Der Heilungscode der Natur - Clemens G. Arvay - E-Book
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Der Heilungscode der Natur E-Book

Clemens G. Arvay

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  • Herausgeber: Riemann
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Das heilende Band zwischen Mensch und Natur

Unser Körper endet nicht an der Hautoberfläche: Mensch und Natur sind tiefgreifend miteinander verbunden. Nach seinem Bestseller „Der Biophilia-Effekt“ tritt Clemens G. Arvay nun den wissenschaftlichen Beweis für die Heilkraft der Natur an: Auf welche Weise stärken Pflanzenstoffe im Wald unser Immunsystem? Welche Anti-Krebs-Wirkstoffe aus der Natur könnten auch in Medikamenten eingesetzt werden? Welche Rolle spielen Tiere in dem großen Organismus Erde, zu dem auch wir gehören? Und was tragen Begegnungen mit Tieren zur Herzgesundheit bei?
Arvay schildert seine Erkenntnisse als Biologe und zieht weltweit führende Forscher zu Rate. So etabliert er die neue Wissenschaft der Ökopsychosomatik, die unser Verständnis von uns selbst und unserer Verbindung mit der Umwelt revolutioniert.

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Seitenzahl: 363

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Über das Buch

Stehen vor Ihrem Fenster Bäume? Dann ist Ihr statistisches Risiko, an Zivilisationsleiden zu erkranken, deutlich geringer als bei Stadtbewohnern ohne Berührungspunkte zu Grünflächen. Ebenso aktiviert der Kontakt mit Tieren nachweislich das Immunsystem und das Anti-Stresshormon Oxytocin. Und es ist wissenschaftlich belegt, dass Spaziergänge im Wald das körpereigene Verjüngungshormon DHEA ankurbeln.

Der Biologe Clemens G. Arvay beweist anhand zahlreicher aktueller Studien und eigener Experimente: Das beste Mittel für viele Krankheiten ist die Natur. Denn es greift zu kurz, den Menschen auf die materielle Ebene zu reduzieren, wie es heute beim Mainstream der Wissenschaftler üblich ist.

Arvay nimmt uns mit auf eine Reise bis zurück zur ersten lebenden Zelle der Erde, um unsere tiefgreifende Verbindung mit Pflanzen und Tieren zu erforschen. Aus diesen Erkenntnissen leitet er eine Medizin der Zukunft ab, in der wir Menschen wieder als das gesehen werden, was wir sind: als Naturwesen, untrennbar von unseren natürlichen Lebensräumen.

Über den Autor

Clemens G. Arvay, Jahrgang 1980, ist Diplom-Ingenieur und Biologe. Er studierte Landschaftsökologie und angewandte Pflanzenwissenschaften in Wien und Graz. Arvay beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Mensch und Natur, wobei er die gesundheitsfördernden Effekte des Kontakts mit Pflanzen, Tieren und Landschaften in den Mittelpunkt rückt. Ökologisch produzierte Lebensmittel sowie die Kritik an der Wirtschaftsweise großer Lebensmittelkonzerne stellen einen zweiten Themenkomplex des Autors dar. Clemens G. Arvay hat zahlreiche Bücher verfasst, darunter den Bestseller „Der Biophilia-Effekt“.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Hinweis

Da Sachbücher ein besonders hohes Maß an Übersichtlichkeit und Lesbarkeit beanspruchen, wurde beim Verfassen des vorliegenden Buches weitgehend auf geschlechtsneutrale Formulierungen verzichtet. Sofern es aus dem Kontext nicht anders hervorgeht, sind stets Frauen sowie Männer gleichermaßen gemeint und angesprochen.

1. Auflage

Deutsche Erstausgabe

© 2016 der deutschsprachigen Ausgabe

Riemann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Lektorat: Ralf Lay

Umschlaggestaltung: Stephan Heering, Berlin, unter Verwendung eines Fotos von Bidouze Stephanel/123rf.de

Satz und eBook-Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-18318-9V001

www.riemann-verlag.de

»Alle Lebensvorgänge, von einer Zelle bis hin zum Zusammenleben von Menschheit und Natur, sind stets äußerst ineinander verzahnt. Alle Teile greifen ineinander.«

Hermann Haken1

Inhalt

Vorwort:

Natur und Gesundheit – ein Thema für das neue Jahrtausend Von Dr. Thomas Haase

Einleitung:

Was Sie in diesem Buch erwartet

Kapitel 1:

Das Geheimnis der Bäume

Was haben Bäume mit unserer Gesundheit zu tun?

»Wir müssen das verstehen« – Bäume und Immunsystem

Von Baum zu Baum – und unsere Zellen lauschen mit

Perspektivenwechsel

Kurz & bündig

Kapitel 2:

Evolution und Medizin

Die Geschichte meines Kniegelenks

Evolution von Krankheit und Gesundheit

Macht uns die Trennung von der Natur krank?

Krebs begann mit LUCA

Die »Evolutionsbrille« – Weg der Erkenntnis oder Irrweg?

Kurz & bündig

Kapitel 3:

Der Mensch im Netzwerk des Lebens

Ein Teil des Waldes

Die gesamte Natur strebt nach Wald

Wie die Erde unsere Organe formte

Ist die Erde selbst ein Lebewesen?

