Der Dribbelkönig - Herbert Friedmann - E-Book

Der Dribbelkönig E-Book

Herbert Friedmann

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Beschreibung

Wer wird Meister? Die C-Jugendkicker der Blaugelben oder die der Eintracht? Mit ihrem Dribbelkönig Paul haben die Eintrachtler jedenfalls gute Aussichten. Eines Tages taucht Jonas Maasho beim Training auf. Der kenianische Junge erweist sich als brillianter Fußballer. Ein Konkurrent für Paul, der plötzlich in die Rolle des Manndeckers schlüpfen soll. Jonas muss sich etliche rassistische Sprüche wegen seiner Herkunft anhören. Als das Entscheidungsspiel gegen die Blaugelben ansteht, fehlt er ...

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Inhalt

Eintracht gegen Blaugelb

Pokalspiel

Hackentrick und Fahrradklau

Ohrfeigen und Stielaugen

Reinfall und Einfall

Hammerharte Schüsse

Ausgeträumt

Foulspiel

Abschuss und Abschluss

Eintracht gegen Blaugelb

Paul berührte mit der Kinnspitze fast die Lenkstange und erstrampelte sich einen schlauchdicken Vorsprung.

„Sieger, Sieger…!“, johlte er.

Laura hüpfte vom Fahrrad, ließ es einfach auf den Boden knallen und baute sich vor Paul auf.

„Das gilt nicht. Ich hätte gewonnen, wenn du mich nicht abgedrängt hättest. Ich wäre beinahe gestürzt!“ Laura keuchte schwer.

„Stimmt gar nicht“, entgegnete Paul. Mit einer Verlegenheitsgeste strich er sich durch die Haare.

„Fair geht zwar vor, gewinnt aber nicht immer“, witzelte Orlando.

Laura schob grummelnd das Fahrrad über den Betonweg, der vom Sportplatz nach Neuhaus führte.

„Warte doch…“ Paul holte sie ein.

„Mädchen!“, seufzte Orlando grinsend.

„Tut mir echt leicht“, nuschelte Paul. „Wenn du willst, wiederholen wir das Rennen.“

Laura blieb die Antwort schuldig. Sie schwang sich aufs Rad. Paul und Orlando folgten ihr.

Sie erreichten Neuhaus, radelten vorbei an zweigeschossigen Reihenhäusern. Paul bremste vor einem dunkelgrün gestrichenen Haus. Hier wohnte er. Die rechte Hälfte des Erdgeschosses füllte das Geschäft seiner Eltern aus: Haarstudio Kaiser.

„Ciao!“ Paul schob das Rennrad in die Garage neben dem Eingang.

„Was ist los?“ fragte Orlando.

„Ich muss noch Hausaufgaben machen“, sagte Paul.

„Och“, sagte Orlando und zog eine Wir-könnten-noch-was-anfangen-Schnute. Auch Laura schenkte ihm einen aufmunternden Blick.

„Meinetwegen“, sagte er schließlich.

„Wir fahren zum Bahndamm“, juhute Laura.

Sie führte den Zug der Radler an. Auf halber Strecke bog ein kunterbunter Kleinbus um die Ecke. Ohne ein Wort zu sagen, wendete das Trio und nahm die Verfolgung auf. Keine zweihundert Meter weiter stoppte der Bus. Laura gewann das Rennen mit großem Vorsprung und freute sich darüber, als ob sie gerade Olympiasiegerin geworden wäre.

„Ciao bambini“, sagte der Eisverkäufer.

„Zwei Kugeln“, sagte Laura. „Schokolade und Waldmeister.“

Paul wählte Walnuss und Zitrone, Orlando Vanille und Erdbeere. Sie hockten sich auf die Lehne einer Bank und blinzelten in die Märzsonne.

„Noch eine Ewigkeit bis zu den Osterferien“, maulte Laura.

„Ich bekomme ein Computerspiel“, erzählte Orlando. Paul winkte ab: „Kinderkram! Mein Opa schenkt mir ein Paar Fußballschuhe. Echte Profischuhe, butterweiches Leder und austauschbare Aluminiumstollen…“

Laura grinste. „Spielst du dann auch wie ein Profi?“

Paul wollte etwas erwidern, als auf einmal Leo zwischen zwei geparkten Autos stand. Er ließ einen Lederball auf der Faust tanzen, knallte ihn ein paarmal auf den Asphalt und musterte Paul von oben bis unten. „Wie wäre es mit einem Match? Eintracht gegen Blaugelb… “

„Demnächst“, sagte Paul. „Wetten, dass ihr diesmal eine Packung kriegt? Danach könnt ihr euch in der Pampers-Liga anmelden!“

Leo klemmte den Ball zwischen die Beine und zeigte mit den Händen das Ergebnis der Hinrunde an. Damals hatte Blaugelb Neuhaus fünf zu null gegen Eintracht Neuhaus gewonnen.

