Blanko-Unterschrift von Bewohnerbeiräten in Pflegeeinrichtungen unter das Entgelterhöhungsverlangen des Betreibers an die Pflegekassen. Die Abhandlung beleuchtet das Geheimnis der Heimentgelte, wie im Bundessozialgerichtsurteil gefordert. Die Interessenvertreter der Bewohner können das Verlangen prüfen und ihre notwendige Unterschrift verantwortlich beschließen. Ein Nachschlagewerk für die praktische Arbeit des gewählten Gremiums in den Pflegeeinrichtungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI). Es werden die unterschiedlichen Gesetzesgrundlagen und die Abhängigkeiten der handelnden Personen und Institutionen aufgezeigt. Es folgen Umsetzungs- und Praxisbeispiele für die Anhörung und Mitbestimmung. Alle zwei Jahre wird in den Pflegeeinrichtungen nach den Ländergesetzen ein Gremium der Bewohner gewählt. Seit Anbeginn des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) können die Betreiber nur neue Entgelte mit den Pflegekassen vereinbaren, wenn die demokratisch gewählten Vertreter eine Stellungnahme und die entsprechende Unterschrift leisten. Den Schwerpunkt bildet die notwendige Mitwirkung bei den zukünftigen Entgeltforderungen des Einrichtungsträgers gegenüber den Pflegekassen. Doch wer hilft bisher in die Materie der Kosten und Erlöse einzusteigen, dies leistet die Abhandlung. Gleichzeitig ist sie mit den Stichworten auch eine Handreichung für Angehörige, Einrichtungsleitungen, die WTG-Aufsicht (frühere Heimaufsicht) und Seniorenvertretungen in den Kommunen und Verbänden.

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Aktiv altern in NRW und überall

www.unser-quartier.de/oberhausen

Siegfried Räbiger

Bewohnerbeirat

zur Unterstützung von Bewohnern, Angehörigen und Interessierten in Pflegeeinrichtungen

2. Vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

© 2022 Siegfried Räbiger

„aktiv altern in NRW und überall“

Gundlachstr.7, 46045 Oberhausen

www.unser-quartier.de/oberhausen

Verlag Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Softcover:

978-3-347-68342-6

Hardcover:

978-3-347-68344-0

e-Book:

978-3-347-68346-4

Großschrift

978-3-347-68351-8

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Der Bewohnerbeirat

zur Unterstützung von Bewohnern, Angehörigen, und Interessierten in Pflegeeinrichtungen

Inhalt

Einleitung

Vorwort

Rechtliche Grundlage

Bewohnerbeirat

Zu beachtenden Gesetze

Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG)

Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI)

Datenschutz

WTG-Aufsicht (Heimaufsicht)

Geltungsbereich der WTG-Gesetze

Der Medizinische Dienst (MDK)

Seniorenvertretung

Qualitätsmanagement

Der Beirat der Einrichtung

§ 10 WTG-DVO NRW Aufgaben des Nutzerbeirates

§ 11 WTG-DVO NRW Mitbestimmung des Beirates

§ 12 WTG-DVO NRW Mitwirkung des Beirates

§ 13 WTG-DVO NRW Grundsätze der Zusammenarbeit

Besondere Mitwirkungen in den Ländern

Baden-Württemberg

Bremen

Rheinland-Pfalz

Sachsen

Sachsen-Anhalt

Thüringen

Ehrenamtler kein Ersatz für mangelnde Pflegekräfte!

Blick in die Praxis

Anhörung

Datenschutz in Pflegeeinrichtungen

„Sexualität im Heim kein Tabu“

Mitbestimmung

Mitwirkung

Ziffer 1 Maßnahme zum Verhindern von Unfällen

Ziffer 2. Änderung der Kostensätze

Ziffer 7. umfassende Baumaßnahmen und Instandsetzungsarbeiten

Investitionskostenbescheid

Zukunft gestalten

Die Zukunft muss aktiv gestaltet werden.