Der Mensch endet nicht an seiner Hautoberfläche

Biophilia und der Heilungscode der Natur

Kurz & bündig

Kapitel 4:

Die Öko-Psychosomatik

Von den Anti-Krebs-Terpenen zum Herzschutz aus der Natur

Die organische Antenne und ihr Netzwerk im Körper

Reptiliengehirne im Industriezeitalter

Wie uns die Natur über unsere organische Antenne gesund macht

Wie das Diktat der Wirtschaft die Organe des Homo sapiens kaputt macht

»Ich bin dann mal weg«

Wald oder Savanne?

Kurz & bündig

Kapitel 5:

Das heilsame Band zwischen Mensch und Tier

Als ich einen Waldbewohner rettete

Von Menschen und »anderen Tieren«

Die Freundschaft mit Tieren

Heilsame Begegnungen

Das Gesundheitshormon Oxytocin

Kurz & bündig

Kapitel 6:

Das große Geheimnis des Lebens

Lebenskräfte

Das Mysterium um den Ursprung des Universums

Der Funke des Lebens

Warum das menschliche Bewusstsein an die Natur angeschlossen ist

Die Natur zeigt uns: Wir sind nicht das Gehirn

Die Abschaffung des Geistes

Die Wiederentdeckung des Geistes

Kurz & bündig

Kapitel 7:

Die Zukunft der Öko-Psychosomatik

Ein neues Fundament für die Öko-Psychosomatik

Die öko-psychosomatische Klinik

Allergien: Ein Beweis für den Heilungscode der Natur

Öko-Psychosomatik ohne rosarote Brille

Kurz & bündig

Gastbeitrag:

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile Von Dr. Peter Weish

Die Komplexität der Welt

Das Scheitern reduktionistischer Ansätze

Die wichtige Verbindung zwischen Ökologie und Medizin

Ein großes »Danke«

Anmerkungen

Register

Vorwort

Natur und Gesundheit – ein Thema für das neue Jahrtausend

Bücher über Heilkunde sind oft auf eine ältere Zielgruppe fokussiert. Es gibt aber gute Gründe, auch die Jüngeren anzusprechen, die einen neuen Zugang zu offenen Fragen ermöglichen und die Zukunft unserer Gesellschaft entscheidend mitgestalten werden. In den 1980er und 1990er-Jahren wurden die sogenannten »Millennials« geboren, auch als »Generation Y« bekannt. »Y« wird im Englischen ausgesprochen wie why. Tatsächlich stellen die Millennials (aber nicht nur sie) so ziemlich alles Bestehende infrage: Muss unser Lebensstil der Umwelt schaden? Ist das, was die Wissenschaft an Wissen schafft, wirklich alles?

Henry David Thoreau (1817–1862) gab die Antworten durch das Konstrukt simplicity: Ein naturnahes, unabhängiges Leben als Gegenentwurf zu einer von künstlichen Bedürfnissen beherrschten Gesellschaft bringt den Menschen dem tatsächlichen Leben näher.

Die Millennials sind für den Schutz natürlicher Lebensräume sensibilisiert und kennen die Defizite einer rein technologischen, rationalistischen Sicht auf die Natur. Daher sind sie besonders offen für die zunehmend evidenzbasierten Erkenntnisse der positiven Wirkung der Natur auf den Menschen. Clemens G. Arvay, geboren 1980, gehört zum ältesten Jahrgang der Millennials. Aber auch die middle agers und Ältere kennen das Problem: Die Welt ist nicht nur ökonomisch erschöpft. Die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen ist mindestens ebenso alarmierend.

Arvay zeigt auf, wie eng die Gesundheit des Einzelnen und der Gesellschaft mit der Gesundheit des Planeten zusammenhängt. Vorrangig geht es in diesem Buch um umfassende Erklärungen, wie der Naturkontakt auf unsere Organe und Zellen wirkt. Der Autor beleuchtet auch unser Verhältnis zu Tieren und zeigt, wie Begegnungen zwischen Mensch und Tier nachgewiesene medizinische und therapeutische Wirkungen entfalten.

Arvay vertieft hier die grundlegenden Erkenntnisse aus seinem Buch Der Biophilia-Effekt, in dem es vor allem darum ging, die heilenden Kräfte des Waldes durch praxisnahe Übungen für uns erfahrbar zu machen. Er legt zahlreiche neue Belege für die umfassendsten Wirkungsspektren der Natur dar und stellt die Heilkräfte von Pflanzen und Tieren auf eine solide wissenschaftliche Basis. Als Biologe macht er deutlich, dass die »grüne Wissenschaft« eine wichtige Rolle bei der Entwicklung medizinischer Vorbeugemaßnahmen und Behandlungen spielt. Auch wir haben diese Erkenntnisse an unserer Hochschule umgesetzt, etwa um für Patienten aus dem benachbarten Geriatriezentrum durch Gartentherapie eine Verbesserung ihrer Lebenssituation herbeizuführen. Die Erfolge zeigen, dass dies der richtige Weg ist, um die Ressourcen der Natur zum Wohle aller zu erleben.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie bei der Lektüre dieses interessanten Buches viele neue und nützliche Erkenntnisse gewinnen und Anregungen finden, wie Sie im verantwortungsvollen Umgang mit der heilenden Kraft der Pflanzen und Tiere in erheblichem Maße zur Erhaltung oder Wiederherstellung Ihrer Gesundheit beitragen können.

