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Dieser Band enthält folgende Krimis: Einer tötete die Engel (Wolf G. Rahn) Mörderspiel (Alfred Bekker) Manhattans Nächte sind gefährlich (A.F.Morland) Privatdetektiv Bount Reiniger bekommt den Auftrag, den Mord an Dave Booger aufzuklären. Zuerst verfolgt er eine falsche Spur, aber dann kombiniert er, dass der Ermordete einen Fehler in den Büchern einiger Klienten gefunden hat, denn Dave Booger war Buchprüfer. Kann Bount Reiniger die Puzzleteile zusammensetzen?
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Seitenzahl: 354
Der Detektiv gibt nicht auf! Krimi Paket 3 Romane N.Y.D. New York Detectives
Copyright
Einer tötete die Engel: N.Y.D. – New York Detectives
Die Hauptpersonen des Romans:
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Mörderspiel
Manhattans Nächte sind gefährlich: N.Y.D. – New York Detectives
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Einer tötete die Engel (Wolf G. Rahn)
Mörderspiel (Alfred Bekker)
Manhattans Nächte sind gefährlich (A.F.Morland)
Privatdetektiv Bount Reiniger bekommt den Auftrag, den Mord an Dave Booger aufzuklären. Zuerst verfolgt er eine falsche Spur, aber dann kombiniert er, dass der Ermordete einen Fehler in den Büchern einiger Klienten gefunden hat, denn Dave Booger war Buchprüfer. Kann Bount Reiniger die Puzzleteile zusammensetzen?
Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER TONY MASERO
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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Krimi von Wolf G. Rahn
Der Umfang dieses Buchs entspricht 110 Taschenbuchseiten.
Debbie Leigh verschwindet spurlos, und nur eine kurze Nachricht besagt, dass sie in Los Angeles Schauspielerin werden will. Ihre Eltern glauben das nicht und beauftragen den Privatdetektiv Bount Reiniger mit der Suche nach ihrer Tochter. Während der Suche wird Bount immer wieder mit Morden an hübschen jungen Frauen konfrontiert, und er findet einen schrecklichen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden von Debbie und den scheinbar unmotivierten Toten heraus.
Debbie Leigh – sie wird entführt und muss mit Entsetzen feststellen, dass es für sie kein Zurück gibt.
Terence Bloom – als man seinen Freund ermordet, versucht er die Hintergründe aufzuhellen.
Vic Atkins – er hat mehrere Gesichter, doch meist zeigt er das des Teufels.
Marco, Rick, Odysseus – die drei Gangster führen jeden Befehl aus, und ein Menschenleben bedeutet ihnen nichts.
June March – ist Bounts Assistentin und hilft ihm bei seinen Fällen.
Bount Reiniger – ist Privatdetektiv.
Debbie Leigh war schon tropfnass.
Ihr sonst seidiges, schwarzes Haar hing ihr in Strähnen ins Gesicht. Ihr war kalt.
Sie zog den Mantel fester um ihre Schultern und marschierte durch den strömenden Regen zum Bus. Aber sie gab sich keinen Illusionen hin. Dort würde sie warten müssen.
Wie durch ein Wunder tauchte doch noch ein Yellow Cab auf. Der weibliche Cab Driver lachte gut gelaunt, als Debbie den Wagen stoppte.
„Glück gehabt“, sagte die Frau. „Bin gerade frei geworden. Wo soll’s denn hingehen?“
Debbie nannte ihre Adresse und warf den Schlag hinter sich zu. Jetzt fand sie den Regen, der auf das Blechdach hämmerte, plötzlich richtig gemütlich.
Der Wagen fuhr an.
Die Fahrerin brauchte sich hinter ihren männlichen Kollegen nicht zu verstecken. Forsch bearbeitete sie das Gaspedal.
Debbie Leigh wurde Himmelangst. Aber wenigstens saß sie im Trockenen.
Sie befanden sich in Höhe der 72ten Straße, als der Wagen kurz stoppte. Die Türen wurden auf beiden Seiten aufgerissen. Zwei Männer drängten sich neben Debbie, ohne um Erlaubnis zu fragen.
Die Fahrerin räumte freiwillig ihren Platz. Sie stieg in einen olivfarbenen Mercury, der am Straßenrand wartete. Für sie klemmte sich ein Bursche hinters Lenkrad, der alles andere als einen vertrauenerweckenden Eindruck machte.
Bevor Debbie protestieren konnte, raste das Taxi wieder los. Bei der nächsten Kreuzung bog es links ab, und schon nach wenigen Augenblicken wusste sie, dass sie nicht nach Hause gebracht wurde.
„Was hat das denn zu bedeuten?“, fragte sie wütend. Ihre Angst zeigte sie nicht. „Lassen Sie mich sofort aussteigen!“
Der Mann zu ihrer Rechten, ein Kerl mit eisigen Augen und einem zynischen Lächeln, lachte auf.
„Es hat dich niemand gezwungen einzusteigen, meine Süße. Wenn du nicht weißt, was du willst, darfst du uns nicht die Schuld geben.“ Kidnapper! Ganz sicher handelte es sich um eine Entführung. Vielleicht rettete sie ein Bluff. Wenn die Gangster sich keinen Gewinn durch sie versprachen, gaben sie sie vielleicht frei.
Sie lachte gekünstelt,
„Ihr kommt euch wohl sehr schlau vor?“, höhnte sie. „Bildet ihr euch wirklich ein, für mich auch nur einen einzigen Dollar erpressen zu können? Mein Vater ist hoch verschuldet. Dem könnt ihr eher noch mit ein paar Scheinen aushelfen. Und auch sonst wüsste ich keinen, der etwas für mich zahlen könnte. Typisches Anfängerpech! Aber vielleicht lernt ihr es noch. Jeder muss am Beginn Lehrgeld bezahlen.“
Im Rückspiegel fing sie den Blick des Fahrers auf. Ein kleiner, aber gewalttätig wirkender Mensch mit einer entstellenden Narbe unter dem rechten Auge. Er verzog keine Miene. Enttäuschung war ihm nicht anzusehen.
Ihr linker Nachbar fingerte eine Zigarettenpackung aus seiner Jackentasche und klopfte ein Stäbchen heraus.
Er hielt ihr die Schachtel hin.
„Willst du auch eine?“, erkundigte er sich gelangweilt. „Wenn wir dich erst beim Boss abgeliefert haben, gibt es diese Vergünstigungen nicht mehr.“
Debbie rauchte nur gelegentlich. Jetzt aber brauchte sie etwas für ihre Nerven. Sie bediente sich und ließ sich Feuer geben.
Die Handrücken des Mannes waren stark behaart. Vom Nikotin hatten seine Fingerkuppen eine braune Farbe angenommen. Sie rochen widerlich.
Sie überlegte fieberhaft.
Es gab also einen Auftraggeber für die Entführung. Die drei Gangster, die das Taxi zweifellos nur als Tarnung benutzten, konnten keine Entscheidungen treffen.
Aber sie ließen sich vielleicht davon überzeugen, dass sie die Falsche erwischt hatten.
„Ihr werdet Ärger kriegen“, prophezeite sie, während sie an der Zigarette zog. Der Rauch übte eine beruhigende Wirkung auf sie aus. Plötzlich sah sie alles nicht mehr so schwarz. „Wenn euer Boss mich sieht, möchte ich nicht in eurer Haut stecken. Es ist ganz klar, dass ihr den falschen Vogel gefangen habt.“
Sie erhielt keine Antwort. Die Männer redeten auch nicht miteinander. Sie ließen sich nicht irritieren. Offenbar wussten sie genau, dass sie den Gegenwert von ein paar hunderttausend Dollar an Land gezogen hatten. Das waren keine Amateure.
