Der Biberpelz. Eine Diebskomödie - Gerhart Hauptmann - E-Book

Der Biberpelz. Eine Diebskomödie E-Book

Gerhart Hauptmann

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Beschreibung

Das offene Ende von Hauptmanns "Diebskomödie" in vier Akten überrascht. Und zwar so sehr, dass das Publikum der Uraufführung am 21. September 1893 erst einmal irritiert auf den Plätzen des Deutschen Theaters sitzen blieb. Der Amtsvorsteher Wehrhahn, ein Vertreter der Obrigkeit, bescheinigt der Biberpelz-Diebin Mutter Wolffen, sie sei "eine ehrliche Haut". Wie konnte es so weit kommen? Textgrundlage dieser Ausgabe ist die unter Hauptmann-Forschern immer noch maßgebliche Centenar-Ausgabe, die sorgsam mit dem Erstdruck von 1893 abgeglichen wird. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

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Gerhart Hauptmann

Der Biberpelz

Herausgegeben von Werner BellmannNachwort von Stephan Kraft

Reclam

2017 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Made in Germany 2017

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961206-5

Inhalt

Der BiberpelzDramatis PersonaeErster AktZweiter AktDritter AktVierter AktAnhangZu dieser AusgabeAnmerkungenLiteraturhinweiseNachwort

Der Biberpelz

Eine Diebskomödie

[7]Dramatis Personae

VON WEHRHAHN, Amtsvorsteher

KRÜGER, Rentier

DR. FLEISCHER

PHILIPP, sein Sohn

MOTES

FRAU MOTES

FRAU WOLFF, Waschfrau

JULIUS WOLFF, ihr Mann

ihre Töchter

LEONTINE

ADELHEID

WULKOW, Schiffer

GLASENAPP, Amtsschreiber

MITTELDORF, Amtsdiener

 

Ort des Geschehens: irgendwo um Berlin.

Zeit: Septennatskampf gegen Ende der achtziger Jahre.

[9]Erster Akt

Kleiner, blaugetünchter, flacher Küchenraum mit niedriger Decke; ein Fenster links; eine rohgezimmerte Tür, ins Freie führend, rechts; eine Tür mit ausgehobenem Flügel mitten in der Hinterwand. – Links in der Ecke der Herd, darüber an der Wand Küchengerät am Rahmen, rechts in der Ecke Ruder und Schiffereigerät; gespaltenes Holz, sogenannte Stubben, unter dem Fenster in einem Haufen. Eine alte Küchenbank, mehrere Schemel usw. usw. – Durch den leeren Türrahmen der Hinterwand blickt man in den zweiten Raum. Darin steht ein hochgemachtes, sauber gedecktes Bett, darüber hängen billige Photographien in noch billigeren Rahmen, Öldruckköpfe in Visitenkartenformat usw. Ein Stuhl aus weichem Holz ist mit der Lehne gegen das Bett gestellt. – Es ist Winter, der Mond scheint. Auf dem Herd in einem Blechleuchter steht ein brennendes Talglicht. Leontine Wolff ist auf einem Schemel am Herd, Kopf und Arme auf der Herdplatte, eingeschlafen. Sie ist ein siebzehnjähriges, hübsches blondes Mädchen in der Arbeitstracht eines Dienstmädchens. Über die blaue Kattunjacke hat sie ein dickes, wollenes Brusttuch gebunden. – Einige Sekunden bleibt es still, dann hört man, wie jemand bemüht ist, von außen die Tür aufzuschließen, in der jedoch von innen der Schlüssel steckt. Nun pocht es.

FRAU WOLFF,

unsichtbar, von außen. Adelheid! Adelheid! Stille; dann wird von der andern Seite ans Fenster gepocht. Wirschte gleich uffmachen!

LEONTINE,

im Schlaf. Nein, nein, ick lass’ mir nich schinden!

[10]FRAU WOLFF.

Mach uff, Mädel, sonste komm’ ich durchs Fenster. Sie trommelt sehr stark ans Fenster.

LEONTINE,

aufwachend. Ach, du bist’s, Mama! Ick komme ja schon! Sie schließt innen auf.

FRAU WOLFF,

ohne einen Sack, welchen sie auf der Schulter trägt, abzulegen. Was willst’n du hier?

