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Der Wald tut uns gut, das spüren wir intuitiv. Doch was bisher mehr ein Gefühl war, belegt jetzt die Wissenschaft. Sie erforscht das heilende Band zwischen Mensch und Natur, das einen viel stärkeren Effekt auf uns hat, als wir bisher dachten. So kommunizieren Pflanzen mit unserem Immunsystem, ohne dass es uns bewusst wird, und stärken dabei unsere Widerstandskräfte. Bäume sondern unsichtbare Substanzen ab, die gegen Krebs wirken. Der Anblick unterschiedlicher Landschaften trägt zur Heilung unterschiedlicher Krankheiten bei, und wenn ein Spaziergang im Grünen die Stimmung aufhellt, hat das auch einen Grund. Clemens G. Arvay zeigt diesen "Biophilia-Effekt" nicht nur, er sagt auch, wie wir ihn mit Übungen besonders gut für uns nützen können. Im Wald, oder auch im eigenen Garten.
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Seitenzahl: 310
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Hinweis: Da Sachbücher ein besonders hohes Maß an Übersichtlichkeit und Lesbarkeit beanspruchen, wurde beim Verfassen des vorliegenden Buches weitgehend auf geschlechtsneutrale Formulierungen verzichtet. Sofern es aus dem Kontext nicht anders hervorgeht, sind stets Frauen sowie Männer gleichermaßen gemeint und angesprochen. (Der Autor)
Clemens G. Arvay: Der Biophilia-Effekt
Alle Rechte vorbehalten© 2015 edition a, Wienwww.edition-a.at
Lektorat: Sebastian MaurerCover: Kyungmi ParkGestaltung: Hidsch
Gesetzt in der Quiroga Serif StdGedruckt in Europa
1 2 3 4 5 — 18 17 16 15
Print-ISBN: 978-3-99001-113-3
eBook-ISBN 978-3-99001-134-8
eBook-Herstellung und Auslieferung:Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
VORWORT VON RUEDIGER DAHLKE
DER BIOPHILIA-EFFEKT
»Wir haben Wurzeln und die sind definitiv nicht in Beton gewachsen«
WAS HILDEGARD VON BINGEN NICHT WISSEN KONNTE
Wie Pflanzen mit unserem Immunsystem kommunizieren und uns dadurch gesund erhalten
Blattgeflüster – Können Pflanzen überhaupt kommunizieren?
Pflanze an Immunsystem: »Mehr Killerzellen und Anti-Krebs-Geschütze«
Praxistipps: So stärken Sie Ihr Immunsystem im Wald
Der Joker: Fantasie trifft Waldatmosphäre
DIE NATUR UND DAS MENSCHLICHE UNBEWUSSTE
Wie Pflanzen und Landschaften mit unserem »Unterbewusstsein« kommunizieren, unseren Stress abbauen und unsere Konzentration fördern
Neuronale Spuren der Menschheitsgeschichte
Von archaischen Gehirnstrukturen
Der Evolutions-Joker: Stressabbau im Reptiliengehirn
Der Savannen-Effekt
Der Wald als Seelenraum
Ganzheitliche Entspannung im Schoß der Natur
Naturfaszination – das Gehirn in einen neuen Modus schalten
Naturmeditation – Konzentration und Aufmerksamkeit
DIE NATUR ALS ÄRZTIN UND PSYCHOTHERAPEUTIN
Über die Wiederentdeckung der Heilkräfte der Natur
Ökopsychosomatik
Wälder helfen gegen Diabetes
Wie die Natur Schmerzen lindert und uns schneller genesen lässt
Was Stressreduktion durch Naturerfahrung alles kann
Bäume, Herz, Blutdruck: Die Natur als Kardiologin
Die Lektionen der Wildnis – über die therapeutische Natur
Die Natur als Auszeit von der Gesellschaft – Heilung durch »Weg-Sein«
Als mir die Berge und der Mond eine Lektion erteilten
Mit anderen Menschen die heilsame Wildnis erleben
Der Sex und die Erde: Die Natur als Sexualtherapeutin
Die »grüne Couch«
Spontanheilung an einem Fluss
Der Biophilia-Effekt in den eigenen vier Wänden
DEIN GARTEN – DEIN HEILER
Von der heilenden Kraft der Gärten
Gärten: Quellen der Inspiration, Freude und Gesundheit
Karriere gegen Garten: Wie eine Frau ihr Leben veränderte
Mensch und Gartenpflanze – Eine Jahrtausende alte Beziehung
Der Garten als Lebens- und Spielplatz für Kinder
Methusalems Oase: Ein Garten für die Alten
Der Anti-Krebs-Garten – ein heilender Wald für zuhause!
Der Garten als Brücke in eine andere Welt – Sterben im Garten
»DANKE«
Selten habe ich beim Lesen so viel gestaunt, gelernt und Freude empfunden wie bei diesem wundervollen Buch. Ganz vieles in meinem Leben hat Clemens Arvay unerwartet wissenschaftlich abgesichert. Ich habe früher oft draußen im Wald oder wenigstens auf der Terrasse geschlafen und den Großteil meiner Bücher im Freien, inmitten von grünen Pflanzen, geschrieben und lasse immer wieder in Gedankenpausen den Blick ins »Grüne« schweifen. Auf Bali liebe ich mein Wohnzimmer, den Garten, das mit himmlischen tropischen Pflanzen gemütlich und ganz in Grün eingerichtet ist. TamanGa, unser Zentrum in der Südsteiermark in Österreich, heißt, aus dem Indonesischen übersetzt, »Garten Ga(mlitz)«. Gärtner war mein erster Berufswunsch und schon immer hatte ich das Gefühl, dass pflanzliches Grün heilen kann. Ich spürte es, schmecke es in Form von grünen Smoothies und jetzt ist es auch noch wissenschaftlich belegt. Das freut mich zutiefst und ich danke Clemens Arvay dafür, dass er diese vielen im wahrsten Sinne des Wortes wundervollen Wirkungen von Grün als Biologe so kompetent und neben der wissenschaftlichen Achtsamkeit auch mit so viel Gefühl gesammelt und vor uns Lesern ausgebreitet hat.