Seniorenvertretung in den Kommunen

Kommunale Konferenz Alter und Pflege

Gemeinsame Interessenvertretung der Pflegeeinrichtungen

Bewohnerbeirat in der Einrichtung

Transparenz und Nachhaltigkeit sichert die Zukunft der Pflege

Abbildungen / Schaubilder

Anlagen

Stichwortverzeichnis

Literaturverzeichnis

Anmerkungen

Einleitung

Alle reden, nicht erst seit der Corona Epidemie, vom Notstand in der Pflege. Neue Gesetze werden am Fließband erlassen. Die bereits ständig gestiegenen und zukünftig weiter steigenden Heimentgelte belasten, durch gleichbleibende Festbeträge der Pflegekassen, allein die Bewohner. Das Bundessozialgericht mahnt, mit Urteil vom 26.09.2019 - B 3 P 1/18 R1, die jahrzehntelange Missachtung der Mitwirkung des Bewohnerbeirates bei der Entgelterhöhung an. Gesetze zu Gunsten der Bewohner werden oft nicht umgesetzt. Über 70.000 Heimbeiräte suchen vergebens Hilfe bei „Dr. Google“ oder in der Literatur. Beiräte aus circa 30 Einrichtungen versichern sich derzeit als Gremium der Hilfe des Pflegeschutzbundes BIVA e.V. Die gesetzlichen Rechte werden nur zur Geltung gelangen, wenn sie bekannt und im Bewusstsein sind. Nur dann können sie nicht weiter missachtet und formal gegen Betroffene genutzt werden.

Pflegeeinrichtungen sollten keine profitorientierten Orte, keine Industrieunternehmen sein, die allein auf Effizienz ausgerichtet sind und die pflegebedürftigen Bewohner als Erlösbringer ausnutzen. Verträge gehen von gleichwertigen Partnern aus, was bei fehlendem Angebot und steigender Nachfrage nicht gegeben ist. Um beidseitige Zufriedenheit zu erreichen, ist ein notwendiger Ausgleich zwischen allen Beteiligten auf Augenhöhe erforderlich. Es bedarf vordringlich zufriedener Mitarbeiter mit Empathie und Vertrauen, damit sich die Bewohner gut aufgehoben fühlen.

Demokratie als Erfolgsfaktor

Wie die Mitwirkung auf Seiten der Mitarbeiter durch das Betriebsverfassungsgesetz oder adäquaten Regelungen vorgesehen ist, wurde die Mitwirkung der Bewohner mit Beginn der Pflegeversicherung 1995 formal zur Unterstützung der Bewohner ausgestaltet. So hat die Unterschrift des Bewohnerbeirates unter das Erhöhungsverlangen der Heimentgelte eine direkte Auswirkung auf alle derzeitigen und zukünftigen Bewohner. Beiräte sind gut beraten, ihre Beschlüsse allen Bewohnern und Angehörigen zeitnah zur Kenntnis zu geben.

In den 25 Jahren des Bestehens des SGB XI hat sich die Bewohnerstruktur erheblich verändert. In den Einrichtungen wird es immer schwieriger, jedes zweite Jahr Kandidaten für den Beirat zu finden. Um dem Gesetz zu ihrem Vorteil Folge zu leisten, gehen Einrichtungsträger oft zur Ausnahme einer Sprecherwahl über.

Die Aufsichtsbehörden sehen ihre Aufgabe hauptsächlich in der Beratung und Unterstützung der Einrichtungen. Der in den Landesregelungen vorgesehene Verbraucherschutz, durch Öffnung für außenstehende Beiratsmitglieder, wird verschwiegen und ist deshalb unbekannt. Die vorrangig geforderten Senioren(bei)räte in den Kommunen nehmen ihre notwendigen Aufgaben der Unterstützung bisher in den Einrichtungen und den Gremien, oft aus fehlender Kenntnis der Möglichkeiten, selten wahr.