Paul zuckte mit den Achseln. „Wir mussten mit der halben Ersatzmannschaft antreten, aber diesmal…“ Er ballte siegessicher die Faust.

„Also was ist, kicken wir?“, drängte Leo.

„Logisch“, sagte Paul. Da er gerade den Rest der Waffel in den Mund geschoben hatte, hörte es sich an wie „Ogsch“.

Orlando knurrte: „Spielt euer Blauefleckespiel ohne mich. Ich kenne da eine, die kann den Ball nicht von den Beinen unterscheiden… “

„Tut es noch weh?“ fragte Laura mit süßlicher Stimme.

Orlando krempelte das linke Hosenbein hoch. Unterhalb des Knies prangte eine kleine Narbe.

„Du weißt ja, fair geht zwar vor, gewinnt aber nicht immer“, spottete Laura.

Unterhalb des Bahndamms lagen Gregor, Franco und Sandra im Gras. Franco kaute auf einem Grashalm und stierte gedankenverloren in den weißblauen Vorfrühlingshimmel. Sandra hatte die Kopfhörer ihres Smartphones im Ohr stecken und lauschte mit geschlossenen Augen der Musik. Gregor kickte mit einer Blechdose. Der Torwart der Eintracht begrüßte die Neuankömmlingen mit einem schlappen: „Tote Hose hier.“

„Machen wir nun ein Match oder nicht?“, bohrte Leo.

„Wer gegen wen?“, fragte Franco.

„Deutschland gegen….“ Paul drehte sich blitzschnell zu Orlando. „Deutschland gegen Portugal.“

Orlando blies die Backen auf und tippte sich gegen die Stirn: „Ich gegen alle? Ich glaube, mein Goldfisch quietscht.“

„Dann halt Deutschland gegen Portugal und Italien“, schlug Paul vor.

Jetzt maulte Franco.

„Also gut“, meinte Leo, „ihr kriegt noch die Mädchen dazu!“

Orlandos Gesicht hellte sich auf, Francos Miene verfinsterte sich.

„Ich spiele nicht mit Mädchen!“ Franco hob den Kopf und verschränkte die Arme. Er wollte wohl besonders männlich wirken. Er erinnerte aber eher an einen aufgeblasenen Mofarocker, der an einem Motorradrennen teilnehmen will. Laura und Sandra tauschten Verschwörerblicke aus und waren sich rasch einig. Mit geballten Fäusten schossen sie auf Franco zu. Laura versetzte Franco einen Rippenknuffer, Sandra verpasste ihm eine Kopfnuss.

„Spinnt ihr? Ich kämpfe nicht gegen Mädchen!“ Nach der dritten Kopfnuss war Francos Starrsinn gebrochen: Laura und Sandra durften in seiner Mannschaft mitkicken.

„Aber eine von euch muss ins Tor!“, sagte er.

„Hast du noch nicht genug?“, fragte Laura und fletschte die Zähne.

„Ist schon gut“, sagte Sandra. „Ich wollte sowieso ins Tor.“

Mit Pullovern und Luftpumpen wurden die Torpfosten markiert. Franco schnappte sich den Ball und verkündete: „Die PIM-Mannschaft hat Anstoß!“

„Pimmelmannschaft ist gut“, kreischte Leo.

Franco errötete: „Nix Pimmel, PIM habe ich gesagt. PIM wie Portugal, Italien, Mädchen…“

Die PIM-Vier ging nach dem ersten Angriff in Führung. Franco hatte einen Alleingang erfolgreich abgeschlossen. Paul versuchte es im Gegenzug ebenfalls auf eigene Faust. Mühelos umspielte er erst Orlando, dann Laura. Franco stand ihm plötzlich im Weg. Paul täuschte mit dem Oberkörper nach links und wollte rechts an Franco vorbeiziehen. Franco fiel nicht auf die Finte herein und spitzelte Paul die Kugel vom Fuß. Franco trieb die Pille von der linken Seite aufs Tor zu. Laura war mitgelaufen.

„Abgeben, abgeben!“, brüllte sie.

Franco schlug eine weite Flanke. Gregor flog knapp am Ball vorbei, der sich auf Lauras Stirn senkte. Sie brauchte nur noch einzuköpfen. Die PIM-Mannschaft führte zwei zu null.. Laura schlug vor Freude einen Purzelbaum.