Als 1984 die Welt nicht unterging, sondern in Science, der bedeutendsten naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift, eine Studie von Professor Roger Ulrich erschien, spürte ich als 33-jähriger junger Arzt intuitiv wie recht Ulrich hatte und wie falsch unsere Kliniken waren. Ulrich belegte, wie allein der Ausblick aus dem Fenster des Krankenzimmers hinaus ins Grüne, auf Bäume, die Heilung nach Operationen deutlich beschleunigte. Die Studie genügte wissenschaftlichen Ansprüchen, ihr Ergebnis war signifikant. Und Ulrich forschte weiter. Patienten der »Baum-Gruppe« benötigten nach dem chirurgischen Eingriff deutlich weniger Schmerzmittel, und wenn, dann schwächere und die Wirkung war nachhaltig, denn postoperative Komplikationen blieben ebenfalls geringer.
Selbst Zimmerpflanzen verbessern die Heilung nach Operationen und verringern die Notwendigkeit von Schmerzmitteln. Aber in unseren Kliniken sind sie natürlich, aus hygienischen Gründen, verboten! Professor Ulrich belegte weiter, wie selbst Naturfilme und Naturbilder förderlich auf Kranke wirken und Schmerzen lindern.
Ähnliche Beobachtungen machte Klinikpersonal weltweit und besonders deutlich in geriatrischen Kliniken. Wenn alte Patienten Gärten besuchen können, brauchen sie weniger Schmerzmittel und Antidepressiva. Und trotzdem blieb, mit absurden Argumenten, in unseren kranken Krankenhäusern alles beim Alten.
Aber dass es inzwischen, wie vom Autor dieses Buches wunderbar dargestellt, sogar Waldmediziner wie Professor Qing Li gibt, das macht Hoffnung. Ich fürchtete, die Arbeiten von Ulrich seien mal wieder in unserer fast nur auf die Gewinn-Maximierung von Big-Pharma ausgerichteten Schulmedizin ohne Konsequenzen verhallt. Professor Li konnte bei Patienten mittels Urinproben belegen, wie Waldatmosphäre die Stresshormone Cortisol und Adrenalin nachhaltig senkte. Ein Tag im Wald reduzierte bei Männern das Adrenalin um fast 30 Prozent und am zweiten Tag im Wald sogar um 35 Prozent. Bei Frauen sank das Adrenalin am ersten Tag um mehr als 50 Prozent und am zweiten Tag um mehr als 75 Prozent im Vergleich zum Ausgangswert. Welche Psychopharmaka schaffen das? Ein Stadtbummel bewirkte im Vergleich nichts Positives.
Obendrein wurde inzwischen nachgewiesen, dass die Waldatmosphäre den Vagus aktiviert, den Nerv der Ruhe und Regeneration. Für Entspannung und die Wiederherstellung unserer körperlichen und geistigen Reserven zuständig, repräsentiert er den archetypisch weiblichen Pol unseres vegetativen Nervensystems.
Japanische Wissenschaftler, die die dortige Tradition des Waldbadens Shinrin-yoku untersuchen, gehen davon aus, dass die stresslösende Wirkung des Waldes im Hinblick auf Eingeweidenervensystem und Stresshormone sowohl über die Seele als auch durch sogenannte Terpene geschieht, die den Pflanzen als Kommunikationsmittel dienen.
Kommunikation unter und mit Pflanzen hatte ich bisher zwar für möglich gehalten, aber doch nur im spirituellen Sinn. Erzählte unser Gärtner in TamanGa, Paul Brenner, schon vor Jahren, wie er und seine Frau Gerti, bewusst mit den Pflanzenwesen kommunizieren und er davon ausgehe, dass die angebauten Pflanzen auch wüssten, was sie beide speziell bräuchten, glaubte ich ihm. Insofern wäre Gartenarbeit und eine gute Beziehung zu Obst- und Gemüsepflanzen ein sehr grundlegender Schritt zu gesunder pflanzlichvollwertiger Kost. Und auch wenn ich sah, wie die Arbeit mit den Pflanzen im TamanGa-Garten ihnen offensichtlich Freude macht und sie bei guter Gesundheit hielt, blieb der wissenschaftliche Teil des Arztes in mir doch skeptisch wach.
Das war selbst im Findhorn-Garden in Schottland so, obwohl ich dort sogar sehen konnte, wie die Pflanzen aufgrund der Kommunikation mit den Devas, das sind die »Pflanzengeister«, zu ungewöhnlich großen und schönen Früchten führte, obendrein auf einem erbärmlich ungeeigneten Sandboden.
Als ich einen Cuandero, einen peruanischen Schamanen, fragte, woher er denn wisse, dass er zu dem psychotrop wirkenden Alkaloid Chacruna einen Monoaminooxidase-Hemmer (Mao-Hemmer) namens Ayahuasca beimischen müsse, um die Zerstörung von ersterem im Magen zu verhindern, sagte er ganz spontan und entwaffnend, na er habe die Pflanzen gefragt. Aha! Als er mich später in den Urwald schickte, damit ich mir die heiligen Pflanzen für meine Reise holte, versicherte er mir, sie würden mich rufen. Aber sie sprachen nicht zu mir, wie ich schon befürchtet hatte.
Seit diesem Buch über den Biophilia-Effekt aber weiß ich nun wenigstens, wie Pflanzen nachweislich über Pheromone, also Duftstoffe, und durch ein für Menschen unhörbares Knacken ihrer Wurzeln kommunizieren und ein Wald ein einziges zusammenhängendes, ständig kommunizierendes Lebewesen ist. Oft denke ich rückwirkend im Hinblick auf die Erfahrung im Urwald: Welche intelligente Pflanze spricht schon zu Medizinern mit wissenschaftlichem Anspruch?
Dass Lebewesen an sich heilend wirken können, ist natürlich längst bekannt. Schon Paracelsus ging davon aus, dass der Mensch und seine Liebe die wichtigsten Arzneien für den Menschen seien. Wie Tiere heilen können, hatte ich schon selbst erlebt, etwa mit unserer Therapie-Katze Lola, die bei uns im Wartezimmer »arbeitete« und zielsicher auf erkrankten Regionen der Patienten Platz nahm, um dort laut zu schnurren. Der US-Amerikaner Professor James Lynch hat auch längst wissenschaftlich belegt, dass Hunde ein ideales Therapeutikum für Hochdruckpatienten sind.
Dass unser kommunizierendes Lebewesen »Wald« das ebenfalls kann, wissen wir jetzt von koreanischen und japanischen Wissenschaftlern, die belegten, dass Waldwanderungen und überhaupt Natur-Erlebnisse erhöhten Blutdruck senken und die Herzfrequenz beruhigen. Stadterfahrungen brachten dagegen eher einen Anstieg des Blutdrucks. Dieses Buch liefert die Erklärungen dazu.