LEONTINE,

verschlafen. ’n Abend, Mama!

FRAU WOLFF.

Wie bist’n du reingekommen, hä?

LEONTINE.

Na, übern Ziejenstall lag doch der Schlüssel. Kleine Pause.

FRAU WOLFF.

Was willste denn nu zu Hause, Mädel?

LEONTINE,

läppisch maulend. Ich soll woll man jar nich mehr bei euch komm?

FRAU WOLFF.

Na, sei bloß so gutt un tu dich a bissel. Das hab’ ich zu gerne. Sie läßt den Sack von der Schulter fallen. Du weeßt woll noch gar nich, wie spät daß schonn is? Mach bloß, daßte fortkommst zu deiner Herrschaft.

LEONTINE.

Wenn ick da man ooch wer mal’n bißken zu spät komm!

FRAU WOLFF.

Nu nimm dich in Obacht, hast de verstanden! Und sieh, daßte fortkommst, sonst haste verspielt.

LEONTINE,

weinerlich, trotzig. Ick jeh’ nich mehr bei die Leute, Mama!

FRAU WOLFF,

erstaunt. Du gehst nich … Ironisch. Ach wo, das ist ja was ganz Neues.

LEONTINE.

Na brauch’ ick mir immer lassen schinden?

FRAU WOLFF

war bemüht, ein Stück Rehwild aus dem Sack hervorzuziehen. I, schinden tun se dich also bei Kriegers? Nee, so a armes Kind aber ooch! – Mit so was komm mer ock uffgezogen! A Frauenzimmer wie a Dragoner …! Nanu faß an, dort unten a Sack! Du kannst [11]dich woll gar nich tälscher anstellen? Bei mir haste damit kee Glicke nich! ’s Faulenzen lernste bei mir erscht recht nich! Beide hängen den Rehbock am Türpfosten auf. Nu sag’ ich dersch aber zum letzten Male …

LEONTINE.

Ick jeh’ nich mehr bei die Leute hin. Denn jeh’ ick lieber int Wasser, Mama!

FRAU WOLFF.

Na, daßte ock bloß keen’n Schnuppen krigst.

LEONTINE.

Ich spring’ int Wasser!

FRAU WOLFF.

Da ruff mich ock, heerschte! Ich wer der an Schubs geben, daß de ooch ja – und fliegst nich daneben.

LEONTINE

schreit heftig. Na, brauch’ ick mir das woll jefallen zu lassen, det ick abens muß Holz rinräumen zwee Meter?

FRAU WOLFF

tut erstaunt. Nee, ’s is woll nich meeglich! Holz sollst de reinschleppen! Nee, ieber die Leute aber ooch!

LEONTINE.

… un zwanzich Daler uffs janze Jahr? Denn soll ick mir ooch noch die Poten verfrieren? Und nich ma satt Katoffel und Häring?!

FRAU WOLFF.

Da red erscht nich lange, tummes Mädel. Da hast a Schlissel, geh, schneid d’r Brot ab. Un wenn de satt bist, scheer dich, verstanden!? ’s Flaummus steht in der oberschten Reihe.

LEONTINE

nimmt aus einer Schublade ein großes Brot und schneidet davon. Die Juste von Schulzens kriecht vierzig Daler un …

FRAU WOLFF.

Renn du bloß mit’n Kopp durch de Wand! – Du wirscht bei da Leuten nich ewig bleiben. Du bist ni vermit’t fir ewige Zeiten. – Meinswegen zieh du zum [12]erschten April. – So lange bleibste an Ort und Stelle! – ’s Weihnachtsgeschenk in der Tasche, gelt, nu mechtste fortloofen? Das is keene Mode! – Ich geh’ bei da Leuten aus und ein. Das wer ich woll uff mir sitzen lassen!

LEONTINE.

Det bißken Lumpe, det ick da anhabe?

FRAU WOLFF.

’s baare Geld vergißte woll ganz?

LEONTINE.

Jawoll doch! Janze Märker sechse!

FRAU WOLFF.

I, Geld is Geld! Das laß du gutt sein!

LEONTINE.

Na, wenn ick aber kann mehr verdien’n!?

FRAU WOLFF.

Mit’n Maule!

LEONTINE.

Nee, mit de Nähmaschine. Ick jeh’ nach Berlin und nähe Mäntel. Stechowns Emilie jeht ooch seit’n Neujahr!