Leo flitzte zu Paul und meckerte: „Wenn du dir den Ball abjagen lässt wie ein Anfänger, musst du auch hinterherlaufen.“

„Muss ich nicht! Ich bin kein Abwehrspieler. Ich spiele im zentralen Mittelfeld“, sagte Paul.

„Meinetwegen in deinem Luschenverein… “

Ehe Leo ausreden konnte, packte Paul ihn am Kragen: „Hast du Luschenverein gesagt?“

„Luschen-Eintracht“, sagte Leo böse. „Eintracht, rot und weiß, ist der größte Scheiß… “

„Blaugelb, der Verein für Milchzahnkicker!“, höhnte Paul. Leo antwortete mit dem Stinkefinger. Paul konterte mit einem Faustschlag gegen Leos rechten Oberarm. Paul hechtete sich wie ein Raubtier auf Leo, der aber bald wieder obenauf war und Paul in den Schwitzkasten nahm.

„Wir spielen ohne die Blödmänner weiter“, sagte Laura.

Niemand hörte auf sie. Sandra stülpte sich die Kopfhörer über die Ohren und tanzte mit geschlossenen Augen.

Gregor schob sich einen Kaugummi in den Mund.

Paul zappelte mit den Beinen wie ein hilfloser Käfer. Leo lag schräg über ihm und drückte mit beiden Armen Pauls Gesicht gegen seinen Brustkorb.

„Gibst du auf?“ Leo drückte noch fester zu. Franco zielte mit dem Ball nach Leos Kopf. Er kickte auch in der Eintracht-C-Jugend und wollte Paul helfen. Gregor bohrte in der Nase und spielte den Gelangweilten.

„Das ist unfair“, sagte Orlando und riss Franco den Ball aus den Händen.

Franco und Orlando balgten sich um den Ball und stolperten über die Streithammel im Gras.

Leo lockerte den Griff. Paul richtete sich blitzschnell auf, drehte Leo auf den Bauch, seinen Arm auf den Rücken.

Ein wirkungsvoller Griff, der schmerzhaft war und Leo Stöhntöne entlockte.

„Gibst du auf?“, schnaufte Paul.

„Okay.“

Paul rückte ein Siegerlächeln ins Gesicht. Leo stapfte querfeldein davon.

„Ich hab auch keine Lust mehr“, sagte Orlando.

Er führte den Zug der Lustlosen an. Nur Paul und Laura blieben zurück. Er lag rücklings im Gras, sie umkreiste ihn.

„Leo hat zuerst angefangen“, sagte Paul. „Luschenverein hätte er nicht sagen dürfen. Die Eintracht ist kein Luschenverein!“

Obwohl er gewonnen hatte, fühlte er sich so jämmerlich, als hätte er gerade in einem wichtigen Spiel ein Eigentor geschossen.

„Luschenverein klingt doch spaßig“, meinte Laura. „Ich würde nie in einen Verein gehen, weil ich es blöd finde, wenn man zum Training muss.“

„Ich muss nicht! Ich will“, erwiderte Paul mit erhobener Stimme.

Er stieg den Bahndamm hoch, balancierte auf den Schienen wie ein Seiltänzer. In Gedanken schob er die Schuld an dem missratenen Nachmittag Laura in die Schuhe. Warum musste sie ihn nerven?

„Und jetzt?“, säuselte Laura, die plötzlich hinter ihm stand.

„Nichts!“, antwortete er übel gelaunt.

Mit zwei, drei Sprüngen hüpfte er auf die Wiese und ließ sich rücklings auf den Boden fallen. Sie kniete neben ihm und strich mit einem Grashalm über seine Nase. Es war ein angenehmes Gefühl. Trotzdem hielt er abwehrend die Hand vors Gesicht. Laura zerknüllte den Grashalm und stierte in den Himmel. Auf einmal spürte er einen sanften Druck auf den Lippen, einen Sekundenkuss.

„Die Verliebten!“, platzte Franco dazwischen.

Paul tippte sich gegen die Stirn. Laura zog eine Bist-du-neidisch-Schnute. Franco drehte ab und sah sich nach allen Himmelsrichtungen um.

„Ich hab meinen Haustürschlüssel verloren“, erklärte er.

Mit einem Satz war Paul auf den Beinen und half beim Suchen. Laura rührte sich nicht von der Stelle.

„Könntest ruhig helfen“, moserte Paul.

Laura hantierte stattdessen an ihrem Fahrrad.