Und die Reihe der wissenschaftlich belegten Wunder geht weiter. Die heilende Wirkung der Grünkraft, von der Hildegard von Bingen schon schwärmte, tritt nun ins Licht moderner Forschung. Waldaufenthalte stärken nachweislich unser Immunsystem, ablesbar an der Erhöhung sogenannter Killerzellen, und die werden im Wald auch gleich noch aktiver.
Dass Pflanzen heilen, weiß die Naturheilkunde schon ewig, dass pflanzlich-vollwertige Kost so viele, auch schwerste Krankheitsbilder wie Krebs und Herzprobleme bessern und manchmal sogar heilen kann, erleben wir seit sechs Jahren mit Peace-Food. Aber dass sie auch einfach so, ohne dass wir sie uns einverleiben, heilen, habe ich erst bei Clemens Arvay begeistert gelesen. Natürlich hat die Aromatherapie es schon angedeutet.
Arvay belegt diese heilende biologische Kommunikation auf verschiedenen Ebenen wie der des Unbewussten, aber auch des Immunsystems. Pflanzen verständigen sich mit uns über Moleküle.
Einmal habe ich das sogar miterlebt, ohne es zu verstehen. Unsere Weihnachtsbäume habe ich jeweils kurz vor dem Fest aus- und danach wieder eingegraben. Einmal nahm ich einen mit zwei Stämmen, den sonst niemand wollte. Anschließend in unserem Garten eingepflanzt, erlebte ich staunend, wie nach einem Jahr der eine bis dato gleichgroße Stamm seitlich abbog und zu einem Ast wurde. Die Frage, was den Zellen zwei Meter über der Gabelung sagte, dass eine anständige Fichte nur einen Stamm habe und sie lieber seitwärts abbiegen und zu einem Ast werden solle, ließ mich nie mehr ganz los. Morphogenetische Felder hin oder her, aber Pflanzen konnten ja nach meiner damaligen Vorstellung nicht sehen. Jetzt weiß ich, sie können immerhin riechen und das ganz ohne Nase auf ihre eigene Art. So melden Pflanzen einander den Anmarsch von Feinden und überdies die Art der Angreifer und produzieren daraufhin passende Abwehrstoffe. Sie rufen sogar Tiere herbei, die ihnen helfen und die Angreifer fressen können, wie wir in diesem Buch erfahren.
Clemens Arvays Buch ist eine wahre Fundgrube für die erstaunlichsten Geheimnisse. Die Leser erleben Waldtherapie und erfahren, dass Baumkronen Sendestationen sind, dass Waldluft »Anti-Krebs-Terpene« mit anti-kanzerogener und immunstärkender Wirkung enthält und ihr Einatmen wie ein Heiltrunk wirkt. Bereits ein einziger Tag in einem Waldgebiet steigert die Zahl unserer natürlichen Killerzellen im Blut durchschnittlich um fast vierzig Prozent, liest der Arzt verblüfft, denn welche Therapie kann das sonst? Wer zwei Tage hintereinander in einem Wald verbringt, kann die Anzahl seiner natürlichen Killerzellen um mehr als fünfzig Prozent steigern. Wer nur einen Tag in einem Wald verbringt, hat für sieben Tage mehr natürliche Killerzellen im Blut als sonst. Nach einem kleinen »Waldurlaub« von zwei bis drei Tagen bleibt die Anzahl natürlicher Killerzellen sogar noch dreißig Tage erhöht. Wenn ich bedenke, was Killerzellen alles können und dass die Waldtherapie nicht nur ihre Zahl, sondern auch ihre Leistung um mehr als fünfzig Prozent erhöht: nicht auszudenken! Durch diese Stärkung aus dem Wald können Killerzellen mehr Viren aus unserem Organismus entfernen, die Entstehung von Krebs effizienter verhindern und Tumore bekämpfen, die schon entstanden sind. Da fällt mir nur noch der Ausdruck »Zauberwald« ein, und ich bin besonders froh, in meinem kleinen Tropenwald zu sitzen, während ich dies schreibe.
Waldluft ist also, wissenschaftlich bewiesen, ein wundervolles Arzneimittel und das natürlichste, das wir kennen. Da verwundert es schon nicht mehr, wenn die japanischen Waldforscher belegen, dass in bewaldeten Gebieten weniger Menschen an Krebs sterben als in Regionen ohne Wald.
Arvays Buch zeichnet auch schön nach, wie unsere Psyche mit unserem Immunsystem eng verwoben ist und dieses beeinflussen kann, was längst wissenschaftlich belegt ist. Mit den Auswirkungen unserer Fantasie und der Seelen-Bilder-Welten auf das Immunsystem arbeiten wir in der Schatten-Psychotherapie seit langem, aber wir sollten sie in Zukunft in den Wald verlegen und Mutter Natur als Psychotherapeutin anerkennen.
Der Autor zeigt noch eine Fülle anderer wundervoller Chancen auf, die uns Pflanzen und Naturlandschaften bieten und die den Rahmen eines Vorwortes bei weitem sprengen. So ist hier auch ein schönes Eigen- und Natur-Therapie-Buch mit vielen wertvollen Tipps und Übungen entstanden. Es hat mich noch rückwirkend berührt, das Heilkunde-Zentrum in Johanniskirchen im Rottal, der waldreichsten Region Deutschlands und TamanGa, in der einzigartigen Mischung aus Natur- und Kulturlandschaft in der steirischen Toskana, gebaut zu haben. Dieses Buch hat meine Lust auf ein Baumhaus noch gesteigert.
Dieses Buch sollte die Medizin revolutionieren, wie ich das schon von Peace-Food hoffte. Dem steht aber die Macht der Konzerne entgegen, die Medizin, Politik und Medien sicher im Griff haben. Doch Peace-Food hat trotzdem über seine ungezählten Leser die Menschen erreicht und die bauen ihr eigenes Feld. Es braucht eben keine Medizinprofessoren, um sich gesund zu essen, nur gesundes pflanzlich-vollwertiges Essen. Und es braucht auch keine Primare, die Waldluft-Terpene anordnen, es reichen Waldspaziergänge in Eigenregie. Persönlich bin ich mir ganz sicher: So wenig wie es um die einzelnen (patentierbaren und deswegen für die Pharmaindustrie interessanten) Alkaloide in den Pflanzen geht, sondern immer um die ganze Pflanze, so steckt in der Waldluft noch so viel mehr als die gefundenen Terpene. Bei der gerade abgeschlossenen Arbeit an »Geheimnis der Lebensenergie« war eine der Quintessenzen die Bestätigung, dass das Ganze immer mehr als die Summe seiner Teile ist. Die Lebensenergie des Waldes wird es sein, die uns so stärkt. Irgendwann werden wir auch messen können, dass der Aufenthalt in der Wildnis, in einem natürlichen Wald, noch gesünder ist als der in einem Fichtenacker.
