Glut des Südens - Deborah Martin - E-Book
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Glut des Südens E-Book

Deborah Martin

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Beschreibung

Sie sucht Schutz – ist sie so in die Höhle des Löwen geraten? Der historische Liebesroman »Glut des Südens« von Deborah Martin als eBook bei dotbooks. Amerika im 19. Jahrhundert. Die junge Elina Vannier reist nach New Orleans, um ihr Erbe einzufordern – und ist schockiert: Sie muss erfahren, dass ihr verstorbener Vater eine zweite Frau hatte … und sein Schwager, der attraktive René Bonnange, sie für eine Erbschwindlerin hält. Schlimmer noch: Um einen Skandal zu verhindern, nimmt er sie gefangen! Während Elina eigentlich nach einem Weg suchen sollte, ihm zu entkommen, spürt sie schnell, dass René ihr Herz gegen ihren Willen zum Beben bringt. Empfindet er vielleicht auch mehr für sie, als er zugeben will? Elina beschließt, alles auf eine Karte zu setzen, um für ihr Glück zu kämpfen … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Historical-Romance-Highlight »Glut des Südens« von Deborah Martin. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 521

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Über dieses Buch:

Amerika im 19. Jahrhundert. Die junge Elina Vannier reist nach New Orleans, um ihr Erbe einzufordern – und ist schockiert: Sie muss erfahren, dass ihr verstorbener Vater eine zweite Frau hatte … und sein Schwager, der attraktive René Bonnange, sie für eine Erbschwindlerin hält. Schlimmer noch: Um einen Skandal zu verhindern, nimmt er sie gefangen! Während Elina eigentlich nach einem Weg suchen sollte, ihm zu entkommen, spürt sie schnell, dass René ihr Herz gegen ihren Willen zum Beben bringt. Empfindet er vielleicht auch mehr für sie, als er zugeben will? Elina beschließt, alles auf eine Karte zu setzen, um für ihr Glück zu kämpfen …

Über die Autorin:

Deborah Martin, auch bekannt unter dem Namen Sabrina Jeffries, ist eine amerikanische Bestsellerautorin, die schon über 50 Romane und Kurzgeschichten veröffentlichte. Sie promovierte in englischer Literatur und war Dozentin an der Universität, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Cary, North Carolina.

Bei dotbooks veröffentlichte Deborah Martin auch die Historischen Liebesromane »Die Begierde des Lords« und »Träume der Leidenschaft«.

Die Website der Autorin: sabrinajeffries.com

Die Autorin im Internet: facebook.com/SabrinaJeffriesAuthor

***

eBook-Neuausgabe Januar 2020

Dieses Buch erschien bereits 1999 unter dem Titel »In der Glut des Südens« beim CORA Verlag.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1992 by Deborah Martin

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1992 unter dem Titel »Creole Nights« bei Leisure.

Copyright © der deutschen Ausgabe 1999 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Published by arrangement with Deborah Martin Gonzalez

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von

© shutterstock / Roman Samorskyi / Kathleen K . Parker / Anmmarie Young

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96655-096-3

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Deborah Martin

Glut des Südens

Roman

Aus dem Amerikanischen von Maria Röder

dotbooks.

PROLOG

Creve Coeur, Missouri, 1828

»Was wolltest du hier?«, fragte Elina Vannier ihren Bruder Alexandre, als er die Kutsche aus der kleinen Stadt Creve Coeur lenkte.

Er runzelte die Stirn, schwieg aber.

Dass er sich weigerte, ihr eine Antwort zu geben, schmerzte sie. »Ich dachte, so kurz nach Mamas Beerdigung würdest du wenigstens eine angemessene Zeit verstreichen lassen, bevor du deinen … Vergnügungen wieder nachgehst.«

»Ich hatte einige wichtige Angelegenheiten zu regeln«, erklärte Alex kurz angebunden, und seine finstere Miene erinnerte Elina an den verreisten Vater, dem Alex glich. Obwohl sie und Alex Zwillinge waren, ähnelten sie sich kaum. Während Elina wie ihre Mutter kastanienbraunes Haar und grüne Augen hatte, sah man Alex an den dunklen Augen, dem schwarzen Haar und der habichtartigen Nase deutlich seine französisch-spanische Herkunft an.

