Der Duft von wilden Magnolien - Deborah Martin - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Duft von wilden Magnolien E-Book

Deborah Martin

0,0
4,99 €
0,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eine Liebe, die vom Schicksal bedroht ist: Der historische Südstaaten-Roman »Der Duft von wilden Magnolien« von Deborah Martin als eBook bei venusbooks. New Orleans, 1804. Seit die Stadt und das umliegende Land an die Amerikaner verkauft wurden, kommt es immer wieder zu Unruhen zwischen den französischstämmigen Kreolen und amerikanischen Soldaten. Doch Camille Giron, selbst Tochter einer vornehmen Kreolin, lässt sich davon nicht beirren. In einer ebenso tapferen wie törichten Aktion gelingt es ihr, den Streit der Männer auf einem Ball zu schlichten, bevor er eskaliert – und dabei die Aufmerksamkeit von Major Simon Woodworth auf sich zu ziehen. Instinktiv fühlen sich die beiden zueinander hingezogen. Aber dann erfährt Camille, dass ihrer Cousine ein schlimmes Schicksal bevorsteht – und um sie zu retten, muss sie den Mann erpressen, den sie liebt … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Roman »Der Duft von wilden Magnolien« von Deborah Martin ist so schicksalshaft und leidenschaftlich wie der weltberühmte Bestseller »Vom Winde verweht«. Lesen ist sexy: venusbooks - der erotische eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 665

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

New Orleans, 1804. Seit die Stadt und das umliegende Land an die Amerikaner verkauft wurden, kommt es immer wieder zu Unruhen zwischen den französischstämmigen Kreolen und amerikanischen Soldaten. Doch Camille Giron, selbst Tochter einer vornehmen Kreolin, lässt sich davon nicht beirren. In einer ebenso tapferen wie törichten Aktion gelingt es ihr, den Streit der Männer auf einem Ball zu schlichten, bevor er eskaliert – und dabei die Aufmerksamkeit von Major Simon Woodworth auf sich zu ziehen. Instinktiv fühlen sich die beiden zueinander hingezogen. Aber dann erfährt Camille, dass ihrer Cousine ein schlimmes Schicksal bevorsteht – und um sie zu retten, muss sie den Mann erpressen, den sie liebt …

Über die Autorin:

Deborah Martin, auch bekannt unter dem Namen Sabrina Jeffries, ist eine amerikanische Bestsellerautorin, die schon über 50 Romane und Kurzgeschichten veröffentlichte. Sie promovierte in englischer Literatur und war Dozentin an der Universität, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Cary, North Carolina.

Bei venusbooks veröffentlichte Deborah Martin auch die Historischen Liebesromane »Die Begierde des Lords« und »Glut des Südens«.

Die Website der Autorin: sabrinajeffries.com

Die Autorin im Internet: facebook.com/SabrinaJeffriesAuthor

***

eBook-Neuausgabe November 2019, Oktober 2021

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1997 unter dem Titel »Creole Bride« bei Topaz, an imprint of Dutton Signet, a member of Penguin Putnam Inc. Die deutsche Erstausgabe erschien 1999 unter dem Titel »Die Piratenprinzessin« bei Heyne und 2019 unter dem Titel »Träume der Leidenschaft« bei venusbooks.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1997 by Deborah Martin Gonzales

Copyright © der deutschen Ausgabe 1999 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2019, 2022 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Published by Arrangement with Deborah Martin Gonzales

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / LightField Studios / Diana Zuleta / Annmarie Young

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96898-207-6

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Der Duft von wilden Magnolien« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

Besuchen Sie uns im Internet:

www.venusbooks.de

www.facebook.com/venusbooks

www.instagram.com/venusbooks

Deborah Martin

Der Duft von wilden Magnolien

Roman

Aus dem Amerikanischen von Norbert Jakober

venusbooks

Für den Gonzales-Clan, in dem es immer noch einige Angehörige gibt, die sich an die alten Zeiten erinnern können. Danke für die Freundlichkeit, die ihr mir erwiesen habt.

Für Lillian Bonnot Gonzales und René William Gonzales. Möget ihr in Frieden ruhen. Ich wünschte, ich hätte euch noch selbst kennenlernen können, aber ich danke euch dafür, daß ihr mir euren wundervollen Sohn geschenkt habt.

Und für meinen Mann René. Du wirst immer ein Held sein.

Kapitel 1

Armut ist keine Sünde, sondern ein großes Übel

– Kreolisches Sprichwort –

New Orleans, Januar 1804

Es war der kälteste Winter, den New Orleans seit vielen Jahren erlebt hatte – so kalt, daß die Bewohner dieses jüngsten Mitgliedes der Vereinigten Staaten sich gezwungen sahen, die ohnehin schon etwas baufälligen Befestigungsanlagen der Stadt niederzureißen, um sie als Brennholz zu verwenden. Mit einem flüchtigen Blick auf die schwindenden Brennholzvorräte ihrer Familie hob Camille Giron ein paar größere Scheite auf und eilte vom Hof rasch ins Haus.

Sie schüttelte verständnislos den Kopf, als die warme Luft sie einhüllte. Sie konnte es kaum fassen, daß der Salon immer noch so gut geheizt war, obwohl doch Brennholz mittlerweile so teuer war wie französische Seide. Sie legte das Holz neben dem Kamin nieder und wärmte sich die Hände am knisternden Feuer. Es war wohl am besten, gar nicht darüber nachzudenken, wieviel Geld da den Rauchfang hinausgeblasen wurde – nur um einen Raum zu heizen, in dem sich ohnehin niemand aufhielt. Es nützte anscheinend wenig, daß sie ihrer Tante Eugenie immer wieder nahelegte, jeden Piaster zweimal umzudrehen, bevor sie ihn ausgab. Die Fontaines hielten einfach an ihrem gewohnten Lebensstil fest.

Nein, jetzt sind es ja nicht mehr Piaster, dachte Camille. Die Spanier waren fort; ab jetzt hieß es, jeden Cent zweimal umzudrehen. Doch egal ob Cents oder Piaster – die Fontaines besaßen von beidem zu wenig.

Wenn nur Onkel Auguste nicht ständig versuchen würde, sein Vermögen am Spieltisch zu vermehren ... Nein, das war ungerecht von ihr, dachte sie. Bei all seinen Fehlern war Onkel Auguste doch ein sehr tugendhafter und großzügiger Mensch. Immerhin hatte er sie trotz ihrer etwas anrüchigen Herkunft in seiner Familie aufgenommen.

Ihre Mutter, Tante Eugenies Schwester, war als junges Mädchen durchgebrannt, um einen französischen Seeräuber zu heiraten – und so war Camille unter Piraten aufgewachsen. Doch nachdem ihre Eltern von feindlichen Piraten brutal ermordet worden waren, als Camille gerade vierzehn Jahre alt war, hatte Onkel Auguste sie ohne zu zögern im Kreis der Fontaines aufgenommen. Und obwohl er sie ihre Herkunft des Öfteren spüren ließ, sorgte er doch dafür, daß es ihr an nichts fehlte und daß sie genauso behandelt wurde wie seine eigenen Kinder. Von einem ehrenwerten Kreolen wurde ganz einfach erwartet, daß er sich um Waisenkinder innerhalb der Verwandtschaft kümmerte, selbst wenn ihr Name in Verruf geraten war.

Sie sollte ihm also keine Vorwürfe machen, das wußte sie – und doch konnte sie manchmal nicht anders. Sie nahm es ihm ein wenig übel, daß sie den Mädchennamen ihrer Mutter als Familiennamen hatte annehmen müssen, damit die Fontaine-Familie möglichst nicht von ihrer skandalumwitterten Vergangenheit in Mitleidenschaft gezogen wurde. Doch diese Maßnahme war eigentlich vergeblich gewesen. Die Leute wußten genau, daß sie die Tochter eines Piraten war, weshalb man sie hinter ihrem Rücken nur die ›Piratenprinzessin‹ nannte.

Am meisten aber ärgerte sie die widerwillige Wohltätigkeit ihres Onkels, wußte sie doch genau, daß sie ganz gut auf eigenen Beinen hätte stehen können. Mit vierzehn war sie wohl auf seine Fürsorge angewiesen gewesen, aber jetzt, mit fünfundzwanzig, war sie alt genug, um sich einen Posten als Gouvernante oder Näherin zu suchen.

Doch leider war Tante Eugenie immer noch auf sie angewiesen. Die Tante hatte größte Mühe, mit ihrem Mann und ihren acht Kindern zurechtzukommen. Die Fontaines hatten genug Geld gespart, um zwei Söhne in Frankreich studieren zu lassen, wie es sich gehörte – doch da sie nur über wenige Sklaven verfügten und sechs weitere Kinder zu versorgen hatten, blieb für Tante Eugenie immer noch sehr viel Arbeit übrig, die ihr zum Teil von Camille und der ältesten Tochter der Fontaines, Desirée, abgenommen wurde. Da sie jetzt gezwungen waren, an allen Ecken und Enden zu sparen, gab es natürlich noch mehr zu tun. Dies war der Grund, warum Camille beschlossen hatte zu bleiben, bis die Kinder größer waren.