Debbie Leigh wurde merklich ruhiger. Sie rauchte gelassen und lehnte sich zurück.
Ihr Vater würde jede Forderung erfüllen.
Die Frage war nur, ob man sie danach freiließ. Kidnapping war eine heiße Sache. Selbst wenn sie den Boss nicht zu sehen bekam, war sie doch in der Lage, ihre drei Entführer der Polizei zu beschreiben. Und auch die Frau, obwohl sie die nicht besonders genau betrachtet hatte.
Würden die Gangster dieses Risiko eingehen? War es nicht sicherer, sie umzubringen und irgendwo zu verscharren oder ins Wasser zu werfen?
Debbie spürte wieder ihre nasse Kleidung. Ihre Befürchtungen bereiteten ihr Unbehagen. Sie durfte keinen Fehler begehen.
„Noch ’ne Zigarette?“, hörte sie den Mann neben sich fragen.
Mechanisch griff sie danach. Wie eine Verdurstende trank sie den Rauch in sich hinein. Erst bei der vierten Zigarette keimte in ihr der Verdacht auf, dass wesentliche Bestandteile dieses beruhigenden Tabaks aus Thailand oder Pakistan stammten.
Sie wurde schläfrig.
Ganz nebenbei nahm sie wahr, dass sie sich den Außenbezirken der Stadt näherten. Ihr war jetzt alles egal.
Bount Reiniger wartete, bis sich das Ehepaar einigermaßen beruhigt hatte. Er konnte die Erregung verstehen. Sollte es sich tatsächlich um eine Entführung handeln, war Sorge angebracht.
Aber wenn ein zwanzigjähriges Mädchen nicht nach Hause kam, boten sich zum Glück noch harmlosere Gründe an. Besonders dann, wenn die Verschwundene ausgesprochen hübsch war, wie das Foto vor ihr bewies.
Hugh Leigh rang um Fassung. Er war Geschäftsmann und als solcher hart und nüchtern im Denken. Doch als seine Tochter am Vortag nicht nach Hause gekommen war und sich auch nicht gemeldet hatte, hatte auch er die Nerven verloren.
„Das hat sie noch nie getan“, versicherte er mühsam.
Seine Frau Stevie neben ihm weinte.
„Hat Ihre Tochter in letzter Zeit neue Bekanntschaften gemacht, von denen sie Ihnen erzählt hat?“, wollte Bount wissen.
„Da ist eigentlich nur Bud Hiller“, antwortete Stevie Leigh schluchzend. „Aber den kennt sie schon seit vier Monaten.“
„Kennen Sie ihn auch?“
„Nein. Aber wir wissen, wo er wohnt.“
„Ich nehme an, Sie haben dort bereits angerufen“, vermutete Bount.
Hugh Leigh nickte. „Wir haben ihn aber nicht erreicht. Auch in der Universität ist er nicht erschienen.“
„Könnte es nicht sein, dass die beiden mal ein paar ungestörte Tage verleben wollen?“
„Ja“, bestätigte die Frau zögernd, „aber das hätte uns Debbie gesagt. Sie weiß, dass wir nicht aus dem vorigen Jahrhundert stammen.“
Bount Reiniger hatte erfahren, dass die Leighs vorläufig noch nicht die Polizei informiert hatten. Sicherheitshalber. Sie wussten, dass Kidnapper darauf allergisch reagierten, und sie wollten die Sicherheit ihrer Tochter nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
Eine Lösegeldforderung war bisher noch nicht eingegangen. Niemand hatte sich mit den Eltern der Verschwundenen in Verbindung gesetzt.
Aber das konnte noch kommen. Hugh Leigh war durchaus in der Lage, die Wünsche von Kidnappern zu erfüllen. Sein Betrieb, in dem er Damenstrumpfhosen und Wäsche herstellte, lief nicht schlecht, wie er betont hatte.
Bount notierte sich eine Menge Adressen, die für Debbie Leigh irgendeine Bedeutung hatten. Er würde sie alle abklappern. Aber er hoffte, dass sich die Sorge der Leighs schon bald als unbegründet herausstellte.
Wenn er etwas nicht mochte, dann waren das Entführungen. Dies und Geiselnahme brachten ihn auf die Palme, weil sich Gangster dabei an unschuldige Menschen heranmachten und mit der Angst der Angehörigen spielten. Kidnapping war ein dreckiges Geschäft.
Vor allem wollte Bount sich aber um diesen Bud Hiller kümmern. Seinen Namen hatte er dick unterstrichen.
Bud Hiller wohnte in der 110ten Straße West. Nicht weit von der Columbia Universität entfernt. Auf Bounts Läuten öffnete allerdings niemand.
In dem Haus war es alles andere als ruhig, aber die Musik, die jetzt etwas leiser wurde, drang doch ganz eindeutig aus Hillers Wohnung.
Radios oder Abspielgeräte veränderten ihre Lautstärke nur in seltenen Fällen selbsttätig. Also musste jemand an einem Knopf gedreht haben.
Wenn er dazu in der Lage war, konnte man auch von ihm erwarten, dass er sich an die Wohnungstür bemühte.
Bount stemmte den Daumen wieder gegen den Klingelknopf und blieb beharrlich.
Gemäß dem alten Sprichwort „stetes Klingeln nervt das Trommelfell“ zeichneten sich bald erste Erfolge ab. Die Musik wurde jetzt endgültig abgedreht. Jemand fluchte verhalten, kam dann aber doch, um sich den Störenfried genauer anzusehen.
Die Tür wurde einen Spalt geöffnet.
Bount sah einen Mann von knapp dreißig Jahren, der in diesem Aufzug unmöglich die Vorlesungen an der Universität besuchen konnte.
Er trug lediglich ein Badetuch um die Hüften und eine unwirsche Miene auf dem Gesicht. Ein bisschen wenig für einen Jünger der Wissenschaften.
„Mister Hiller?“, vergewisserte sich Bount.
Der Mann zeigte ungehalten auf das Namensschild über der Klingel und blaffte: „Sie werden ja wohl noch lesen können, oder? Ist das alles, was Sie wissen wollten?“
Bount blieb höflich.
„Eigentlich habe ich nur schnell zwei Fragen an Debbie. Dann sind Sie mich wieder los.“
Der andere kniff die Augen zusammen und wollte die Tür zuschlagen.
In dem Moment schob Bount aber schon seinen Schuh dazwischen. Das konnte ihm zwar Ärger einbringen, doch er hatte den Eindruck, dass sich der Jüngere viel eher vor Ärger fürchtete.
„Sie haben vergessen, mich hineinzubitten, Mister Hiller“, sagte er mit gewinnendem Lächeln.
„Zischen Sie ab! Ich kenne keine Debbie.“
„Debbie Leigh. Sie haben sie vor vier Monaten kennengelernt. Ein hübsches Girl, das Sie unmöglich schon vergessen haben können. Zumal ich sie vorhin gehört habe. Machen Sie also keinen Zirkus! Es geht um eine Erbschaft. Ich muss das Mädchen unbedingt sprechen.“
„Wirf die Leinen los!“ Bud Hiller zeigte sich zu keiner Einigung bereit. „Hier ist keine Debbie Leigh.“
„Darf ich nachsehen?“
„Nein!“
Bount stemmte sich gegen die Tür und erwies sich stärker als der andere, zumal dieser sein Handtuch krampfhaft festhielt.
„Mein Name ist Reiniger“, stellte er sich vor. „Ich befasse mich intensiv mit Verbrechen aller Art. Verschwundene Mädchen interessieren mich besonders.“
Er ging an Bud Hiller vorbei, obwohl dieser lautstark protestierte.