FRAU WOLFF.

Komm du mer bloß mit der Schlumpe gezogen! Die soll mer ock unter de Finger loofen! Dem Balge will ich a Talglicht uffstecken! Das wär’ so a Awasemeng fer dich, gelt? Mit a Kerln de Nächte verschwiemeln. Nee, Mädel, wenn ich bloß dadran denke: ich hau’ dich, daßte schonn gar nich mehr uffstehst. – Nu kommt Papa, jetzt nimm dich in Obacht!

LEONTINE.

Wenn Papa mir verpaukt, denn loof’ ick fort; denn wer ick schon sehn, wo ick bleiben du’.

FRAU WOLFF.

Jetzt maul nich! Geh und futter de Ziegen. Se sind ooch noch nich gemolken den Abend. Un gibb a Karnickeln ’ne Hamv’ll Heu.

LEONTINE

sucht schnell hinauszukommen, trifft aber in der Tür auf ihren Vater, sagt flüchtig ’n Abend und wischt an ihm vorüber hinaus.

Julius Wolff, der Vater, ist Schiffszimmermann, von langer Figur, mit blöden Augen und trägen Bewegungen, etwa dreiundvierzig Jahr alt. – Er stellt zwei lange Ruder, die [13]er auf der Schulter getragen, in die Ecke und wirft sein Schiffszimmergerät schweigend ab.

FRAU WOLFF.

Haste a Schiffer-Emil getroffen?

JULIUS

brummt.

FRAU WOLFF.

Kannste nich reden? Ja oder nein? Wird a rumkomm, hä?

JULIUS,

unwirsch. Immerzu doch! Schrei du man noch mehr!

FRAU WOLFF.

Du bist schon a kuraschierter Kerl. Dabei da vergißte de Tiere zuzumachen.

JULIUS

schließt die Tür. Was is’n das wieder mit Leontinen?

FRAU WOLFF.

I, gar nischt! – Was hat’n der Emil gelad’t?

JULIUS.

All widder Klinkern. Wat soll er jelad’t hebben? – Wat is det nu widder mit det Mädel?

FRAU WOLFF.

De halbe Zille oder de ganze?

JULIUS,

jähzornig aufwallend. Wat mit det Weibsstück all widder los is!

FRAU WOLFF,

ihn überbietend. Was Emil gelad’t hat, will ich wissen. A halben oder a ganzen Kahn?

JULIUS.

I, immerzu doch, de janze Zille.

FRAU WOLFF.

Pst, Julian. Sie erschrickt und riegelt den Laden zu.

JULIUS,

sie erschrocken anglotzend, schweigt. Nach einigen Sekunden, leise. ’s is all ’n junger Förster in Rixdorf.

FRAU WOLFF.

Geh, krich untersch Bette, Julian. Nach einer Pause. Wenn du bloß nich aso schrecklich tumm wärscht. Glei wirschte wie so a richt’ger Bremmer. Von solchen Sachen verstehst de doch nischt. Laß du mich bloß fer die Mädel sorgen. Das schlägt nich in deine Konferenz. In meine Konferenz geheert das. Bei Jungen wär’ [14]das ganz was andersch. Da wer ich dir ooch niemals nischt reinreden. A jedes hat seine Konferenz!

JULIUS.

Denn soll se man mir nich jrade in ’n Weg loofen.

FRAU WOLFF.

Du willst se woll lahm schlagen, Julian?! Laß du dir ock ja nich aso was einfallen! Denk bloß nich, daß ich aso was zugebe! Ich wer se mer lassen zuschanden schlagen. Das Mädel kann unser Glicke sein. Wenn du bloß fer so was a Verschtand hätt’st.

JULIUS.

Denn soll se man sehn, wo se bleiben dut.

FRAU WOLFF.

Da is keene Angst drum, Julian. Kann meeglich sein, du erlebst noch was. Se wohnt noch amal in der Beletage, und wir sein froh, wenn se uns bloß kennt. Was hat’n der Tätsrat zu mir gesagt? Ihre Tochter is so ein scheenes Mädchen, die kann beim Theater Farure machen.

JULIUS.

Denn soll se man machen, det se hinkommt.

FRAU WOLFF.