Mit dieser Schrift soll eine erste Übersicht und Einsicht, eine Arbeitsgrundlage geboten werden, um die Möglichkeit des notwendigen Interessensausgleiches zwischen Einrichtungsbetreiber und Bewohner zu befördern. Senioren und Pflegebedürftige werden in der Diskussion und Krankheiten schnell von interessierter Seite als (Hoch-) Risikogruppe eingestuft. Bürger unterstellen als selbstverständlich, dass die entsprechenden Schutzmöglichkeiten gewährleistet sind. Anspruch und Wirklichkeit fallen oft auseinander. Sei es, dass der gesetzliche Schutz nicht umgesetzt, nicht entsprechend beachtet wird oder sei es, dass eine Vorsorge gar nicht gegeben ist. Als Beispiel: das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen, (Infektionsschutzgesetz IfSG)2 Stand 27.3.2020, sieht weiterhin für stationäre Altenhilfeeinrichtungen keine Pflicht für Hygienepläne vor, §§ 23, Abs. 5 noch 33 IfSG. Es wird auf die örtlichen Gesundheitsämter verwiesen.

In öffentlichen Pressemeldungen sind Nachrichten über stationäre Einrichtungen selten, wenn überhaupt werden Nachrichten des Betreibers übernommen. Öffentlichen Beschwerden von Angehörigen oder negative Presse wird häufig mit allen rechtlichen Möglichkeiten durch die Betreiber entgegengetreten.

Ist dies der Macht der Betreiber, den zu refinanzierenden Kosten geschuldet?

Pflegeeinrichtungen in jeglicher Ausgestaltung und Angebotsform dürfen durch desinteressierte Mitbürger kein Ort des Grauens werden, sie müssen behütete, lebenswerte Einrichtungen sein. Wer weiß schon, ob er oder sie nicht den Schutz über kurz oder lang selbst benötigen. Kommunalpolitiker, insbesondere Senioren(bei)räte, müssen sich mit größeren Entgeltsteigerungen in den Pflegeeinrichtungen schnellstens auseinandersetzen. Die Mehrkosten, können durch die Bewohner nicht mehr getragen werden, fallen den Kommunen zur Last. Die Möglichkeit sich in Bewohner(bei)räte wählen zu lassen, ist ein notwendiger erster Schritt, um sich mit der akuten Altenhilfeplanung aktiv auseinander zu setzen.

Von der gebotenen Mitwirkung profitieren alle, Unternehmen, Beschäftigte, Bewohner, Angehörige und die Gesellschaft.

Die zweite Auflage nimmt zwischenzeitliche Veränderungen und notwendige Ergänzungen auf.

Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) sind die Vertragsparteien nach § 113 SGB XI verpflichtet zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben. Grundlegend ist dazu die Forschung3 von Prof. Dr. Rothgang. Mit dem Personalbemessungsverfahren wird die „Pflege der Zukunft“ beschrieben. Es zeigen sich zur heutigen Personalausstattung der Pflegeeinrichtungen – durchgehend Pflegepersonalmehrbedarfe.

Die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, hat eine weitgehende leistungsrechtliche Gleichstellung somatischer, psychischer und kognitiver Einschränkungen der Selbständigkeit nach sich gezogen und eine Erhöhung der anerkannt Pflegebedürftigen von 19 % mit sich gebracht. Damit ist jedoch kein Ende der Reformprozesse erreicht, vielmehr werden – durch den eigenen Selbstanspruch einer sich qualitativ stetig weiterentwickelnden Pflege – die Themenbereiche Pflegequalität, Pflegeausbildung und Finanzierbarkeit der systemimmanenten Eigenanteile aufgebracht. Eine ausreichende Personalausstattung in der Pflege bildet eine Voraussetzung für eine adäquat hohe Patientensicherheit und Versorgungsqualität.

