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Portia Gateway hat gerade ihre Mutter zu Grabe getragen, als sie noch auf dem Friedhof einem fremden Mann begegnet. Maximilian Binders Aufgabe ist es, Portia eine Botschaft ihres verstorbenen Vaters zu überbringen. Diese Botschaft soll die junge Frau dort erhalten, wo ihr Vater am glücklichsten war: in seinem Buchladen im Londoner Stadtteil Richmond. Als die beiden den Laden schließlich betreten, eröffnet sich für Portia eine Welt, die ihre kühnsten Träume übersteigt ...
Ein Prequel zum Buch der gelöschten Wörter
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 43
Das Buch der gelöschten Wörter – Der erste Federstrich
Das Buch der gelöschten Wörter – Zwischen den Seiten
Das Buch der gelöschten Wörter – Die letzten Zeilen
Portia Gateway hat gerade ihre Mutter zu Grabe getragen, als sie noch auf dem Friedhof einem fremden Mann begegnet. Maximilian Binders Aufgabe ist es, Portia eine Botschaft ihres verstorbenen Vaters zu überbringen. Diese Botschaft soll die junge Frau dort erhalten, wo ihr Vater am glücklichsten war: in seinem Buchladen im Londoner Stadtteil Richmond. Als die beiden den Laden schließlich betreten, eröffnet sich für Portia eine Welt, die ihre kühnsten Träume übersteigt …
Mary E. Garner träumte sich schon immer gern in die Welten ihrer Lieblingsbücher. Bevorzugt jene, die in ihrem geliebten England spielen. Ihrer persönlichen Leidenschaft zur großen Insel und deren literarischen Figuren entsprang die Idee zu Das Buch der gelöschten Wörter, in das sie nun auch ihre Leserschaft in entführt.
Originalausgabe
Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Covergestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven © Getty Images: Gang Zhou | TU-KA| Franck-Bosto | LokFung | Oleg Svetlov | Rawpixel | Xurzon | Brankospejs
eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7517-0945-3
Dieses eBook enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes »Das Buch der gelöschten Wörter – Der erste Federstrich« von Mary E. Garner.
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Der Friedhof war beinahe menschenleer.
Die wenigen Gäste, die zur Beisetzung gekommen waren, hatten bereits mit hochgeschlagenen Mantelkragen vor dem trostlosen Londoner Wetter kapituliert. Nur sie allein stand noch hier und starrte auf das Loch im Boden, in dem nur wenige Klumpen Erde den schlichten, hölzernen Deckel bedeckten.
Die Sache war die: Sie wollte nicht heimgehen. Dort wartete niemand auf sie. Und die Wohnung war voll mit Erinnerungen, die sie bedrängen würden, wie sie es in den letzten Tagen schon getan hatten. Doch es war kalt. Und die Dämmerung setzte bereits ein. So wandte sie sich um und ging mit steifen Schritten den Weg zur Eingangspforte entlang. Wenn sie Glück hatte, würde sie an der Straßenecke am Taxistand einen der schwarzen Wagen erwischen.
Der Fremde, der direkt am Tor zur Straße stand, fiel ihr erst auf, als sie bereits den Wasserhahn passierte, an dem ein gefrorener Eiszapfen im dezemberkalten Licht der Straßenlaterne glitzerte. Der Mann war groß und kräftig, in einen knielangen Tweed-Mantel gekleidet, auf dem Kopf eine Balmoral-Kappe, die ihn wie irgendetwas zwischen altmodisch und besonders hip wirken ließ.
Sie hielt inne, zögerte.
Mit ihrer hohen, dünnen Gestalt und dem scharf geschnittenen Gesicht, aus dem sie die krähenschwarzen Haare streng zurückgekämmt trug, war sie nicht der Typ Frau, dem Männer in der Abenddämmerung auflauerten. Und erst recht nicht jetzt, da ihre schwarze Kleidung samt schlichtem Hut verdeutlichte, dass sie Trauer trug. Aber dieser Fremde dort blickte ihr auf eine Weise entgegen, die keinen Zweifel daran ließ, dass er genau auf sie wartete.
Schon hatte sie beschlossen, einen Umweg in Kauf und den Seitenausgang zu nehmen, da sprach er sie an.
»Haben Sie keine Angst, ich will Ihnen nichts tun. Ich bin ein Freund Ihres Vaters.« Seine Stimme war tief und vertrauenerweckend, obwohl er nicht viel älter als sie selbst sein konnte, Mitte zwanzig vielleicht.
Sie überlegte kurz, sich einfach abzuwenden und loszulaufen. Doch die unbequemen schwarzen Schuhe drückten jetzt schon und würden einem echten Spurt wohl kaum standhalten.
»Das kann nicht sein«, erwiderte sie daher möglichst selbstbewusst. »Mein Vater ist seit vielen Jahren tot. Sie können ihn nicht kennen.«
Er kam ein paar Schritte näher, und sie wich reflexartig zurück. Als er es sah, blieb er erneut stehen.
»Sie irren sich. Ich habe ihn gut gekannt. Er hat mir mein Handwerk beigebracht, das Buchbinden. Obwohl er selbst natürlich Buchhändler war. Er hat mich die Liebe zu Büchern gelehrt. Er ist tot, ja, aber nicht seit Ihrer Kindheit, wie ihre Mutter es ihnen gesagt hat. Er ist erst vor zwei Jahren gestorben.«
In ihrem Kopf machte sich Schwindel breit. Ihre Kehle war mit einem Schlag staubtrocken.
»Was … was fällt Ihnen ein?«, krächzte sie mühsam. »Ich habe gerade meine Mutter beerdigt, und Sie kommen mit so einer Lüge daher.«
»Ich weiß. Es tut mir sehr leid.« Er neigte um Entschuldigung bittend den Kopf, und es war diese Geste, die ihr mit spitzen Fingern ans Herz griff.
»Ihr Vater hat mir auf dem Sterbebett ein Versprechen abgenommen. Ich musste ihm schwören, dass ich Sie aufsuche, sobald Ihre Mutter nicht mehr ist. Er hatte von ihrer schweren Krankheit erfahren und wusste, dass bis zu meinem Besuch bei Ihnen nicht viel Zeit vergehen würde. Und nun bin ich hier.«
»Und was wollen Sie von mir? Wer sind Sie überhaupt?«
»Oh, verzeihen Sie!« Er nahm die Hände aus den Manteltaschen, tippte sich mit einem Finger an die Kappe und deutete eine kleine Verbeugung an.
Trotz seiner jungen Jahre ein bisschen antiquiert, dieser Kerl, fand sie. Aber genau das weckte ihr Vertrauen.
»Maximilian Binder. Buchbinder. Geschichtenliebhaber. Freund Ihres Vaters. Und sein Nachlassverwalter bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sie das Erbe antreten werden.«