Du hast keene Bildung, Julian. Von Bildung hast du ooch keene Spur. Wenn ich nee gewest wär’, Julian! Was wär’ ock aus da Mädeln geworden? Ich hab’ se gebild’t erzogen, verstehste. De Bildung is heutzutage de Hauptsache. Das geht nich aso uff eenen Hieb. Immer eens nach’n andern, a pee a pee. Nu mag se mal erscht a Dienst kenn’nlern. Dann geht se meinswegen rein nach Berlin. Die is heite noch viel zu jung fersch Theater. Es hat unter dem Vorhergehenden mehrmals an die Tür gepocht, nun klingt

ADELHEIDS STIMME

herein. Mama! Mama! mach doch bloß man uff! Frau Wolff öffnet. Adelheid kommt herein. Sie ist ein langaufgeschossenes Schulmädchen im vierzehnten Jahre, mit hübschem Kindergesicht. Der Ausdruck ihrer Augen aber verrät frühe Verderbnis. Wat [15]machste mir denn nich uff, Mama? Ick hab’ mir ja Hände un Füße verfroren.

FRAU WOLFF.

Red nich erscht lange an Blech zusammen. Mach Feuer in Ofen, da wird der schonn warm wern. Wo steckst d’n du ieberhaupt aso lange?

ADELHEID.

Ick hab’ doch de Stiebeln jeholt for Vatern.

FRAU WOLFF.

Da biste wieder zwee Stunden geblieben.

ADELHEID.

Na, wenn ick um sieben erscht bin jegangen?

FRAU WOLFF.

Um sieben bist de gegangen, so. Jetzt is ’s halb elfe. Das weeßte woll gar nich? Da biste bloß viertehalbe Stunde gewesen, das is woll ni viel? Nu heer amal druff, uff das, was ich sage. Bleibst du mer noch eemal so lange fort und gar bei dem lausigen Fielitzschuster – dann paß amal uff, was der da passiert.

ADELHEID.

Ick soll wohl bloß immer zu Hause biestern?

FRAU WOLFF.

Jetzt biste stille un red’st keen Ton.

ADELHEID.

Wenn ick ooch mal bißken zu Fielitzen jeh’ …

FRAU WOLFF.

Ob de woll stille bist, mecht’ ich wissen. Lehr du mich Fielitz’n kenn’n! Ja? Der Audiat soll sich ock nich beriehmen. Dessen sei Handwerk is ni bloß Schuhflicken. Wenn eener erscht zweemal im Zuchthause sitzt …

ADELHEID.

Det is ja nich wah … Det is ja bloß alles zusammenjelogen. Er hat et mir ja jesagt, Mama!

FRAU WOLFF.

Das weeß doch’s ganze Dorf, tumme Gans! Das is a richt’ger Kuppler is das.

ADELHEID.

Er jeht ja sojar bein Amtsvorsteher.

FRAU WOLFF.

Na freilich doch. Fer Spionierer. A Tenuntiat is a obendruff.

ADELHEID.

Wat is’n det, ’n Tenutiat?

JULIUS,

aus dem Nebenzimmer, in das er gegangen war. Nu [16]will ick all noch zwee Wörter abwarten. Adelheid wird bleich und geht gleich stumm daran, Feuer im Ofen zu machen. Leontine kommt herein.

FRAU WOLFF

hat den Rehbock aufgebrochen, Herz, Leber usw. herausgenommen und übergibt es Leontine. Da schnell, wasch ab! Sei bloß ganz still, sonste schlägt’s noch ein. Leontine, sichtlich eingeschüchtert, begibt sich an die Arbeit. Beide Mädchen flüstern miteinander.

FRAU WOLFF.

Hä, Julian? Was machste dadrinne? Du hast’s woll schon wieder vergessen, hä? Ich hab’ dersch doch heute morgen gesagt. Das Brett, was de losgerissen is.

JULIUS.

Wat’n for’n Brett?

FRAU WOLFF.

Na, weeßte nich? Hinten am Ziegenstall. Der Wind hat’s doch losgemacht gestern nacht – sieh, daßte nauskommst zunageln, verstehste?

JULIUS.

I, morjen früh is all ooch noch’n Dach.

FRAU WOLFF.