Die aktuelle Situation ist durch erhebliche regionale Ungleichheiten gekennzeichnet: Die Personalbesetzung in deutschen Pflegeheimen wird entscheidend durch die sogenannten Stellenschlüssel geprägt, die in den Rahmenverträgen gemäß § 75 SGB XI auf Länderebene beschlossen werden. Ein bundeseinheitliches Personalbemessungsverfahren ist ein notwendiger Schritt

Vorwort

Pflegeeinrichtungen werden in der Bevölkerung oft nicht als Unternehmen gesehen. Das Denken im Gesundheits- und Sozialwesen ist geprägt durch die Begriffe des Dienens, Helfens, Unterstützens, die Formen einer uneigennützigen Fürsorge. Doch während der letzten 200 Jahre hat sich das Bild ständig gewandelt „Von der Altersversorgungs-Anstalt zum modernen Seniorenzentrum, zum Dienstleistungszentrum.4

Ist die Revolution 1848 so manchem als Geschichtsjahr in Erinnerung, war dies nur eines der schlimmen Jahre. In der obigen Festschrift zum 150-jährigen Bestehen der Stiftung heißt es: „1833 bedrohte die Cholera Düren und 1841 das „Nervenfieber“ eine ansteckende Gehirnentzündung, die nicht selten tödlich endete, wiederum vor allem Arme und Alte.“ Wer denkt da nicht an 2020, die Corona Pandemie? Viele wissen, dass in der aufkommenden Industrialisierung Marx und Engels agierten, wenige sehen die Verbindung zu Adolph Kolping. Er übernahm die Ideen des Lehrers Breuer aus Elberfeld und gründete 1852 das erste Gesellenhaus in Köln. Es war die Zeit der Auseinandersetzung der beiden Kirchen und deren Antwort auf die Verelendungstheorie von Karl Marx und Engels.

Bereits 1822 kam Pastor Fliedner nach Düsseldorf-Kaiserswerth und schrieb 1833 einen Entwurf einer Satzung zur 1836 gegründeten Diakonissenanstalt 5 1850 besuchte Florence Nightingale Kaiserswerth, sie gilt bis heute als die Reformerin der neuzeitlichen weltlichen Krankenpflege.1849 wurde das evangelische Krankenhaus Düsseldorf gegründet.6 In der Stiftungsurkunde heißt es: „Von der Überzeugung ausgehend, daß die Krankenanstalten hiesiger Stadt dem täglichen wachsenden Bedürfniß nicht mehr genügen, ferner, daß diesem Bedürfniß am besten durch Stiftungen von Privat-Wohltätigkeitsanstalten entgegengekommen werde, …“.

Es gab und gibt eine Tradition der Stiftungen und gemeinnützigen Einrichtungen. Pflege bleibt weiterhin in der vermeintlichen Nähe zur Laienarbeit, es fehlt eine allgemein verbindliche Definition.

1994/1995 mit der Einführung der Pflegeversicherung (SGB XI), sorgsam in über 12 Jahren Diskussion mit der Wissenschaft geplant, ist der bisher letzte Schritt „Privat vor Staat“ umgesetzt. Es wurde das Merkmal der wirtschaftlichen Zielsetzung, Erfolg, Gewinnstreben, Eigennutz etc. bewusst eingeführt. Durch die Pflegebuchführungsverordnung flankiert, in Anlehnung an die Krankenhausbuchführungsverordnung, wird der Bewohner, gleich eines Industrieproduktes, formal als Kostenträger und Erlösbringer behandelt. Zugleich verlagerten die Politiker ein Teil des Sozialstaatsrisikos auf die Arbeitnehmer als neue Pflegeversicherte und gliederten die staatliche Verantwortung auf die neu gegründeten Pflegekassen aus. Der Pflegemarkt wurde zugleich uneingeschränkt für Privatinvestoren geöffnet. Um private Gewinne zu rechtfertigen, wurde formal das bis dahin herrschende „Selbstkostendeckungsprinzip“ für die Kommunen und Wohlfahrtsverbände aufgegeben; auch ihnen wird zwischenzeitlich in der Kalkulation ein Risikozuschlag zugebilligt. Gesundheit, Fürsorge und Soziales wurden lange als Gegensatz zur Ökonomie und knappen Ressourcen betrachtet.7 Zur Beruhigung wurde der Begriff „Qualität“ eingeführt, um vordergründig den Gegensatz zu Ökonomie abzumildern. Die Wirklichkeit zeigt, das Selbstkostendeckungsprinzip gilt weiter, ein Gewinnzuschlag ist dazu gekommen.