Weil Alex sich so abweisend verhielt, zögerte Elina, sich näher zu erkundigen. Jetzt erinnerte sie sich allerdings daran, dass sie ihrer sterbenden Mütter versprochen hatte, auf ihren Bruder aufzupassen. Das konnte sie jedoch nur tun, wenn sie wusste, was er im Schilde führte. »Welche Angelegenheiten?«, forschte sie deshalb kühn.

»Lass mich in Ruhe, ja, Elina? Ich muss nachdenken«, herrschte Alex sie an.

Zuerst wollte Elina etwas Heftiges darauf erwidern, hielt sich aber zurück. Es würde ihnen beiden nur mehr Kummer bringen. Nach dem Tod der Mutter waren sie ja mehr aufeinander angewiesen als je zuvor.

Elina konnte immer noch kaum fassen, dass Kathleen Vanniers nach jahrelanger Krankheit schließlich ihrem Lungenleiden erlegen war.

»Jetzt, da Mama in Frieden ruht, müssen wir uns etwas überlegen«, unterbrach Alex ihre Gedanken, während er auf die Pferdefarm zufuhr.

»Wie meinst du das?«

»Ob wir nach New Orleans reisen und Papa suchen. Morgen fährt ein Dampfschiff von St. Louis.«

»Was?«, brachte Elina nur überrascht hervor und musterte ihn, aber er weigerte sich, ihr in die Augen zu sehen.

»Wir müssen ihm sagen, dass Mama gestorben ist«, beharrte Alex. »Es ist unsere Pflicht, ihn ausfindig zu machen.«

»Aber warum jetzt sofort? In seinem letzten Brief hat er geschrieben, dass er bald kommt. Was denkt er denn, wenn er zurückkehrt und wir nicht da sind?«

»Der Brief war drei Monate alt, Elina. Drei Monate! Papa mag uns vernachlässigt haben, aber es war nicht seine Art, seine Geschäftsreisen so lange auszudehnen und uns keine Nachricht zu übermitteln.«

Alex’ Kritik an Papa erregte sofort Elinas Zorn. Scharf entgegnete sie: »Vielleicht solltest du dich daran erinnern, dass diese Geschäftsreisen dir deine ausschweifenden Nächte in den Spielsalons ermöglicht haben.«

»Ja«, räumte Alex gleichmütig ein. Ihre Zurechtweisung schien ihn nicht im geringsten zu berühren. »Aber wenn er zu Hause gewesen wäre, wäre Mamas Anfall vielleicht weniger schlimm gewesen. Womöglich würde sie noch leben.«

Darauf erwiderte Elina nichts. Sie mochte nicht zugeben, dass sie dasselbe gedacht hatte. Denn die Reisen, die ihr Vater unternahm, dienten der Suche nach Zuchtpferden für reiche Männer, und davon lebte schließlich die Familie.

Trotz der tief verwurzelten Angst, die Elina vor Pferden hatte, verstand sie, dass ihr Vater sich auf diese Art seinen Lebensunterhalt verdiente. Er erlebte dabei das Abenteuer und die Abwechslung, nach der er sich sehnte. Doch es stimmte, dass Mama sich wegen seines ungewöhnlich langen Schweigens Sorgen gemacht hatte. Die Ungewissheit war für sie, die eine zarte Konstitution besessen hatte, sicherlich eine zu starke Belastung gewesen. Und insofern war Papa nicht unschuldig.

Diese unangenehmen Gedanken verdrängte Elina jedoch sofort wieder. »Wir sollten ihm noch einige Wochen Zeit lassen, ehe wir aufbrechen. Von dem Geld, das in der Haushaltskasse ist, können wir noch eine Weile leben, und falls wir mehr brauchen, werde ich Zeichenunterricht geben.«

»Aber Papa ist nie so lange weggeblieben«, protestierte Alex. »Vielleicht liegt er längst an irgendeinem gottverlassenen Ort in der Wildnis begraben.«

»Sag so etwas nicht!«, verlangte Elina. »Das glaube ich einfach nicht. Diese entsetzlichen Vorstellungen haben Mama ins Grab gebracht, und ich will nicht, dass du so redest!«

Alex fasste nach ihrer Hand. »Elina«, sagte er eindringlich. »Ich mag nicht einfach tatenlos auf Papas Rückkehr warten. Ich muss wissen, was mit ihm los ist. Willst du das denn nicht?« Elina bemühte sich, nicht aufzuschluchzen. Natürlich wollte sie das. Aber sie befürchtete, dass es nicht so einfach wäre, ihn zu finden.