Camille hatte es geschafft, ihre steifen Hände wieder ein wenig zu wärmen, als plötzlich ein Schwall kalter Luft hereindrang, weil Tante Eugenie vom Hof her das Zimmer betrat, gefolgt von Onkel Auguste und Desirée. Die älteste Tochter der Fontaines machte ein ziemlich unglückliches Gesicht, und ihre Mutter wirkte aus irgendeinem Grund ziemlich aufgebracht.

Auch Onkel Auguste war außer sich. »Es ist mir egal, was du auf dem Markt gehört hast, Eugenie!« brüllte er. »Du gehst heute abend mit Desirée auf diesen Ball – und jetzt will ich nichts mehr davon hören!«

»Worum geht's denn?« fragte Camille ihre Tante. »Was hast du denn auf dem Markt gehört?«

Ihre Tante trat zu ihr an den Kamin, sie zitterte vor Kälte am ganzen Leib. Die aktuelle Mode verbot es, daß eine Frau über dem dünnen Musselinkleid mehr als eine kurze Überjacke oder ein Umhängetuch trug – und Tante Eugenie war fest entschlossen, auch dann mit der Mode zu gehen, wenn sie dabei halb erfror. Ihre üppige Brust hob und senkte sich rasch, woran man deutlich erkannte, wie aufgewühlt sie war. »Die Männer gehen heute abend bewaffnet auf den Ball ...«

»Die Männer besuchen öffentliche Bälle nie ohne Waffe«, brummte Onkel Auguste. »Was sollte also heute abend anders sein als sonst?«

»Oh, Auguste, es ist sehr wohl anders.« Sie wandte sich ihrem Ehemann zu und griff nervös nach dem Ärmel seines Überrocks, um irgendwelche nicht vorhandenen Fusseln zu entfernen. Sie schien immer einen Vorwand zu finden, um ihn zu berühren – besonders, wenn sie versuchte, ihn von etwas zu überzeugen. »Die Männer gehen diesmal schon mit der Absicht hin, einen Streit vom Zaun zu brechen – und du willst doch sicher nicht deine Tochter einer solchen Gefahr aussetzen. Es heißt, sie wollen die Amerikaner zwingen, sich wie richtige Gentlemen zu benehmen.«

»Genau das, was wir hier in New Orleans brauchen – noch mehr Gentlemen von der Sorte der kreolischen Männer«, murmelte Camille und bereute ihre Bemerkung, kaum daß sie ihr entschlüpft war.

Onkel Auguste warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. »Bei deiner spitzen Zunge brauchst du dich nicht zu wundern, daß du eine Jungfer geblieben bist. Wenn du nur ein wenig liebenswürdiger wärst, dann hätte vielleicht irgendeiner dieser Gentlemen Mitleid mit dir und würde dich heiraten.«

Obwohl sie errötete, war sie doch nicht bereit, seinen Vorwurf auf sich sitzen zu lassen. »Es liegt sicher nicht daran, daß ich zu wenig liebenswürdig bin – und das weißt du sehr genau. All diese Gentlemen sehen es ganz einfach als unter ihrer Würde an, sich mit einer Piratentochter einzulassen.«

Er machte ein finsteres Gesicht. »Vielleicht könnten sie über all das hinwegsehen, wenn du sie nicht immer so herablassend behandeln würdest. Welcher Mann will schon eine Frau, die glaubt, sie wäre klüger als er. Du hast dich viel zu viel mit Büchern beschäftigt. Bücher sind etwas für Gelehrte, aber nicht für heiratsfähige junge Frauen. Es ist mir ein Rätsel, wie du eine solche Vorliebe für Bücher entwickeln konntest, da du doch unter Piraten gelebt hast. Auf jeden Fall tut dir das nicht gut.«

Sie verkniff sich die Bemerkung, daß es ihr Vater war, der bei ihr die Liebe zu Büchern weckte. Ihr Papa war Lehrer gewesen, bevor er es satt hatte, von der Hand in den Mund zu leben, und sich dem einträglicheren Geschäft der Seeräuberei zuwandte.

Einträglicher mochte es ja gewesen sein – doch zuletzt hatte es ihm den Tod gebracht. Es schnürte ihr immer noch die Kehle zu, wenn sie daran dachte, wie die englischen Piraten an jenem Tag in das Lager eingefallen waren und ...

Sie wehrte sich gegen die furchtbaren Bilder, die wieder in ihr Bewußtsein drangen. Es hatte keinen Sinn, sich wieder und wieder daran zu erinnern.

»Was du bräuchtest, um dir einen Freier zu angeln«, fuhr Onkel Auguste fort, »das wäre Desirées freundliches Wesen.«

»Oh, Papa«, wandte Desirée ein und warf Camille einen Blick zu, mit dem sie für ihren Vater um Verzeihung bat. »So etwas darfst du nicht sagen. Camille ist wirklich in Ordnung – genau so wie sie ist.«

Doch Camille nahm an der Bemerkung ihres Onkels gar keinen Anstoß. Desirée war tatsächlich das reizendste und freundlichste Geschöpf, das man sich vorstellen konnte – und Camille verehrte sie geradezu. »Zumindest in diesem Punkt sind wir uns alle einig«, stimmte Camille ihrem Onkel zu, denn sie wußte, daß ihre Cousine stets darunter litt, wenn sie mit Onkel Auguste stritt.

»Eben«, bekräftigte ihr Onkel, der es sich nicht nehmen ließ, das letzte Wort zu haben. »Und das ist der Grund, warum Desirée schon einen Freier hat, und du nicht – obwohl du die Ältere bist.«

»Desirée hat einen Freier?« fragte Camille erstaunt, wobei sie die neuerliche Stichelei ihres Onkels ignorierte.

»Du weißt ganz genau, daß Monsieur Michel sich sehr um sie bemüht«, gab Onkel Auguste zurück. »Deshalb müssen wir ganz einfach auf diesem Ball erscheinen. Ich habe Monsieur Michel zugesagt, daß wir kommen. Er hat ausdrücklich nach Desirée gefragt.« Er wandte sich seiner Frau zu. »Ich sage dir, Eugenie, der Fisch wird anbeißen, wenn wir ihm den Köder nur oft genug unter die Nase halten.«

Camille erstarrte förmlich. Sie konnte es nicht glauben. Onkel Auguste war also tatsächlich fest entschlossen, Desirée mit diesem widerlichen alten Wüstling zu verheiraten. Leander Michel hatte schon eine Frau ins Grab gebracht; sie war im Kindbett gestorben, nachdem sie sich immer wieder vergeblich bemüht hatte, ihm den heiß ersehnten Erben zu schenken. Keine andere kreolische Familie würde ihn als Freier akzeptieren, doch Onkel Auguste war entschlossen, seine reizende Tochter diesem alten Scheusal zu opfern.

Monsieur Michel war reich, sehr reich sogar – und Camille wußte, daß Onkel Auguste von diesem Reichtum zu profitieren hoffte, indem er seine Tochter an Monsieur Michel verheiratete. Aber war denn Geld wirklich so wichtig? Die beiden jüngeren Söhne der Fontaines mußten ja nicht unbedingt in Frankreich studieren. Und die drei übrigen Töchter brauchten auch nicht unbedingt eine große Mitgift, um einen Mann zu bekommen. Bei ihrem Aussehen würden sie ganz gewiß auch so passende Ehemänner finden, wenn auch nicht aus den höchsten gesellschaftlichen Schichten, wie Onkel Auguste es gerne gesehen hätte.

Er wandte sich seiner Frau zu, die Arme vor der Brust verschränkt. »Du siehst also, meine Liebe – Desirée muß unbedingt an diesem Ball teilnehmen, und du mußt sie begleiten. Laß Ursule daheim, wenn du willst – sie ist ja erst siebzehn und kann es sich leisten, einen Ball zu versäumen –, aber Desirée muß auf jeden Fall dort sein, wo doch Monsieur Michel sie erwartet. Und wenn Desirée hingeht, mußt du mit ihr gehen – es sei denn, Camille möchte sie als Anstandsdame begleiten.«

Es war in kreolischen Familien so Sitte, daß die älteren Jungfern die Rolle der Anstandsdame für die jüngeren Frauen übernahmen. Camille begleitete Desirée nun schon seit drei Jahren, seit ihre Cousine sechzehn Jahre alt geworden war.

»Aber Auguste ...«, sagte Tante Eugenie protestierend. Sie verstummte, als ihr Gemahl den Arm hob. »Genug, ich will nichts mehr hören. Es bleibt dabei, Eugenie.«

»Papa, vielleicht sollten wir diesmal wirklich zu Hause bleiben«, warf Desirée ein. Es war so ungewöhnlich, daß die allzeit freundliche und nette Desirée ihrem Papa widersprach, daß alle sie völlig entgeistert anstarrten. Die Röte stieg ihr in die Wangen, doch sie brachte dennoch tapfer ihr Anliegen vor. »Vielleicht könnten wir ja stattdessen Monsieur Michel zum Abendessen einladen. Ich ... ich könnte mein schönstes Kleid anziehen und Pralinen für ihn machen. Dann müßten wir nicht das Risiko eingehen, den Ball zu besuchen.«

Onkel Augustes anfängliche Verblüffung verwandelte sich rasch in Zufriedenheit. »Es freut mich zu sehen, daß du Monsieur Michels Interesse nun mit mehr Wohlwollen betrachtest.«

Camille machte ein finsteres Gesicht. Desirée hatte sich dem Wunsch ihres Vaters zwar nie ausdrücklich widersetzt, aber sie hatte ihn bisher auch nie in seinem Bestreben ermutigt, den reichen alten Wüstling als ihren Ehemann zu gewinnen. Einmal hatte sie Camille gegenüber sogar erwähnt, daß ihr die Aufmerksamkeit, die der alte Mann ihr widmete, ziemlich unangenehm sei. Das waren für Desirée überaus deutliche Worte.