Pflegeeinrichtungen sind Qualitätseinrichtungen (§§ 112ff.SGB XI)

Was hilft ein Organisationsleitbild mit allgemeinen Grundsätzen einer Organisation/Einrichtung, die sich nach innen an die Mitarbeiter*innen und Ehrenamtlichen und nach außen an die Bewohner und ihre Zugehörigen bzw. Kooperations- und Netzwerk-partner*innen sowie die gesamte Öffentlichkeit wendet, welches aber nicht gelebt wird. Was hilft ein übergestülptes Qualitätsmanagement, was von den Mitarbeitern nicht verinnerlicht, nicht mitgetragen und damit in der täglichen Praxis nicht umgesetzt wird.

„Wohnen im Alter“ ist in den letzten Jahren in Deutschland über die bloße Begrifflichkeit des Wohnvorganges hinaus Metapher für einen neuen Lebensstil im Alter geworden: Das Selbstbestimmte, auf Kompetenz beruhende Leben im Alter, klar abgrenzt von verschiedenen Formen der Versorgung und Betreuung in Einrichtungen der Altenhilfe und auch den Haushalten der erwachsenen Kinder. Die ältere Generation ist in den letzten Jahrzehnten unabhängiger geworden. Die zunehmende Hochaltrigkeit der Senioren in den 60er und 70er Jahren führte zu einer immensen Nachfrage nach Pflegeheimplätzen, deren Bereitstellung und Unterhalt angesichts der expandierenden Kosten im stationären Bereich von den staatlichen Leistungsträgern kaum noch getragen werden konnte. Hier formuliert nun das Pflegeversicherungsgesetz klar „ambulant vor stationär“. Dazu kommt, dass in Einrichtungen nur noch stark pflegebedürftige aufgenommen werden. Nur wer sich einen Abschlag von 20% der Pflegekassenleistung leistet, kann ohne Anerkennung der sogenannten „Heimbedürftigkeit“, einen Platz vorausgesetzt, in eine Pflegeeinrichtung umziehen.

Wettbewerbsstrategien der Industrie entfallen, jedoch nicht die notwendigen Ansätze. Die Investoren verfolgen die Kostenführerstrategie durch eine niedrige Kostenstruktur in der eigenen Wertschöpfung. Die Hauptaspekte einer Kostenführerposition sind Prozesseffizienz und eine sehr starke Kostenkontrolle und Kostenreduzierung im Kundenservice und der Verwaltung. Die Mitarbeiter, Angehörigen und Bewohner, insbesondere die Interessenvertretungen, stören scheinbar im Denken. Die Mitarbeiter- und Bewohnerzufriedenheit wird für die zukünftige Akzeptanz wichtig werden.

Der Gesetzgeber hat, aus gesellschaftlicher Verantwortung heraus, ein formales Gremium der Bewohner in den Pflegeeinrichtungen vorgeschrieben. Aus dem Grund der Hochaltrigkeit ist die Wählbarkeit in die Interessenvertretung auch auf Angehörige und außenstehende Vertrauenspersonen ausgeweitet worden. Bevor nun Außenstehende die Einrichtung mitbegleiten, versuchen Einrichtungsbetreiber die Mitwirkung dieser Personen zu unterbinden und lassen lieber genehme Sprecher wählen. Die zuständigen Ordnungsbehörden sehen diesem Treiben zu. Mögliche Ordnungswidrigkeitsverfahren werden nicht eingeleitet.