»Und warum sollen wir nach New Orleans reisen?«, fragte sie. »Wer weiß, wo er sich aufhält.«

»Sein letzter Brief kam von dort. Und vergiss nicht …«

»Ja?«

»Nun ja, ich meine, unsere Großeltern wohnen dort.« Empört wandte sie sich ihrem Bruder zu. »Als ob sie uns helfen würden. Du weißt genau, dass sie uns nicht einmal als Verwandte anerkennen wollen. Außerdem hat Papa nie etwas über sie erzählt. Vielleicht sind sie schon längst verstorben.« Alex zuckte die Schultern. »Glaube ich nicht, sonst hätte er uns das mitgeteilt. Und wenn sie noch leben, wissen sie sicherlich, wo ihr Sohn sich aufhält. Falls sie verstorben sein sollten, gibt es bestimmt noch andere Vanniers in New Orleans, die uns weiterhelfen können.« Ein flehender Unterton schwang in seiner Stimme mit, als er hinzufügte: »Elina, irgendwer muss uns doch weiterhelfen können.«

Kühl entgegnete sie: »Du denkst nur an das Vermögen der Vanniers.« Alex wusste genauso wie sie, dass die Großeltern Kathleen Wallace Vannier gehasst hatten, weil sie Amerikanerin gewesen war und ihnen den Sohn weggenommen hatte. Ausgerechnet diese Menschen wollte Alex aufsuchen. »Du wirst allein reisen müssen«, erklärte sie abweisend. »Ich werde hier auf Papa warten.«

»Das kommt überhaupt nicht in Frage! Ich lasse es nicht zu …« Unvermittelt hielt er inne.

Verwirrt schaute Elina ihn an und folgte seinem Blick zum Horizont. Sie erstarrte, als sie schwarze Rauchwolken über dem nahe liegenden Wald aufsteigen sah.

Alex trieb die Pferde an.

»Das gibt es nicht. Das kann unmöglich unser Haus sein.« Sie beugte sich vor und hatte das Gefühl, einen schrecklichen Albtraum zu erleben.

»Ich fürchte doch«, murmelte Alex vor sich hin.

Erschrocken fasste Elina nach seinem Arm. »Alex, was ist los? Ist irgendetwas geschehen, wovon du mir nichts erzählt hast?«

Er ignorierte ihre Frage und trieb die Pferde noch mehr an.

»Alex!« Elina blieb beharrlich.

In diesem Augenblick jedoch bogen sie um die Kurve, und das Haus kam in Sicht. Alex sprang von der Kutsche, und Elina schnappte entsetzt nach Luft.

Inmitten verkohlter Holzbalken und Schutt ragte der Kamin des Gebäudes auf, das einmal ihr Haus gewesen war. Es war kaum etwas übrig geblieben, nicht einmal Papas teure Stallungen. Rauch hüllte sie ein, der Erdboden um sie herum war mit Asche bedeckt.

Wie betäubt stieg Elina vom Wagen und trat neben ihren Bruder. Sie rieb sich die vom Qualm brennenden Augen. »Wer hat das getan?«, flüsterte sie ungläubig und bemerkte, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich. »Wer war das, Alex? Sag es mir! Du weißt, wer dahintersteckt, nicht wahr?«

Er nickte, den Blick von ihr abgewandt.

»Bist du deshalb in diesem abscheulichen Haus gewesen?«, forschte sie.

Er antwortete ihr wie in Trance. »Er … er hat mir gedroht, er würde mir zeigen, dass er es ernst meine. Mein Gott, ich habe doch nicht gedacht, dass er so weit gehen würde.« Alex wandte sich ihr jetzt zu. »Ich schwöre dir, Elina, wenn ich das gewusst hätte …«

»Wer? Wer war es?«, schnitt sie ihm das Wort ab.