Und irgendwann werden wir wieder erkennen, dass Mutter Natur es schon recht macht und wir nur wieder auf sie hören und sie aufsuchen müssen. Und das Schönste: Sie ist immer für uns da, kostet nichts und beschenkt uns so reichlich. Sie ist die beste Ärztin, über alle Maßen klug, ganzheitlich orientiert sowie wunderschön und zu allem auch zu Wundern fähig.
Ich wünsche diesem Buch so viel Erfolg wie es Bäume in den Wäldern und andere fühlende Wesen auf der Erde gibt!
Ruediger Dahlke, TamanGa, im März 2015www.dahlke.at
Dr. med. Ruediger Dahlkearbeitet seit 38 Jahren als Arzt, Seminarleiter und Trainer.Er ist Autor zahlreicher Bestseller zu Gesundheitsthemen und unter anderem Begründer einer ganzheitlichen Psychosomatik.
»Ich nenne diesen Baum meinen ›Begabungsbaum‹«, sagte Michael Jackson. »Denn der Baum inspiriert mich«. Der King of Pop führte einen Reporter des britischen TV-Senders ITV2 durch sein Anwesen. Michael Jackson fuhr fort: »Ich liebe es generell, auf Bäume zu klettern, aber diesen Baum liebe ich besonders. Ich klettere hoch hinauf und schaue auf seine Äste herab, denn ich liebe diesen Anblick! Das schenkt mir so viele Ideen. Ich habe viele meiner Lieder in diesem Baum geschrieben. Heal the World ist in diesem Baum entstanden, Will You be there, Black or White, Childhood und viele andere.« Der King of Pop strahlte, als er das sagte.
Der Reporter blickte skeptisch den mächtigen, hohen Baum hinauf. Er fragte ungläubig: »Sagen Sie ernsthaft, dass Sie auf diesen Baum klettern?«
Michael Jackson deutete in die Baumkrone und sagte: »Die Äste haben verschiedene Funktionen. Dieser waagrechte, starke Ast dort ist wie eine Art Bett.« Dann lief Jackson los und kletterte lachend und leichtfüßig wie ein Kind auf den Baum. Ganz oben nahm er Platz, blickte über den grünen Park und auf die mächtigen Äste herab. Er wurde ganz nachdenklich1.
Dieser uralte Baum mit seiner rauen Borke war also die Inspiration für einige der bekanntesten musikalischen Evergreens unserer Zeit. Die Natur zog Michael Jackson in seinen Bann, beflügelte ihn, und etwas in ihm sehnte sich nach dem Kontakt zu Bäumen.
Andreas Danzer, Musiker, Journalist und Sohn des bekannten Austro-Rockers Georg Danzer, kennt die inspirierende Kraft der Natur ebenfalls aus eigener Erfahrung. Aus seiner Kindheit in Spanien ist ihm ein Ort an der Küste in Erinnerung, an dem er oft Zuflucht suchte. Von einem Felsen am Meer konnte er über das Wasser und bis an das marokkanische Festland sehen. »Ich setzte mich dort hin, wenn ich Beruhigung brauchte oder in die Krise geraten war. Die riesige Felswand ragte hinunter bis zum Meer.« Noch heute ruft Andreas den Ort aus seiner Kindheit in seiner Erinnerung wach, »so wie andere bei Stress einmal tief durchatmen oder bis zehn zählen«. Er kann sich an jedes Detail des Felsens erinnern. Es hilft jedes Mal.
Als Andreas Danzer 2011 krank wurde, kam er in den Genuss der heilenden Kräfte der Natur. Er lag wegen Lungentuberkulose ein halbes Jahr im Krankenhaus. Anfangs durfte er sein Krankenzimmer nicht verlassen und konnte das auch nicht, weil er körperlich zu schwach dazu war. Doch bald begann er, jeden Tag in ein nahegelegenes Naturgebiet zu gehen. Die Ärzte erlaubten es ihm. Er nahm jedes Mal auf dem selben alten Baumstumpf am Waldrand Platz. »Da war immer eine Hirschfamilie«, sagte er. »Sie blieben zuerst in sicherer Distanz zu mir, doch nach etwa ein oder zwei Wochen hatten sie meine Anwesenheit akzeptiert und kamen ganz nah. Ich saß mitten unter ihnen und fühlte mich wie Dian Fossey in Gorillas im Nebel‹.«
Andreas bemerkte, dass seine psychische Niedergeschlagenheit, die von der Krankheit kam, mit jedem Besuch im Wald und bei der Hirschfamilie abnahm. »Ich schöpfte wieder Hoffnung und meine Kräfte, um die Erkrankung zu überstehen, nahmen zu. Meine Faszination für die Tiere und den Wald lenkten mich von meinen körperlichen Symptomen ab. Die frische Luft tat meiner Lunge gut und die Bewegung half mir, nach der Zeit im Krankenbett wieder Muskeln aufzubauen. Durch das Schwitzen, wenn ich den Berg hinauf zu meinem Platz ging, schied ich die Giftstoffe der Medikamente aus und die Nebenwirkungen nahmen ab. Ich baute meine körperlichen und geistigen Kräfte auf und es entstand eine Beziehung zwischen mir und der Hirschfamilie.«
Andreas Danzer nahm sich als Teil der Natur und Teil des großen Kreislaufs des Lebens wahr. Er ist sich sicher: »Jeder Mensch verspürt tief im Inneren den Drang nach der Nähe zur Natur. Wir haben Wurzeln und die sind definitiv nicht in Beton gewachsen.«
Diese Sehnsucht des Menschen nach der Natur nannte Erich Fromm, der Psychotherapeut und Philosoph, der von 1900 bis 1980 lebte, »Biophilia«. Das ist die Liebe der Menschen zur Natur, zum Lebendigen. Der Begriff »Biophilia« stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt »Liebe zum Leben«.