Nu nee! Da mach der ock keene Gedanken! Mit so was wolln mer bei uns nich erscht anfangen. Julius ist brummend ins Zimmer getreten. Dort nimm der a Hammer! Hier haste Nägel! Nu sieh, daßte fortkommst.

JULIUS.

Du bist ja man dußlich.

FRAU WOLFF,

ihm nachrufend. Wenn Wulkow kommt, was soll er’n geben?

JULIUS.

Na, Märker zwölwe doch janz jewiß! Ab.

FRAU WOLFF,

wegwerfend. I, Märker zwelwe! Pause. Nu macht bloß, daß Papa sei Essen kriegt. Kleine Pause.

ADELHEID,

auf das Reh blickend. Wat is’n det, Mama?

FRAU WOLFF.

A Klapperstorch! Beide Mädchen lachen.

ADELHEID.

’n Klapperstorch? Hat der ooch Hörner? Det weeß ick schon, ’n Rehbock is det!

[17]FRAU WOLFF.

Na, wenn de’s weeßt, warum frägst’n da erscht?

LEONTINE.

Hat den Papa jeschoss’n, Mama?

FRAU WOLFF.

Nu rennt ock und schreit durchs ganze Dorf: Papa hat’n Rehbock geschossen, ja!?

ADELHEID.

Ick wer mir schön hüten. Denn kommt der Blanke.

LEONTINE.

Vor Schandarm Schulzen fürcht’ ick mir nich, der hat mir schon mal ant Kinn jefaßt.

FRAU WOLFF.

Der kann dreiste komm’n. Mir tun nischt Beeses. Wenn a Reh ’n Schuß hat und’s is am Verenden und’s findt’s kee Mensch, da fressen’s de Raben. Ob mirsch nu fressen oder de Raben, gefressen werd’s doch. Kleine Pause. Nu sag amal: Holz haste solln reinräumen?

LEONTINE.

Ja, bei die Kälte! Zwee Meter Knüppel! Un wenn man kaputt is wie so’n Hund! Um halber zehne des Abends spät!

FRAU WOLFF.

Nu liegt woll das Holz noch uff der Straße?

LEONTINE.

Vorn Jachtentor liecht et. Ick weeß weiter nich.

FRAU WOLFF.

Na, wenn se nu aber – und stehlen das Holz? Was’n dann morgen frieh?

LEONTINE.

Ick jeh’ nich mehr hin.

FRAU WOLFF.

Sein’s griene Knippel oder trockne?

LEONTINE.

Det sin so schöne trockne Knüppel – Gähnt ein Mal über das andere Mal. I, Mama, ick bin so schrecklich müde. Ich hab’ mir so schrecklich mußt abmarachen. Sie setzt sich mit allen Zeichen der Übermüdung.

FRAU WOLFF,

nach kurzem Schweigen. Meinswegen bleib [18]heute nacht bei uns. Ich hab’ mersch a bissel andersch ieberlegt. Und morgen früh wolln mer weitersehn.

LEONTINE.

Ick bin janz abjekommen, Mama. Det hängt bloß noch allens so an mir.

FRAU WOLFF.

Nu mach und geh schlafen, nauf in de Kammer, daß Papa nich etwan doch noch’n Krach macht. Von solch’n Sachen versteht a zu wenig.

ADELHEID.

Papa spricht immer so unjebildet.

FRAU WOLFF.

A hat eben keen Bildung gelernt. Das wer’ mit euch ooch nich andersch sein, wenn ich euch nich hätte gebild’t erzogen. Auf dem Herd eine Kasserolle haltend, zu Leontine. Nu komm, leg’s rein. Leontine legt die gewaschenen Fleischstücke in die Kasserolle. So. Jetzt geh schlafen.

LEONTINE

begibt sich ins Hinterzimmer, noch sichtbar spricht sie. Mama! Der Motes is fort von Krüger.

FRAU WOLFF.

Da hat a woll keene Miete bezahlt?

LEONTINE.

Mit Hängen und Würjen, sagt Herr Krüger. Er hat ihm aber doch rausjeschmissen. ’s wär’ so’n verlogener, windiger Kerl. Und immer so hochmütig zu Herr Krüger.

FRAU WOLFF.

Wenn ich wie Herr Krieger gewesen wär’, den hätt’ ich gar nich so lange behalten.

LEONTINE.