Als er die gegenüberliegende Tür aufstieß, empfing ihn ein schriller Aufschrei.
Er blickte in ein Schlafzimmer, in dem ein ausladendes Bett stand. Darauf lag eine Blondine und bemühte sich, schnellstens ihre Blöße zu bedecken.
Bount murmelte eine Entschuldigung und zog sich zurück. Fragend sah er den Wohnungsinhaber an.
„Debbie wird nicht gerade erfreut sein, wenn sie das erfährt“, befürchtete er. Dass es sich bei der Blondine nicht um die Gesuchte handelte, stand fest. Debbie Leigh besaß pechschwarze Haare. Sie war auch besser proportioniert.
Bud Hiller fasste ihn vertraulich am Arm.
„Hör zu, Reiniger“, raunte er. „Wir Männer müssen zusammenhalten. Penny braucht von Debbie nichts zu erfahren. Sie macht mir sonst die Hölle heiß. Und umgekehrt ist es genauso. Ich gebe dir zwanzig Dollar, und dann vergisst du, was du hier gesehen hast.“
„Von deinen zahlreichen Freundinnen interessiert mich nur Debbie“, stellte Bount richtig. „Ihre Eltern fürchten, dass sie entführt wurde. Und wenn du nicht willst, dass dich die Polizei gründlich durchleuchtet, solltest du mir schleunigst alles verraten, was du darüber weißt.“
Bud Hiller bekam eine Gänsehaut. Das Handtuch wärmte nicht besonders. Vor allem aber ließ ihn der Gedanke frösteln, mit Kidnapping in Verbindung gebracht zu werden. Das fand er gar nicht lustig.
„Entführung ist doch Quatsch“, meinte er zögernd.
„Wann hast du sie zuletzt gesehen?“
„Vorgestern. Ich habe mich jeden zweiten Tag mit ihr getroffen.“
„Und die restlichen Tage mit Penny? Nach meiner Rechnung wäre dann aber heute Debbie an der Reihe. Irgend etwas stimmt scheinbar mit deiner Buchführung nicht. Oder mit deiner Aussage. Zieh dich an! Wir fahren zur Polizei.“
„Penny ist noch seit gestern hier“, behauptete Hiller. „Deshalb habe ich heute ja auch die Vorlesungen versäumt. Debbie sehe ich erst abends.“ Das konnte stimmen. Musste aber nicht.
Bount ließ keinen Zweifel offen.
„Bei Entführung schaltet sich das FBI ein. Die erwischen so ziemlich jeden. Auch wenn du nur davon gewusst hast, bist du mit dran. Wenn du also was zu sagen hast, spuck’s lieber gleich aus. Du sparst dir ’ne Menge Unannehmlichkeiten.“
Bud Hiller biss sich auf die Unterlippe. Energisch schüttelte er den Kopf.
„Ich habe nichts damit zu tun. Entführt? Mein Gott! Wer kann denn so etwas tun? Ich kann es nicht glauben. Ich melde mich, falls ich Debbie heute sehe.“
„Wann würde das denn sein?“
„So gegen acht. Wir wollen eine Disco unsicher machen.“
Bount gab ihm seine Karte.
Bud Hiller bekam große Augen. „Du bist ja tatsächlich ’n richtiger Detektiv. Mann, dann ist das also kein schlechter Witz? Verdammt! Du schätzt mich vielleicht falsch ein. Die Weiber fliegen nun mal auf mich. Das kennst du bestimmt. Du siehst ja auch ganz passabel aus. Ich wäre doch blöd, würde ich nicht nehmen, was sich mir bietet. Aber das mit Debbie tut mir leid. Ehrlich! Oder glaubst du mir nicht?“
„Das spielt keine Rolle“, antwortete Bount. „Jedenfalls werde ich dich im Auge behalten. Und wenn ich dir etwas nachweisen kann, wirst du dich an ein unbequemeres Bett gewöhnen müssen.“
Bount suchte noch Debbie Leighs Freundinnen auf, die bereits von deren Mutter informiert worden waren.
Keine hatte eine harmlose Erklärung für das Verschwinden. Es gab aber auch keinen Verdacht.
Bount tappte auf der Stelle.
Obwohl er den Leighs hatte versprechen müssen, nicht die Polizei einzuschalten, hielt er es für richtig, sich wenigstens mit Toby Rogers zu unterhalten.
Toby war nicht nur Leiter der Mordkommission Manhattan C/II, er war auch Bounts Freund. Deshalb konnte er mit ihm sprechen, ohne befürchten zu müssen, damit gleich die gewaltige Polizeimaschinerie in Gang zu setzen.
Der Captain hatte einen weitaus besseren Überblick über die aktuellen Verbrechen in der Stadt als er selbst. Vielleicht erhielt er von ihm einen brauchbaren Anhaltspunkt.
Der Dicke befand sich gerade im Stress und hatte wenig Zeit für ein gemütliches Gespräch. In seinem Büro ging es rund. Anscheinend hatte die New Yorker Unterwelt gerade wieder blutig zugeschlagen.
Bount setzte sich auf den Besucherstuhl und zündete sich eine Pall Mall an. Dabei spitzte er seine Ohren, konnte aber nicht herausbekommen, was eigentlich los war. Nur dass es um einen Mord ging, war klar. Anscheinend hatte man eine Frauenleiche aus dem Hudson gefischt. Scheußliche Sache!
Als sich die ärgste Aufregung gelegt und Captain Rogers alle erforderlichen Anordnungen getroffen hatte, konnte er sich seinem Besucher widmen.
„Du kommst in einem ungünstigen Moment“, stellte er fest. „Bei uns ist wieder mal der Teufel los.“
„Frauenmord?“
„Selbstmord oder Unglücksfall scheiden aus. Die Ärmste konnte schon identifiziert werden, weil sie als entführt gemeldet worden war.“
Bei Bount Reiniger schlug eine Glocke Alarm. „Entführt? Um wen handelt es sich?“
„Kathy Fire. Sie wohnte erst seit einem Vierteljahr in unserer Stadt, weil sie hier einen Job bekommen hatte. Den hatte ihr ihr Verlobter beschafft, mit dem sie auch die Wohnung teilte. Vor zehn Tagen verschwand sie, und ihr Verlobter alarmierte uns. Sie rief ihn zwar schon einen oder zwei Tage später an und bat ihn um Verständnis. Angeblich hatte sie an der Westküste einen besser bezahlten Job gefunden. Sie wollte sich wieder bei ihm melden. Aber sie ließ nichts mehr von sich hören, und ihr Verlobter traute auch dem Frieden irgendwie nicht. Es war nicht Kathys Art, einfach fortzufahren. Seine Befürchtungen haben sich bestätigt. Offensichtlich hatte sie New York gar nicht verlassen. Bevor man sie in den Hudson warf, hat man sie erschossen. Von den Tätern fehlt bisher jegliche Spur.“
„Hast du ein Foto von ihr?“, wollte Bount wissen.
Toby Rogers hatte die Akte vor sich liegen. Darin waren Fotos von der Lebenden und der Toten enthalten.
Sie musste sehr attraktiv gewesen sein. Und noch nicht alt. Höchstens fünfundzwanzig.
„Du hast doch was auf dem Herzen“, vermutete der Captain.
Bount rückte mit der Sprache heraus.
„Sollen wir diesen Bud Hiller beobachten?“, fragte Toby Rogers.