Alex ließ die Schultern hängen. »Wyatt. Du kennst ihn nicht. Er besitzt mehrere Spielsalons in St. Louis.«

»Vermutlich hast du Schulden bei ihm«, stellte Elina mutlos fest. Natürlich, was sollte es sonst sein? Bei jedem Spielsalonbesitzer im näheren Umkreis hatte Alex Schulden.

Zerknirscht legte er ihr einen Arm um die Schultern, aber sie stieß ihn beiseite.

»Wieviel schuldest du ihm, dass er zu solchen Mitteln greift?«, fragte sie mühsam beherrscht.

Alex schluckte und wich ihrem Blick aus. »Mehr als ich ihm bislang bezahlen konnte. Und er wollte sein Geld sofort. Aber ich hatte es nicht. Meine gesamten Ersparnisse haben nicht gereicht, auch das Geld aus der Haushaltskasse nicht …«

»Alex, wie konntest du nur?«

»Es hat nicht genügt, und an Papas Vermögen kommen wir nicht heran. Der Bankier hat gesagt, Papa hätte bestimmt, dass er uns davon nichts geben solle, weil wir selbst ausreichend Geld zur Verfügung hätten.« Alex ballte die Hände zu Fäusten. »Zum Teufel mit ihnen allen. Wyatt wird sich damit gewiss nicht begnügen.« Alex machte eine weit ausholende Geste. »Das war nur eine Warnung.«

»Am besten, wir gehen zum Sheriff.«

Alex lachte hart auf. »Wyatt hat den Sheriff in der Hand. Glaubst du, er hätte es sonst gewagt, seine Männer hierher zu schicken und das Haus niederbrennen zu lassen, ohne belangt zu werden?«

Elina schwieg beklommen. Sie hatten alles verloren. Und an Papas Vermögen kamen sie nicht heran.

»Ich habe Wyatt zu lange vertröstet. Er hat gedroht, er würde keinen Tag länger warten. Schließlich geht es um seinen Ruf«, bemerkte Alex sarkastisch. »Allen muss er zeigen, dass er sich nicht hinhalten lässt. Nächstes Mal wird er sich auf andere Art rächen.« Alex hielt inne und blickte seine Schwester an. »Nächstes Mal könnten seine Männer sich an dir vergreifen.«

Angst beschlich Elina. »Sicherlich würden sie nicht …«

»Wenn sie glauben, dass sie damit ans Ziel kommen, werden sie davor nicht zurückschrecken«, versicherte Alex ihr.

Bei der Vorstellung wurde Elina kreidebleich.

»Verstehst du jetzt, warum ich will, dass wir so schnell wie möglich von hier verschwinden? Wir müssen Papa finden. Er muss sich um die Sache kümmern. Denn wenn ich nicht bezahle, werden sie uns umbringen.«

Elina blickte auf die Überreste des Hauses. Uns umbringen? dachte sie. Weshalb? Wyatts Männer haben uns doch schon so gut wie ruiniert. Ihr Haus war zerstört, und selbst Papa konnte daran nichts mehr ändern. Allerdings würde er Genugtuung verlangen.

»Also gut, dann werden wir Papa suchen«, flüsterte sie und fügte mit festerer Stimme hinzu: »Und wir werden ihn finden, selbst wenn wir dafür ganz New Orleans durchforschen müssen.«

KAPITEL 1

Zu Elinas Erleichterung waren die Dampfmaschinen der »Belvedere« verstummt. Endlich musste sie den Lärm nicht mehr ertragen. Sie stand auf Deck, blickte auf das farbige, vielschichtige Panorama von New Orleans und wünschte sich, einen Skizzenblock zur Hand zu haben. Männer arbeiteten an den Anlegestellen, hievten Warenladungen von den Dampfschiffen auf wartende Wagen. Andere Männer fuhren die schwer beladenen Karren die Anlegestelle hinauf.

Ein Stück dahinter ragte der Turm einer majestätischen Kathedrale, gesäumt von zwei Ahornbäumen, auf. Die Anlegestelle behinderte Elinas Sicht ein wenig, aber sie erkannte dennoch, dass die Häuser von New Orleans mit ihren schmiedeeisernen Balkonen und eigenartigen Dächern sich deutlich von denen in Missouri unterschieden.