Dr. Thomas Haase

Rektor der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik

Wien, im Februar 2016

Einleitung

Was Sie in diesem Buch erwartet

Ich »entführe« Sie im Laufe dieses Buches auf eine Reise bis zurück zur ersten lebenden Zelle der Erde, um unsere tiefgreifende Verbindung mit den Pflanzen und den Tieren zu erforschen und aus diesen Erkenntnissen eine Medizin der Zukunft zu entwickeln, in der wir Menschen wieder als das betrachtet werden, was wir sind: als Naturwesen, untrennbar von unseren natürlichen Lebensräumen.Der Mensch endet nicht an seiner Hautoberfläche!

Diese Wissenschaft bezeichne ich zunächst als »Mensch-Natur-Medizin«, aber im Laufe des Buches werden wir einen passenderen Begriff dafür finden. Wir beginnen unsere Betrachtungen mit einigen verblüffenden Erkenntnissen der modernen Forschung. Wussten Sie, dass allein der Anblick eines Baumes die Selbstheilungskräfte des Menschen aktiviert und dass mehr Bäume in Großstädten für die Stadtbewohner eine messbare Verjüngungskur von einigen Jahren bedeuten würden? Der Kontakt zu einem freundlichen Tier stärkt nachweislich unser Immunsystem und unterstützt sogar schwerkranke Menschen bei der Regeneration. An manchen Kliniken werden Hunde, Katzen, Meerschweinchen und Kaninchen bereits als »Therapeuten« beschäftigt – mit großem Erfolg! Natürlich werden wir auch Wildtieren auf heilsame Art begegnen.

War Ihnen bekannt, dass Sie im Wald einen Cocktail aus bioaktiven Pflanzenstoffen einatmen, der unsere Abwehrkräfte so sehr stärkt, dass sogar die internationale Krebsforschung auf die Substanzen der Bäume aufmerksam wurde? Sie werden dabei erfahren, was diese Stoffe mit der »Sprache« der Pflanzen zu tun haben.

Die Mensch-Natur-Medizin ist alles andere als Esoterik. Sie ist der Schlüssel für bessere medizinische Behandlungen, weil sie den Menschen mit all seinen über Äonen gewachsenen Verbindungen mit Pflanzen, Tieren und Ökosystemen betrachtet. So können wir Krankheiten besser verstehen, uns vor ihnen schützen und sie effektiver therapieren. Wir lernen dabei auch unsere eigene Spezies und unsere Verwandtschaft mit den Tieren besser kennen, die uns ähnlicher sind, als es vielen von uns bisher bewusst war. Moderne Erkenntnisse der Biologie beweisen, dass sogar in unserem Gehirn und unserem Nervensystem Mechanismen am Werk sind, die uns beim Aufbau echter Freundschaften und Beziehungen zu Tieren unterstützen. Aus diesen biochemischen Zusammenhängen resultieren auch die positiven Wirkungen, die der Kontakt zu Tieren auf unsere Gesundheit hat – und übrigens umgekehrt auch auf die Tiere, sofern wir sie würdevoll behandeln. Die kommenden Kapitel liefern deswegen auch Argumente, den gesellschaftlichen Umgang mit Tieren neu zu überdenken.

Alles in diesem Buch dreht sich um wissenschaftliche Erklärungen für die verborgenen Kräfte von Pflanzen und Tieren, die unsere Gesundheit gewährleisten, wenn wir uns ihnen öffnen. Wir erkunden die Heilwirkungen der Natur bis in unsere Organe und tief in unsere Zellen. So werden wir zum Beispiel auch sehen, wie es unser Nervenkostüm bewerkstelligt, sogar die Symbolsprache der Natur und bloße Sinnesreize aus der Welt der Pflanzen und Tiere ins Organische zu übersetzen.

In diesem Sinne lade ich Sie jetzt auf unsere Erkundungen der Mensch-Natur-Medizin ein. Unsere Reise wird uns noch bis zum Urknall zurückführen.

Kapitel 1

Das Geheimnis der Bäume

Was haben Bäume mit unserer Gesundheit zu tun?

Als ich an diesem Buch schrieb, lag mein kleiner Sohn Jonas im Krankenhaus, und ich war als Begleitperson an seiner Seite. Wir teilten uns ein Zimmer an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in meiner früheren Heimatstadt Graz im Süden Österreichs. Die stationäre Behandlung dauerte mehrere Wochen und war mit zahlreichen Strapazen für den kleinen Patienten verbunden, der damals erst siebzehn Monate alt war. Phasenweise wurde ihm täglich in den Finger gestochen, um Blut abzunehmen, in der Nacht hing er oft stundenlang an Infusionen oder war über Leitungen mit medizinischen Geräten verbunden. Der lange Krankenhausaufenthalt und die stete Ungewissheit, wie lange es noch dauern würde, zehrten an meinen ebenso wie an seinen Kräften. Doch im Umfeld der Klinik gab es etwas, was unsere Stimmung immer wieder aufhellte und uns half, den Mut nicht zu verlieren: Es war ein ausgedehnter Wald. Die Kinderklinik, die direkt am Waldrand lag, war regelrecht in die Waldlandschaft eingebettet.

