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DIE MATT DRAKE ABENTEUER Weltumspannende Abenteuer, atemlose Action und die größten Rätsel der Menschheit – vom Gewinner des AMAZON Storyteller Awards 2017 David Leadbeater. Der zweite Band der großen Abenteuerreihe führt Abenteurer Matt Drake auf die Spur einer fantastischen Apparatur, die aus dem jahrhundertealten Wrack der ›Queen Anne's Revenge‹ geborgen werden konnte – dem Schiff des berüchtigten Piraten Captain Blackbeard … "Wer Andy McDermott oder Matthew Reilly liebt, sollte sich dieses Buch holen." - Amazon.com Diese fantastische Entdeckung ruft jedoch auch den ›Blutkönig‹ auf den Plan – einen Mafiaboss, der so mächtig ist, dass er fast als ein Mythos gilt. Ein Mann, dessen Einfluss bis in höchste Regierungskreise reicht und der selbst über die nötigen Ressourcen verfügt, einen amerikanischen, von hunderten von Special-Forces-Soldaten bewachten Zerstörer zu stürmen, um dort das Geheimnis des Bermuda-Dreiecks zu stehlen. Matt Drake und seine Freunde folgen der Spur verloren geglaubter Piratenschätze, geraten in Seeschlachten und Schießereien auf den Straßen von Key West, bis sie schließlich dem gefährlichsten Mann der Welt gegenüberstehen – dem Blutkönig. Mit irrem Tempo, rasanten Actionszenen und einer gehörigen Portion Humor eroberten David Leadbeaters Schatzjäger-Romane rund um Matt Drake und dessen verschworenem Team die Amazon-Bestsellerlisten im Sturm, und sorgten dafür, dass Leadbeater mit seiner Serie 2017 sogar den Amazon Kindle Storyteller Award gewinnen konnte.
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Seitenzahl: 295
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Übersetzt von Philipp Seedorf
Copyright © 2015 by David Leadbeater All rights reserved. No part of this book may be used, reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording, or by any information storage or retrieval system, without the written permission of the publisher, except where permitted by law, or in the case of brief quotations embodied in critical articles and reviews.
Widmung
Ich widme dieses Buch meiner Tochter, Megan,
heller als die Sonne und der Mond …
überarbeitete Ausgabe Originaltitel: THE BLOOD KING CONSPIRACY Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER-Verlag Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Cover: Michael Schubert Übersetzung: Philipp Seedorf Lektorat: Astrid Pfister
Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.
ISBN E-Book: 978-3-95835-495-1
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
Hayden Jaye dimmte das Licht, als sie ihren privaten Alkoven in dem Wohnzimmer betrat, das sie sich mit fünf Männern teilte, von denen jeder absolut tödlich war.
Sie setzte sich vor den Laptop. Das Display leuchtete hell im Halbdunkel des Zimmers. Das einzige Geräusch im Raum war das Surren des Lüfters. Ein Gefühl der Erwartung lag in der Luft.
Hayden tippte Ben Blakes Skype-Kürzel ein. Sie war müde und abgespannt. Dieser Auftrag war in den Worten ihres Bosses – des Verteidigungsministers – nicht nur ein Karrieresprungbrett, sondern konnte ihre Karriere auch ganz schnell abstürzen lassen.
Bei der CIA brodelte wegen dieses speziellen Auftrags bereits die Gerüchteküche. Es war einer der gefährlichsten, denen sich die Agency je gegenübergesehen hatte und Hayden hatte immer noch keine Ahnung, wie sie zu der zweifelhaften Ehre gelangt war, diese Operation zu leiten. Einige ihrer Agentenkollegen schlossen schon Wetten ab, ob sie dadurch Karriere machen oder diese beendet werden würde.
Hayden trommelte mit den Fingern auf dem Laptop herum und stellte sich vor, wie die Verbindung gerade um die Erde bis nach England raste. Sie redete jeden Tag mit Ben, wenn es der Job zuließ, und meistens liebte sie jede Sekunde davon. Sie vermisste seinen jungenhaften Charme und seine Unschuld. Manchmal musste sie sogar während der Arbeit an ihn denken, aber dann zwang sie sich, damit aufzuhören, und erinnerte sich stattdessen an das Versprechen, das sie ihrem Vater gegeben hatte und überlegte, Ben Blake nie wieder zu kontaktieren.
Doch im Moment hatte sie das dringende Bedürfnis nach normaler, menschlicher Interaktion.
Bens lächelndes Gesicht erschien viel zu dicht vor dem Bildschirm, und seine langen Haare fielen nach vorn und nahmen ihr die Sicht. Für einen Computer-Nerd schien er dieses ganze Skype-Ding nicht besonders gut zu verstehen.
»Heute schon jemanden umgebracht?« Sein Grinsen zeigte, dass er das ganze Erwachsenwerden-Ding auch noch nicht ganz verstanden hatte.
»Dafür ist immer noch Zeit«, sagte Hayden durch zusammengebissene Zähne und ertappte sich dabei, wie ihr fast selbst ein Grinsen entwischte.
»Was hast du stattdessen gemacht?« Ben hatte offenbar schon zu kämpfen, aber man musste ihm zugutehalten, dass es wirklich harte Arbeit war, eine Beziehung durch digitale Interaktion am Laufen zu halten. Wenn man sich jeden Abend auf diese Weise unterhielt, gingen einem nun mal irgendwann die Gesprächsthemen aus.
Hayden warf einen Blick auf ihr Fünf-Mann-Team, das gerade damit beschäftigt war, Poker zu spielen, Wache zu stehen oder geliebten Menschen zu texten.