Eine schwache Brise streifte ihren schlanken Hals. Zum Glück war es jetzt erst Ende April und nicht schon Sommer. Die anderen Passagiere des Dampfschiffes hatten ihr nämlich furchtbare Geschichten über die Sommer in New Orleans erzählt. Doch gleich darauf war der leichte Wind verschwunden, und die Spätnachmittagssonne brannte auf sie herab. Offenbar war es selbst im April heiß in New Orleans.

»Miss Wallace?«, hörte sie hinter sich eine Stimme und rätselte, wer da wohl gemeint sein könnte.

»Miss Wallace?«, wiederholte jemand.

Schuldbewusst zuckte sie zusammen. Denn man rief nach ihr. Alex, der fürchtete, dass Wyatt ihnen folgen würde, hatte darauf bestanden, einen falschen Namen zu benutzen. Deshalb reiste sie unter dem Mädchennamen ihrer Mutter.

Elina wandte sich um und sah den Steward mit ihrem Gepäck.

»Ihr Bruder hat mir aufgetragen, das Gepäck in Ihr Quartier zu schicken«, erklärte er. »Ist das alles?«

Sie nickte. Als er sich abwenden wollte, hielt sie ihn zurück. »Spielt Mr. Wallace noch in der Herrenkabine Karten?«

Der Steward sah an ihr vorbei. »Ja, Ma’am, ich glaube schon. Aber er wird sicherlich gleich hier sein.«

»Natürlich«, erwiderte Elina und schaute ungläubig zur Achterhütte hinüber, wo die Herrenkabine lag.

Der junge Mann eilte davon, und Elina richtete ihren Blick erneut auf die Stadt. Noch nie zuvor war sie ohne ihre Eltern in eine fremde Gegend gereist. Was mochte sie hier erwarten? Konnte es schlimmer werden als das, was ihnen widerfahren war? Wenn sie nun Papa nicht finden würden? Nein, darüber wollte sie besser nicht nachdenken.

Sich mit Mamas Tod auseinandersetzen zu müssen war schmerzlich genug gewesen. Elina hatte versucht, um Alex’ willen stark zu bleiben, aber manchmal…

Ach, Mama, dachte sie, ich vermisse dich so sehr. Wie konntest du uns nur verlassen?

Tränen stiegen ihr in die Augen, und das Panorama von New Orleans verschwamm zu einer albtraumhaften Szenerie. Sie ballte die Hände zu Fäusten und bemühte sich, die Tränen zu unterdrücken.

Nach einer Weile blickte sie finster zu den Stiegen, die zur Herrenkabine führten, und wünschte sich, Alex käme endlich herunter. Aber er tauchte nicht auf. Offenbar hatte es ihn kein bisschen gestört, dass sie bereits angelegt hatten. Nun, sie wollte nicht auf dem Deck herumstehen und warten, bis ihm einfiel, warum sie nach New Orleans gereist waren. Entschlossen schritt sie auf den Treppenaufgang zu.

Als sie die Tür der Herrenkabine erreichte, zögerte sie. Frauen wurden nur zu den Mahlzeiten hereingelassen. Aber galten diese Vorschriften auch noch, sobald sie im Hafen lagen? Falls ja, würde Elina sie eben ignorieren. Sie und Alex mussten Papa ausfindig machen.

Also nahm sie all ihren Mut zusammen, klopfte an und war erleichtert, als man sie hereinbat. In der Achterhütte saßen nur ein paar Männer an einem Tisch in der Mitte des Raumes. Als sie näher kam, hörte sie Alex sagen: »Es überrascht mich, dass Sie so gut Poker spielen können, Bonnange. Ich wusste nicht, dass den Kreolen das Spiel gefällt.«

»Nicht alle Kreolen sind gleich«, erwiderte jemand mit tiefer Stimme und einem leichten französischen Akzent.

Als Elina auf den Tisch zuging, erkannte sie gleich, wer von den Männern gesprochen hatte. Allerdings hatte sie ihn nie zuvor gesehen. Fasziniert von seiner tiefen Stimme, beobachtete sie ihn. Er hatte ebenso pechschwarzes Haar und sonnengebräunte Haut wie ihr Vater und ihr Bruder.