Jeden Tag, wenn wir durch das Portal im Erdgeschoss ins Freie gingen, fing Jonas in seinem Kinderwagen an, voller Vorfreude mit den Beinen zu zappeln und zu lachen. Wir hatten bereits zu Beginn des Aufenthalts einen schmalen Pfad im Wald entdeckt, der abseits der Hauptwege lag. An der ersten Wegbiegung empfing uns eine alte Buche mit einem dicken silbergrauen Stamm. Immer wenn wir dort vorbeikamen, ließ Jonas seine Augen den Stamm hinaufgleiten. Über unseren Köpfen breitete die Buche ihre Äste und Zweige zu einer mächtigen Krone aus. Es war Herbst, und das Laubkleid leuchtete in intensiven Tönen von Rot und Gelb. Wir streiften durch das Dickicht und pflückten die letzten Beeren des Jahres von rankenden, dornigen Gewächsen. Wir beobachteten Rehe und Eichhörnchen. Einmal sahen wir sogar einen Fuchs.

Ich war beeindruckt davon, wie dieser Wald jeden Tag aufs Neue eine Faszination auf den kleinen Jungen ausübte, sodass er sogar nach strapaziösen Erlebnissen im Krankenhaus lauthals lachend und ausgelassen mit mir in der Natur unterwegs sein konnte. Ich bin mir sicher, dass die regelmäßigen Auszeiten im Wald meinem Sohn dabei halfen, Abstand vom Klinikalltag zu gewinnen, belastende Erlebnisse leichter zu verarbeiten und dadurch seine Psyche vor tiefer gehenden Schäden zu bewahren.

Dieselbe Wirkung verspürte ich an mir selbst. Aus dem Wald kehrte ich jedes Mal mit neuer Kraft zurück. In einem Krankenhaus umgeben von Betonschluchten und ohne Grünflächen wäre es uns mit Sicherheit weniger gut ergangen. Andere Patienten, die ich im Wald traf, berichteten von demselben wohltuenden Effekt, den sie dort erlebten. Auch die Krankenschwestern, Ärzte und Psychologen nutzten den Wald in ihren Pausen oder nach der Arbeit, um Abstand von ihrem oft belastenden Beruf zu gewinnen. Eine Onkologin, die tagtäglich krebskranke Kinder behandelt, erzählte mir, dass ihr abendliche Waldspaziergänge nach getaner Arbeit häufig dabei halfen, »mit meinen eigenen Gefühlen der Traurigkeit umzugehen, die genauso zu meinem Beruf gehören wie Glücksgefühle nach erfolgreichen Therapien«.

Sogar für Patienten, die das Krankenhaus nicht verlassen können, ist die Umgebung von großer Bedeutung. Die Umweltpsychologin Rachel Kaplan an der Universität von Michigan stellte in einer wissenschaftlichen Untersuchung fest, dass selbst kurze Blicke aus dem Fenster auf Bäume oder Grünflächen in Stresssituationen entlastend und erholsam wirken. Auch dieses Phänomen erlebte ich im Krankenhaus am eigenen Leib. Aus dem Zimmer meines Sohnes konnten wir durch das Fenster über das Kronendach des Waldes sehen. Immer wieder erhaschte ich einen wohltuenden Blick hinaus, was mir die Gelegenheit dazu gab, für Augenblicke aus dem turbulenten Leben in der Klinik »auszusteigen« und durchzuatmen. Damit waren auch Gefühle der Vorfreude auf unseren nächsten Freigang ins Grüne verbunden. Das ausgedehnte Blätterdach des Waldes symbolisierte für mich »die Welt da draußen«, die Perspektive, den Krankenhausalltag wieder hinter mir lassen zu können. Eine Hausmauer hätte das keinesfalls bewirkt.

Den Vergleich zwischen Bäumen und Hausmauern in der Nähe von Krankenhäusern stellten Wissenschaftler bereits vor mehr als dreißig Jahren an. Im April 1984 wurden in Science, einer der bekanntesten naturwissenschaftlichen Fachjournale der Erde, die Ergebnisse einer klinischen Studie veröffentlicht, die Forscher über mehrere Jahre hinweg an einer Vielzahl von Patienten durchgeführt hatten. Der Gesundheitswissenschaftler Roger Ulrich, der als Professor an schwedischen sowie US-amerikanischen Universitäten lehrt und forscht, erbrachte gemeinsam mit seinen Mitarbeitern den Nachweis, dass allein der Ausblick aus dem Krankenhausfenster Einfluss auf die Heilung nimmt. Die Ärzte führten an allen Patienten eine standardisierte Gallenblasenoperation durch. Die Behandlung und die Unterbringung waren bei allen identisch. Nur ein einziger Faktor wurde immer wieder geändert: Ein Teil der Patienten konnte aus dem Fenster auf einen Baum blicken − Professor Ulrich sprach salopp von der »Baumgruppe«. Der andere Teil sah durch das Krankenhausfenster nichts anderes als eine Hausmauer. Die Ergebnisse sprachen für sich. Die Patienten aus der Baumgruppe konnten schneller wieder nach Hause gehen als diejenigen aus der Hausmauergruppe, da die Wundheilung und die allgemeine Regeneration beschleunigt waren. Sie benötigten signifikant weniger Schmerzmittel und auch schwächere Wirkstoffe.2 Schließlich gab es bei der Baumgruppe sogar weniger postoperative Komplikationen, wobei Ulrich, wie er in Science ausführte, diesen Effekt eher als sekundär betrachtete und auf die schwächere Schmerzmedikation mit weniger Nebenwirkungen zurückführte.