»Läuft ganz gut«, sagte sie leise. »Niemand hier wusste, wie tief das Ganze reichte und wie hoch die Einsätze waren. Heute haben wir endlich ein wenig mehr darüber erfahren und es läuft ganz … okay.«
Ein wenig mehr erfahren?, dachte sie. Das war ja wohl die größte Untertreibung, seit die Worte Houston, wir haben ein Problem, ausgesprochen worden waren.
»Gut. Ähm … Matt und Kennedy lassen dich grüßen. Wie ist es in Miami?«
»Ganz ausgezeichnet.« Hayden rieb sich müde über die Stirn. »Bitte grüß sie zurück. Miami ist eben Miami. Da ändert sich nicht viel.«
»Cool. Bist du wirklich okay?«
»Ich nehme es an. Jonathan – du weißt schon, mein Boss, der Verteidigungsminister – hat es gerade schwer im Kapitol. Er kämpft dort gegen Budgetkürzungen, die das Leben junger Marines in Gefahr bringen. Solche Dinge eben.«
»The Wall of Sleep sind im Moment Nummer 96 in den Indie-Charts.«
»Wenn wir doch nur alle durch einen einzigen Vorfall berühmt werden könnten«, sagte sie und hätte sich dafür am liebsten sofort selbst in den Hintern getreten. Bens Band war wegen seiner Beteiligung an dem, was alle nur diese Odin-Sache nannten, bekannt geworden und hatte letzten Endes sogar einen Plattenvertrag an Land gezogen.
»Sorry, Mann«, sagte sie. »Die Lage ist nur gerade ein wenig angespannt hier unten.«
»Keine Sorge, Hay. Ich verstehe das schon. Ich vermisse dich.«
Hayden entspannte sich gerade ein wenig, und wollte ihm antworten, als ihre Nummer zwei im Team, Mano Kinimaka Dynamit! rief, das Codewort für Achtung, unbekannter Kontakt. Kinimaka war ein liebenswerter Riese und wurde gelegentlich damit aufgezogen. Er war ungeschickt und eher der Mann fürs Grobe in ihrem Eliteteam, aber wenn Mano Kinimaka eine Warnung aussprach, hörte man ihm zu.
Hayden ließ Ben zurück, der sich, solange mit der Luft weiter unterhalten konnte, und eilte in die Mitte des Zimmers. Alle Augen waren nun auf Kinimaka gerichtet, der gerade das Security-System inspizierte, welches das Safehouse der CIA in Miami schützte.
»Schatten«, sagte er mit einem dicken hawaiianischen Akzent. »Clevere Schatten.« Er sah die anderen mit einem stählernen Blick an. »Gefällt mir gar nicht, wie das aussieht.«
Doch Hayden blieb ruhig. Clevere Schatten. Die Leute da draußen waren Spezialisten. Sie gestikulierte in Richtung der anderen in ihrem Team – Godwin, Bowers, Mawby und Carrick.
»Positionen einnehmen, Jungs, bewegt euch.«
Sie nahm eine rechteckige Fernbedienung in die Hand, die neben Kinimakas baumstammdicken Arm lag, und drückte auf einen Knopf. Man hörte nun ein Rumpeln, als sich unsichtbare Riegel vorschoben und Rollläden heruntersausten.
Die Fernbedienung diente zugleich auch als Panikknopf. Die CIA bereitete also bereits einen Einsatz vor.
»Acht Minuten, höchstens«, sagte Hayden so beschwichtigend, wie es ihr möglich war. Sie warf einen weiteren Blick über Kinimakas Schulter.
Draußen bewegte sich nichts. Der Hawaiianer verzog das Gesicht und zuckte mit den Achseln, »Vielleicht …«
Im nächsten schrecklichen Moment hörte Hayden eine Reihe beunruhigender Geräusche. Das Stakkato von Schlössern, die sich öffneten … das Scheppern von Rollläden, die hochfuhren.
Doch sie hatte die einzige Fernbedienung und die Codes waren nur einer Handvoll Leuten in Langley bekannt …
Chaos beherrschte jetzt ihre Gedanken. Männer mit Masken und Schutzanzügen kamen durch die Tür gestürmt. Ein weiterer Knall ertönte und sie wusste instinktiv, dass jemand gerade die Hintertür aufgesprengt hatte. In zehn Sekunden war eines der besten CIA-Teams in den USA in vollkommene Panik verfallen und zutiefst geschockt.
Aber sie waren noch nicht verloren.
Mano Kinimaka brüllte, hob den Tisch mit der Überwachungsausrüstung darauf hoch und warf ihn in hohem Bogen auf die Eindringlinge. Kabel, Konsolen und Router schepperten auf den Boden und flogen gegen die Wände, während das massive Wurfgeschoss einen Bogen durch die Luft beschrieb und dann ein halbes Dutzend Männer traf und diese zu Boden riss.
Anschließend sprang Kinimaka auf sie zu.
Hayden warf sich zu Boden und rollte sich weg, als der Beschuss losging. Maskierte Männer kamen von drei Seiten auf sie zu. Sie sprang wieder hoch und schlug einem ihre Waffe ins Gesicht, wich dem nächsten geschickt aus und schoss dem dritten in den Kopf. Er brach sofort zusammen und Blut spritzte durch die Luft an der Stelle, an der er eben noch gestanden hatte.