Die alle zwei Jahre stattfindenden Wahlen werden bisher nicht veröffentlicht. Wie sollen Senioren(bei)räte oder Interessensvertreter sich zur Wahl aufstellen lassen, wie können sie gewählt werden? Die Einrichtungsleitung sieht den Heimbeirat überwiegend als notwendiges Übel, er wird als Geheimgremium versteckt. Sollte die Einrichtung nicht stolz auf die Mitwirkung sein, die engagierten Bewohner und Angehörigen herausstellen und die Arbeit zum Wohle aller nutzen?

Die kommunalen Ratsvertreter, die Senioren(bei)räte kennen oft nicht die demokratischen Rechte, setzen sich für diese Wahlbürger nicht ein, nehmen deren Rechte nicht wahr. Allein die zweijährigen Tätigkeitsberichte der kommunalen Aufsichtsbehörde, gemäß § 14 Abs. 11 Wohn- und Teilhabegesetz (WTG-NRW), werden kommentarlos entgegengenommen. Dieses Verhalten zeigt die derzeitige Sichtweise auf Pflegeeinrichtungen auch oft zum Nachteil der Bewohner, die nur als Wähler gern gesehen, aber ohne Rechte sind. Insbesondere in den Kommunen, in den die Kommune selbst noch eigene Einrichtungen betreibt, müssten und könnten die Ratsmitglieder als Aufsichts- und Kontrollräte gezielte Nachfragen stellen. Das Eintreten eines Aufsichtsratsmitgliedes in einer kommunalen Pflegeeinrichtung könnte vordergründig, bewusst aus einem Interessenkonflikt zwischen optimalen Heimentgelten und notwendiger Qualität bei fehlenden Pflegekräften, unterbleiben. Das Desinteresse ist für andere Mandatsträger nicht erklärbar.

§ 85 Absatz 3 Satz 2, zweiter Halbsatz SGB XI lautet: „Das Pflegeheim hat Art, Inhalt, Umfang und Kosten der Leistungen, für die es eine Vergütung beansprucht, durch Pflegedokumentationen und andere geeignete Nachweise rechtzeitig vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen darzulegen; es hat außerdem die schriftliche Stellungnahme der nach heimrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Interessenvertretung der Bewohnerinnen und Bewohner beizufügen.“ Nach über 20 Jahren von Heimentgeltverhandlungen muss 2019 ein Bundesgericht auf die Einhaltung des Gesetzes gegenüber den Trägern und Pflegekassen pochen.

Bundessozialgericht stärkt Heimbeirat

mit Urteil vom 26.09.2019 - B 3 P 1/18 R. Der Tenor bezieht sich auf § 85 Abs.3 SGB XI und lautet: „Der Interessenvertretung der Heimbewohner/innen muss zwingend die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme zu der Forderung nach Erhöhung der Pflegesätze und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung eingeräumt werden, und zwar grundsätzlich schon vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen.“

War die Mitwirkung und Mitbestimmung in der Bonner Republik beim Wiederaufbau unverzichtbar, hat sich die Mentalität des Alleinherrschers in den Unternehmen und Einrichtungen wieder breitgemacht. Die Mitarbeiterführung ist gerade in Zeiten der Personalknappheit ausschlaggebend. Ein offener Umgang mit den Bewohnern und Angehörigen bewirkt eine angenehme Atmosphäre im Umgang miteinander und hilft rechtzeitig Missstände zu erkennen. Beiräte werden in der Einrichtung oft nicht wahrgenommen. Sehr selten findet sich nach erfolgter Wahl ein Hinweis in der Presse, selten ein Hinweis auf der Homepage der Einrichtung. Soweit vorhanden, werden die Wahl und die Kandidaten in der Heimzeitung publiziert. Es fehlt für Außenstehende, für potenzielle Bewerber, an der Transparenz. Zum Glück gibt es fast in jeder Kommune löbliche Ausnahmen.