Während ich an der Seite meines Sohnes im Krankenhaus war, kam mir diese Studie immer wieder in den Sinn, und ich war froh, dass wir aus dem Fenster nicht nur auf einen Baum, sondern gleich auf einen ganzen Wald blicken konnten.

Die Art, wie Professor Ulrich seine Untersuchungen anlegte, entspricht einer Forschungsmethode mit Vergleichsgruppen, die bei klinischen Studien häufig zum Einsatz kommt. Dabei teilen die Wissenschaftler ihre Patienten in Gruppen ein. Sie ändern nur einen einzelnen Faktor in jeder Gruppe, in diesem Fall »Baum« oder »Hausmauer«. Die Wirkungen dieser Variablen standen auf dem Prüfstand. Ansonsten waren alle Zimmer identisch ausgestattet. Ulrichs Teilnehmer hatten keine Ahnung davon, dass der Baum oder die Ziegelwand vor ihren Fenstern Teil eines Experiments waren. Das heißt, sie waren »blind« für diese Variablen. Dann verglichen die Forscher die beiden Gruppen im Durchschnitt miteinander. Welche Veränderungen bewirkt der Baum? Was passiert ohne Baum? Was ändert sich durch die Hausmauer? In Ulrichs Experiment wussten auch die behandelnden Ärzte nicht, dass die Bäume und Mauern vor dem Fenster eine Bedeutung hatten. Auch sie waren also »blind« dafür. Das nennt man »Doppelblindstudie«. Auf diese Weise ließ sich ausschließen, dass die bloße Erwartungshaltung der Patienten einen unbewussten Einfluss auf ihren Heilungsverlauf nahm oder dass die Ärzte sich wegen ihrer eigenen Erwartungen versehentlich gegenüber den Baumpatienten anders verhielten als gegenüber den Hausmauerpatienten.

Solche Doppelblindstudien sind der Gold-Standard in der medizinischen Forschung. Sie werden auch bei der Erprobung von Medikamenten eingesetzt. Jedes Medikament muss mit einem Placebo ohne Wirkstoff verglichen werden, und weder die Ärzte noch die Patienten wissen meistens, in welcher Pille ein Wirkstoff steckt und in welcher nicht. Wie Ulrichs Studie zeigte, lässt sich auch der Einfluss von Pflanzen auf die Gesundheit des Menschen anhand solcher Vergleichsstudien feststellen. Gruppenvergleiche werden in diesem Buch noch eine wichtige Rolle spielen, wenn wir die wissenschaftlichen Hintergründe der Mensch-Natur-Medizin näher beleuchten.

Die Forschung hat seit Ulrichs Baumstudien viele weitere Belege erbracht, aus denen hervorgeht, dass Bäume eine überraschend positive Wirkung auf unsere Gesundheit haben, die weit über den bloßen »Wohlfühleffekt« hinausgeht. Der Medizinprofessor Qing Li von der Nippon Medical School in Tokio analysierte gemeinsam mit seinem Forschungsteam statistische Gesundheitsdaten der japanischen Bevölkerung und kam zu dem eindeutigen Ergebnis, dass in Waldgebieten signifikant weniger Menschen an Krebs sterben als in unbewaldeten oder gerodeten Gebieten. In diese Studie bezogen die Wissenschaftler alle Präfekturen Japans mit ein.3

Dieses Vorgehen ist gänzlich anders als bei klinischen Doppelblindstudien. Qing Li und seine Kollegen wendeten ein Verfahren der sogenannten »Epidemiologie« an. Das ist die statistische Untersuchung des Gesundheitszustandes von großen Bevölkerungsgruppen, bei der die Wissenschaftler ihre »Patienten« nicht direkt untersuchen, sondern auf Datenbanken zurückgreifen. So können sie sehr große Teile der Bevölkerung erfassen und miteinander vergleichen. Durch komplexe statistische Verfahren müssen sie dafür sorgen, dass die Variable »Waldgebiet« im Zentrum steht. Epidemiologen greifen auf Daten der Gesundheitsämter und Krankenkassen zurück – natürlich anonym. Wie oft besucht eine Person den Arzt oder muss ins Krankenhaus? Welche Erkrankungen treten auf? Welche Medikamente muss jemand nehmen? Qing Li und sein Team konnten auf diese Weise die Häufigkeit von Krebs mit der Vegetation in Verbindung bringen. Weil sie das gesamte Land mit einbezogen, steht fest, dass sowohl in der Stadt als auch auf dem Land die Bewaldung das Risiko senkt, an Krebs zu sterben. Epidemiologische Verfahren eignen sich vorzüglich, um die Heilkräfte der Natur an großen Bevölkerungsgruppen zu überprüfen. Sie sind in der Gesundheitswissenschaft weit verbreitet und wissenschaftlich anerkannt.