Hatte sie es sich plötzlich anders überlegt? Camille konnte das einfach nicht glauben. Wie konnte Desirée auch nur daran denken, sich von diesem ... diesem widerwärtigen Alten berühren zu lassen? Camille hätte sich lieber umgebracht, als so etwas zuzulassen.

Vielleicht war es die Angst, als alte Jungfer zu enden, die Desirée doch noch dazu bewogen hatte, Monsieur Michel in Erwägung zu ziehen. Trotz ihres wunderbaren Charakters war Monsieur Michel ihr erster ernstzunehmender Verehrer. Und da er in einem Monat zu einer ausgedehnten Reise nach Frankreich aufbrechen wollte, betrachtete Desirée dies vielleicht als ihre ›letzte Chance‹.

Man konnte nicht sagen, daß Desirée unattraktiv wäre, nein – nach dem amerikanischen Schönheitsideal war sie wahrscheinlich sogar sehr hübsch; immerhin schienen amerikanische Männer eher den großgewachsenen schlanken Frauentyp zu bevorzugen. Aber unter den eher kleinwüchsigen Kreolen galt sie als Bohnenstange, die den meisten Männern zu groß war und die außerdem nicht über die üppigen Rundungen verfügte, wie man sie bei den Kreolen schätzte. Zusammen mit der Tatsache, daß sie mit keiner allzu hohen Mitgift rechnen konnte, ließ das ihre Chancen bei den jungen Männern nicht sehr günstig erscheinen.

»Es genügt nicht, daß wir Monsieur Michel zum Abendessen einladen«, fuhr Onkel Auguste fort. »Wir müssen ihn auch daran erinnern, wie großartig du tanzt. Er mag Frauen, die gut tanzen – das hat er mir selbst gesagt. Und über dich haben schon viele gesagt, daß du dich so leichtfüßig und anmutig bewegst wie eine Gazelle.«

Das entsprach durchaus der Wahrheit. Desirée war eine unerhört begabte Tänzerin. Allein diese Fähigkeit machte alle Mängel wett, die sie in den Augen der kreolischen Männer vielleicht aufwies.

»Aber Papa, wenn die Männer tatsächlich ihre Degen zum Ball mitnehmen ...«

Onkel Auguste legte ihr den Arm um die Schultern. »Du brauchst keine Angst zu haben. Die Männer hecken immer irgend etwas aus, um es diesen Amerikanern zu zeigen. Aber ich werde dich schon beschützen. Außerdem wird es bestimmt nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird, du wirst schon sehen. Du und ich und deine Mutter werden diesen Ball besuchen, –und alles wird gutgehen, da bin ich mir sicher.«

»Ich gehe auch mit«, warf Camille mit fester Stimme ein.

Nicht, daß sie so versessen darauf gewesen wäre, einen Ball zu besuchen, bei dem die Männer einen Streit vom Zaun brechen würden. Sie hatte in ihrem Leben genug Blutvergießen gesehen, um für immer genug davon zu haben. Doch sie machte sich Sorgen um Desirée, und sie war entschlossen, herauszufinden, warum ihre Cousine plötzlich gewillt war, sich diesem Monsieur Michel zu opfern. Wenn es dafür nötig war, an einem Ball teilzunehmen, an dem Blut fließen würde, dann war das nun einmal nicht zu ändern. Sie würde in jedem Fall hingehen.

Als sie den Festsaal betrat, sah Camille sofort, daß Tante Eugenies Befürchtungen durchaus berechtigt waren. Es war nicht die Tatsache, daß Kreolen und Amerikaner strikt getrennt saßen, denn das war auch auf allen vorhergehenden Bällen so gewesen – nein, was ihr Sorgen bereitete, war der äußerst feindselige Ausdruck auf den Gesichtern der Kreolen.

Die Amerikaner spürten sehr wohl die Ablehnung, die man ihnen entgegenbrachte. Die Männer mit ihrer blassen Haut und ihrer eher bescheidenen Kleidung machten mürrische Gesichter, doch an der Art und Weise, wie sie die Kreolen beobachteten, erkannte man, daß sie sich nicht sehr wohl in ihrer Haut fühlten. Das gleiche galt für die Frauen in ihren hochgeschlossenen engen Kleidern, die ziemlich unbequem sein mußten und die jeder kreolischen Frau viel zu bieder gewesen wären.

Was die Kreolen betraf, so konnte man deutlich sehen, daß zumindest die Männer noch um einiges finsterer und anmaßender dreinblickten als sonst; die Anspannung war ihnen an den Gesichtern abzulesen. Die Männer stolzierten in Kleidern herum, die der neuesten Pariser Mode entsprachen, und blickten verächtlich auf die Amerikaner in ihren billigen, strapazierfähigen Wollkleidern herab. Für einen kreolischen Mann gab es nichts Wichtigeres, als Eindruck zu machen, wofür man es auch in Kauf nahm, eine Zeitlang nichts Eßbares auf dem Tisch zu haben. An diesem Abend schienen sie alle in einer Art aufgeregter Erwartung zu sein, wie ein Alligator, der den Geruch von Blut in der Nase hat. Camille kannte diesen blutdürstigen Ausdruck nur allzu gut – und er bereitete ihr große Sorge, vor allem, da die Männer dermaßen schwer bewaffnet waren.

Einige der kreolischen Frauen schienen die Arroganz ihrer Männer zu teilen. Sie trugen ihre verwegenen, tief ausgeschnittenen Kleider zur Schau und bedachten die vergleichsweise bescheidenen Modelle der Amerikanerinnen mit spöttischen Blicken. Wie es schien, hatte nicht in jedem kreolischen Haus ein ähnlicher Streit stattgefunden wie der zwischen Tante Eugenie und Onkel Auguste, denn einige der Frauen erwarteten offenbar den drohenden Krawall mit ziemlicher Neugier. Doch es gab durchaus auch Frauen wie Tante Eugenie, die der bevorstehenden – und fast unausweichlich scheinenden – Auseinandersetzung mit angstvollen Gefühlen entgegenblickten.

Die Spannungen im Festsaal wurden noch verstärkt durch die Anwesenheit der amerikanischen Soldaten, die sich an einem Ende des Saales aufhielten. Sie nippten an ihren Drinks, während sie das Geschehen ziemlich mürrisch verfolgten – offenbar nicht sehr begeistert darüber, daß sie auf einem Ball für Ruhe und Ordnung zu sorgen hatten. Camille seufzte tief. Irgend jemand mußte die Amerikaner warnen und ihnen klarmachen, daß man eine Horde hitzköpfiger Kreolen keineswegs dadurch besänftigen konnte, daß man ihnen Militär vor die Nase setzte. Das hatten schon die Spanier begreifen müssen, als sie hier noch das Sagen hatten, und auch die Amerikaner würden es früher oder später zur Kenntnis nehmen müssen.

»Ich habe dir ja gesagt, wir hätten nicht kommen sollen«, flüsterte Tante Eugenie ihrem Mann zu. Sie wichen nicht von Desirées Seite, die sich ziemlich beunruhigt im Saal umblickte.

Onkel Auguste blickte mit hochmütiger Miene zu den Amerikanern hinüber. »Ich bin doch kein Feigling und laufe vor diesen Barbaren davon. Wir müssen ihnen zeigen, daß sie eine langjährige Tradition nicht so einfach wegwischen können, nur weil ihnen das Land gehört. Die haben wirklich Nerven, diesen Major mit seiner Handvoll Soldaten hierherzuschicken!«

Tante Eugenie beugte sich zu ihrem Mann hinüber und sprach mit besänftigender Stimme auf ihn ein. »Vielleicht sind sie ja nur gekommen, um zu tanzen. General Wilkinson hat doch alle bisherigen Bälle besucht.«

»Ja, weil es aus politischen Gründen nützlich ist. Aber Major Woodward ist nur aus einem einzigen Grund hier – um uns mit Gewalt zu beugen. Er war noch nie auf einem unserer Bälle, und schon gar nicht mit einer Horde Soldaten. Der ist bestimmt nicht hier, um zu tanzen, das kann ich dir versichern.«

»Wer ist Major Woodward?« fragte Tante Eugenie.