In diesem Moment machte er seinen Einsatz, und sie merkte, dass sie diesen ihr völlig fremden Mann anstarrte.

Er geht mich nichts an, rief sie sich ins Gedächtnis und richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihren Bruder.

Niemand hatte bis jetzt auf sie geachtet. Aber als sie sich ihrem Bruder näherte, schauten die beiden Männer auf, mit denen Alex schon häufig während dieser Reise Karten gespielt hatte. Sie lächelte ihnen kurz zu und war froh, dass Alex mit diesen anständigen älteren Geschäftsmännern spielte statt mit den zügelloseren Berufsspielern.

Alex erwiderte ihr Lächeln jedoch nicht. Er warf ihr einen verärgerten Blick zu.

Den übersah sie geflissentlich und beugte sich zu ihm hinunter. »Wir haben schon angelegt. Findest du nicht, dass es Zeit wird, unser Quartier aufzusuchen?«

Vor den anderen Männern von seiner Schwester zurechtgewiesen zu werden war ihm sichtlich peinlich. Er schüttelte den Kopf und bemerkte: »Frauen! Immer sind sie ungeduldig, nicht wahr?« Er wandte sich an Elina. »Der Kapitän meinte, wir könnten bis heute Abend an Bord bleiben. Setz dich, und schau uns zu. Vielleicht lernst du etwas dabei.«

Elina wurde zornig, aber sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, sich mit Alex zu streiten. Würde sie darauf bestehen, dass er mitkäme, würde er sich bloßgestellt fühlen und umso starrköpfiger reagieren. Ihr blieb keine Wahl, als seiner Aufforderung zu folgen und zu hoffen, dass sie ihn bald zum Gehen bewegen könnte.

Einer der Herren, der neben Alex saß, rückte ihr einen Stuhl zurecht.

»Da Ihre Gefährtin sich hingesetzt hat, können wir vielleicht weiterspielen, Wallace?«, meinte Bonnange.

Diesmal musterte Elina ihn genauer. Dabei kam ihr plötzlich der Gedanke, dass es ihr Spaß machen würde, sein markantes Gesicht zu skizzieren. Sein kantiges Kinn deutete auf Entschlossenheit hin und seine Lippen versprachen Sinnlichkeit. Doch er hatte auch etwas an sich, was Elina als einschüchternd empfand. In gewisser Weise erinnerte er sie an die wenigen Hengste ihres Vaters, die zahm und sanftmütig schienen, sich jedoch sofort aufbäumen würden, wenn man ihnen Zügel anzulegen versuchte.

Der Fremde begegnete ihrem Blick und musterte zunächst ihr Gesicht und daraufhin ihre Figur. Sie errötete und gleichzeitig fiel ihr auf, dass ihr Bruder dem Mann nicht erklärt hatte, sie sei nicht seine Gefährtin.

»Bitte entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche«, sagte sie und warf Alex einen flüchtigen Seitenblick zu. »Leider haben mein Bruder und ich recht dringende Geschäfte zu erledigen. Ich hatte gehofft, er wäre bereit, das Spiel zu beenden und mitzukommen.«

Bonnange zog seine dichten, dunklen Brauen hoch und lächelte so, als wäre er erfreut zu hören, dass Alex und sie Geschwister waren. »Wie Sie sehen«, bemerkte er, »besteht Ihr Bruder darauf, noch zu bleiben.«

Einer der anderen Männer fügte hinzu: »Nun machen Sie sich keine Sorgen, junge Dame. Sie sind in New Orleans. Kartenspielen gehört hier zur Lebensart. Wir alle tun dies, um den Moskitos, der Hitze, dem gelben Fieber und den Tunichtguten zu entkommen.«

»Vergessen Sie nicht die Duelle!«, fügte ein anderer hinzu. »Es werden sehr viele in New Orleans ausgetragen. Ja, Ma’am, ich würde sogar behaupten, das ganze Leben in New Orleans ist ein einziges Spiel.«

Elina erblasste. In was für eine raue Stadt waren sie geraten? Creve Coeur, weit genug von St. Louis entfernt, war ein beschaulicher ländlicher Ort. Und selbst St. Louis, das sie gelegentlich besucht hatten, galt als recht angesehen.