Bount schüttelte den Kopf. „Das wird nicht nötig sein. Der Junge hat nicht die Nerven für einen solchen Coup. Außerdem ist es durchaus denkbar, dass Kathy Fire sterben musste, weil ihr Verlobter die Polizei eingeschaltet hatte.“
„Denkbar“, gab der Dicke zu, „aber die Gangster hatten sich mit dem Mann ja überhaupt nicht in Verbindung gesetzt. Es sieht eher so aus, dass das Mädchen gar nicht gewaltsam entführt wurde. Vermutlich geriet sie an einen Zuhälter oder etwas in dieser Preislage. Als sie sich dann absetzen wollte, wurde sie zum Schweigen gebracht.“
Bount konnte sich mit dieser Theorie nicht anfreunden, hatte ihr aber nichts entgegenzusetzen.
Er bat Toby, den Computer nach Bud Hillers Charakter zu fragen, und der Captain veranlasste es.
Eine Viertelstunde später hatten sie die Antwort.
„Betrug, Hochstapelei und versuchter Heiratsschwindel“, las Toby Rogers vor. „Ein strebsamer Mann mit höheren Ambitionen. Warum sollte er nicht eine Stufe auf der Leiter des Verbrechens höher geklettert sein?“
„Das werden wir wissen, falls entsprechende Forderungen bei den Leighs eingehen“, meinte Bount.
Er verabschiedete sich nach einiger Zeit. Toby hatte ihm nicht weiterhelfen können.
In seinem Büro strahlte ihn June March an. Sie war bester Laune.
„Du hast einen Auftrag verloren“, verkündete sie so heiter, als handelte es sich bei dieser Nachricht um einen Lotteriegewinn. „Debbie Leigh ist wieder aufgetaucht.“
Bount atmete auf. Während der Fahrt hierher hatten ihn schwere Befürchtungen gedrückt.
„Wo hat sie denn gesteckt?“, erkundigte er sich.
„Sie steckt noch immer, aber sie hat ihre Eltern angerufen. Von Los Angeles aus. Sie hat es sich in den Kopf gesetzt, dort eine Filmkarriere zu starten. Da sie fürchtete, damit zu Hause auf Widerstand zu stoßen, ist sie heimlich abgereist. Mister Leigh bittet dich um deine Rechnung. Er ist sehr erleichtert, dass es seiner Tochter gutgeht.“
„Ich fürchte“, sagte Bount, „dazu hat er nicht den geringsten Grund.“
Er berichtete June, was er von Toby Rogers erfahren hatte, und nun sah auch sie deutlich die Parallelen.
„Du hast also den Verdacht, Debbie Leigh könnte einem Zuhälterring in die Hände gefallen sein.“
„Dafür sprechen die ausbleibenden Lösegeldforderungen. Wenn das Mädchen nicht mitspielt, wird man es demnächst auch aus dem Wasser ziehen.“
„Aber könnte es nicht trotzdem sein, dass in diesem Fall alles ganz harmlos ist?“, meinte die Blondine hoffnungsvoll.
Bount nickte. „Natürlich könnte es das. Ich habe aber nicht die Absicht, mich darauf zu verlassen.“
Bount fuhr zu den Leighs und ließ sich haargenau die Umstände des Telefongesprächs mit ihrer Tochter erzählen.
Sie hatte vor ungefähr zwei Stunden angerufen und sich für ihr rücksichtsloses Verhalten entschuldigt.
„Sie hat sich in den Kopf gesetzt, ohne Protektion durch ihren Vater Karriere zu machen“, berichtete Hugh Leigh voller Stolz.
„Haben Sie ihre Adresse in L.A.?“
Der Unternehmer hatte sie notiert. Es handelte sich um ein kleines Apartment in der Yale Street, das sie mit einer Gleichaltrigen teilte.
Bount bat, das Telefon benutzen zu dürfen.
„Sie hat noch kein Telefon“, erklärte Leigh. „Sie hat von einer Agentur aus angerufen. Eine Stellenvermittlung.“
„Ich möchte trotzdem telefonieren“, beharrte Bount. Er war noch längst nicht beruhigt.
Er rief Toby Rogers an und bat diesen, Nachforschungen anzustellen, ob das Mädchen tatsächlich an der angegebenen Adresse bekannt war. Ihm würde man die Auskunft nicht verweigern.
Während er auf den Bescheid wartete, bat er, sich Debbies Zimmer ansehen zu dürfen.
Auch das wurde ihm gestattet.
Es war die typische Bude einer Zwanzigjährigen. Grelle Poster klebten an den Wänden. Eine Hifi-Anlage stellte das Herz des Zimmers dar. Die Plattensammlung beinhaltete die neuesten Hits.
Auf einem flachen Tisch stand ein gerahmtes Foto von Bud Hiller. Der Bursche wirkte auf dem Bild richtig brav.
„Hat Ihre Tochter denn jemals den Wunsch geäußert, zum Film zu gehen?“ fragte Bount.
Stevie Leigh musste verneinen. Sie gab aber zu bedenken, dass sich die Berufswünsche ihrer Tochter schon mehrfach geändert hatten.
„In ihrem Alter ist das normal“, fand sie.
„Haben Sie die Stimme Ihrer Tochter am Telefon hundertprozentig erkannt?“, wollte Bount wissen.
Die Frau bestätigte es spontan.
„Ich habe selbst mit ihr gesprochen. Sie klang keineswegs so, als würde jemand mit einem Revolver hinter ihr stehen. Sie war ganz ruhig. Es tut uns leid, dass wir Sie umsonst bemüht haben, Mister Reiniger.“
„Mir nicht, Mistress Leigh. Falls es wirklich umsonst war.“
Toby Rogers meldete sich überraschend schnell. Er brachte keine gute Nachricht.
„Die angegebene Adresse gibt es tatsächlich in Los Angeles“, berichtete er. „Es handelt sich aber um kein Apartmenthaus, sondern um ein reines Bürogebäude. Eine Debbie Leigh ist dort nicht bekannt. Das Mädchen ist auch vorläufig nicht in der Stadt gemeldet, was aber nichts besagen will. Die Kollegen bleiben mit mir in Verbindung. Sobald sie etwas in Erfahrung bringen, geben sie mir Bescheid.“
Bount bedankte sich und gab sein neu erworbenes Wissen an das Ehepaar Leigh weiter.
„Aber sie hat angerufen“, trumpfte der Strumpfhosenfabrikant auf. „Warum hätte sie das tun und uns trotzdem anlügen sollen? Wir haben vielleicht die falsche Hausnummer notiert. Das kann doch vorkommen.“
„Wenn Sie Recht behalten, bin ich der letzte, der das bedauert. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Mister Leigh.“
„Schießen Sie los! Man hat Sie uns als seriösen Vertreter Ihrer Berufsgattung empfohlen. Wir vertrauen Ihnen und glauben nicht, dass Ihnen nur an ein paar Tagessätzen liegt.“
„Ganz sicher nicht. Ich werde nach Los Angeles fliegen und dort Ihre Tochter suchen. Zuerst nehme ich mir die Yale Street vor und dann sämtliche Agenturen, die sich mit der Vermittlung von Schauspielern befassen. Ich werde die Schauspielschulen durchkämmen und zu den Studios fahren. Ich werde mich in den Künstlerlokalen herumtreiben und die Lokale aufsuchen, die sich ein Mädchen ohne Geld leisten kann. Wenn sich Ihre Tochter in Los Angeles befindet, werde ich sie entdecken. Geben Sie mir drei Tage!“
Hugh Leigh sah seine Frau fragend an. Er las ihr stummes Einverständnis von den Augen ab.