Marc Berman, Umwelt- und Neuropsychologe an der Universität von Chicago, ging noch einen Schritt weiter. Er wertete nicht nur Gesundheitsdaten aus, sondern kombinierte sie mit Satellitenbildern und Baumkartierungen aus Kanadas größter Metropole Toronto. An dieser aufwändigen epidemiologischen Untersuchung war ein großes Team beteiligt. Dabei stellte sich heraus, dass sich der Gesundheitsstatus der Stadtbewohner in dem Maß verbessert, in dem die Anzahl der Bäume rund um ihren Lebensmittelpunkt zunimmt. Berman bewies: Je mehr Bäume in der Nähe eines Menschen wachsen, desto geringer ist seine statistische Gefahr, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck und anderen typischen »Zivilisationskrankheiten« zu leiden. In diese Studie wurden Parks und Grünflächen noch gar nicht mit einbezogen. Die Gesundheitseffekte waren nur auf solche Bäume zurückzuführen, die sich in das städtische Straßenbild Torontos einfügten, also auf Alleebäume, Gehölze am Straßenrand und kleine Bauminseln im Großstadtverkehr. Marc Berman und sein Team erfassten 500000 Stadtbäume. Sie verglichen die medizinischen Effekte dieser Bäume auch mit anderen Einflüssen auf unsere Gesundheit. Dabei wurde das Potenzial der Bäume erst so richtig sichtbar. Für den durchschnittlichen Großstadtbewohner, so Berman und Mitarbeiter, hätten zehn zusätzliche Bäume rund um den Wohnblock eine Gesundheitswirkung, die einer Verjüngungskur um sieben Jahre entspricht.

Die heilsamen Wirkungen der Natur sind also keinesfalls auf Wälder beschränkt, sondern können auch in Großstädten genutzt werden.

Die Studie wurde 2015 online durch das renommierte naturwissenschaftliche Fachjournal Nature veröffentlicht.4 Faisal Moola, Professor für Waldökologie an der Universität von Toronto, zeigte sich im Interview mit der Stadtzeitung The Star sehr erfreut darüber, dass sich die gesundheitliche Bedeutung von Umweltfaktoren zum wiederholten Mal als sehr bedeutend herausgestellt hatte. Das sei bisher durch politische Entscheidungsträger unterschätzt worden. Er forderte mehr Bäume in Kanadas Großstädten. Glenn De Baeremaeker, Stadtrat in Toronto, sah die Baum-Studie als wegweisend, denn: »Es ist eine fast schon magische Lösung, und das für Peanuts.«

»Wir müssen das verstehen« – Bäume und Immunsystem

Versuchsleiter Marc Berman zeigte sich über die Ergebnisse ebenfalls begeistert und stellte Vermutungen über die möglichen Wirkungsweisen von Bäumen auf unsere Gesundheit an: »Ist es, weil Bäume die Luft reinigen? Ist es, weil sie die Leute dazu motivieren, hinauszugehen und mehr Sport zu treiben? Oder ist es die ästhetische Schönheit der Bäume? Wir müssen das verstehen.«5

Natürlich lag Marc Berman in der Interpretation seiner Studie nicht falsch, als er an die luftreinigende Wirkung der Bäume dachte. Die Motivation für mehr Bewegung unter freiem Himmel, die von grünen Elementen in der Stadt ausgeht, spielt sicher auch eine Rolle, und Bäume haben, wie fast jeder Mensch bestätigen würde, einen ästhetischen Wert. Doch das reicht alles nicht aus, um zu erklären, warum mehr Bäume in der Stadt uns um sieben Jahre jünger machen und vor häufigen Krankheiten schützen. Um das heilende Band zwischen Menschen und Bäumen zu verstehen, müssen wir zuerst mehr in Erfahrung bringen, wie zum Beispiel das, was Mediziner aus Tokio herausgefunden haben. Diese Erkenntnisse eröffnen völlig neue Ansätze und Denkrichtungen auf unserer Suche nach Erklärungen für die Heilwirkungen der Bäume. Ich nutze sie als Einstieg in unsere wissenschaftlichen Erkundungen der Heilkräfte der Natur.

In Japan stehen staatliche Mittel für die Erforschung der Mensch-Natur-Medizin zur Verfügung. Der japanische Staat finanziert auch aufwändige Studien mit teuren Untersuchungsmethoden, die über viele Jahre hinweg laufen. Ärzte integrieren den Kontakt mit der Natur in das therapeutische Angebot an öffentlichen Krankenhäusern, und Experten erforschen an medizinischen Universitäten die gesundheitlichen Aspekte der Bäume und Wälder.