Höllenlärm umgab sie … Männer schrien … Waffen feuerten … Kugeln pfiffen als Querschläger herum und zerstörten alles, worauf sie trafen. Kinimaka hatte seine massige Gestalt gegen die Tür geworfen, um sie zu blockieren, aber die Feinde versuchten weiterhin, hineinzukommen. Verflucht, wie viele Bastarde waren das denn bloß?
Drei der Männer trafen Kinimaka nun heftig. Der liebenswerte Gigant stürzte daraufhin zu Boden und hatte Mühe, wieder auf die Beine zu kommen. Hayden sah das Ganze nur aus dem Augenwinkel. Sie sprang über eine Leiche hinweg, die neben ihr auf dem Boden lag und schoss zweimal auf die Beine eines Eindringlings in ihrer Nähe. Dann zielte sie auf die Stirn des Mannes, der neben Kinimaka stand.
Sie wusste, dass sie nicht zögern durfte, und zog deshalb sofort den Abzug durch. Blut, Hirnmasse und Knochen wurden explosionsartig herumgespritzt und landeten in ihrem Gesicht. Sie fluchte leise. Kinimaka kam endlich wieder auf die Beine und erwischte den dritten Angreifer im Genick. Dieser war ein großer Mann, sah aber in den Händen des Hawaiianers wie ein Hühnchen aus. Die Augen des Mannes traten ihm aus dem Kopf wie Murmeln. Kinimaka schüttelte ihn, bis das Genick des Mannes brach, und warf ihn dann zu Boden.
Sechs weitere maskierte Männer quetschten sich nun durch die Tür. Hayden schoss ihr Magazin leer und hörte, wie ihr Team dasselbe tat. Kugeln sausten an ihr vorbei und hinter ihr erklangen die grauenvollen Schreie ihrer Kollegen.
Weitere Eindringlinge kamen durch die Hintertür. Die ohnehin schon bedrückende Atmosphäre im Raum wurde plötzlich lähmend, denn die CIA-Agenten waren eindeutig in der Unterzahl und man hatte sie überlistet.
Hayden senkte langsam ihre Waffe. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Kinimaka es ihr gleichtat, aber sie wusste, dass er weiterhin angespannt und bereit für jeden Befehl war.
Plötzlich herrschte Stille. Das Donnern des Kampfes hallte ihr immer noch in den Ohren, obwohl der Raum jetzt merkwürdig ruhig war. Die Anspannung war jedem an den Augen abzulesen, und die schnell ausgetauschten Blicke sprachen von Tod und Untergang.
Ein Mann mit kurzen Haaren und gemeißelten Gesichtszügen schob sich jetzt in den Raum. Hayden zählte insgesamt fünfzehn Eindringlinge, die immer noch auf den Beinen waren, sieben auf dem Boden. Kein schlechter Bodycount, wenn man unter Feuer stand, aber das hier … das war einfach nur verrückt.
»Ich nehme mal an, Sie sind die Frau, auf die ich besonders achten sollte.« Der Mann hatte einen Südstaatenakzent, Louisiana vielleicht. Er gab seinen Männern ein kurzes Zeichen. Sie traten daraufhin vor, nahmen Hayden die Waffe ab und banden ihr die Arme brutal mit Kabelbindern auf den Rücken. Doch Hayden verfiel nicht in Panik. Sie blieb weiterhin konzentriert und dachte an ihre Ausbildung.
Der Südstaatentyp sagte: »Wir brauchen noch zwei Weitere.« Er zeigte auf Kinimaka und auf einen der Agenten, die immer noch hinter Hayden standen. »Den großen Bastard da können wir bestimmt länger foltern«, meinte er und seine Lippen verzogen sich zu einem fiesen Grinsen. »Und der da, war der Letzte, der sich gewehrt hat.«
Hayden sah sich hastig um und versuchte ein Keuchen zu unterdrücken. Godwin stand schwankend auf Position, die anderen drei Agenten, Bowers, Mawby und Carrick lagen auf dem Boden und schienen schwer verletzt zu sein.
Männer schoben sich an ihr vorbei und fesselten Godwins Hände, bevor sie ihn neben Kinimaka zu Boden schubsten. Sie beobachtete, wie sie versuchten, die Handgelenke des massigen Hawaiianers mit Kabelbindern zu fesseln und sich Mühe gaben, zu verstecken, dass diese nicht ganz herumreichten.
Mr. Südstaatenakzent sah es dennoch, denn seinen Adleraugen entging nichts. »Ihr Idioten. Haltet den fetten Bastard einfach mit euren Waffen in Schach. Wenn er was Gefährliches macht, behandelt ihn einfach wie ein Nilpferd. Schießt ihm in die Knie.« Das verzerrte Grinsen zeigte, für wie lustig er sich offenbar hielt.
Die Wachen sahen sich kurz skeptisch an. Natürlich machten sie sich Sorgen. Selbst mit einer Waffe vor der Nase sah Mano Kinimaka noch immer unfassbar gefährlich aus.
Schließlich blickte der Anführer Hayden an. »Wir haben nicht viel Zeit, das ist mir klar. Deshalb reden wir lieber Klartext. Ihr alle werdet sterben … irgendwann. Diese …«, er deutete mit seiner wuchtigen Desert Eagle auf Mawby und Carrick, »… sind schon so gut wie tot.« Eine schleimige Zunge befeuchtete seine trockenen Lippen. »Ihr drei hingegen habt noch eine Wahl. Schnell sterben oder …«
Der Mann schockte sie, indem er plötzlich auf sie zusprang und ihre Kehle mit einem eisernen Griff umklammerte. Sie sah sofort Sternchen und ihre Knie wurde weich. Aber das war noch nicht alles. Der Mann boxte ihr die Faust in den Magen und grinste, als er noch drei weitere Male zuschlug, während er sie dabei immer fester würgte.