„In Ordnung!“, sagte er. „Und sparen Sie nicht mit Telefongebühren. Ich möchte, dass Sie mich mindestens alle fünf Stunden anrufen und über Ihre Erfolge unterrichten. Sollte sich Debbie in der Zwischenzeit wieder bei uns melden, werden wir Ihnen das mitteilen. Wir sagen auch Ihrer Assistentin Bescheid. Oder nehmen Sie sie mit?“
„Nein, sie bleibt hier und steht Ihnen zur Verfügung. Wenn Sie mir jetzt noch ein paar neuere Fotos Ihrer Tochter geben, kann ich mit der Suche beginnen.“
Bount erhielt die gewünschten Bilder und rief June an, damit sie ihm ein Ticket nach Los Angeles besorgte.
Ein ganzer Kontinent trennte ihn von dieser Stadt. Er wollte eine Frau unter drei Millionen Einwohnern und einer erklecklichen Anzahl von Touristen aufstöbern.
Bount hatte sich eine Menge vorgenommen.
Edmund Jackson zwinkerte mit den Augen, obwohl er so fett war, dass er sie kaum zubekam.
„Tut mir leid, dass ich dich verabschieden muss, Terry. Ich habe da einen ganz steilen Zahn aufgerissen. Den möchte ich in aller Ruhe testen. Bei aller Freundschaft, aber dabei bist du im Weg.“
„Kann ich verstehen, Ed. Stellst du mir die Superfrau wenigstens mal vor?“
Der Dicke lachte dröhnend, dass die Flaschen in der Hotelbar klirrten.
„Damit du sie mir ausspannst, was? Kommt nicht in Frage. Das ist eine geschlossene Veranstaltung. Sei nicht böse. Wenn du von Kalifornien zurückkommst, kannst du uns vielleicht schon zur Verlobung gratulieren.“
„Donnerwetter!“ Der Freund staunte. „Dich hat’s aber mächtig gepackt. Vom Heiraten habe ich dich noch nie reden hören.“
„Man muss eben erst die Richtige finden.“
Terence Bloom zog seine Stirn kraus.
Sein Freund lachte wieder.
„Ich sehe dir an, was du denkst, Terry. Wenn ein hübsches Mädchen dieses fette Schwein heiratet, tut sie es nur, weil er steinreich ist.“
„Nun ja …“
„Na, wenn schon! Mir ist ’ne Junge, Hübsche lieber, die auf mein Geld scharf ist, als ’ne Alte, Hässliche, mit der ich nur im Dunkeln auf die Straße gehen kann. Ich kann nicht erwarten, um meiner selbst Willen geliebt zu werden. Das macht mir nichts aus. Wenn ich mir eine Frau kaufen muss, dann kaufe ich sie eben.“
„Weiß sie, wie reich du bist?“
„Das weiß ich ja selbst nicht mal ganz genau, Terry. Ich habe mir für sie eine kleine Überraschung ausgedacht. Sie soll sich ihr Verlobungsgeschenk selbst aussuchen.“
Er klopfte mit der flachen Hand gegen die Jackentasche, in der sich ein flaches Etui beachtlicher Größe abzeichnete.
„Geiz kann man dir nicht nachsagen“, stellte Terence Bloom fest und trank sein Glas leer.
Er rutschte vom Barhocker und schlug dem Dicken auf die Schulter.
„Alles Gute, du Schwerenöter! Ich rufe dich mal an. Muss doch schließlich wissen, ob ich bald für ein Hochzeitsgeschenk sparen muss.“
Edmund Jackson verließ mit ihm die Bar. Er begleitete ihn bis zu seinem Wagen und kehrte dann um.
Dass sich Edmund noch besorgt nach ihm umdrehte und den Kopf schüttelte, bevor er den Motor startete und losfuhr, nahm er nicht mehr zur Kenntnis.
Seine Aufmerksamkeit wurde voll und ganz durch eine atemberaubend verführerische Frau in Anspruch genommen, die einem Taxi entstieg und lächelnd auf ihn zueilte.
Er zog unwillkürlich den Bauch etwas ein, was aber lediglich seiner Rückseite zugute kam.
Er breitete seine Arme aus und begrüßte sie mit einem Schmatzen.
„Du bist pünktlich, Liebste“, flötete er. So konnte er sonst nur schmeicheln, wenn es darum ging, den Preis für eine Baumwollplantage zu drücken.
„Ich werde dich doch nicht warten lassen“, schmeichelte sie zurück. „Der Tag ist mir sehr lang geworden. Ich konnte es kaum noch erwarten, dich zu sehen.“
„Ist das wahr, Jessy?“ Sein Kehlkopf hüpfte aufgeregt auf und ab.
Sie schlang stürmisch die Arme um seinen Hals oder jedenfalls um jene Stelle, an der sich bei anderen Männern der Hals befand. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange, die sich vor Erregung rötete.
„Ich habe eine Überraschung für dich“, sagte er heiser.
„Was ist es?“, wollte sie neugierig wissen und schmiegte sich an ihn.
„Das kann ich dir nicht auf der Straße zeigen, Jessy. Gehen wir hinauf. Ich habe eine Flasche Champagner aufs Zimmer bestellt. Nur für dich. Ich bleibe lieber beim Bourbon. Der ist nicht so süß.“
„Du verwöhnst mich, Ed.“
Eng umschlungen betraten sie das Hotel. Es war das teuerste in Jonesboro.
Mit dem Lift fuhren sie zur vierten Etage, gingen ein paar Schritte den Gang entlang und verschwanden hinter der Tür mit der Nummer vierhundertsechzehn.
Es war eine ganze Suite.
Edmund Jackson hatte Vorbereitungen getroffen. Ein bisschen Stimmung musste sein. Atmosphäre. Die war er dem süßen Ding schuldig.
Sie tranken ein paar Gläser und rückten dichter zusammen.
Edmund Jackson griff in seine Tasche und zog das Etui heraus. „Mach es auf!“, bat er. „Du hast die freie Auswahl.“
Jessy ließ den Verschluss aufschnappen und stieß einen Ruf des Entzückens aus.
Vor ihr lagen verschiedene Ringe, zwei Armbänder und mehrere Ketten. Alle Schmuckstücke funkelten und blitzten nur so vor Diamanten und anderen Juwelen. So etwas hatte das Mädchen bisher nur auf Abbildungen oder im Film gesehen.
Fassungslos strich sie mit dem Finger über die Kostbarkeiten. Dann wurde sie ernst.
Sie erhob sich mit einem Ruck und ging zur Tür.
Edmund Jackson starrte ihr ungläubig hinterher.
„Wohin willst du?“
„Ich gehe, Ed. Du hast eine schlechte Meinung von mir. Du glaubst, du müsstest mir teure Geschenke machen. Du willst mich nur für ein paar Tage. Danach ist alles vorbei. Ich will deine Ketten und Ringe nicht, weil ich dich liebe und nicht dein Geld.“
Der Dicke wuchtete sich von dem Sofa hoch und holte sie ein. „Du irrst dich“, beteuerte er. „Ich möchte dich heiraten. Es hängt nur von dir ab.“
Das Mädchen starrte ihn sekundenlang an. Ihre schwarzen Augen leuchteten. Dann fiel sie ihm aufschluchzend um den Hals.
Er trug sie in den Nebenraum. Dort stand ein luxuriöses, breites Bett. Er setzte sie darauf vorsichtig ab.
„Warte auf mich“, flüsterte er. „Ich bin gleich wieder da.“
Er verschwand hinter einer Tür, und gleich darauf hörte Jessy das Rauschen der Dusche.
Das Mädchen sah sich in dem Zimmer um.
Neben dem Bett stand auf einem Schränkchen eine Whiskyflasche. Sie schraubte sie auf und nahm einen kräftigen Schluck daraus. Ihre Augen leuchteten noch immer.
Dann begann sie, sich zu entkleiden.
Als Edmund Jackson zurückkehrte, lag sie im Bett. Bis zum Kinn zugedeckt.