Nach Erich Fromms Tod nahm der US-amerikanische Evolutionsbiologe Edward O. Wilson, ein Universitätsprofessor in Harvard, den Begriff auf und stellte die Biophilia-Hypothese auf. Wilson sprach von dem »menschlichen Bedürfnis, sich mit anderen Lebewesen zu verbinden«. Es geht also um unsere Verbindung mit der Natur. Sie ist das Resultat eines Jahrmillionen langen Evolutionsprozesses. Der Mensch kommt aus der Natur, entwickelte sich in ihr und im Wechselspiel mit ihr. Er ist daher als Teil der Natur zu betrachten, so wie alle anderen Lebensformen. Es wirkt dieselbe Lebenskraft in uns, die auch in Tieren und Pflanzen wirkt. Wir sind Teil des Netzes des Lebens, des »Web ob Life«, wie es Edward O. Wilson ausdrückte.
Der Biophilia-Effekt tritt ein, wenn wir uns mit unseren Wurzeln verbinden, und die sind nicht in Beton gewachsen, wie es Andreas Danzer so treffend auf den Punkt brachte. Der Biophilia- Effekt bedeutet Naturerfahrung und Wildnis, bedeutet natürliche Schönheit und Ästhetik, Entfesselung und Heilung. Darum geht es in diesem Buch.
»Es gibt eine Kraft aus der Ewigkeit, und diese ist grün.«
– Hildegard von Bingen, 1098 bis 11792
Im zwölften Jahrhundert schrieb die Benediktinerin und Gelehrte Hildegard von Bingen ihre Erkenntnisse über die Heilwirkungen der Wildpflanzen nieder. Noch 900 Jahre später ist ihr Name für viele Menschen eng mit der Kräuterheilkunde verwoben. Die Kraft, die in den Pflanzen und in allen anderen Lebewesen wirkt, nannte sie »Grünkraft«. Hildegard von Bingen wusste, ebenso wie die Bauern des Mittelalters, von denen sie einen großen Teil ihres Wissens vermittelt bekam, vom heilenden Band zwischen Mensch und Natur. Heute entdeckt die Wissenschaft atemberaubende Details und Tatsachen, die sich Hildegard damals selbst in ihren kühnsten Nächten vermutlich nicht erträumt hätte. Die Pflanzen, die es ihr so sehr angetan hatten, wirken nicht nur über ihre Inhaltsstoffe auf uns ein. Was Hildegard von Bingen vermutlich schon ahnte, wird heute durch die moderne Forschung durchleuchtet und aus dem Reich des Mysteriösen auf eine solide wissenschaftliche Basis gestellt.
»Pflanzen kommunizieren direkt mit unserem Immunsystem und unserem Unbewussten, ohne dass wir sie auch nur berühren müssten, geschweige denn schlucken. Diese faszinierende Interaktion zwischen Mensch und Pflanze, welche die Wissenschaft erst allmählich zu verstehen beginnt, ist von großer Bedeutung für Medizin und Psychotherapie. Sie hält uns körperlich sowie psychisch gesund und beugt Krankheiten vor. In Zukunft muss die Begegnung mit Pflanzen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von körperlichen Erkrankungen und psychischen Störungen spielen. Es darf keine Klinik ohne Garten oder Zugang zu Wiesen und Wäldern mehr geben, keine Siedlung ohne Naturflächen und keine Stadt ohne Wildnis.«
Pflanzen heilen uns, ohne dass wir sie zu Tees, Salben, Essenzen, Extrakten, Ölen, Düften oder auch zu Tropfen und Tabletten verarbeiten müssen. Sie heilen uns durch biologische Kommunikation, die unser Immunsystem und unser Unbewusstes verstehen. Diese Vorstellung wäre der guten Hildegard vermutlich zu weit gegangen. Aber Hildegard hatte uns gegenüber einen entscheidenden Nachteil: Sie lebte noch nicht im Zeitalter der Neurowissenschaften, der Molekularbiologie und der Immunologie.
In diesem Kapitel steht die Kommunikation der Pflanzen an unser Immunsystem im Vordergrund. Unser Unbewusstes wird in diesem Buch ein wenig später zum Zug kommen.
»Pflanzen bilden Allianzen und kommunizieren untereinander.«
– Florianne Koechlin, Biologin und Wissenschaftsjournalistin3
Als ich begann, an diesem Buch zu schreiben, veröffentlichte ich die Zeilen und Absätze, die Sie soeben gelesen haben, auf Facebook. Ich wollte ihre Wirkung auf die Leser testen. Neben Interesse und Neugierde wurde mir auch Skepsis entgegengebracht. Ein Benutzer namens Hanspeter, der meine früheren Sachbücher gelesen hatte, stellte Mutmaßungen über den Inhalt dieses Buches an und verfasste folgenden Kommentar:
»Äh. Das Buch ist definitiv keines von deinen, oder? Hab ich was übersehen? Nein, ich will kein Buch lesen, in dem behauptet wird, Pflanzen würden ohne Berührung mit meinem Immunsystem oder Unterbewusstsein kommunizieren. Das ist esoterischer Schrott und keiner weiteren Beachtung wert.«
Esoterischer Schrott? Keiner weiteren Beachtung wert? Damit lag Hanspeter einfach falsch. Ich bezog mich auf wissenschaftliche Fakten. Und die sind auf jeden Fall der weiteren Beachtung wert. Sie könnten unser Gesundheitswesen von Grund auf revolutionieren.
Es entwickelte sich auf Facebook eine hitzige Debatte unter den Benutzern und innerhalb von nur zwei Stunden hatten sich fast 200 Kommentare angesammelt. Fast im Sekundenrhythmus klickte jemand auf »Gefällt mir«. Die meisten Benutzer hatten kein Problem mit dem Begriff Kommunikation bei Pflanzen. Hanspeter und eine Hand voll anderer aufmerksamer Leser lehnten sich aber weiterhin dagegen auf, dass ich von Kommunikation geschrieben hatte. Ihr Tenor: Wer behauptet, Pflanzen könnten kommunizieren, egal, ob untereinander oder mit dem menschlichen Organismus, sei entweder unseriös und weltfremd oder wolle einfach medienwirksam die Werbetrommel rühren. Aber ist das wirklich so?