Weil Herr Krüger doch Tischler jewesen is, denn is Motes man immer so verächtlich. Mit Herr Dr. Fleischer hat er sich ooch jezankt.

FRAU WOLFF.

Na, wer sich mit dem zankt …! Das mecht’ ich wissen. Die Leut tun keener Fliege was!

LEONTINE.

Er darf jar nich mehr bei Fleischers hinkomm.

FRAU WOLFF.

Wenn du amal kennt’st bei den Leuten ankomm’n!

[19]LEONTINE.

Da sind de Mächens wie Kind im Hause.

FRAU WOLFF.

Und was der Bruder is in Berlin, der is doch Kassierer beim Theater.

WULKOW

hat mehrmals von außen an die Tür gepocht und ruft nun mit heiserer Stimme. Wollt ihr mir woll mal jefälligst rinlassen?

FRAU WOLFF.

Na freilich, warum nich? Immer rin in de Bude!

WULKOW

kommt herein; ein Spreeschiffer, nahe an sechzig Jahre alt, gebückt gehend, mit graugelbem Bart von Ohr zu Ohr und unter dem Kinn herum, der das verwitterte Gesicht frei läßt. Ick wünsche schönen juten Abend.

FRAU WOLFF.

Nu kommt a doch wieder angezogen, die Wolffen a bissel iebersch Ohr haun.

WULKOW.

I, det versuch’ ick schon ja nich mehr!

FRAU WOLFF.

Na, anderscher wird’s ja doch wieder nich wern.

WULKOW.

Umjekehrt wird’n Schuh draus!

FRAU WOLFF.

Noch was! Gelt? – – Hier hängt a. Na? A Kapitalsticke, was?

WULKOW.

Det Julius man ooch jehörig uffpaßt. Se sin jetzt all böse hinterher.

FRAU WOLFF.

Was wolln Se’n geben, das ist de Hauptsache. Was nutzt das lange Gequassele da!

WULKOW.

Wat ick Ihn sache. Ick komme von Grünau. Da hebb’ ick et janz bestimmt jehört. Se hebben Fritze Webern jeschossen. Se hebb’n em de Hosen voll Schrot jesenget.

FRAU WOLFF.

Was wolln Se geben, das is de Hauptsache.

WULKOW,

das Reh befühlend. Ick hebbe man schon vier Böcke zu liejen.

[20]FRAU WOLFF.

Derwegen da geht Eure Zille nich unter.

WULKOW.

Det soll se ooch nich. Det wär’ so’n Fest. Aber wat ’n dann, wenn ick nu liejenbleibe? Ick muß mit die Dinger doch rin nach Berlin. Et arbeet heut all schlecht jenug uff de Spree, und wenn et de Nacht so weiterbackt, denn jibt et morjen schon ja keen Fortkomm. Denn sitz’ ick im Eise mit mein Kahn und hebbe die Dinger uff’m Halse.

FRAU WOLFF,

scheinbar ihren Entschluß ändernd. Na, Mädel, spring amal runter zu Schulzen. Sag’n schönen Gruß, und a soll amal ruffkomm’n, de Mutter hätte was zu verkoofen.

WULKOW.

Hebb’ ick jesacht, ick will et nich koofen?

FRAU WOLFF.

Mir is das ja ganz eengal, wersch kooft.

WULKOW.

Ick will et ja koofen.

FRAU WOLFF.

I, wer de ni will, der läßt’s halt bleiben.

WULKOW.

Ick koofe det Stick! Wat soll et denn bringen?

FRAU WOLFF,

das Reh anfassend. Das Reh hier, das hat seine dreißig Fund. Aber gutt un gerne, kann ich Ihn sagen. Na, Adelheid! Du warscht doch dabei! Mir konnten’s doch kaum uff a Nagel heben.

ADELHEID,

welche ja nicht dabei war. Ick habe mir richtig wat ausjerenkt.

WULKOW.

Mit Märker dreizehn is et bezahlt. Da verdien’ ick ooch noch nich zehn Fennije bei.

FRAU WOLFF

tut fürchterlich erstaunt; im nächsten Augenblick nimmt sie etwas anderes vor. Als hätte sie Wulkows Anwesenheit vergessen, spricht sie, ihn scheinbar erst wieder gewahrend. Ich winsch’ Ihn ooch eine glickliche Reise!

WULKOW.