»Der Große dort drüben, der dem General gerade ein Glas Wein reicht. Man sagt, daß der General sehr auf ihn hört.« Mit ziemlich verächtlichem Ton fuhr er fort: »Es heißt, sein Vater sei Trapper in Virginia gewesen, bis er sich sozusagen etwas Ansehen erkaufte, indem er eine Handelsgesellschaft erwarb. Der Major selbst soll als Knabe zusammen mit seinem Vater unter Wilden gelebt haben. Und man sieht ja auch auf den ersten Blick, daß er selbst nicht viel mehr als ein Wilder ist.«

Camille hielt nach dem General Ausschau und sah den Major direkt neben ihm. Der Major stand an der Spitze seiner Soldaten; irgendwie vermittelte er den Eindruck, nicht wirklich dazuzugehören – ein Gefühl, das Camille sehr oft unter ihren eigenen Landsleuten empfand. Er war sehr groß und hatte sandfarbenes Haar, das eine Spur länger war als das der anderen Soldaten. Ihr wurde sogleich klar, warum ihr Onkel ihn für einen Wilden hielt. Trotz seiner makellosen Uniform vermittelte sein stolzer – ja, arroganter Gesichtsausdruck mehr als deutlich, daß mit ihm nicht zu spaßen war. Seine ganze Haltung drückte aus, daß er eventuelle Unruhen mit einem einzigen Blick im Keim ersticken konnte. Sie vermutete, daß er es war, und nicht der General, der die anwesenden Soldaten anführte.

Plötzlich schien der Major zu spüren, daß sie ihn beobachtete, denn sein Blick wandte sich ihr zu. Sie konnte zwar aus der Entfernung die Farbe seiner Augen nicht erkennen, doch sie sah deutlich, daß er sie von oben bis unten begutachtete. Es war aber kein unverschämter Blick, wie sie das von amerikanischen Soldaten gewohnt war, nein – er betrachtete sie ganz einfach interessiert. Doch das brachte sie mehr aus der Fassung, als jeder noch so unverschämte Blick es vermocht hätte.

Als er ihr schließlich grüßend zunickte, blickte sie sofort zur Seite. Sie spürte seinen Blick immer noch auf sich ruhen; es war einfach zu peinlich, daß sie den Mann so angestarrt hatte und dadurch seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Das fehlte ihr gerade noch, daß ein amerikanischer Soldat sich einbildete, sie hätte gewisse Absichten. Die amerikanischen Männer betrachteten die kreolischen Frauen ohnehin als sittenlos und verkommen.

Sie würden staunen, wenn sie die Wahrheit wüßten, dachte Camille. Kreolische Frauen hatten im allgemeinen nur wenig Ahnung von den Freuden des Schlafzimmers. Und das galt auch für unverheiratete Frauen. Die kreolischen Männer hielten sich zu diesem Zweck lieber an ihre Mätressen als an ihre Ehefrauen. Gott sei Dank hatte Onkel Auguste keine Geliebte, wahrscheinlich weil es ihm allzu wichtig war, den Herrn zu spielen – und das würde ihm keine Mätresse, die etwas auf sich hielt, gestatten. Camille hatte einmal von einer kreolischen Frau gehört, deren Ehemann sich gleich nach der Hochzeitsnacht scheiden ließ, weil sie so zügellos gewesen war, Lust zu empfinden.

Doch im Gegensatz zu ihren Geschlechtsgenossinnen hatte Camille im Piratenlager manch Wissenswertes aufgeschnappt – was sie ihrem Onkel jedoch tunlichst verschwieg, da er sie sonst für rettungslos verkommen gehalten hätte.

»Du meine Güte«, murmelte Tante Eugenie an ihrer Seite. Erst jetzt höre Camille die aufgebrachten Stimmen, die von dem Podium zu ihnen drangen, wo zwei Gruppen von Männern offensichtlich versuchten, dem Tanzorchester einen Musikwunsch zu übermitteln. Der Leiter des Orchesters blickte die beiden Gruppen abwechselnd mit etwas unsicherer Miene an, doch bald wurde er aus dem Gespräch ausgeschlossen – die Männer wandten sich nun direkt einander zu. »Hör mir mal zu, du fröschefressender Bastard«, warf ein aufgebrachter Amerikaner auf Englisch einem jungen Kreolen an den Kopf. »Ob's dir nun paßt oder nicht – das hier ist jetzt Amerika. Und in Amerika tanzen wir Reel und Jig, keinen Kotillon und auch keinen Walzer!« Er wandte sich dem Orchesterleiter zu. »Spielen Sie zum Reel auf, guter Mann!«

»Was hat er gesagt?« flüsterte Tante Eugenie Camille zu, die als einzige in der Familie Englisch sprach. Sie hatte es einst als Kind von einem der Piraten ihres Vaters gelernt. Sie begann für ihre Tante zu übersetzen, hielt aber inne, als der Kreole dem Orchesterleiter zubrüllte, er solle gefälligst einen Walzer spielen.

»Nur ungeschliffene Flegel können ein derart kindisches Gehopse als Tanz betrachten!« sagte er auf Französisch. »Wenn Sie eine etwas elegantere Form der Unterhaltung nicht zu würdigen wissen, dann sollten Sie woanders tanzen!«

Aufgebrachte Stimmen schrien durcheinander. »Was hat der Franzose gesagt?« brüllte es überall im Saal. Während jene, die Französisch verstanden, es für die anderen übersetzten, begannen die Amerikaner, ihre Fäuste gegen die Widersacher zu erheben und sie wüst zu beschimpfen.

Während manche der Kreolen auf dieses Schreiduell eingingen, zogen andere ihre Waffen. Da sah Camille, wie Major Woodward seinen Soldaten ein Zeichen gab, sich im Saal zu verteilen; offensichtlich bereiteten sie sich darauf vor, jederzeit in Aktion zu treten. Stimmen schrien wild durcheinander, während eine Gruppe von Kreolen sich einer größeren Gruppe von Amerikanern näherte.

Als Tante Eugenie Camille am Arm packte und sich an Onkel Auguste wandte, bemerkte Camille, daß einige der Frauen in der Menge in Panik gerieten. Manche fielen in Ohnmacht, als sie sahen, wie ihre Männer sich zum Kampf bereitmachten. Ihr Onkel hatte sogar die Pistole gezogen, um seine Familie zu verteidigen.

Bald trafen mit lautem Geklirr die ersten Degen aufeinander, und die Soldaten zogen ihre Waffen; Camille konnte es nicht fassen, daß die Männer auch vor einer blutigen Auseinandersetzung nicht zurückschreckten. Schon bei früheren Tanzveranstaltungen hatte es immer wieder Streit gegeben – aber zu Blutvergießen war es noch nie gekommen. Sie wußte, daß die hitzköpfigsten unter den Kreolen nicht eher ruhen würden, als bis sie einige der Amerikaner auf ihren Degen aufgespießt hätten. Die Soldaten würden sie dafür töten, doch damit würde die Sache längst nicht ausgestanden sein. Möglicherweise würde der amerikanische Gouverneur das Kriegsrecht ausrufen, und den kreolischen Unruhestiftern drohte ein längerer Gefängnisaufenthalt. Und das alles nur, weil sie sich nicht auf den nächsten Tanz einigen konnten?

Irgend etwas mußte geschehen, um diesen Wahnsinn zu beenden. Ohne lange zu überlegen, riß Camille ihrem Onkel die Pistole aus der Hand. Sie sprang auf die nächste Sitzbank und feuerte in die Luft. Mit einem vielstimmigen Schrei der Empörung wandten sich die verfeindeten Männer ihr zu, um dem vermuteten Angriff zu begegnen. Als sie jedoch das Mädchen erblickten, die rauchende Pistole in der Hand, verstummten sie nach und nach, bis es ganz still im Saal war.

»Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen?« rief sie ihren Landsleuten mit finsterer Miene zu. »Habt ihr denn schon vergessen, wie es war, als die Spanier unsere Herren waren und ihr euch gegen sie aufgelehnt habt? Fünf Männer wurden dafür erschossen. Genügt euch das denn nicht? Wollt ihr unseren Eintritt in die Vereinigten Staaten mit neuem Blutvergießen feiern?«

Die Männer starrten sie schweigend an, während ihr Onkel an ihrem Rock zerrte und ihr zuzischte, daß sie sofort herunterkommen solle – doch sie war noch nicht fertig. Als er ihr die Pistole aus der Hand riß, wandte sie sich den Amerikanern zu; sie war zu aufgewühlt, um englisch sprechen zu können. »Und euch möchte ich sagen – wir haben dreißig Jahre mit den Spaniern gelebt, und sie haben uns nie gezwungen, Fandango zu tanzen. Ihr sprecht doch andauernd von Freiheit – und uns wollt ihr zwingen, Reel und Jig zu tanzen, obwohl wir das nicht wollen?«

Unter den Amerikanern hob ein aufgeregtes Geflüster an, da alle Anwesenden ihre Worte übersetzt haben wollten – doch bevor sie ihr Anliegen auf Englisch wiederholen konnte, ertönte Major Woodwards dröhnende Stimme, der ihre Worte aufs treffendste ins Englische übertrug.

General Wilkinson hörte mit großer Aufmerksamkeit zu. Camille wartete mit atemloser Spannung, was er zu alldem sagen würde. Doch er lachte nur, als Major Woodward mit seiner Übersetzung fertig war. Der General erhob sein Glas und sagte: »Sehr gut, Mademoiselle.« Dann wandte er sich dem Tanzorchester zu. »Einen Walzer, Gentlemen!« wies er die Musiker an. »Spielen Sie uns einen Walzer!«

Die Kreolen brachen in Jubelgeschrei aus, als die Musik einsetzte, und obwohl die Amerikaner murrten, konnten sie sich doch nicht gut dem Befehl ihres Generals widersetzen. Camille sah, wie der General noch ein paar Worte mit seinem Major sprach, ehe er mit Mrs. Wilkinson das Tanzparkett betrat.