Möglicherweise unterlagen Hanspeter und seine Mitstreiter einem fundamentalen Irrtum, der gut nachvollziehbar ist und den ihnen niemand vorhalten kann. Im Alltag benutzen wir den Begriff »Kommunikation« meistens dann, wenn wir eine Unterhaltung zwischen Menschen meinen. Wir reden miteinander, schreiben einander E-Mails und Briefe und genießen es ab und zu, uns am Straßenrand auf ein bisschen Klatsch und Tratsch einzulassen. Keine Frage: Wenn wir mit Kommunikation nur diese Art des sozialen, zwischenmenschlichen Austauschs durch Sprache meinen, dann mutet es natürlich mehr als verwegen an, zu behaupten, Pflanzen hätten die Fähigkeit, zu kommunizieren. Hanspeter hätte vermutlich nichts dagegen gehabt, wenn ich auf Facebook geschrieben hätte, dass Hunde oder Katzen sowohl untereinander als auch mit uns Menschen kommunizieren können. Katz und Hund sind zwar der menschlichen Sprache nicht mächtig, finden aber meistens Mittel und Wege, ihre Bedürfnisse und Stimmungslagen uns gegenüber zu vermitteln. Diese nonverbale Kommunikation funktioniert sogar sehr gut, wie die meisten Hunde- und Katzenliebhaber gewiss bestätigen können.
Was bei Tieren noch vorstellbar ist, scheint bei Pflanzen unmöglich. Pflanzen haben keine verbale Sprache und auch keine Stimmorgane, mit denen sie Laute von sich geben können, wie das bei Hunden der Fall ist. Sie haben keine Augen, mit denen sie herzzerreißend dreinschauen können und verfügen über keinerlei Mimik, die wir irgendwie interpretieren könnten. Die meisten Pflanzen können sich nicht einmal aktiv bewegen und in der Regel sitzen sie angewurzelt immer am selben Fleck fest. Wer könnte es Hanspeter verdenken, dass er es als äußerst unseriös wahrnimmt, wenn jemand ausgerechnet bei Pflanzen von Kommunikation spricht?
Das Problem lässt sich schnell orten: Unser Verständnis von Kommunikation ist alltagssprachlich einfach zu sehr eingeschränkt. Das sollten wir ändern, um die Welt in all ihrer Komplexität zu verstehen. Kommunikation ist weit mehr als Miteinander-reden oder Einander-zuwedeln, um beim Beispiel des Hundes zu bleiben. Ein führendes Wörterbuch der Psychologie definiert Kommunikation als Informationsübertragung zwischen einem Sender und einem Empfänger4. Das ist selbsterklärend: Der eine sendet Information aus und der andere empfängt und entschlüsselt sie. Und das beherrschen Pflanzen sogar ausgesprochen gut. Sie sind wahre Meister im Aussenden, Empfangen und Entschlüsseln von Informationen. Und somit sind sie Meister der Kommunikation.
Damit Kommunikation funktioniert, muss die Information in irgendeiner Form kodiert werden. Wir Menschen tun das zum Beispiel durch Sprache. Bestimmte Wörter tragen bestimmte Bedeutungen. Und über diese Bedeutungen sind wir uns zumindest so weit einig, dass sprachliche Kommunikation im Alltag funktioniert. Die Information, die wir einander schicken, kann aber auch ganz anders codiert werden. Von Computer zu Computer wird beispielsweise mit endlosen Reihen von Nullen und Einsen kommuniziert. Und wie machen das unsere grünen Gefährten?
Pflanzen kommunizieren, so wie Insekten, über chemische Substanzen miteinander. Sie senden Moleküle aus, das sind winzige chemische Einheiten dieser Substanzen, die aus Atomen bestehen. Diese Moleküle können durchaus mit der menschlichen Sprache verglichen werden, denn genauso wie unsere Wörter, tragen sie in der Welt der Pflanzen bestimmte Bedeutungen und somit Information. Es sind »Pflanzenvokabeln«. Die Pflanze, die ein solches Molekül abgibt, ist der Sender. Die Pflanze, die das Molekül empfängt und versteht, ist der Empfänger. »Verstehen« bedeutet in diesem Fall, dass die Pflanze mit der Botschaft etwas anzufangen weiß. Sie weiß, was damit gemeint ist und kann darauf angemessen reagieren. Solche Vorgänge erfüllen alle Kriterien, die uns die Definition von »Kommunikation« vorgibt.
Diese Substanzen entwischen den Pflanzen keinesfalls nur beiläufig. Pflanzen geben ihre Kommunikations-Moleküle zweckgerichtet ab und nicht unkontrolliert. Der Klassiker: Wenn sie von Schädlingen angegriffen werden, geben viele Pflanzen Substanzen ab, die andere Pflanzen in ihrer Nachbarschaft alarmieren. Diese Substanzen tragen die Information »Achtung Fressfeinde« sowie genauere Angaben über diese Feinde, wie wir gleich sehen werden. Ohne selbst schon in Kontakt mit diesen Schädlingen gekommen zu sein, bilden dann die alarmierten Pflanzen aus der Nachbarschaft, welche die Botschaft empfangen haben, vorsorglich Abwehrstoffe gegen die jeweiligen Schädlinge. Ihr Immunsystem reagiert also auf die Botschaft und wird aktiviert. Doch damit nicht genug. Dieselben Kommunikations-Moleküle alarmieren nicht nur andere Pflanzen, sondern locken auch natürliche Feinde der Schädlinge an. Diese Nützlinge rücken dann zum großen Schädlings-Schmaus heran. Auf diese Weise kommunizieren Pflanzen also nicht nur untereinander, sondern auch mit Tieren. Mehr noch: Ihre chemischen Botschaften enthalten sogar Information über die Art der Angreifer und das Ausmaß des Befalls. Darauf stellen sich die Empfänger der Botschaft ein. Andere Pflanzen produzieren genau die Abwehrstoffe, die in der speziellen Situation notwendig sind und die Nützlings-Armee stellt ihren Trupp ebenfalls nach den Bedürfnissen der »Pflanzen in Not« zusammen.