»Mein Name ist Boudreau«, flüsterte er. »Angenehm, Ihre Bekanntschaft zu machen, Hayden Jaye.«
Er trat zurück und ließ sie auf den Boden fallen, nur um Eindruck zu schinden. Hayden lag eine Minute nur da und versuchte zu Atem zu kommen.
Boudreau machte einen Schritt auf sie zu, sein Stiefel kam verschwommen in Sicht. »Was wollte ich sagen … ach ja, entweder schnell sterben … oder schreiend sterben, ihr Penner. Ist eure Entscheidung.«
Der Nebel vor Haydens Augen lichtete sich langsam und sie schaffte es, sich hinzusetzen. Sie sah, dass Boudreaus Männer Bowers bereits auf die Beine gezerrt hatten. Der große, gut aussehende zweifache Vater war jetzt bleich vor Angst und keuchte vor Schmerzen so heftig, dass sich sein Brustkorb hektisch hob und senkte. Blut sickerte durch seine Jacke.
»Ich bezweifle, dass du reden wirst«, sagte Boudreau zu Hayden. »Das Ganze ist also nur zum Spaß.«
Der Anführer trat zu Bowers, holte eine furchteinflößende Klinge aus einer Messerscheide, die er über dem Steißbein trug und schnitt dem Agenten die Kehle durch, bevor auch nur irgendjemand reagieren konnte. Doch die Brutalität ihrer Geiselnehmer war damit nicht zu Ende. Sie schlugen auf ihn ein und ließen ihn dann achtlos fallen. Er brach zusammen und verblutete qualvoll. Es war eine Gnade, als Bowers endlich den letzten Atemzug tat und starb.
Boudreau zog eine Braue hoch und sah Hayden erwartungsvoll an. »Na, magst du das? Er ist der Nächste.« Die Klinge richtete sich jetzt auf Mawby. Dieser war klein und stämmig und wollte in acht Wochen heiraten.
Hayden versuchte irgendwie Zeit zu schinden. »Sie haben ja noch nicht mal eine Frage gestellt, um Gottes willen. Was wollen Sie, Boudreau?«
»Nicht zum Narren gehalten werden, Miss Jaye. Mein Boss ist vielleicht der verrückteste, gefährlichste Mann der Welt, und er hat mich geschickt, um Antworten zu bekommen. Also …«
Boudreau wirbelte auf der Stelle herum und warf gekonnt sein Messer. Es durchdrang Mawbys Kehle mühelos. Der Agent wäre nach hinten geschleudert worden, wenn ihn die Männer nicht festgehalten hätten. Hayden wendete sich von dem blutigen Spektakel ab, ihr war übel.
Boudreau glaubte, sein Boss sei verrückt? Der Typ hatte ja selbst nicht mehr alle Tassen im Schrank.
»Kommen wir zum Letzten.« Boudreau hatte sein Messer wiedergeholt und blinzelte nun Carrick zu. »Wo willst du’s hin haben, Söhnchen? Komm schon, wohin?«
Hayden brüllte: »Was zur Hölle wollen Sie, Boudreau?«
»Dazu komme ich noch.«
Hayden zählte langsam rückwärts. Hilfe konnte nicht mehr als drei Minuten entfernt sein.
»Der Blutkönig!«, rief sie, als ihr plötzlich klar wurde, für wen Boudreau arbeitete. »Wir haben heute von einem Typen gehört, der der Blutkönig genannt wird.«
»Sie haben von ihm gehört?« Boudreau traten fast die Augen aus dem Kopf. »Gehört? Bei Gott, kein Wunder, dass er an euch ein Exempel statuieren will, CIA hin oder her.«
Eine weitere Minute war vergangen.
Hayden sagte: »Nicht nur die CIA, Boudreau. Die ganze amerikanische Regierung.«
Die Augen des Südstaatlers weiteten sich ein wenig und einen Moment lang glaubte Hayden, der irre, brutale Kerl würde einen Hauch von Angst offenbaren. »Das bedeutet nichts«, flüsterte er. »Für den Blutkönig bedeutet es gar nichts, wie Sie bald feststellen werden.«
Er drehte sich um und schlenderte betont langsam zu Carrick. Der Agent stand vornübergebeugt da, Blut lief aus einer Wunde im Oberschenkel, doch sein Blick verriet keine Gefühle, als er dem unbarmherzigen Mann mit dem Messer direkt in die Augen sah.
»Gut«, knurrte Boudreau. »Mir scheint fast, da ist noch ein Fünkchen Stolz übrig. Fast …« Das Messer blitzte.
»Wir wissen, dass jemand die Erklärung gefunden hat …«, schrie Hayden verzweifelt. Sie schwitzte und zitterte jetzt vor Anspannung. »… für das Bermudadreieck! Das wissen wir, du widerlicher Bastard!«
Boudreau warf ihr einen anzüglichen Blick zu, drehte sich dann um und stieß die blutige Klinge so fest in Carricks Hals, dass sie auf der anderen Seite wieder hervortrat. Die Stärke des Mannes war schockierend.
Carrick sackte zusammen. Boudreau ließ das Messer, wo es war, und gab seinen Männern ein Zeichen. »Schneller. Die Kavallerie ist garantiert bereits im Anmarsch.« Er zwinkerte Hayden zu. »Keine Sorge, meine Liebe. Die drei sind noch gut weggekommen, im Vergleich zu dem, was mit dir passieren wird.«
Sie verließen das Haus und das einzige Geräusch, das übrig blieb, war das Tropfen von Blut und das sanfte Surren des Laptops.