Erst jetzt wurde ihr bewußt, wie ungeheuerlich sie sich benommen hatte. Sie konnte es kaum glauben, daß sie sich tatsächlich auf eine Bank gestellt und mit den Männern in einem Ton gesprochen hatte, der einer Fischverkäuferin auf dem Markt alle Ehre gemacht hätte. War sie denn noch nicht berüchtigt genug unter ihren Landsleuten? Nun, sie hatte sich das Leben damit sicher nicht einfacher gemacht.

Sie blickte sich nach ihrer Tante und ihrem Onkel um – und stellte fest, daß sie von einer riesigen Menschenmenge umringt waren. Jemand half ihr hinunter, während einige unter den versammelten Männern ihr zu ihrer Rede gratulierten. Es ärgerte sie, daß dieselben Männer, die sie für gewöhnlich wie Luft behandelten, sie nun mit Komplimenten förmlich überschütteten. Doch gerade, als sie sich überlegte, ob sie ihnen das in aller Offenheit mitteilen sollte, sagte einer von ihnen: »Jetzt schicken die Amerikaner den Wilden herüber, um uns noch einmal zu beleidigen.«

»Den Wilden?« Sie wirbelte herum, in der Erwartung, einen Indianer vor sich zu sehen.

Statt dessen stand ihr Major Woodward gegenüber, den jedermann als ›den Wilden‹ bezeichnete. An seinem arroganten Gesichtsausdruck erkannte sie, daß er die Bemerkung des Kreolen sehr wohl gehört hatte; und die Frage, mit der sie darauf reagiert hatte, war – seinem verächtlichen Blick nach zu schließen – für ihn wohl der Beweis, daß auch sie nicht anders dachte. Obwohl sie keine Schuld daran hatte, errötete sie doch bis unter die Haarwurzeln.

Er verbeugte sich flüchtig vor ihr und sah ihr mit einem durchdringenden Blick in die Augen. »Miss Giron, ich bin Major Simon Woodward«, sagte er in tadellosem Französisch und streckte ihr die Hand entgegen. »Im Interesse des Friedens zwischen unseren Landsleuten möchte ich Sie um diesen Tanz bitten.«

In ihrer Verblüffung zögerte sie einen Augenblick – unschlüssig, was sie tun sollte. Ihr Onkel würde ihr wahrscheinlich den Kopf abreißen, wenn sie mit einem Mann tanzte, der sich nicht der Familie vorgestellt hatte, wie es sich gehörte. Doch sie konnte ihn auch nicht gut zurückweisen und ihn glauben lassen, die Kreolen seien ausnahmslos so ungehobelt und grob, wie es den Anschein hatte.

»Ich danke Ihnen, gerne«, murmelte sie schließlich und nahm seine Hand.

Sie spürte seine Anspannung, als er sie aus der Gruppe von Kreolen wegführte, von der sie umringt gewesen war. Als sie die Tanzfläche erreicht hatten, murmelte er: »Ich bin mit einer Art Botschaft zu Ihnen geschickt worden.«

Sie blickte ihn verständnislos an.

»Der General möchte, daß ich Ihnen seinen Dank ausspreche. Er weiß zu schätzen, was Sie getan haben, um den Frieden aufrechtzuerhalten. Er hätte Sie gern persönlich um diesen Tanz gebeten, aber er fürchtete, Sie könnten ablehnen – und das wäre in politischer Hinsicht ziemlich unangenehm gewesen.«

»Was wäre, wenn ich Sie zurückgewiesen hätte?« fragte sie auf Englisch. Obwohl er in Französisch zu ihr sprach, war es ihrer Ansicht nach nur recht und billig, wenn sie sich seiner Sprache bediente.

Er warf ihr einen durchdringenden Blick zu und erwiderte auf Englisch: »Ich hätte es nicht hingenommen, daß Sie mich zurückweisen. Wissen Sie, wir ›Wilden‹ kümmern uns nicht darum, was sich schickt und was nicht.«

Sie schämte sich – aber nicht so sehr für sich selbst als vielmehr für ihre Landsleute, die einen Menschen zum ›Wilden‹ stempelten, obwohl sie nichts als Gerüchte über ihn gehört hatten. »Ich selber halte Sie nicht für einen Wilden«, erwiderte sie rasch. »Sie sind zweifellos vollkommen zivilisiert ...«

»Bestimmt nicht zivilisiert genug für einen Tanz mit der Ballkönigin«, warf er mit starrer Miene ein. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen möchten – ich glaube, ich habe meine Mission erfüllt; ich muß wieder zu meinen Pflichten zurückkehren.«

Er ließ ihre Hand los und drehte sich um – doch kaum war er ein paar Schritte gegangen, rief sie ihm nach: »Warten Sie!«

Langsam drehte er sich um. Er hatte immer noch diesen verächtlichen Ausdruck auf dem Gesicht – und sie wünschte sich mit einem Mal sehr, daß sie irgend etwas dagegen tun könnte. Doch es war nur zu offensichtlich, daß er mit ihr und ihresgleichen nichts zu tun haben wollte.

Sie suchte nach irgendeinem Vorwand, um ihn zum Bleiben zu überreden, und sagte schließlich: »Reicht Ihr Pflichtgefühl nicht so weit, daß Sie mir den Tanz schenken, um den Sie mich baten?«

»Meine Pflicht beschränkt sich einzig und allein auf meine Soldaten, Mademoiselle.« Der verächtliche Blick, den er ihr zuwarf, hätte wohl jede andere Frau eingeschüchtert. Doch Camille war nicht irgendeine Frau – sie war immerhin die Tochter eines Piraten.

»Ich glaube, sie kommen im Moment ganz gut ohne Sie aus«, entgegnete sie. »Die meisten von ihnen tanzen selbst.«

Er blickte sich im Saal um und sah, daß sie durchaus recht hatte. »Aber ich kann nicht Walzer tanzen«, sagte et nach einem Augenblick des Überlegen.

»Oh«, murmelte sie ein wenig verlegen. Jetzt erst erinnerte sie sich, daß ihr Onkel ja erzählt hatte, daß de/ Major für gewöhnlich keine Bälle besuchte. Jetzt wußte sie also, warum. Ein Wilder tanzte nun einmal nicht Walzer. »Dann bringe ich es Ihnen bei«, schlug sie vor, ohne lange nachzudenken.

Er betrachtete sie etwas amüsiert. »Wie bitte?«

Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Auch ich möchte etwas ›im Interesse des Friedens‹ tun; nun, ich bringe Ihnen unseren Lieblingstanz bei – das ist mein Beitrag zum Frieden.«

Für einen Augenblick dachte sie, er würde ihr Angebot zurückweisen. Er betrachtete sie ein wenig unschlüssig. Schließlich sagte er mit einem Achselzucken: »Na gut«, und nahm ihre Hand, um sie auf die Tanzfläche zu führen.

Doch noch ehe sie ihm die Schritte zeigen konnte, begann er, sich mit vollendeter Eleganz zur Musik zu bewegen.

»Sie haben gelogen«, sagte sie vorwurfsvoll, während er sie mühelos über die Tanzfläche führte. »Oder behaupten Sie immer noch, Sie wüßten nicht, wie man Walzer tanzt?«

Mit einem angedeuteten Lächeln erwiderte er: »Und Sie haben gelogen, als Sie sagten, Sie hielten mich nicht für einen Wilden.«

»Aber das war die Wahrheit!« sagte sie mit ernster Miene. »Als Sie auf mich zukamen, um mich zum Tanzen aufzufordern, da nahmen Sie an, ich würde die Ansicht meines Landsmannes teilen – aber so war es nicht! Als er diese Bemerkung machte, dachte ich einen. Augenblick, Indianer wären im Saal, weil er von einem Wilden sprach.«

Sein Blick war etwas skeptisch, als er sie fester um die Taille faßte. »Aber wenn Sie mich wirklich nicht für einen Wilden halten würden, dann hätten Sie nicht sofort geglaubt, daß ich nicht Walzer tanzen kann, oder?«

Das stimmte zum Teil – doch es tat ihr weh, daß er ihre Aufforderung offenbar nur als eine neuerliche Beleidigung auffaßte. Ihre Lippen zitterten, und sie wandte den Blick von ihm ab, als sie entgegnete: »Ich habe Ihnen ganz einfach geglaubt, das ist alles.«

Als er nach einer Weile wieder zu ihr sprach, hatte seine Stimme einiges von ihrer Schärfe verloren. »Es tut mir leid, Mademoiselle«, sagte er. »Die Vorfälle von heute abend haben mich ein wenig griesgrämig gemacht. Waffenstillstand?«

Sie blickte ihn ein wenig argwöhnisch an, doch er schien es diesmal tatsächlich ernst zu meinen. Sie nickte ihm mit einem kühlen Blick zu. »Waffenstillstand.«

Sein Lächeln löste ein eigenartiges Gefühl in ihr aus. Zum ersten Mal, seit sie mit ihm tanzte, spürte sie bewußt die Wärme seiner Hand an ihrer Taille.

Wenngleich er in seiner Uniform gewiß eine gute Figur machte – er hatte breite Schultern und muskulöse Beine, die in der hautengen weißen Hose gut zur Geltung kamen –, konnte man ihn doch nicht wirklich als gutaussehend bezeichnen. Doch seine etwas derben Gesichtszüge waren durchaus imstande, das Interesse des Betrachters – oder der Betrachterin – zu wecken, denn sie hatten etwas Ungestümes, Rassiges an sich.