Aufsichts- und Verwaltungsräte und Beiräte haben die verantwortungsvolle Aufgabe, die Unternehmensleitung zu beraten und zu überwachen; der Wirtschaftssektor weist hier eine lange und gefestigte Tradition auf. In den letzten Jahren haben auch die Träger von Krankenhäusern, Pflegeheimen sowie anderer Einrichtungen und Leistungserbringer im Gesundheitswesen begonnen, ihre Management-Strukturen, Betriebsformen und Aufsichtsgremien den wachsenden wirtschaftlichen und rechtlichen Herausforderungen anzupassen. Denn es stellt sich zunehmend - auch im Spannungsfeld von Ökonomie und Ethik - die Frage, in welcher Art und Weise - insbesondere die Aufsichts- und Verwaltungsräte heutiger Unternehmen - in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft dazu beitragen können, dass dort ziel- und qualitätsorientiert, bedarfsgerecht, und verantwortungsbewusst gearbeitet wird. Der Fortbestand der am Gemeinwesen orientierten Aufgaben kann nur so auf Dauer gesichert werden.8 Unter dem Aspekt von Corona 19, wird dies deutlich.

Jeder wird in seiner Familie über kurz oder lang einen pflegebedürftigen Angehörigen haben oder gar selbst pflegebedürftig werden. Die bevorstehenden Wahlen, in der Einrichtung, in der Kommune etc. sollten unter dem Aspekt des notwendigen Wandels unter der Mitverantwortung aller Gruppen in der Gesellschaft angegangen werden. Ein nachträgliches Jammern über die Versäumnisse und einschneidenden Maßnahmen Verhältnisse helfen nicht weiter. Ein Rufen der Starken nach dem zuvor verschlankten Staat kann kurzfristig für Abhilfe sorgen. Ein neues soziales Denken, neue Wertigkeiten sind gefragt. Sich sozial zu engagieren, ist Rentnern oft fremd. Die freie Zeit bringt eine völlig neue Situation in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht mit sich. Informieren, Nachdenken, Entscheiden und eigenes in die Zukunft gerichtetes Handeln ist gefragt und möglich.

Ohne Handeln sind die besten Absichten in der Welt nichts weiter als das: Absichten - Jordan Belfort -. Dem Wahlspruch des Handelns folgen wir, zwei aktive Rentner, ehrenamtlich seit 2018 mit wöchentlichen Beiträgen auf „aktiv altern in NRW und überall“9. Hier finden Sie auch die entsprechenden Fortschreibungen unter dem Kategorie Punkt „Bewohnerbeirat“ oder geben Sie in das Suchfeld entsprechend „Beirat“ ein und alle Beiträge mit dem Bezug oder Hinweis auf den Bewohnerbeirat werden aufgelistet.

Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.-

Jean-Baptiste Poquelin (1622-1673), besser bekannt als Molière -

Rechtliche Grundlage

2007 hat die Föderalismusreform zur Aufspaltung der Gesetzgebungskompetenzen in Vertragsrecht und Ordnungsrecht geführt. Das Vertragsrecht ist Aufgabe des Bundes. Das Ordnungsrecht ist Aufgabe der einzelnen Bundesländer.