Ben Blake starrte noch ein paar Augenblicke fassungslos auf den schwarzen Computerbildschirm, denn er hatte genau gesehen und zum Teil auch gehört, was gerade passiert war. Jetzt schrie er, so laut er konnte, um Hilfe. Innerhalb von Sekunden waren Drake und Kennedy zur Stelle.
»Was zur Hölle soll das Geschrei, Blakey?« Drake hatte ein Geschirrtuch in der Hand, ein seltsamer Anblick bei dem ehemaligen Soldaten. »Hast du wieder mal einen wunden Popo von der Windel?«
Kennedy grinste. »Vielleicht kommen die Backstreet Boys ja wieder zusammen?«
»H…Hayden. Sie …« Ben dröhnte der Kopf, als ob sich ein Dämon einen Weg durch seinen Schädel bahnte. »… da ist irgendwas Schlimmes passiert.«
Drake bemerkte jetzt, wie panisch sein bester Freund war. »Hey! Hey, Kumpel, beruhig dich erst mal. Lehn dich einen Moment zurück. Das wird schon wieder. Atme.«
Ben sammelte sich einen Augenblick lang, dann sagte er: »Ich habe gerade mit ihr geredet. Mit Hayden. Ich glaube … ich glaube, sie wurden überfallen, jemand ist in das Haus eingedrungen. Es gab einen Kampf.« Bens Stimme wurde immer leiser. »Schüsse sind gefallen.«
»Wirklich?« Drake drehte den Kopf, um auf den Computerbildschirm zu blicken, aber er sah nur die Ansicht einer nackten Wand. Das konnte überall sein. Vielleicht sogar ein Steuerbüro.
»Ich kann nichts hören«, sagte Drake. »Hast du denn irgendwas Spezielles mitbekommen?«
»Es war gedämpft, aber ich habe Schreie und Kampflärm gehört und zum Schluss ein paar Worte.«
»Wo ist sie denn momentan?«
»In Miami, in einem Safehouse. Das ist alles, was ich weiß. Alles, was ich wissen darf.«
Kennedy legte beruhigend eine Hand auf seine Schulter. »Irgendeine Ahnung, woran sie gearbeitet hat?«
Kommt wie immer gleich zur Sache, dachte Drake.
Ben schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
Sie starrten jetzt alle auf den leeren Bildschirm, dann sagte Ben: »Das Letzte, was ich sie sagen hörte, oder eher schreien, war: Wir haben das Geheimnis des Bermudadreiecks gelöst.«
Kennedy atmete tief durch.
Drake verharrte einen Moment lang und schloss dann die Augen. Es geht also mal wieder los.
Drake und Kennedy machten sofort ein paar Anrufe. Seit der Odin-Sache hatten sie beide Zugang zu ein paar Leuten auf höchster Ebene.
Während sie Nachforschungen anstellten, sah Drake über den Schreibtisch hinweg zu Kennedy. Er fand sie immer dann am schönsten, wenn sie beschäftigt war. Sie wohnten jetzt seit sechs Wochen zusammen. Sie hatte einen ausgedehnten Urlaub vom NYPD genommen mit der Aussicht, vielleicht nie wieder zurückzukehren. Aber während sie ihre gemeinsame Zeit genossen, waren sie sich auch der Vergangenheit des jeweils anderen bewusst und hatten sich deshalb alle Mühe gegeben, nichts Falsches zu sagen oder aus Versehen irgendwelche alten Wunden aufzureißen.
Im Moment brauchte keiner von ihnen Geld. Sie waren großzügig belohnt worden, nachdem sie geholfen hatten, die Welt zu retten. Ben überlegte sogar, auszuziehen und sich etwas Eigenes zu mieten.
Drake erwischte Wells jetzt am Telefon. »Hey. Wie geht’s meinem alten Boss?«
»Nicht du schon wieder.«
»Hast du mich vermisst?«
»Nur im Einsatz.«
Drake zögerte. »Ich glaube, ich habe dir noch gar nicht die tollen Geschichten von Mai erzählt, wie ich es dir während der Odin-Sache versprochen hatte, oder Kumpel?«
»Ich bin daran gewöhnt, enttäuscht zu werden, Drake … gerade von dir.«
»Verdammt! Sei mal nicht so ein Weichei, Wells. Es ist etwas passiert, und zwar keine Kleinigkeit.«
»Okay, du darfst es mir erzählen, wenn ich dafür ein paar Mai-Geschichten zu hören kriege.«
»Es sieht ganz so aus, als wäre heute in Miami ein Elite-Team der CIA …« Drake zögerte, eine definitive Aussage zu machen, »… angegriffen worden. Es ist erst vor ein paar Minuten passiert und ich brauche dringend Details, Wells. So schnell wie möglich.«
Die Neugier seines alten SAS-Commanders schien geweckt zu sein. »Wirklich? Okay, Kumpel, ich mach mal kurz einen Anruf.«
Drake war kurz davor, eine andere Nummer anzurufen, als Ben ihn wieder rief. Er rannte zurück in das Zimmer seines Mitbewohners, Kennedy war nur einen Schritt hinter ihm.