»Darf ich Sie etwas fragen?« wandte er sich plötzlich an sie.

»Aber sicher.«

»Warum waren Sie bereit, mit mir zu tanzen?«

Sie zögerte einen Augenblick. Sie konnte ihm unmöglich die Wahrheit sagen, denn sie lag allzu nahe an dem, was er ihr vorhin vorgeworfen hatte. Statt dessen sagte sie: »Sie waren der einzige, der mich gefragt hat.«

Er lachte, was sie aus irgendeinem Grund im Innersten berührte, so daß sie für einen Moment den Atem anhielt. Sie schalt sich selbst eine Närrin, daß sie so heftig auf ihn reagierte. Warum in aller Welt errötete sie wie ein Schulmädchen, wenn dieser Amerikaner lachte, was ihr nie zuvor mit einem Kreolen passiert war?

Weil er ihr das Gefühl gab, daß sie seine volle Aufmerksamkeit genoß – auch wenn sie wußte, daß sie sich das nur einbildete. Es war ein Pflichttanz, nicht mehr – und dennoch fühlte sie sich mehr im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit, als das je mit einem ihrer Landsleute der Fall gewesen war.

»Das glaube ich Ihnen nicht«, erwiderte er. »Sie waren so mutig, als Sie Ihre Landsleute verteidigten, daß sich die jungen Männer bestimmt nur so darum gerissen haben, mit Ihnen zu tanzen.«

Jetzt mußte sie lachen, wenngleich ein wenig Bitterkeit mitschwang. »Die jungen kreolischen Männer? Ich versichere Ihnen, Major Woodward, es gibt keine jungen Männer, die sich für mich interessieren. Ich bin ihnen ganz einfach viel zu alt.«

Er blickte sie mit ehrlichem Erstaunen an. Seine Augen hatten die Farbe von Granit ... oder Silber. Sie schienen tief in ihr Inneres blicken zu können. »Die kreolischen Frauen halten sich auch im Alter recht gut, wie es scheint – aber Sie sind trotzdem ganz sicher keinen Tag älter als vierundzwanzig.«

»Fünfundzwanzig«, sagte sie lächelnd – doch es schmerzte sie jedesmal wieder, wenn sie daran dachte, wie die jungen Kreolen sie ignorierten. »Die kreolischen Männer interessieren sich nicht für Frauen, die ... nun, wie soll ich sagen –, ›nicht mehr ganz taufrisch‹ sind.«

Er blickte ihr so tief in die Augen, daß es ihr den Atem verschlug. »Dann sind sie Narren – und das in zweifacher Hinsicht; zum einen, weil sie sich nicht für Sie interessierten, als sie noch ›taufrisch‹ waren, und zum zweiten, weil sie anscheinend glauben, daß eine Frau mit fünfundzwanzig ihren Reiz verliert.«

Obwohl das Kompliment ihr durchaus das Herz erwärmte, wußte sie doch nicht so recht, ob sie ihm glauben sollte. »Wollen Sie mir damit sagen, daß die Amerikaner nicht genauso denken? Ich glaube, ich habe auch unter Ihren Landsleuten schon des öfteren gehört, daß eine Dame als ›alte Jungfer‹ bezeichnete wurde.«

Er beugte sich näher zu ihr und lächelte ihr vertraulich zu. »Niemand würde diese Bezeichnung für eine Frau verwenden, die so jung ist wie Sie.« Er senkte den Blick und sah auf ihre Lippen. »Insbesondere, wenn sie so hübsch ist.«

Sie errötete heftig, was ihr über die Maßen peinlich war. Wie lange war es her, daß ein Mann auch nur den Versuch unternommen hatte, sie zum Erröten zu bringen? Aber es war ja auch schon ewig her, seit ein Mann aus einem anderen Grund mit ihr getanzt hatte, als um sie über ihr Leben unter den Piraten auszufragen.

Als er sie mit leiser Stimme fragte: »Wie mache ich mich, Mademoiselle?« fürchtete sie für einen Augenblick, er könnte ihre ungeheuerlichen Gedanken erraten haben. Dann fügte er hinzu: »Ist mein Walzer annehmbar?«

»Sie tanzen sehr gut«, murmelte sie ein wenig atemlos. Aber ihre Gedanken waren mit anderen Dingen beschäftigt als mit seinen tänzerischen Fähigkeiten. Sie konzentrierte sich ganz darauf, wie fest sich seine Finger um die ihren schlossen ... wie nahe seine Schenkel an den ihren waren, ohne sie zu berühren ... und wie warm sein Atem an ihren Wangen war.

Oh, es waren Gedanken, die vielleicht einem zügellosen Weib zustanden – aber doch nicht einer Lady! Wie seltsam es doch war, daß nie zuvor ein Mann derartige Gedanken bei ihr ausgelöst hatte.

»Nachdem ich mit dem Walzer so gut vorankomme«, scherzte er, »könnten Sie mir ja vielleicht noch andere Tänze beibringen.« Leise fügte er hinzu: »Ich hätte auf einmal Lust, alles mögliche von Ihnen zu lernen.«

Sie blickte zu ihm auf und sah das Lächeln auf seinen Lippen, das auf eher unzüchtige Gedanken schließen ließ. Eigentlich hätte sie beleidigt sein sollen – doch statt dessen spürte sie ein angenehmes Beben tief in ihrem Inneren.

»Ich glaube, Sie haben für heute genug gelernt, Major«, erwiderte sie mit einem nervösen Lächeln.

Die Musik ging zu Ende, doch er ließ sie nicht gleich los. »Mademoiselle«, sagte er, »vielleicht wäre es möglich, daß Sie ...«

»Hier bist du also!« zischte eine aufgebrachte Stimme hinter ihr. Sie stöhnte auf. Ihr Onkel. Sie hatte den schweren Fehler begangen, ihn zu vergessen.

Nachdem Major Woodward sie losgelassen hatte, drehte sie sich um und blickte in Onkel Augustes wütendes Gesicht. Offenbar hatte er vergessen, daß der Major Französisch verstand, als er in vorwurfsvollem Ton sagte: »Zuerst muß sich die ganze Familie für dich schämen, weil du den Männern vor all den Leuten Vorwürfe machst, und dann hast du auch noch die Frechheit, mit diesem Barbaren zu tanzen ...«

»Entschuldigen Sie«, warf Major Woodward in tadellosem Französisch ein, wobei seine Gesichtszüge sich augenblicklich verhärteten. »Ihre Tochter hat nur ...«

»Sie ist nicht meine Tochter!« fiel ihm Onkel Auguste ins Wort. »Meine Tochter würde sich niemals so skandalös benehmen! Sie ist nur meine Nichte – und sie sorgt immer wieder dafür, daß sich die ganze Familie für sie schämen muß!«

Sie hatte zwar immer gewußt, daß ihr Onkel ein wenig auf sie herabblickte, doch daß er dies so unverhohlen – und noch dazu vor dem Major – zum Ausdruck brachte, das schmerzte sie doch empfindlich. Sie wandte den Kopf rasch zur Seite, um ihre Tränen zu verbergen.

»Na gut, Ihre Nichte«, begann Major Woodward erneut. »Aber Sie sollten ihr nicht die Schuld dafür geben, daß sie mit mir getanzt hat. Ich habe nicht nachgegeben, bis sie eingewilligt hat.«

Sie war ihm dankbar, daß er für sie log, doch ihren Onkel würde das sicher nicht besänftigen.

»Und ob ich ihr die Schuld dafür gebe«, entgegnete Onkel Auguste. »Sie weiß nämlich ganz genau, daß es sich für eine unverheiratete Frau nicht schickt, mit einem Mann zu tanzen, der sich nicht der Familie vorgestellt hat.« In herablassendem Ton fügte er hinzu: »Aber Sie als Amerikaner sind ja mit den Gepflogenheiten der zivilisierten Welt nicht so vertraut – und deshalb konnten Sie wohl nicht wissen, was für eine Beleidigung Sie uns zufügen, indem Sie sich ihr nähern, ohne sich gebührend vorzustellen. Doch sie sollte wissen, was sich ziemt, und deshalb hätte sie Ihre Aufforderung ausschlagen müssen. Aber in Zukunft wird sie sich an die Gepflogenheiten halten, das versichere ich Ihnen.«

Sie warf dem Major einen beunruhigten Blick zu – und wunderte sich, daß er die kaum verhüllten Beleidigungen ihres Onkels widerspruchslos hinzunehmen schien. Doch seine Gesichtszüge verhärteten sich, während seine Hand zum Degen wanderte. Er wollte es jedoch nicht darauf anlegen, die eben erst gerettete Ruhe im Ballsaal wieder aufs Spiel zu setzen, zumal einige Umstehende bereits auf die Szene aufmerksam wurden.

Er griff scheinbar gelassen nach ihrer Hand und küßte sie. »Ich danke Ihnen für die Lektion, Mademoiselle«, murmelte er, ehe er in der Menge verschwand.

Sie blickte ihm wortlos nach, während sie ein eigenartiges Prickeln unter dem Handschuh verspürte. Die Lektion.