Seine Augen traten aus den Höhlen. Junge, Junge! Er konnte es noch gar nicht glauben. Und da hatte Terry gefürchtet, sie könnte nur hinter seinem Geld her sein.
Er trat ans Bett und zog die Decke fort.
Jessy war nackt. Etwas so Atemberaubendes hatte er noch nie gesehen. Ihre Arme hielt sie hinter dem Nacken verschränkt. Dadurch kam ihr jugendlich straffer Körper noch besser zur Geltung.
Ihr Blick forderte ihn auf.
Er ließ sich nicht zweimal bitten, sondern stürzte sich auf sie und suchte ihre Lippen.
Sie erwiderte seinen Kuss.
Die rechte Hand nahm sie hinter dem Nacken hervor und strich damit über seinen Rücken.
Der Mann zuckte erschrocken zusammen.
„Ist dir so kalt, Liebes?“, erkundigte er sich. Ihre Finger fühlten sich an, als wären sie aus Eisen.
Zu spät erfasste er, dass es sich nicht um einen Finger handelte, mit dem sie ihn liebkoste, sondern um den Lauf einer Pistole. Genauer gesagt, um das Ende eines Schalldämpfers.
Als ihm das bewusst wurde, spürte er schon den ekelhaften Schlag und wartete auf den Schmerz, der nicht kam.
Jessy drehte sich geschickt unter ihm weg, bevor der schwere Körper sie unter sich begrub.
Sie brachte es nicht fertig, den Toten umzudrehen, um sein Gesicht zu sehen.
Sie riss die Whiskyflasche an sich und ließ den Schnaps in sich hineinlaufen.
Danach schlüpfte sie in ihre Sachen und verstaute auch das Etui mit dem Schmuck.
Im Bad kontrollierte sie den Anzug des Toten und fand neben mehr als zweitausend Dollar in bar ein paar Kreditkarten und ein Scheckbuch.
Den Schalldämpfer schraubte sie von der Waffe und steckte beides zu sich.
Mit einem letzten Blick verabschiedete sie sich von dem Mann, der sie hatte heiraten wollen. Dann verließ sie die Suite, fuhr mit dem Lift nach unten und durchquerte unangefochten die Empfangshalle.
Sekunden später stand sie auf der Straße und winkte einem Taxi.
Der Tote wurde erst am folgenden Morgen vom Zimmermädchen gefunden.
Drei Tage hatte sich Bount Reiniger ausbedungen. Diese Frist war jetzt vorbei.
Ohne Erfolg, wenn man darunter verstand, dass er Debbie Leigh aufgespürt hätte.
Jeder in der Yale Street kannte inzwischen die Fotos der Verschwundenen. Jeder hatte schon bedauernd mit dem Kopf geschüttelt.
Bount Reiniger hatte sogar durch Toby Rogers’ Vermittlung Unterstützung durch die City Police erhalten. Man hatte ihn mit lückenlosen Listen über Agenturen und Schauspielschulen versorgt.
Trotzdem stand er jetzt mit leeren Händen da.
Wie versprochen, hatte er sich ungefähr alle fünf Stunden zwischen zehn Uhr vormittags und zehn Uhr abends mit den Leighs in Manhattan in Verbindung gesetzt. Jedes Mal dieselbe Meldung: „Nichts Neues von Ihrer Tochter.“
Auch bei ihren Eltern hatte sich das Mädchen nicht mehr gemeldet. Der einzige Trost war, dass weder die inzwischen entdeckten Leichen in New York City noch die in Los Angeles mit der Vermissten identisch waren.
Aber immerhin lag zwischen beiden Städten eine Distanz von ungefähr dreitausend Meilen. Platz genug für ein totes Mädchen, das nur hundertzwölf Pfund wog.
Der einzige Erfolg seiner Bemühungen bestand darin, dass die Leighs nun auch nicht mehr davon überzeugt waren, dass ihrer Tochter nichts passiert war.
Hugh Leigh flehte den Privatdetektiv am Telefon an, alles zu tun, um Debbie unversehrt nach Hause zurückzubringen. Das Honorar könne er nach Ermessen festsetzen.
Leider war das keine Frage des Geldes. Debbie Leigh befand sich nicht dort, wo sie nach ihrer eigenen Behauptung wenigstens für kurze Zeit hätte gewesen sein müssen.
Warum hatte sie gelogen?
Bount Reiniger entwickelte die riskantesten Theorien. Er telefonierte auch mit Toby Rogers, vor allem aber mit June March, deren winklige Phantasie ihm schon manchmal auf die Sprünge geholfen hatte.
Umsonst! Die Zwanzigjährige tauchte nicht auf. Weder lebendig noch tot.
Auch die mutmaßlichen Kidnapper blieben schweigsam, obwohl nun schon fast eine Woche verstrichen war. Es war offensichtlich, dass sie es nicht auf ein Lösegeld abgesehen hatten.
Auch Nachforschungen in den Filmstudios blieben ergebnislos. Nirgends hatte Debbie versucht, eine winzige Rolle zu ergattern.
Bount Reiniger war inzwischen mehr denn je davon überzeugt, dass sie nicht von Los Angeles aus angerufen hatte.
Es war sinnlos, noch länger hierzubleiben. Er würde wieder nach New York zurückkehren.
Während er in der Figueroa Street in einer Bar saß und darüber nachgrübelte, was er übersehen haben könnte, nippte er unzufrieden an seinem Glas und betrachtete gedankenverloren die Fotos, die schon reichlich zerknittert waren.
Die hübsche Maid hinterm Tresen blinzelte ihm verständnisvoll zu. Anscheinend hielt sie ihn für einen enttäuschten Mann, der seiner Freundin nachtrauerte.
Neben ihm schob sich ein hagerer Bursche auf den Hocker und bestellte einen doppelten Madagaskar. Kaum stand das Glas vor ihm, stürzte er es auch schon mit einem Ruck hinunter und wiederholte seine Bestellung.
So ging das viermal hintereinander. Inzwischen waren kaum fünf Minuten vergangen.
Bount schüttelte den Kopf. Wenn der Kerl in diesem Tempo weiter soff, war er entweder gut trainiert, oder er lag ihm bald zu Füßen.
Aber das ging ihn schließlich nichts an. Er hatte eigene, weit schwerwiegendere Sorgen.
Der Hagere fühlte sich aber anscheinend schon durch den flüchtigen Blick des Detektivs gemaßregelt. Seine grauen Augen wurden giftig. Er stierte Bount an, als wollte er ihn wie eine Erdnuss verspeisen.
Bount wandte sich vorsichtshalber ab. Er mochte keinen Streit mit Betrunkenen. Das führte zu nichts. Vor allem brachte es Debbie Leigh nicht zu ihren Eltern zurück.
Als er die Fotos zusammenpackte und in die Tasche schieben wollte, fühlte er sich an der Schulter herumgerissen.
Im nächsten Augenblick knallte eine Faust gegen sein Kinn und beförderte ihn vom Hocker.
Der Ärger war also schon da.
Obwohl er nicht mit einem tätlichen Angriff gerechnet hatte, reagierte Bount doch ungeheuer schnell.
Reflexartig ließ er einen Fuß hochschnellen und fing damit den Wütenden ab, der sich eben erneut auf ihn stürzen wollte.
Er rollte ein Stück über den Boden, kam an anderer Stelle wieder in die Höhe und packte den Burschen an der Krawatte.
Das Gesicht seines Gegners verfärbte sich. Durch den schnellen Alkoholgenuss reagierte er langsamer. Er schlug zwar wie wild um sich, doch er glich eher einer Windmühle, deren Flügel auch nichts trifft.