»Pflanzen können über Düfte unerhört komplexe Informationen versenden und untereinander austauschen«, erklärte Wilhelm Boland, Professor für organische Chemie an der Universität Karlsruhe und am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, gegenüber dem Spiegel5. »Wir hoffen, diese Sprache zu entschlüsseln«, führ der Professor fort. Den Professor in Karlsruhe begeistert besonders, dass »Pflanzen nicht nur sagen, ich bin verletzt, sie sagen sogar ganz genau, wer sie verletzt hat.« Die Schweizer Biologin, Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Florianne Koechlin, schätzte im Interview für die Fachzeitschrift Ökologie und Landbau die Kommunikation der Pflanzen in Zahlen ein: »Man kennt inzwischen an die 2000 Duftstoff-Vokabeln aus 900 Pflanzenfamilien,« erklärte sie6. Wir können davon ausgehen, dass die Wissenschaft noch unzählige weitere Pflanzenvokabeln entschlüsseln wird. Die meisten dieser chemischem »Wörter« gehören zu der Stoffgruppe der Terpene. Das ist eine sehr große Gruppe der sekundären Pflanzenstoffe mit fast 40.000 Vertretern7, die eine Vielzahl verschiedener Funktionen erfüllen. Terpene sind außerdem in den ätherischen Pflanzenölen zu finden. Terpene sind manchmal auch sichtbar: Vielleicht haben Sie bei heißem Wetter über den Wäldern schon einmal einen blauen Dunst wahrgenommen. Wenn es heiß ist, schützen sich die Bäume damit vor der Sonneneinstrahlung. Pflanzen geben Terpene nicht nur als Sonnenschutz ab, locken Insekten oder andere Tiere damit an, wenn sie deren Dienste benötigen, oder warnen andere Pflanzen vor Schädlingen, damit diese ihre Abwehrkräfte mobilisieren. Sie produzieren Terpene auch als Gift, um Schädlinge damit aktiv zu töten oder um Fressfeinde durch schlechten Geschmack abzuschrecken. Sie jagen sogar Konkurrenzpflanzen damit fort, wenn diese nicht mit ihnen verwandt sind. Pilze kommunizieren untereinander ebenfalls mit Terpenen, um ihren Geschlechtszellen den Weg zu einem passenden Geschlechtspartner zu weisen. Pilze haben eine sehr seltsame Art, sich fortzupflanzen.
Pflanzen können also kommunizieren. Das steht jetzt fest. Dass diese Kommunikation etwa mit einem Bewusstsein verbunden sei, das dem menschlichen Bewusstsein ähnelt, ist damit natürlich nicht behauptet. Wir wissen zum Beispiel auch, dass unsere Organe untereinander und mit dem Gehirn kommunizieren, ja dass sogar jede einzelne Körperzelle mit benachbarten Zellen kommuniziert, und dennoch müssen wir den Organen zu diesem Zweck kein eigenes Bewusstsein zuschreiben. Auch bei Pflanzen wird die Kommunikation durch hoch komplexe Regelkreise der Natur gesteuert, für die kein pflanzliches Bewusstsein vorausgesetzt werden muss. Es ist die Intelligenz der Natur, die tätig wird. Vielleicht ist es so etwas Ähnliches wie die »Grünkraft«, an die Hildegard von Bingen glaubte. Noch ein Detail: Inzwischen haben Biologen herausgefunden, dass Pflanzen auch über Knackgeräusche miteinander kommunizieren, die sie mit ihren Wurzeln erzeugen. Diese sogenannten bio-akustischen Signale konnten aber bislang noch nicht entschlüsselt werden.
Hanspeter auf Facebook dürfte spätestens jetzt einen Teil seiner Bedenken wieder fallen gelassen haben. Pflanzen können kommunizieren und sie tun das, indem sie Terpene abgeben. Aber was soll das, wie eingangs erwähnt, mit unserem Immunsystem zu tun haben? Ist es nicht doch wieder Aberglaube, zu behaupten, Pflanzen würden mit Systemen des menschlichen Körpers kommunizieren, ohne dass wir diese Pflanzen berühren, essen oder als Arzneien zu uns nehmen müssen? Fangen wir diese Thematik mit einer japanischen Tradition an.
»Wir sind mit der überraschenden Tatsache konfrontiert, dass es sich beim Immunsystem um ein Sinnessystem handelt, das fähig ist, wahrzunehmen, zu kommunizieren und zu handeln.«
– Joel Dimsdale, Professor für Psychiatrie an der Universität von Kalifornien, San Diego8
Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs. Wissenschaftler finden eine bahnbrechende Neuigkeit nach der anderen über unser Immunsystem heraus. Nach und nach wird klar, wie sehr der Mensch mit seiner Umwelt verbunden und vernetzt ist. Wir sind längst dahintergekommen, dass es ein fataler Fehler war, den menschlichen Organismus aus Sicht der Wissenschaft als isoliert von seinem natürlichen Lebensraum und wie eine Maschine zu betrachten. Dieses Menschenbild steht vor dem Kollaps. Die Immunologie wird einen wesentlichen Beitrag zu diesem Wandel leisten.
»Nahezu jeder Erkrankung, nicht nur Infektions- oder Immunkrankheiten, sondern auch Arteriosklerose, Krebs und Depressionen, können immunologische Einflussfaktoren zugeschrieben werden«, schrieb der US-amerikanische Mediziner und Psychiatrieprofessor an der Universität von Kalifornien, Joel Dimsdale. Das Immunsystem ist der Schlüssel zur Gesundheit.
Das wahrnehmende, kommunizierende und handelnde Immunsystem, das sich dank aktueller Forschungsergebnisse mehr und mehr als Sinnesorgan entpuppt, ist so komplex und gibt uns derart viele Rätsel auf, dass es mir schwer fällt, zu entscheiden, wo ich anfangen möchte. Also beginnen wir einfach in Japan: Fangen wir mit Shinrin-yoku an. So nennt sich eine japanische Tradition. Aus dem Japanischen übersetzt bedeutet Shinrin-yoku »Waldbaden«. Damit ist nicht etwa das Baden in einem Waldsee gemeint. Der Vergleich passt allerdings: Ähnlich wie in einen See, so können wir auch in einen Wald mit allen Sinnen regelrecht eintauchen. Japanische Autoren übersetzen Shinrin-yoku meistens als »Einatmen der Wald-Atmosphäre«. Im Jahr 1982 schlug die staatliche Wald-Behörde Japans vor, Shinrin-yoku öffentlich zu bewerben und zu fördern. Heute ist das Einatmen der Wald-Atmosphäre eine in Japan offiziell anerkannte Methode zur Vorbeugung gegen Krankheiten sowie zu deren unterstützender Behandlung. Shinrin-yoku wird vom staatlichen Gesundheitswesen gefördert und an Japans medizinischen Universitäten und Kliniken erforscht und durchgeführt.
Im Wald trifft das kommunikationsfähige Immunsystem des Menschen auf die kommunizierenden Pflanzen. Sie können sich ausmalen, dass dies nicht ohne Folgen bleibt. Das gesundheitliche Potenzial, das bei diesem Zusammentreffen entsteht, ist so groß, dass im Jahr 2012 an japanischen Universitäten ein eigener medizinischer Forschungszweig gegründet wurde: »Forest Medicine« oder »Waldmedizin«. Innerhalb kurzer Zeit begannen Wissenschaftler überall auf der Erde, sich an dieser Forschung zu beteiligen.