Shinrin Yoku, das »Waldbaden«, blickt in Japan auf eine lange Tradition in der Volksmedizin zurück.6 Die gleiche Tradition findet sich in Nord- und Südkorea und heißt dort Sanrimyok. Auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin findet sich das alte Wissen über die Heilung aus der Natur. Zahlreiche Übungen aus dem Chi Kung, einer meditativen Bewegungslehre, die auch Elemente der Kampfkünste enthält, zielen darauf ab, »das Chi der Natur aufzunehmen«, wie traditionelle chinesische Mediziner es ausdrücken. Diese Übungen werden überwiegend im Wald oder auf Grünflächen mit Bäumen durchgeführt. Schon die Chi-Kung-Meister vergangener Zeiten wussten offensichtlich, dass die Natur nicht nur in Form pflanzlicher und mineralischer Arzneistoffe heilend auf uns einwirkt, sondern auch durch unser bloßes Anwesendsein im Grünen und über unsere Atmung. Die Aufnahme von »Chi der Natur« ist im Chi Kung stets mit intensiven Atembewegungen verbunden. Auch die Naturmediziner in Japan übersetzen den Begriff Shinrin Yoku nicht nur als »Waldbaden«, sondern oft als »Einatmen der Waldatmosphäre«. Das deutet darauf hin, dass in der Waldluft etwas enthalten sein muss, was beim Einatmen medizinisch auf uns einwirkt.

Im Jahr 2013 veröffentlichte Qing Li die Ergebnisse mehrerer Studien, die er in den Jahren zuvor gemeinsam mit japanischen, koreanischen und chinesischen Wissenschaftlern durchgeführt hatte. Die Forscher fanden heraus, dass der Aufenthalt in Wäldern zu Veränderungen im menschlichen Organismus führt, die über Blutproben und andere Verfahren deutlich messbar sind. An dieser Stelle greife ich zunächst nur eine dieser Veränderungen als Beispiel heraus, nämlich die Wirkung der Bäume auf das menschliche Immunsystem.

Qing Li und der Umweltmediziner Tomoyuki Kawada nahmen ihren Versuchspersonen vor und nach Besuchen in Wäldern Blut ab. Dabei stellten sie fest, dass der Wald wichtige Bestandteile des menschlichen Immunsystems aktiviert und stärkt. Unser Immunsystem spricht schon auf kurze Waldspaziergänge an. Ein ganzer Tag in einem Waldgebiet führte bei den Versuchsteilnehmern im Schnitt zu einem Anstieg der natürlichen Killerzellen im Blut um fast 40 Prozent. Diese wichtigen Abwehrzellen waren nicht nur mehr geworden, sondern sie waren noch dazu deutlich aktiver als zuvor. Der Effekt hielt sieben Tage lang an. Nach zwei Tagen in einem Waldgebiet enthielt das Blut der Teilnehmer sogar doppelt so viele Killerzellen als vorher. In diesem Fall war der Effekt noch dreißig Tage später messbar.7

Der Begriff »natürliche Killerzellen« weckt nicht gerade die schönsten Assoziationen. Die kriegerischen Metaphern, mit denen Wissenschaftler die Abläufe in unserem Immunsystem beschreiben, lösen immer wieder Debatten darüber aus, ob eine solche Wortwahl gerechtfertigt ist. Können biologische Prozesse mit Kriegen verglichen werden? Da ist oft von »Waffen« die Rede, die unser Körper gegen Krankheitserreger als »Eindringlinge« sowie gegen Tumoren als »Feinde« einsetzt. Manche Wissenschaftler befürchten, dass es für Patienten belastend sein könnte, sich ihren Körper als Kriegsschauplatz vorzustellen. Andere meinen hingegen, das fördere sogar den »Kampfgeist« im Falle einer Erkrankung. Statistisch betrachtet, überleben Patienten mit der Mentalität des sogenannten Fighting Spirit eher schwere Krankheiten als Patienten, die sich als machtlos gegenüber der Erkrankung fühlen und resignieren.8

Die Wortwahl ist jedenfalls nicht allzu weit hergeholt. Die natürlichen Killerzellen, die der menschliche Organismus im Wald vermehrt produziert, sind dafür verantwortlich, Viren in unserem Körper unschädlich zu machen. Sie halten die Viren in Schach, bis genügend spezielle Antikörper gebildet wurden, die dann in der Lage sind, alle Viren abzutöten. Außerdem rücken die natürlichen Killerzellen gegen gefährliche Körperzellen an, die zu bösartigen Tumoren entarten könnten. Sie halten uns also gesund und schützen uns vorsorglich vor Krebs beziehungsweise sind zur Heilung dieser Erkrankung unerlässlich.

Ein Blick auf die Art und Weise, wie natürliche Killerzellen gegen Viren und Tumorzellen vorgehen, lässt die kämpferische Wortwahl aus den Lehrbüchern der Immunologie noch plausibler erscheinen. Natürliche Killerzellen sind Teil unseres angeborenen Immunsystems; das heißt, es handelt sich nicht um spezielle Antikörper, die erst nach dem Kontakt mit einem bestimmten Virus entstehen und nur gegen dieses eine wirken – zum Beispiel gegen ein Grippevirus. Die natürlichen Killerzellen bilden sich im Knochenmark und sind bereits aktiv, wenn wir geboren werden. Sie begleiten uns unser ganzes Leben lang. Eine Killerzelle hat die Fähigkeit, an der Oberflächenstruktur einer Körperzelle zu erkennen, wenn diese in ihrem Inneren von einem Virus befallen wurde. Sie aktiviert dann ein Programm, das Immunologen als »Tötungsmechanismus« bezeichnen.9 Da Viren aber nicht direkt angegriffen werden können, muss die ganze Körperzelle unschädlich gemacht werden. Viren schleusen nämlich ihr eigenes Erbgut in das der Zelle ein und bringen sie so dazu, sozusagen aus Versehen neue Viren zu produzieren. Die Killerzellen setzen mikroskopisch kleine Körnchen an der Oberfläche der befallenen Zelle ab. Diese Körnchen enthalten Eiweißstoffe, die in die Zelle eindringen und dort den natürlichen Zelltod einleiten. Sie zwingen die Zelle also zur Selbstzerstörung, und das bedeutet auch für die eingedrungenen Viren das Ende.