„Du Lump!“, krächzte er. „Du verdammter Killerboss. Mich bringst du nicht um. Dafür gibt es hier zu viele Zeugen.“
Er hatte recht. Zeugen waren genügend vorhanden. Die meisten entfernten sich allerdings schleunigst. Sie wollten in keine Schlägerei verwickelt werden.
Die anderen verhielten sich abwartend. Kaum einer hatte den Beginn der Streiterei mitbekommen. Allerdings war die Beschuldigung des Fremden nicht gerade dazu angetan, Freunde für Bount zu werben.
Das Girl hinterm Tresen warf ihrem Boss fragende Blicke zu und deutete aufs Telefon.
Der Keeper schüttelte den Kopf. Er wollte nicht noch mehr Ärger, und den brachte die Einschaltung der Polizei zweifellos mit sich.
Er schob sich um den Tresen herum und rückte gegen die Kampfhähne vor. Er musste früher einmal Catcher gewesen sein, denn seine Dimensionen waren furchterregend.
Bount fürchtete sich nicht. Er war nur ärgerlich wegen des Betrunkenen, der ihn voller Hass anblickte.
Er kannte ihn nicht. Da war er ganz sicher. Gesichter, die er einmal gesehen hatte, vergaß er so schnell nicht mehr. Die knöcherne Visage wäre ihm auf jeden Fall im Gedächtnis geblieben.
Er ließ den Mann los und wandte sich dem Keeper zu.
„Wir erledigen das unter uns“, versicherte er. „Wie brauchen keine Feuerwehr.“
Der Keeper zögerte.
Bount sah den Hageren scharf an.
„Sie sind mir eine Erklärung schuldig, Mister. Man darf mich alles mögliche heißen, aber der Killerboss hatte doch wohl einen bestimmten Grund, oder?“
„Tu nicht so scheinheilig“, kreischte der Ältere. Er mochte die fünfzig bereits überschritten haben. „Du weißt genau, wovon ich spreche. Dieses schwarzhaarige Luder auf den Fotos gehört doch zu dir. Es hat meinen besten Freund umgelegt, und du steckst dahinter. Da wette ich um ein ganzes Ölfeld.“
Bount versteifte sich.
„Wollen Sie damit sagen, dass Sie das Mädchen kennen? Dass Sie es erst kürzlich gesehen haben?“
„Und ob.“
„Wo war das?“
„Ist das ein Verhör?“, empörte sich der Wütende. „Ich habe wohl eher das Recht, Fragen zu stellen.“
„Das können Sie später. Ich bin Detektiv und suche diese Frau wie eine Stecknadel. Halb Los Angeles habe ich bereits abgekämmt und wollte schon aufgeben. Und da kommen Sie daher und behaupten …“
„Hier werden Sie sie nicht finden“, betonte der andere. Er wurde merklich höflicher. „Da müssen Sie schon nach Arkansas fliegen. In Jonesboro hat sie meinen Freund ermordet, aber inzwischen wird sie wohl über alle Berge sein.“
Bount war enttäuscht. Es handelte sich offensichtlich um eine Verwechslung. Debbie Leigh war in ihrem ganzen Leben noch nicht in Arkansas gewesen. Und Grund, einen Mann zu töten, der noch dazu mit Sicherheit wesentlich älter war als sie, besaß sie auch nicht.
Trotzdem interessierte, ihn der Fall. Er wollte mehr darüber wissen.
„Vielleicht setzen wir uns dort an den Tisch“, schlug er vor, „und Sie erzählen mir in Ruhe, was wirklich vorgefallen ist.“
„Es ist nicht leicht, die Ruhe zu bewahren“, bekannte der Mann, der sich als Terence Bloom vorstellte.
Auch Bount Reiniger nannte seinen Namen.
„Ed, ich meine Edmund Jackson, hatte ein Mädchen kennengelernt. Erst vor ein paar Tagen. Er war so begeistert und verliebt, dass er es heiraten wollte. Ich war gleich misstrauisch. Ed war zwar vermögend, aber alles andere als ein Frauentyp. Und dazu nicht mehr der Jüngste. Als wir uns gestern trennten, hatte er gerade eine Verabredung mit ihr. Ich sah sie noch, bevor ich wegfuhr. Es war das Mädchen auf Ihren Fotos. Ed wollte ihr ein wertvolles Geschenk machen. Er hatte Schmuckstücke bei sich. Zur Auswahl. Am nächsten Morgen wurde er in seinem Schlafzimmer gefunden. Er lag auf dem Bett und war tot. Von hinten erschossen. Mit aufgesetzter Waffe. Diese verdammte Ratte! Der Schmuck war natürlich verschwunden. Auch seine sämtlichen Papiere und alles Geld, das er bei sich gehabt hatte. Diese Auskunft erhielt ich, als ich ihn heute Vormittag anrufen wollte. Suchen Sie das Biest auch wegen Mordes?“
Bount schüttelte den Kopf. „Sind Sie sicher, dass Sie sie nicht verwechseln? Es ist nahezu ausgeschlossen, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt.“
Terence Bloom ließ sich die Fotos noch mal zeigen. Unschlüssig massierte er sein Kinn.
Die Kleine auf den Bildern sah wirklich nicht aus wie eine brutale Killerin.
„Es war schon dunkel“, gab er zu. „Und ich sah sie nur ganz kurz aus einiger Entfernung. Aber sie war schwarzhaarig, und auch die Figur ist die gleiche. Es wäre doch ein merkwürdiger Zufall, wenn wir zwei verschiedene Verbrecherinnen suchten, die sich so stark ähneln.“
„Ich suche keine Verbrecherin“, korrigierte Bount. „Das Mädchen wurde nach meiner Überzeugung gekidnappt. Es stammt aus begütertem Haus, wenn die Millionen auch in der Fabrik und nicht in Diamanten stecken. Aber meines Wissens hat sich Debbie nie sonderlich für Schmuck begeistert. Es wäre absurd, ihr diesen Raubmord zuzutrauen.“
„Wollen Sie also diese Sache auf sich beruhen lassen?“, fragte Terence Bloom fassungslos.
Bount verneinte entschieden.
„Ich fliege nach Arkansas. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich dort nicht der Wahrheit ein Stück näher kommen würde.“
Die Lederschnur einer Peitsche klatschte.
Jessy wimmerte nur noch.
Der Mann, der die Peitsche schwang, musterte ab und zu zynisch die übrigen Mädchen, die diesem Schauspiel beiwohnen mussten. Das war hier üblich. Auf diese Weise kamen sie nicht so schnell auf dumme Gedanken.
Die Mädchen wiesen eine verblüffende Ähnlichkeit auf.
Keines von ihnen war älter als Mitte Zwanzig. Sie waren alle ausgesprochen hübsch. Bis auf wenige Ausnahmen hatten sie schwarzes Haar. Sie hätten Schwestern sein können.
Aber sie hatten sich erst hier kennengelernt. In diesem prachtvollen Gebäude mitten in New Mexico, östlich von Cedarvale.
Sie selbst hatten keine Ahnung, wo sie sich befanden.
Debbie Leigh hielt die Augen geschlossen, aber einer der Kerle, die sie verschleppt hatten, beobachtete sie genau und stieß ihr die Faust zwischen die Schulterblätter.
„Schau hin!“, schrie er wütend. „Gerade du sollst sehen, was mit dir passiert, wenn du nicht genau das tust, was dir befohlen wird. Der Boss duldet keine Fehler.“
Der Boss! Jetzt hielt sie sich schon fast eine Woche hier auf, aber den ominösen Boss hatte sie noch nicht zu Gesicht bekommen. Sie hatte den Verdacht, dass es ihn gar nicht gab. Dass einer der Gangster, die sie bis jetzt kennengelernt hatte, das Kommando führte.