Sie wußte, daß seine Bemerkung nicht auf ihre ›Tanzstunde‹ anspielte, sondern auf die Lektion in kreolischer Hochnäsigkeit, die ihr Onkel ihm erteilt hatte. Während sie die Tanzstunde durchaus genossen hatte, hätte sie einiges dafür gegeben, wenn sie das Verhalten ihres Onkels ungeschehen hätte machen können.

»Komm schon«, zischte ihr Onkel ihr zu, während er sie am Arm packte und zur Tür zerrte. »Wir gehen nach Hause.«

»Weil ich mit einem Amerikaner getanzt habe?« fragte sie ungläubig, wobei sie sich anstrengen mußte, um mit ihm Schritt zu halten.

»Nein. Weil Desirée krank ist. Deine Tante hat sie draußen bei den Büschen entdeckt, wie sie sich gerade übergab.«

Augenblicklich traten all ihre Gedanken an den Amerikaner in den Hintergrund. »Oh, nein! Was fehlt ihr denn?«

»Es wird Zeit, daß du auch einmal an deine Cousine denkst. Aber das hättest du schon den ganzen Abend tun sollen! Du hättest dich um sie kümmern sollen, statt mit diesem Amerikaner zu tanzen. Hast du überhaupt eine Ahnung ...«

Doch sie hörte gar nicht mehr, was er noch alles über ihre Pflichten von sich gab. Sie konnte nur noch an Desirée denken. Das war jetzt schon das dritte Mal in dieser Woche, daß Desirée sich übergeben mußte. Die beiden ersten Male hatte ihre Cousine sie gebeten, es niemandem zu erzählen, weil sie nicht wollte, daß die anderen sich Sorgen machten – und so hatte Camille es für sich behalten. Aber nun war sie sich nicht mehr so sicher, ob das auch richtig gewesen war.

Irgend etwas war mit ihrer Cousine nicht in Ordnung. Es war höchste Zeit, daß sie herausfand, was –mit Desirée los war.

Kapitel 2

Wenn du schon nicht keusch sein kannst, dann laß dich wenigstens nicht erwischen.

– Spanisches Sprichwort –

»Ich wollte, daß Sie mit mir tanzen – und nicht, daß Sie sie fortjagen«, sagte General Wilkinson, als Simon Woodward sich bei dem Tisch mit den Erfrischungen zu ihm gesellte. »Ihr Onkel schleppt sie ja fast mit Gewalt nach Hause.«

Simon verfolgte mit finsterer Miene, wie Camille Giron aus dem Saal verschwand. »Sie wußten, daß das ihr Onkel ist?«

»Monsieur de Marigny hat es mir erst vorhin gesagt.«

Bernard de Marigny war einer der wenigen jungen Kreolen, die den Amerikanern freundlich gesinnt waren – und das wahrscheinlich nur deshalb, weil er stinkreich war und sich ganz einfach langweilte, obwohl er erst achtzehn war. Sein schon verstorbener Vater Philippe de Marigny war einst der mächtigste Mann weit und breit gewesen. Er hatte seinen Sohn über die Maßen verwöhnt.

»Sie ist eine Waise und lebt bei ihrer Tante und ihrem Onkel«, fuhr der General fort. »Ihr Onkel heißt Augustine Fontaine. Er ist Baumwollhändler, nicht gerade reich, aber sehr geachtet wegen seiner Herkunft. Seine Ahnenreihe geht vermutlich sogar auf irgendeinen französischen König zurück.«

»Nun, auf jeden Fall hat er den Stolz eines Königs. Es hat ihm ganz und gar nicht gefallen, daß seine Nichte mit einem von uns getanzt hat.« Simon goß sich ein Glas Punsch ein und trank es in einem Zug leer. Er wünschte, es wäre irgend etwas Stärkeres gewesen. »Offensichtlich schickt es sich für eine kreolische Lady nicht, mit einem Mann zu tanzen, der nicht der ganzen Familie die Hand geschüttelt hat.«

»Ach ja«, gab General Wilkinson zurück. Er schlürfte von seinem Punsch, während er den Blick mit einem Hauch von Geringschätzung über die Menge schweifen ließ. »Die Kreolen haben eine Menge Regeln darüber, wie man sich zu benehmen hat. Sie sind verdammt förmlich, muß ich sagen.«

Förmlich ist nicht ganz das richtige Wort, dachte Simon. Eher arrogant ... hochnäsig ... voller Stolz auf ihre nutzlosen Verbindungen mit dem europäischen Kontinent ...

»Sie haben ihr doch meine Nachricht überbracht?« unterbrach General Wilkinson seine Gedanken.

»Ja.«

Der General merkte wohl, daß sein Major nicht weiter ins Detail gehen wollte, und fügte deshalb hinzu: »Wirklich mutig, die Kleine, nicht wahr? Daß sie sich da inmitten einer Horde aufgebrachter Männer hinstellt und ihnen sagt, wie dumm sie sich benehmen.«

Der Hauch eines Lächelns erschien auf Simons Lippen, als er sich erinnerte, wie Camille Giron in jenem Moment ausgesehen hatte, als sie ihre Landsleute dazu aufrief, Vernunft anzunehmen. »Ich weiß nicht, ob es Mut war oder einfach das Bedürfnis, das auszusprechen, was sie dachte.«

»Aha«, murmelte der General, »Sie meinen also, das ist einfach so ihre Art, alles sehr direkt zu sagen?«

»Ja.« ›Direkt‹ war genau das richtige Wort für sie. Simon dachte daran, wie sie ihn dazu gebracht hatte, mit ihr zu tanzen. Die meisten jungen Frauen hätten seine Zurückweisung still hingenommen. Nicht aber Camille Giron. Oh, nein. Sie ließ es nicht zu, daß er sich so einfach davonstahl – und sie hatte ihm das noch dazu in einem erstaunlich guten Englisch klargemacht.

Schade nur, daß sie nicht auch ihrem Onkel gegenüber so direkt gewesen war. Diesem Menschen hätte es ganz gutgetan, wenn ihm einmal jemand ein deutliches Wort gesagt hätte. Simons Hand schloß sich fester um das Punschglas. Wenngleich er Fontaines beleidigende Worte noch keineswegs vergessen hatte, war es doch sein Verhalten gegenüber seiner Nichte, was ihn am meisten ärgerte. Sie hatte es nicht verdient, vor einem nahezu Fremden dermaßen bloßgestellt zu werden.

»Mademoiselle Giron muß ja wirklich einen tiefen Eindruck bei Ihnen hinterlassen haben«, sagte der General mit einem spitzbübischen Lächeln. »Ich habe Sie noch nie mehr als ein Glas Punsch trinken sehen, und jetzt haben Sie schon das dritte geleert.«

Erst jetzt wurde Simon bewußt, daß er ein Glas nach dem anderen trank. Er stellte das halbvolle Glas auf den Tisch, wobei er sich wünschte, der General wäre ein etwas weniger aufmerksamer Beobachter.

Ja, er hatte recht – Camille hatte tatsächlich einigen Eindruck auf ihn gemacht. Schon vom ersten Augenblick an, als ihm aufgefallen war, daß sie ihn anstarrte, hatte sie seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Wie alle kreolischen Frauen trug sie ein Kleid, das ihre Körperformen auf eine Weise betonte, die für ihn etwas Quälendes an sich hatte – und zwar deshalb, weil er den unbändigen Wunsch verspürt hatte, zu sehen, was sich darunter befand. Das gleiche galt für ihre kastanienbraunen Locken, in denen er nur zu gerne mit den Händen gewühlt oder sein Gesicht darin vergraben hätte.

Es war ihm nicht leichtgefallen, diese ungeheuerlichen Fantasien aus seinem Bewußtsein zu verdrängen, doch es blieb ihm nichts anderes übrig – er mußte sie sich aus dem Kopf schlagen. Irgend etwas in ihrem Verhalten hob sie über die anderen hinaus, so als wäre sie eine Königin, die sich zwar in das falsche Königreich verirrt hatte, die aber nichtsdestotrotz eine Königin war.

Doch eine Königin war im Moment das letzte, was er in seinem Leben brauchte – und schon gar nicht eine kreolische Königin. Er war fast ein wenig erleichtert, daß er nun einen Grund hatte, nicht noch einmal mit ihr tanzen zu müssen.

Mit mürrischer Miene sagte er sich, daß er sich am besten erst gar nicht auf solche Eskapaden eingelassen hätte. Nicht, daß er den Tanz nicht genossen hätte, nein – ganz im Gegenteil. Er hatte den Blick kaum von ihr wenden können. Ihre Haut erinnerte ihn an das feine Porzellan, das sich seine Mutter so sehnlich gewünscht hatte und das sein Vater ihr nicht kaufen konnte, weil ihm das Geld dazu fehlte. Dieser Gedanke hatte in ihm die Frage geweckt, wie es wohl wäre, ihre Haut an anderen Stellen zu berühren ... die zarte Haut ihrer Schultern, die glatte Haut ihrer Arme ... bis hin zur festen Haut ihrer hübschen Fersen. Am liebsten hätte er all das mit seinen Lippen berührt, um zu erkunden, wie es sich anfühlte. Dieses quälende Verlangen, irgend etwas an ihr mit dem Mund zu berühren, hatte ihn dazu verleitet, ihr die Hand zu küssen, wenngleich er sich gewünscht hätte, sie würde keine Handschuhe tragen.