Betrachten wir den Wald für ein paar Augenblicke etwas anders als gewöhnlich. Betrachten wir ihn als einen großen, hoch komplexen Lebensraum, in dem tausende und abertausende Lebewesen miteinander kommunizieren. Die Kronen der Bäume sind dann Sendestationen, die Pflanzenbotschaften in die Luft hinaus funken. Die Blätter der Sträucher, Büsche, Ranken und Kräuter senden Pflanzenvokabeln aus, die von anderen Pflanzen und von Tieren aufgenommen werden. Im Erdreich geben Wurzeln Stoffe ab, die ebenfalls Botschaften enthalten und sie geben klickende Laute von sich, die das menschliche Ohr nicht hören kann. Die Pflanzen nehmen diese Laute als unterirdische physikalische Schwingungen wahr. Der Wald, so wie jeder andere natürliche Lebensraum, ist ein Ort der regen Unterhaltungen, der dichten Kommunikation. Überall schwirren Moleküle umher, die Information enthalten und andere Lebewesen entschlüsseln sie. Darunter befinden sind die unzähligen Terpene, die Pflanzenvokabeln, die ich bereits beschrieben habe.
Stellen Sie sich nun vor, sie betreten mit ihrem achtsamen, aufmerksamen und ebenfalls ständig kommunizierenden Immunsystem diesen Wald, einen Hot-Spot der Kommunikation. Ihr Immunsystem kommuniziert nicht nur mit anderen Organen und Systemen ihres Körpers und mit ihrem Gehirn, sondern auch mit der Außenwelt. Es ist ein Sinnesorgan, das dazu gemacht ist, Information wahrzunehmen, die Sie selbst nicht bewusst wahrnehmen können. Eine der Aufgaben Ihres Immunsystem ist es, Reize aus der Außenwelt einzuschätzen, zu erkennen und darauf zu reagieren. Das können Viren und Bakterien sowie alle möglichen Substanzen sein. Das Immunsystem ist also die unsichtbare Antenne Ihres Körpers, mit der Sie den Wald betreten.
Erweitern wir unsere Vorstellung nun ein wenig: Sie spazieren nicht nur mit Ihrem kommunizierenden Immunsystem durch die Welt der kommunizierenden Pflanzen, sondern Sie haben auch einen Wissenschaftler an Ihrer Seite. Der möchte natürlich etwas messen – das haben Wissenschaftler so an sich. Es würde ihm nicht reichen, wenn Sie ihm sagen würden, dass Sie sich auf Ihrem Waldspaziergang wohl und entspannt fühlen, dass Sie sich vielleicht weniger gestresst fühlen als sonst oder sogar kreativ beflügelt durch die idyllischen Eindrücke sind. Nein, das stellt ihn nicht zufrieden, er will Zahlen und handfeste Messwerte. Er möchte wissen, wie Ihr Immunsystem reagiert. Deswegen nimmt er Ihnen nach einiger Zeit im Wald Blut ab. Und er stellt fest:
– Die Anzahl der natürlichen Killerzellen Ihres Immunsystems ist deutlich angestiegen.
– Ihre natürlichen Killerzellen sind nicht nur mehr geworden, sondern sie sind auch aktiver. Diese erhöhte Aktivität der Killerzellen wird noch viele Tage lang anhalten.
– das Niveau der Anti-Krebs-Proteine, mit denen Ihr Immunsystem Krebs vorbeugt oder im Falle einer Krebserkrankung den Tumor bekämpft, ist ebenfalls deutlich gestiegen.
Ich werde noch darauf zurück kommen, was diese Ergebnisse konkret bedeuten und worin der Nutzen für Ihre Gesundheit liegt. Sie fragen sich aber bestimmt, wodurch der Wald die Verbesserung dieser wichtigen Immunwerte auslöst. Das wiederum hat mit der Kommunikation der Pflanzen zu tun.
Wenn Sie die Luft in einem Wald einatmen, dann atmen sie einen Cocktail aus bioaktiven Substanzen, die von Pflanzen an die Waldluft abgegeben werden. Darunter befinden sich auch die Terpene. Wenn wir durch den Wald gehen, kommen wir vor allem mit jenen Terpenen der Pflanzenkommunikation in Kontakt, die gasförmig sind. Wir nehmen sie teils über die Haut, vor allem aber über die Lungen auf. Die Terpene aus der Luft stammen aus den Blättern und Nadeln der Bäume. Sie strömen aus den Baumstämmen und aus der dicken Borke mancher Bäume. Büsche, Kräuter und Sträucher im Unterholz sowie Pilze, Moose und Farne geben sie ebenfalls ab. Sogar die Streuschicht aus Laub und die darunter liegende modrige Humusschicht, in der es vor Leben nur so wimmelt, geben Terpene ab. Seit ich das weiß, hat sich meine Wahrnehmung des Waldes verändert. Wenn ich durch den Wald gehe, habe ich das Gefühl, in einen riesengroßen, atmenden Organismus einzutauchen, der mit mir kommuniziert. Ich selbst bin dann ein Teil davon und atme und kommuniziere mit.
Und jetzt kommen wir zur Quintessenz: Einige unter den Terpenen interagieren auf höchst gesundheitsfördernde Weise mit unserem Immunsystem. Nennen wir sie »Anti-Krebs-Terpene«9. Waldluft ist wie ein Heiltrunk zum Einatmen.
Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass die Anti-Krebs-Terpene aus der Waldluft alte Bekannte für unser Immunsystem sind. Sie entstammen zwar der Kommunikation der Bäume, Pilze und Kräuter untereinander, aber auch unser Immunsystem kann sie entschlüsseln. Und das Faszinierende daran ist: Es entschlüsselt sie sogar auf ähnliche Weise, wie es die Pflanzen selbst tun. Pflanzen reagieren auf Terpene häufig mit einer Steigerung ihrer Abwehrkräfte. Unser Immunsystem reagiert ebenfalls mit einer Stärkung der Abwehrkräfte. Waldmediziner wissen, dass die Anti-Krebs-Terpene sowohl direkt auf das Immunsystem einwirken, als auch indirekt über das Hormonsystem, zum Beispiel über die Senkung von Stresshormonen.
Die bedeutendsten Veränderungen, die Anti-Krebs-Terpene in unserem Immunsystem verursachen, betreffen die natürlichen Killerzellen und eine Reihe von Anti-Krebs-Geschützen unseres Körpers. Vergessen Sie sündteure Tropfen und Brausetabletten aus der Apotheke, um Ihr Immunsystem zu stärken. Rücken Sie mit Waldluft gegen Viren an!
Waldluft erhöht die Anzahl der natürlichen Killerzellen