„Den finden wir nie“, sagte Franco nach einer Weile mit einer weinerlichen Stimme.

Paul klopfte ihm aufmunternd auf die Schultern. Laura wuselte auf einmal auf allen vieren durch das Gras und ähnelte dabei einem Spürhund. Nach ein paar Minuten hatte sie den Schlüssel gefunden. Franco versprach Laura, demnächst eine Riesenportion Eis zu spendieren und flitzte davon.

„Ich hab gesehen wie er den Schlüssel verloren hat, vorhin beim Spiel. Ich hab ihn gleich aufgehoben und in die Hosentasche gesteckt“, kicherte Laura. „Ich wollte den Angeber ein bisschen schwitzen lassen.“

„Hahaha, sehr witzig“, sagte Paul und fuhr einfach los, Laura hinterher.

Sie holperten über einen Feldweg, passierten eine Gärtnerei und steuerten auf ein freistehendes, windschiefes Haus zu: die grüne Villa. So wurde das Haus wegen seines Anstrichs genannt.

Der Vorgarten war eine wuchernde, geheimnisvolle Märchenwelt aus Gras, Büschen und Bäumen. Die Haustür war nur angelehnt. Ein roter Plastikball lag auf der untersten Treppenstufe. Und auf dem runden Tisch auf der Veranda stand eine Limonadenflasche. Paul wunderte sich.

Früher hatte in der grünen Villa ein alter Mann gewohnt. Aber der Mann war vor drei oder vier Jahren gestorben.

Seitdem stand die grüne Villa leer.

„Scheint jemand drin zu wohnen“, stellte Paul fest. Laura nickte und lehnte das Fahrrad an den löchrigen Maschendrahtzaun.

„Weiß ich längst“, sagte sie eine Spur zu überheblich. „In der grünen Villa hausen jetzt irgendwelche Haarefresser!“

„Haarefresser?“ Paul fuhr sich fahrig durch die Haare.

„Irgendwelche Afrikaner“, fuhr Laura fort. „Die würden uns eines Tages die Haare vom Kopf fressen. Meint jedenfalls mein Vater.“

Paul musterte sie mit einem schiefen Grinsen: „Du spinnst ja!“

Laura deutete in Richtung Haustür und flüsterte: „Ein Haarefresser.“

Beide äugten zu dem dunkelhäutigen Jungen, der sich nach dem Ball bückte und ihn in die Wildnis des Gartens faustete. Dann lehnte er sich an den Türpfosten und verschränkte die Arme.

„Wie der uns anstiert“, sagte Laura im Flüsterton.

„Wir starren ihn ja auch an“, entgegnete Paul.

Der Junge lächelte, als hätte er die Worte verstanden.

„Er lacht“, sagte Laura.

Der Junge stakste mit verschränkten Armen über die mit Moos bewachsenen Steinplatten.

„Jetzt kommt er auf uns zu“, sagte Laura mit schriller Stimme. „Was will der denn von uns?“ Sie suchte Halt am Fahrradlenker.

„Hi…“ Der schlaksige, großgewachsene Junge nickte ihnen zu.

„Hallo“, sagte Paul mit einem krampfigen Lächeln.

„My name ist Jonas Maasho“, sagte der Junge in einem Gemisch aus Englisch und Deutsch.

„Okay“, sagte Paul. Er linste zu Laura. Sie brachte nicht einmal ihren Namen heraus. Jonas strich mit den Fingerspitzen über Pauls Gangschaltung.

„Very good“, sagte er anerkennend.

„Yes“, antwortete Paul. Er suchte nach dem englischen Wort für „wohnen“. Es fiel ihm nicht ein.

„Wohnst du hier?“, fragte er schließlich auf Deutsch.

„Yes.“

„Okay“, sagte Paul. „Wir müssen nach Hause. We have to go home.“

„Deine Schwester?“, fragte Jonas.

Paul schüttelte heftig den Kopf: „She is not my sister. Sie ist…“ Er kannte kein englisches Wort für Klassenkameradin.

„Komm endlich!“, drängte Laura.

„Tschüs!“, rief Jonas ihnen hinterher. Es klang wie Tüs.

„Der scheint nett zu sein“, sagte Paul unterwegs.

„Mir doch egal“, knurrte Laura.

Pokalspiel

„In der grünen Villa wohnen Haarefresser!“, sagte Paul mit vollem Mund.

„Mit vollem Mund spricht man nicht“, rügte Jutta Kaiser prompt.

„Wer wohnt in der grünen Villa?“, fragte Opa Kaiser.