Er griff nach seinem Glas und trank es in einem Zug leer. Sein Bruder Neil hatte schon immer behauptet, er hätte eine romantische Ader – aber das hier war einfach verrückt; es war ganz einfach unsinnig, von einer kreolischen Frau zu träumen, die für ihn absolut unerreichbar war. Wenn das so weiterging, würde er sich noch zu irgendwelchen dummen, aber höchst galanten Komplimenten versteigen, wie die Franzosen das so gerne taten.

Als Simon das leere Glas auf den Tisch knallte, blickte ihn der General an. »Darf ich Ihnen einen Rat geben, mein Freund?«

»Was denn für einen Rat?« fragte Simon ein wenig barsch.

»Falls Sie die Absicht haben sollten, sich um Mademoiselle Giron zu bemühen, dann sollten Sie damit rechnen, daß ihre Familie nicht unbedingt erfreut sein dürfte.« Als Simon ihn ziemlich finster anblickte, fügte er hinzu: »Wenn das stimmt, was Bernard mir erzählt hat, ist Monsieur Fontaine ganz sicher dagegen. Er hat nicht allzuviel für uns Amerikaner übrig.«

»Keine Sorge, ich habe nicht vor, irgend etwas zu unternehmen.«

»Na, wenn Sie das sagen«, gab General Wilkinson mit skeptischer Miene zurück. »Aber ich möchte Ihnen nur sagen, daß ich persönlich sicher nichts dagegen hätte. Das Zusammenleben hier in der Gegend wäre bestimmt um einiges leichter, wenn Amerikaner und Kreolen untereinander heiraten würden. Und ich bin mir sicher, daß auch meine Frau es gerne sehen würde, wenn Sie die Richtige fänden – egal ob Kreolin oder Amerikanerin. Sie findet es hoch an der Zeit, daß Sie heiraten.«

»Ich bin nicht auf der Suche nach einer Ehefrau. Außerdem bezweifle ich, daß Mademoiselle Giron einen ›wilden Amerikaner‹ zum Mann nehmen würde.«

Er stöhnte, als er das wissende Lächeln sah, das der General ihm zuwarf. Es hatte ihm gerade noch gefehlt, daß sich jetzt auch noch der General als Heiratsvermittler betätigte. Es war schon schlimm genug, daß seine Frau nicht müde wurde, Simon mit allen möglichen Frauen bekanntzumachen. Schon seit langem hatte Mrs. Wilkinson es sich zur Aufgabe gemacht, Simon zu verheiraten – vor allem, seit er dem General anvertraut hatte, daß er beabsichtigte, die Armee zu verlassen, sobald seine Zeit hier in New Orleans vorüber war.

Doch egal, was die Frau auch dachte – er hatte im Moment anderes im Sinn, als sich eine Frau zu suchen – und eine Kreolin kam schon gar nicht in Frage. Er und seine Männer hatten im Moment noch alle Hände voll zu tun, dafür zu sorgen, daß die Übergabe des Territoriums von Frankreich an die Vereinigten Staaten reibungslos über die Bühne ging. Außerdem hatte er während seines Aufenthaltes in New Orleans eine private Angelegenheit zu bereinigen – und eine hübsche junge Frau wäre ihm da ganz gewiß im Weg.

Als seine Gedanken sich dieser privaten Angelegenheit zuwandten, beugte er sich zum General hinüber und sagte mit gedämpfter Stimme: »Sie haben vorhin gesagt, daß Sie wegen morgen mit mir sprechen möchten. Warum nicht gleich jetzt?« Er blickte sich um und fügte hinzu: »Es dauert ja nicht lange, und hier scheint sich die Lage beruhigt zu haben. Wir könnten ruhig für ein paar Minuten verschwinden.«

Der General nickte und folgte Simon, als dieser den Saal verließ und einen kleineren Raum betrat. Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, fragte der General: »Ist alles bereit?«

»Ja. Lizana wird sich um zehn Uhr mit mir treffen. Dann werden wir alles Nötige vereinbaren.«

»Und Robinson?«

Simon machte ein finsteres Gesicht, als er an Harry Robinson dachte. »Wir gehen zusammen zu Lizana.«

»Haben Sie das Gefühl, daß Robinson Ihnen glaubt?«

»Eigentlich schon. Sie wissen ja, wie das so ist. Wenn die Leute hören, daß ich in meiner Jugend unter ›Wilden‹ gelebt habe, dann denken sie gleich, ich hätte keinen Funken Anstand in mir. Und nachdem Neil mir den Gefallen getan hat, dem Sergeant zu erzählen, ich würde weit über meine Verhältnisse leben, glaubt Robinson ohnehin, daß ich ein ziemlicher Halunke sein muß, dem alles zuzutrauen ist.«

Neil war vor ein paar Monaten nach New Orleans gekommen, um ihm die Nachricht vom Tod ihres Vaters zu überbringen. Er hatte seinen Besuch so lange ausgedehnt, wie es die Geschäfte erlaubten; immerhin hatte er sich um die Handelsgesellschaft in Virginia zu kümmern, die die Familie seit langem betrieb. Simon hätte es gern gesehen, wenn sein jüngerer Bruder noch länger hätte bleiben können. Neil war der einzige Bruder, der Simon noch geblieben war – ein Umstand, an dem allein Lizana schuld war.

»Wie gelingt es Ihnen eigentlich wirklich, so weit über Ihre Verhältnisse zu leben?« fragte General Wilkinson mitten in Simons dunkle Gedanken.

»Nun, Neil hat ein gutes Gespür für Investitionen. Wann immer ich ihm einen Teil meines Soldes übergebe, verdoppelt er die Summe in kürzester Zeit. Reich werde ich auf diese Weise nicht – aber ich kann mir doch so manches leisten.«

»Ja, aber bevor wir mit unserem Unternehmen begannen, haben Sie doch so genügsam gelebt wie ein Mönch.«

»Mein Vater hat mir beigebracht, jeden Penny zweimal umzudrehen, bevor ich ihn ausgebe«, antwortete Simon achselzuckend. »Ich mag nun einmal mein Geld nicht für irgendwelchen Unfug ausgeben – außer ich erweise meinem Vaterland damit einen Dienst.«

»Oh ja, Sie leisten wirklich einiges für Ihr Land«, pflichtete der General ihm bei. Er hielt einen Augenblick inne, so als suche er nach den richtigen Worten. »Ich weiß, daß Sie und Gouverneur Claiborne der Ansicht sind, daß wir den Piraten den Garaus machen sollten – aber ich bin mir da nicht so sicher. Ich glaube, daß Claiborne einiges übersieht. Wir könnten dadurch nämlich mehr Probleme schaffen, als wir lösen. Die Kreolen scheinen ihren Piraten durchaus wohlgesinnt zu sein; außerdem richten Lizana und seine Leute ja wirklich kaum Schaden an.«

»›Kaum Schaden‹, sagen Sie?« warf Simon ziemlich verständnislos ein.

Der General wurde bleich, als ihm zu Bewußtsein kam, mit wem er sprach. »Es tut mir leid, das war gedankenlos von mir. Sie sind der Ansicht, daß Lizana für Joshuas Tod verantwortlich ist, nicht wahr?«

»Ich weiß, daß es Lizana war.« Simon hatte fast zehn Jahre gebraucht, um jemanden zu finden, der ihm mitteilen konnte, welcher Pirat sich damals gegen jenes Schiff der Kriegsflotte zur Wehr gesetzt hatte, auf dem sein Bruder diente. Doch seit er erfahren hatte, daß es Lizana war, in dessen Kanonenfeuer Joshua ums Leben kam, war er fest entschlossen, zumindest so lange in der Armee zu bleiben, bis es ihm möglich war, sich nach New Orleans versetzen zu lassen.

Lizana war nie gefaßt worden. Niemand hatte ihm bisher nachweisen können, daß er tatsächlich Freibeuterei betrieb. Aber das würde sich ändern. Simon war fest entschlossen, nicht nur Lizana zu schnappen, sondern mit ihm alle seine Männer, und so dieses Unwesen ein für alle Mal auszurotten.

Simon holte tief Luft. »Ich weiß, daß es Lizana war«, wiederholte er. »Und er wird für all das bezahlen, was er getan hat – und wenn ich ihn eigenhändig zum Galgen schleppen muß.«

Camille sah zu, wie ihre Tante Desirée in ihrem Himmelbett zudeckte und ihr einen Kuß auf die Stirn gab. Dann wandte sich Tante Eugenie ihr zu. »Aber unterhaltet euch heute nicht mehr allzu lange. Ich weiß, ihr Mädchen habt immer eine Menge zu schwatzen, aber heute braucht sie wirklich ihrer Ruhe.«

»Natürlich.« Camille mußte sich ein Lächeln verbeißen. Egal, wie alt Camille auch wurde, Tante Eugenie behandelte sie doch stets wie ein Kind; aber es hatte etwas Rührendes an sich, daß sie sich nie darüber beklagt hatte.

Als ihre Tante das Zimmer verlassen hatte, trat Camille an die andere Seite des Bettes, das sie mit Desirée teilte, zog die Decken zurück und setzte sich auf die mit Moos ausgestopfte Matratze. Dann legte sie ihrer Cousine die Hand auf die Stirn.