Marco vielleicht, der Kerl mit der Peitsche. Oder der Kleine mit der Narbe, den sie Odysseus nannten. Oder einer der anderen. Brutal genug für dieses Geschäft waren sie alle.
Die betäubende Wirkung der Zigaretten hatte längst nachgelassen. Sie konnte wieder klar denken, und sie wusste inzwischen, dass man sie geradewegs in die Hölle gebracht hatte. Es bestand keine Aussicht, hier jemals wieder herauszukommen.
Mit den anderen Mädchen kam sie kaum in Kontakt. Aus Sicherheitsgründen. Noch war sie nicht zuverlässig genug.
Sie wusste aber, dass nicht nur diese acht zu ihnen gehörten. Mindestens die gleiche Anzahl befand sich zur Zeit im Außendienst, wie Rick, der Mann hinter ihr, das belustigt nannte.
Was dort von ihnen verlangt wurde, hatte Debbie noch nicht herausbekommen. Sie hegte aber die Befürchtung, dass sie zur Prostitution gezwungen wurden.
Jessy hatte dabei irgendeinen Fehler begangen. Dafür wurde sie jetzt geschlagen.
Debbie nahm sich vor, sobald sich die Möglichkeit bot, mit Jessy zu sprechen. Sie musste unbedingt wissen, was ihrer harrte.
Marco legte die Peitsche beiseite.
Jessy war zusammengebrochen und weinte.
Die Mädchen, die sich um sie kümmern wollten, wurden zurückbefördert.
Drei oder vier unternahmen erst gar nicht den Versuch. Sie waren am längsten hier. Sie wussten, wie der Laden lief. Ihr Widerstand war gebrochen. Sie fügten sich.
Debbie wollte sich nicht fügen. Sie hatte nur einen Wunsch. Raus hier! Fort von diesen Männern, die vor nichts zurückschreckten. Sie wollte endlich wieder nach Hause.
Sie dachte an das kurze Gespräch, das sie mit ihren Eltern geführt hatte. Wie lange war das schon wieder her!
Man hatte sie mit irgendeinem Medikament vollgepumpt. Vielleicht war es auch eine Droge gewesen. Auf jeden Fall hatte sie alles geglaubt, was man ihr einredete. Sie hatte sich eingebildet, Schauspielerin werden zu können. Dabei wusste sie inzwischen, dass sie sich nur sehr schwer verstellen konnte.
Trotzdem versuchte sie es. Sie fürchtete sich vor dieser Droge. Sie wollte nicht, dass man sie süchtig machte. Dagegen hätte sie sich nicht wehren können.
Also befolgte sie alles, was man ihr sagte, und wartete auf den Moment ihrer Flucht.
Die Männer trieben die Mädchen vor sich her. Die meisten gingen freiwillig.
Jessy blieb liegen.
Sie wurden in den Keller geführt. Hier mussten sie durch ein labyrinthartiges Gängegewirr gehen, bis sie ein riesiges Gewölbe erreichten.
Debbie versuchte, sich den Weg einzuprägen. In dem Labyrinth gab es zahlreiche Verstecke. Allerdings bestand auch die Möglichkeit, dass sie nicht mehr herausfand.
Rick stand schon wieder hinter ihr. Er drückte ihr etwas Kaltes in die Hand.
Mechanisch hielt sie es fest, ohne sich darum zu kümmern, was es war.
Das Gewölbe verdunkelte sich. Nur an einer entfernten Stelle brannte noch Licht.
Ein Mann tauchte dort auf. Sie kannte ihn nicht. Handelte es sich etwa um den geheimnisvollen Boss?
„Schau genau hin!“, raunte Rick ihr ins Ohr. Seine Stimme klang beschwörend. Wie die Satans persönlich. „Der Bursche da drüben führt nichts Gutes im Schilde. Er will über dich herfallen. Er ist scharf auf dich. Er ist dein Feind. Schieß ihn über den Haufen! Los, schieß doch!“
Erst jetzt nahm Debbie wahr, dass sie eine Pistole in der Hand hielt.
Und der Mann kam direkt auf sie zu. Er sah wirklich alles andere als sympathisch aus. Aber sie sah keinen Grund, ihn zu töten. Nicht einmal auf Rick hätte sie schießen können. Oder auf einen anderen der Gangster.
Niemals!
„Worauf wartest du? Willst du, dass er zuerst schießt? Du hast nicht mehr viel Zeit. Er oder du. Entscheide dich!“
Debbie stand wie gelähmt.
Das war Wahnsinn. Sie sollte einen Menschen umbringen, den sie überhaupt nicht kannte. Der ihr nichts getan hatte.
Rick riss ihren Arm in die Höhe. Er umklammerte ihre Hand, die die Pistole hielt, und drückte ab.
Die Detonation füllte das Gewölbe.
Debbie Leigh war starr vor Schreck.
Der Mann vor ihr stoppte. Er fuhr sich mit der Hand an die Brust. Dann taumelte er und stürzte nieder.
„O Gott!“, flüsterte sie. „Was habe ich getan?“
„Du?“, höhnte Rick. „Du hast gar nichts getan. Im Ernstfall wärst du jetzt tot oder dein hübsches Gesicht entstellt.“
Es wurde wieder hell. Der Tote war nirgends zu sehen. Nur dort, wo er eigentlich hätte liegen müssen, verschwand eine Leinwand zwischen den Felsen.
Rick lachte amüsiert.
„Hast du wirklich geglaubt, ich ließe dich aus dieser Entfernung einen lebendigen Menschen abknallen? Das musst du erst noch lernen. Ihr alle. Ihr müsst trainieren. Irgendwann werdet ihr es brauchen. Man muss für den Ernstfall gerüstet sein. Denkt immer daran, dass der Knilch euer Gegner hätte sein können.“
Sie war auf einen technischen Trick hereingefallen. Trotzdem hatte sie noch immer das Gefühl, als hätte sie gerade auf einen Menschen geschossen.
Sie sah sich um und erkannte, dass Odysseus inzwischen auch an die anderen Mädchen Waffen verteilt hatte.
„Ihr könnt jetzt üben“, erklärte er laut. „Für jeden Treffer gibt es einen Punkt. Wer nach zwei Stunden die wenigsten Punkte hat, kann sich auf Marcos Spezialmassage mit der Peitsche freuen. Also strengt euch gefälligst an!“
Während das Gewölbe sich erneut verdunkelte und auf Leinwänden verschiedene bewegliche Ziele erschienen, fragte sich Debbie, aus welchem Grund sie schießen lernen sollte. Lag sie mit der Prostitutionsbefürchtung doch nicht richtig? Hatte man ganz andere Dinge mit ihr vor?
Sie dachte an die Drohung mit der Peitsche und hob die Pistole.
Als sie nach dem sechsten Schuss noch immer nicht getroffen hatte, bekam sie es mit der Angst zu tun.
Sie musste es lernen. Sie musste besser sein als die anderen. Sie wollte nicht geschlagen werden. Sie hielt das nicht aus.
Aber genau wie sie dachten alle anderen auch. Es begann ein verbissener Kampf um Treffer und Punkte.
In Jonesboro fand Bount den Bericht von Terence Bloom bestätigt.
Die polizeilichen Ermittlungen konzentrierten sich auf eine ungefähr zwanzigjährige Schwarzhaarige, mit der Jackson kurz vor seinem Tod im Hotel gesehen worden war. Ihr Name war unbekannt, doch als Bount die Fotos von Debbie Leigh vorzeigte, schüttelte man die Köpfe. Nein, eine gewisse Ähnlichkeit mit der Verdächtigen ließ sich zwar nicht abstreiten, aber es hatte sich um ein anderes Mädchen gehandelt.