»Da ist gerade jemand in den Raum geplatzt.« Der junge Mann zeigte auf den schwarzen Bildschirm. »Ich habe zuerst Stimmen gehört, und dann geschockte Schreie, als hätte gerade jemand den Schreck seines Lebens gekriegt. Dann hat irgendjemand geflucht und kurz danach wurde der Laptop zugeknallt.«
»Kannst du dich per Skype bemerkbar machen?«, fragte Kennedy. »Du weißt schon, dich melden, damit der Laptop piepst.«
Ben klickte ein paar Buttons an, doch nichts passierte. »Die Verbindung wurde getrennt.«
Kennedy schüttelte den Kopf. »Das hat uns gerade noch gefehlt. Warte mal kurz … Hi, ist da Justin?« Sie schüttelte frustriert das Handy, weil der Empfang mal besser und mal schlechter wurde. Justin Harrison war der Sekretär des Verteidigungsministers. Ein schmächtiger, unbeholfener Mann, der immer mit einem Aktenkoffer herumlief, der viel zu groß wirkte bei seiner Figur.
Drake verschwand jetzt lautlos aus dem Zimmer und versuchte eine letzte Nummer zu wählen. Das Telefon wurde schon beim ersten Klingeln abgehoben. »Lange her, mein Freund. Sehr lange her.« Die weibliche Stimme, die in sein Ohr drang, weckte sofort die Erinnerung an frühere, köstliche Tage, die er vermisste und an die er gern zurückdachte.
»Es wird niemals aufhören, Matt Drake. Das solltest du wissen. Für Menschen wie dich und mich gibt es kein einfaches Ende.«
»Ich weiß, dass du gerade in Florida bist, Mai.«
»Hmm. Woher weißt du das denn?«
»Ich habe schließlich immer noch Freunde in dem Laden.« Er versuchte nicht zu defensiv zu klingen. »Und die wissen gern, wo die berüchtigte Mai Kitano steckt.«
»Das kann ich mir denken. Dann ist Mr. Wells jetzt also auch noch ein Stalker und nicht nur ein Perversling?«
Drake verzog das Gesicht. »Um ehrlich zu sein, ist er ein bisschen von beidem.«
»Das glaube ich auch. Okay, was brauchst du?«
»Es hört sich vielleicht etwas komisch an, aber hast du«, er schüttelte peinlich berührt den Kopf, »mal etwas über das Bermudadreieck gehört?«
Ihr Lachen ließ auch ihn lächeln. Gott, er vermisste diesen Klang so sehr. »Ich weiß von der diesbezüglichen CIA-Operation. Ich habe auch ein paar Informationen, aber leider nicht genug. Lass mich ein paar Nachforschungen anstellen und ich rufe dich später zurück.«
»Danke.« Er lauschte ihrem Atem, bevor sie die Verbindung beendete. Er schloss die Augen und erinnerte sich an die guten alten Zeiten mit Mai zurück, die er das erste Mal in Tschetschenien getroffen hatte. Nach ein paar Sekunden hörte er ein Geräusch hinter sich und drehte sich um.
Kennedy stand in der Tür und sah ihn forschend an. »Wer war das?«
»Ein alter Kontakt.« Drake versuchte sich zusammenzureißen, schüttelte die Wolke der Schuld ab und ging an ihr vorbei zu Bens Zimmer. »Was haben wir bis jetzt?«
Bens Augen waren feucht. Er zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Nichts, nehme ich an.«
Kennedys Handy klingelte jetzt, ein Song von The Pretty Reckless, durchbrach die unangenehme Stille. Sie ging ran und drückte den Lautsprecher-Button.
»Hier ist Justin Harrison.«
»Ich weiß«, sagte Kennedy gedehnt, immer noch kurz angebunden, wie ein Cop. »Was haben Sie für mich?«
»Leider schlechte Neuigkeiten, fürchte ich, Miss Moore. Die CIA trägt noch immer Informationen zusammen, aber es scheint so, als ob ein Hochsicherheits-Safehouse in Miami buchstäblich ausgelöscht worden ist. Eine ziemliche Schweinerei da unten. Berichte besagen, dass es dort ein paar richtig üble Morde gab. Eine furchtbare Sache, Miss Moore.«
Kennedys Augen füllten sich unweigerlich mit Tränen. Drake schnürte es den Hals zusammen. »Hayden? Hayden Jaye? Ist sie …?«
»Wie ich schon sagte, sie untersuchen das Ganze noch, aber es scheint so, dass drei Agenten vermisst werden. Möglicherweise sind sie als Geiseln genommen worden oder … nun ja, wer weiß? Die Namen sind Jaye, Kinimaka und Godwin.«
Drake merkte, wie sich seine Hände zu Fäusten ballten, angesichts Harrisons eiskalter Ausdrucksweise. Die Namen sind …
»Sie wird vermisst? Hayden wird vermisst?«
Ben war sofort auf den Beinen, versuchte seine Emotionen unter Kontrolle zu halten, scheiterte aber.
Drake sah Kennedy an, als diese die Verbindung trennte. »Lust auf eine kleine Reise in die Heimat, Liebling?«
Tief in den Everglades in Florida wand sich Hayden Jaye auf dem Betonboden. Ihre Hände waren zwar gefesselt, aber sie nutzte Mano Kinimaka als Angelpunkt und drückte sich mit seiner Hilfe hoch auf die Beine.
Dann sah sie sich um.
Sie waren in eine improvisierte Zelle in einem Komplex geworfen worden, der wenig mehr als ein baufälliges Chaos war; nur ein paar alte zusammengewürfelte Gebäude. Anscheinend war es nur eine temporäre Basis, aber für wie lange? Ihre Zelle war voller leerer, zerrissener Kartons. Godwin, das einzige andere überlebende Mitglied ihres Teams, saß in einer Ecke und lächelte sie müde an.