Der Bundesgesetzgeber hat durch die Schaffung des Wohn - und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG)10 2009 ein Gesetz geschaffen, das für das gesamte Bundesgebiet den vertragsrechtlichen Teil regelt, wenn neben der Überlassung von Wohnraum gleichzeitig die Pflege- oder Betreuungsleistungen geregelt werden. Dies gilt nicht, wenn der Vertrag neben der Überlassung von Wohnraum ausschließlich der Erbringung von allgemeinen Unterstützungsleistungen wie die Vermittlung von Pflege- oder Betreuungsleistungen, Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung oder Notrufdienste zum Gegenstand hat. Der Gesetzgeber hat mit Umgehungstatbeständen gerechnet und vorsorglich in § 1 Absatz 2 WBVG geregelt: Dieses Gesetz ist entsprechend anzuwenden, wenn die vom Unternehmer geschuldeten Leistungen Gegenstand verschiedener Verträge sind und

1. der Bestand des Vertrags über die Überlassung von Wohnraum von dem Bestand des Vertrags über die Erbringung von Pflege- oder Betreuungsleistungen abhängig ist,

2. der Verbraucher an dem Vertrag über die Überlassung von Wohnraum nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht unabhängig von dem Vertrag über die Erbringung von Pflege- oder Betreuungsleistungen festhalten kann oder

3. der Unternehmer den Abschluss des Vertrags über die Überlassung von Wohnraum von dem Abschluss des Vertrags über die Erbringung von Pflege- oder Betreuungsleistungen tatsächlich abhängig macht.

Dies gilt auch, wenn in den Fällen des Satzes 1 die Leistungen von verschiedenen Unternehmern geschuldet werden, es sei denn, diese sind nicht rechtlich oder wirtschaftlich miteinander verbunden.

Welcher Bürger kann bei seiner Suche nach einer seniorengerechten Wohnung mit entsprechender Betreuungsmöglichkeiten die juristischen Voraussetzungen ohne Hilfe prüfen? Eine Möglichkeit ist die Anfrage bei der Kommune und der zuständigen Ordnungsbehörde. Dazu unter WTG-Aufsicht.

Zur Klarheit und Übersichtlichkeit wird für das (Einzel-)Vertragsrecht auf die aktuellen Einzelheiten zum WBVG und den Länderausführungen auf der Homepage der BIVA e.V.11 verwiesen.

Die Bundesländer kümmern sich seither um den ordnungsrechtlichen Teil, der die Beratung und Überwachung der Heime regelt. Jedes Bundesland musste so ein eigenes Landesheimgesetz schaffen und eigene entsprechende Verordnungen erlassen. Durch die fehlenden stationären Heime und zur Entlastung haben sich Wohnformen, die nicht im SGB XI vorgesehen sind, etabliert. Diesem Umstand wird durch die Formulierung Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) statt Heimgesetz Rechnung getragen. Je nach Leistung wird unterschieden. Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot (§§ 18ff WTG NRW), Betreutes Wohnen (§§ff 24 WTG NRW) mit der weiteren Unterscheidung selbst- oder anbieterverantwortet und Service-Wohnen (§§ 31ff WTG NRW). Die Mitwirkungsrechte der Nutzer und Nutzerinnen sind je Einrichtungsart abgestuft.

Die meisten Länder haben mittlerweile entsprechende Gesetz erlassen. Zur aktuellen Übersicht der Länder-Heimgesetze und Verordnungen, wie vor BIVA e.V.

Das Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) aus 1994 mit unzähligen Änderungen wird durch den Bundestag beschlossen. Die nähere Ausgestaltung obliegt den Ländern. Landesrahmenverträge nach § 75 SGB XI12 werden durch die Landespflegekommissionen vereinbart. Es werden die Prüf- und Verhandlungsgrundlagen festgelegt. Einheitliche Personalanhaltzahlen in der Pflege oder im übrigen Bereich für alle Bundesländer sind bisher nicht vorhanden. Übliche Werte in den länderspezifischen Rahmenverträgen und Empfehlungen der Pflegesatzkommissionenliegen 2020 zwischen rund 1.560 Stunden (für Hamburgsowie Niedersachsen) und 1.650 Stunden (für Brandenburg). Die ausgewiesenen Differenzen gehen dabei fast ausschließlich auf unterschiedliche tarifliche Wochenarbeitszeiten – entweder 38,5 oder 40 Stunden – zurück. Bisher zahlen weniger