Exakt dasselbe stellen die natürlichen Killerzellen mit entartenden Zellen an, die in weiterer Folge zu Krebs führen würden und daher höchst gefährlich sind. Krebs beginnt immer mit einer Zelle, deren Zeit eigentlich gekommen wäre, die aber dennoch nicht abstirbt. Sie bildet weitere unsterbliche Zellen, die zu wuchern beginnen. Die Killerzellen helfen also nach, wenn eine Zelle nicht sterben will und somit ein Gesundheitsrisiko für den Menschen darstellt. Die Körnchen und Eiweißstoffe, welche die Killerzellen dazu benötigen, werden wegen ihrer Funktion auch »Anti-Krebs-Proteine« genannt.10

Qing Li und Tomoyuki Kawada fanden heraus, dass »Doktor Wald« nicht nur mehr und aktivere Killerzellen entstehen lässt, sondern auch die Bildung dieser Anti-Krebs-Proteine fördert. Die Versuchspersonen hatten nach ihren Waldaufenthalten signifikant mehr davon im Blut. Die Anwesenheit im Wald kann also unsere natürlichen Mechanismen unterstützen, die für die Abwehr gegenüber Viren zuständig sind und uns vor Krebserkrankungen schützen beziehungsweise gegen bestehende Tumoren antreten. Es steht fest, dass diese Wirkungen tatsächlich auf die Wälder zurückzuführen sind, denn an Vergleichsgruppen, die in städtischen Gebieten unterwegs waren, stellten die Wissenschaftler keine positiven Veränderungen fest. Die Teilnehmer betrieben keinen Sport im Wald, der die gesundheitsfördernde Wirkung hätte auslösen können, sondern die Versuchspersonen waren lediglich im Wald anwesend.

Bei solchen Studien dreht sich alles um Gruppenvergleiche, die ich bereits als Gold-Standard der medizinischen Forschung beschrieben habe. Eine Gruppe geht ins Grüne, die andere in die Stadt. Es gibt nur eine Einschränkung, wenn Wissenschaftler ihre Patienten direkt in die Natur schicken: Bei einem Baum vor dem Krankenhausfenster kann man verheimlichen, dass er die zentrale Rolle in dem Experiment spielt. Bei Feldstudien in der Natur ist es aber sehr schwierig, die Teilnehmer im Unklaren darüber zu lassen, worum es geht. Eine Doppelblindstudie, wie ich sie beschrieben habe, ist dann nicht möglich. Dennoch können Forscher vergleichbare Bedingungen zwischen der »Stadtgruppe« und der »Naturgruppe« schaffen und die wissenschaftlichen Ansprüche erfüllen. Alle Probanden müssen gleich lang unterwegs sein und sich auf vergleichbare Weise durch die Natur oder die Stadt bewegen. Meistens sorgen die Versuchsleiter sogar dafür, dass alle dasselbe essen. Der einzige Unterschied zwischen den verschiedenen Gruppen darf nur die Umgebung sein.

Durch Blutabnahmen in der Natur ist es möglich, Feldstudien mit Laboruntersuchungen zu kombinieren. Die natürlichen Killerzellen und die Anti-Krebs-Proteine des Immunsystems werden von Medizinern sehr oft als Messgrößen herangezogen. Sie gelten als aussagekräftig. Wir liegen also ganz im wissenschaftlichen Trend, wenn auch wir diese wichtigen Parameter unseres Immunsystems heranziehen, um die heilsame Wirkung der Natur zu belegen.

Eine begleitende Untersuchung ergab eine zusätzliche positive Beeinflussung des menschlichen Immunsystems durch Bäume. Unser Körper verfügt über eine Art »Erste-Hilfe-Zellen«, die dazu da sind, eindringende Krankheitserreger so schnell wie möglich anzugreifen, während andere Abwehrstoffe mobilisiert werden. Diese Ersthelfer werden »Neutrophilen« genannt und schwimmen im Blutstrom. Mithilfe klebriger Substanzen sind sie in der Lage, sich jederzeit blitzartig an die Innenwände der Blutgefäße zu heften und sich aus dem Blutstrom herauszuziehen, ohne weggespült zu werden. So verfehlen sie ihr Ziel nicht. Sie dringen ins Körpergewebe ein und fressen die Eindringlinge regelrecht auf, indem sie diese in sich aufnehmen und »verdauen«. Wir spüren und sehen diesen Prozess manchmal als Entzündung. Einige Substanzen, mit denen sich Erste-Hilfe-Zellen aus dem Blutstrom ziehen und Krankheitserreger auffressen, sind nach Aufenthalten im Wald vermehrt im Blut nachzuweisen.11 Auch das sind handfeste Beweise für die Wirksamkeit der Mensch-Natur-Medizin.

ENDE DER LESEPROBE