Hinter einer Reihe schwerer Gitterstäbe war ein großer, unordentlicher Raum, voll technologischem Krimskrams und Waffen zu sehen, die man offenbar erst vor Kurzem zusammengetragen hatte. Hayden zählte Dutzende Männer, die zwischen den kleinen chaotischen Inseln hin- und herliefen. Keiner von ihnen trug eine Maske.
Sie wandte sich an Kinimaka. »Irgendeine Idee?«
Der Gigant zuckte mit den Achseln und schüttelte eine Wolke Staub von den Schultern. »Die Everglades, Bäume, Wasser, Alligatoren.«
Sie waren auf vier Propellerbooten hergebracht worden. Als sie bei ihrem Ziel ankamen, hatte Hayden nichts gesehen, außer verfallene Wände und überwucherte Türen, doch im Inneren war der Ort ein richtiger, wenn auch unordentlicher Ausstellungsraum für die neueste Technik.
Die Gitterstäbe schepperten leise. Hayden drehte sich um und sah den Teufel, der für den Mord an drei CIA-Agenten verantwortlich war und der jetzt sein schmierig grinsendes Gesicht zwischen zwei Stäbe drückte. »Ed Boudreau.« Er steckte eine behandschuhte Hand hindurch und tat so, als würde er der Luft die Hand schütteln. »Falls ihr meinen Namen vergessen habt. Angenehm euch zu töten.«
»Ebenso«, flüsterte Hayden. Sie wusste, dass sie es nicht tun sollte, aber sie konnte sich einfach nicht bremsen. Ihr Vater hätte das garantiert besser gemacht, er hatte es ihr auch besser beigebracht.
»Sie sehen ein wenig durcheinander und derangiert aus, meine Liebe«, meinte Boudreau. »Oje, ist das etwa Hirn in Ihren Haaren? Wer hätte gedacht, dass ein gegnerischer Agent überhaupt eines hat und dann verliert er es auch noch, was?«
Hinter ihr stemmte sich jetzt Kinimaka auf die Beine und drückte sich kraftvoll an der Wand ab. Sie sah ihn nicht, aber sie hörte es.
»Hey, hey, Dickerchen«, meinte Boudreau lachend. »Immer mit der Ruhe. Ich fange nämlich gar nicht mit einem von euch beiden an.« Sein Blick fiel auf Godwin. »Hi.«
»Was wollen Sie?« Hayden betrachtete immer noch unauffällig die Umgebung und sie wusste genau, dass die beiden anderen es ebenso taten.
»Sie haben das Thema vorhin kurz angesprochen, erinnern Sie sich? Als Ihre Freunde gestorben sind. Es ist ein örtliches Phänomen, bekannt als das Bermudadreieck. Gibt es schon ein paar Jahre. Sagen Sie mir alles, was Sie darüber wissen.«
»Okay«, sagte Hayden und sah weg. »Es ist ein Song von Barry Manilow. Anfang der Achtziger, glaube ich. Haben wir jetzt einen Preis gewonnen?«
»Er hat gewonnen.« Boudreau zeigte auf Godwin. Wachen erschienen und richteten tödlich aussehende Waffen auf Kinimaka und sie. »Keine Bewegung.«
Hayden biss sich auf die Lippen. Sie waren sowieso so gut wie tot. Wieso sollte sie nicht ihr Glück herausfordern, solange sie noch zu dritt waren? Wieso noch warten?
Überlebe, so lange wie du kannst. Der alte Glaubenssatz der Jayes, der ihr von ihrem Vater beigebracht worden war, der selbst ein respektierter Polizist gewesen war, war ihr unauslöschlich ins Hirn gebrannt. Von einer Minute zur nächsten und zur nächsten. Keine Provokation. Jeder vergangene Moment kann dir die Möglichkeit verschaffen, die du brauchst.
Godwin wehrte sich heftig und verpasste einer der Wachen sogar eine blutige Nase, aber er konnte es nun mal nicht mit dreien auf einmal aufnehmen. Sie zerrten ihn grob aus der Zelle und warfen ihn dann vor Boudreau auf den Boden. »Wir machen das jetzt ganz einfach«, erklärte der Anführer und holte sein Kampfmesser heraus. »Sag mir alles, was du weißt, und es geht schnell. Erzähl mir Blödsinn und ich schneide ein Stück nach dem anderen von ihm ab.« Sein Grinsen machte Hayden zweifelsfrei klar, welches Szenario er bevorzugte.
»Hören Sie!« Sie hoffte, dass ihre Stimme nicht zu verzweifelt klang, doch sie konnte es einfach nicht ertragen, mit anzusehen, wie ein weiteres Mitglied ihres Teams vor ihren Augen ermordet wurde. Gesunder Menschenverstand und ihre Ausbildung hingegen drängten sie, verdammt noch mal den Mund zu halten. Herz und Verstand sagten etwas anderes. Das da auf dem Boden war Wyatt Godwin, Ehemann, dreifacher Vater, Surfer, Stammgast in der Cheesecake Factory an der Coconut Grove.
»Wir wissen nicht viel, und das, was wir erfahren haben, wissen wir auch erst seit gestern.« War es wirklich erst gestern gewesen, dass ihr Team gelacht hatte, aufgeregt gewesen war, und sich auf die Zukunft gefreut hatte? Hatte sie wirklich erst gestern mit Ben Blake geredet, und war hin- und hergerissen gewesen, ob sie beide eine gemeinsame Zukunft hatten?
»Es hat etwas mit der Queen Anne’s Revenge zu tun«, sprudelte Hayden hervor. »Das Schiff von Blackbeard.«
Wenn ihr Vater sie jetzt beobachten könnte … der Cop in ihm sähe es garantiert nicht gern, dass sie Geheimnisse ausplauderte.
»Der Pirat?« Boudreau grinste herablassend.
»Ja. Sie haben das Schiff 1996 vor der Küste North Carolinas gefunden und seitdem daran gearbeitet, es zu bergen und zu erhalten. Und, na ja, Piraten neigten nun mal dazu, eine Menge Schätze anzuhäufen.«
Überraschenderweise lachte Boudreau jetzt nicht mehr, sondern hörte aufmerksam zu. »Als Nächstes erzählen Sie mir noch, dass das Bermudadreieck nichts anderes ist als ein Piratenschatz.«
Bei diesen Worten versenkte Boudreau das Messer bis zum Griff in Godwins Oberschenkel. Das Ganze geschah so plötzlich, dass selbst Godwin erst eine Sekunde lang überrascht darauf starrte. Dann drehte Boudreau den Griff, riss die Klinge zurück und Godwin wand sich und schrie. Blut strömte durch seine Hose und über den Boden.
»Sonst noch etwas?«
Hayden schwieg.
»Erzählen Sie mir jetzt etwas über den Blutkönig«, brüllte Boudreau. »Sagen Sie mir, was Sie über den Blutkönig wissen.«
Hayden machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Boudreau war mittlerweile ganz rot im Gesicht und Speichel spritzte ihm von den Lippen. Verflucht, allein die Erwähnung des Blutkönigs schien bei diesem amerikanischen knallharten Gangster einen Anfall auszulösen.
Wie konnte das sein?
»Wir wissen nichts, Boudreau. Abgesehen von seinem Titel, und dass er nach dem Gegenstand sucht, der von der Queen Anne’s Revenge geborgen wurde. Das ist alles.«
Sie warf Godwin einen mitleidigen Blick zu. Die Augen des Mannes hatten sich nach hinten verdreht. Ein Wachmann trat ihn, ein anderer stach auf ihn ein. Fünf Minuten später lag ein weiterer CIA-Agent bewegungslos in einer Blutlache am Boden, gestorben durch die Hand von Boudreau.
Hayden sah Mano Kinimaka in die Augen. Es war ein Blick, der das Ende signalisierte und zugleich einen Abschied. Ein Blick, der sagte: Beurteile mich nicht danach, wie ich sterbe, sondern beurteile mich danach, wie ich gelebt habe.
Kinimaka zog in einem Ausdruck des Bedauerns die Brauen hoch. Der Hawaiianer war ein sehr offener Mensch, der nicht daran gewöhnt war, seine Gefühle zu verbergen.
Boudreau kam zu ihrem Käfig, klopfte mit dem Messer gegen die Stäbe und verspritzte dabei Blut auf dem Boden.
»Sind Sie bereit?« Er grinste Hayden irr an.
Plötzlich schrie jemand, ein ängstliches Heulen, das vollkommen fehl am Platz wirkte, bei dem Schlägertypen, der ein Satellitentelefon in der Hand hielt.
»Boudreau!«
Boudreau drehte sich verärgert um. »Was ist los?«
»Er ist es! Er ist es!« Er hielt das Telefon in die Höhe, als stünde es in Flammen.
Hayden betrachtete Boudreau und sah, wie sich sein Gesichtsausdruck sofort von Zorn zu absolutem Horror wandelte.
In Sekunden.
Hayden starrte ihn vollkommen erstaunt an. Wer auch immer am anderen Ende des Satellitentelefons war, sorgte dafür, dass einer der furchteinflößendsten und geschicktesten Gegner, den sie bisher getroffen hatte, sich vor Angst fast in die Hosen machte.
Das führte zwangsläufig zu der offensichtlichen Frage: Wer war es?
Der Blutkönig?
Hayden ließ sich gegen die hintere Wand der Zelle sinken und war dankbar für den Aufschub.
Bis sie auf dem Miami International landeten, standen Drake, Ben und Kennedy die ganze Zeit unter Strom. Die Reise war lang und anstrengend gewesen und sie hatten währenddessen kein Wort von ihren Quellen über die angeforderten Informationen gehört. Drake hoffte, jemand würde sie nach der Landung kontaktieren, aber er vermutete, dass Justin Harrison ihnen vielleicht nicht so viel Hilfe bieten konnte, wie er zuerst versprochen hatte.
Sie gingen nun am Zoll vorbei und durch die Schleusen, jeden Schritt unter Hochspannung. Dann begaben sie sich ins Gedränge des Flughafens, wobei sie sorgfältig die Menge überprüften. Ben sah ihren Kontakt zuerst.
Gruppe Drake, stand in großen, schwarzen Buchstaben auf dem Schild.
Die drei eilten zu ihm und Drake fragte sich, wie er die Laune seines besten Freundes heben konnte. Witze reißen stand momentan nicht zur Debatte, Unterstützung war zwar immer gut, aber der Mangel an Neuigkeiten und fehlender Kontakt machten sie alle nervös.
Ihr Chauffeur steuerte den Wagen schweigend, fuhr sie durch Miami und dann über eine der weit ausladenden Brücken, die an den Strand führten, und hielt schließlich vor einem großen, weißen Hotel namens Fontainbleau an. Drake rieb sich während der Fahrt die ganze Zeit den Nasenrücken, zum Teil, um die Spannung und die Müdigkeit zu vertreiben, aber auch, um einen Moment innezuhalten und sich an die enorme Größe der Stadt zu gewöhnen, verglichen mit derjenigen, die sie gerade erst hinter sich gelassen hatten.