Alex bemerkte ihr Erschrecken und konnte sich wohl denken, wie sie sich fühlte. »Hör nicht hin, Elina. So schlimm ist es bestimmt nicht.«

Er warf den anderen Männern einen warnenden Blick zu.

Einer von ihnen zuckte die Schultern. »Entschuldigung, Ma’am. Wir sollten Ihnen das vielleicht nicht erzählen. Aber Sie und Ihr Bruder machen sich besser darauf gefasst, was Sie erwartet. Er wird Sie beschützen müssen. Sie sind sehr hübsch und, verzeihen Sie mir, die Männer in New Orleans neigen dazu, sich zu nehmen, was sie haben wollen.«

Die Bemerkung entlockte Bonnange ein amüsiertes Lächeln.

Elina stieg die Hitze in die Wangen, und sie vermied es, seinem Blick zu begegnen.

Doch sie freute sich über das Kompliment des anderen Kartenspielers. Sie hatte sich nie als hübsch betrachtet. Sicherlich, Alex hatte sie oft genug damit geneckt, dass sie ausdrucksvolle Augen hätte und sich eines Tages einen reichen Mann angeln könnte. Aber das hatte sie als Neckerei betrachtet. Ihre wenigen Freundinnen in Creve Coeur hatten sie eher wegen ihrer grünen Augen und ihres roten Haares bemitleidet und glaubten, Elina würde bei diesem auffallenden Äußeren nicht so leicht einen Verehrer finden.

Alex schien sich über die Richtung, die die Unterhaltung genommen hatte, zu ärgern. »Ich kann schon auf meine Schwester aufpassen«, erklärte er nachdrücklich. »Also hören Sie auf, sie auf dumme Gedanken zu bringen. Lassen Sie uns lieber weiterspielen.«

Aber durch die Bemerkungen der Männer fühlte Elina sich nur in ihrer Ansicht, dass Alex endlich mitkommen sollte, bestärkt. »Es ist wohl eher der rechte Zeitpunkt, die Sache zu beenden«, raunte sie Alex zu. »Diese Männer machen mir Angst mit ihrem Gerede über New Orleans und …«

»Wir gehen jetzt noch nicht!«, fuhr er sie an.

»Aber Miss Wallace, geben Sie ihm etwas Zeit«, mischte sich einer der Spieler ein. »Er hat heute ziemlich viel verloren, und er muss sein Geld zurückgewinnen.«

Jetzt erst bemerkte Elina den Stapel Goldmünzen, die vor dem Fremden auf dem Tisch lagen, und die wenigen, die ihr Bruder hatte. Entsetzt sah sie Alex an.

Er wich ihrem Blick aus. »Keine Sorge, sicher wird sich das Blatt gleich wenden. Das geht immer so.«

Elina erfasste Zorn. Warum konnte Alex es nicht lassen? Er hatte fast zweihundert Dollar auf der Reise gewonnen. Geblieben war ihm davon gerade mal ein Viertel. Sollte ihn doch der Teufel holen!

Elina sah zu, wie Bonnange die Karten austeilte. Nervös verfolgte sie das Spiel und machte sich nicht die Mühe, ihren Unmut zu verbergen.

Nach einer Weile hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Sie schaute auf und begegnete Bonnanges interessiertem Blick. Elina machte eine abweisende Miene und ärgerte sich, dass er das Geld ihres Bruders gewann. Sekundenlang schauten sie sich an. Ehe er sich seinen Karten zuwandte, huschte ein Lächeln über sein Gesicht, bei dem Elina der Atem stockte.

Noch nie hatte jemand sie so angelächelt wie er, und sie wusste nicht, was sie von dem Funkeln in seinen Augen halten sollte. Sie spürte nur, dass ihr warm davon wurde. Verwirrt wandte sie sich ab und versuchte, sich auf das Spiel zu konzentrieren.

Normalerweise hätte es ihr Spaß gemacht, den Männern dabei zuzusehen. Denn das Kartenspiel gehörte zu den wenigen Freizeitbeschäftigungen, die sie mit Alex und Papa teilte.

Doch jetzt machte sie sich Sorgen, weil Alex gewissenlos und leichtsinnig war, wenn es ums Geld ging. In der unsinnigen Hoffnung, er könne über Nacht ein Vermögen gewinnen, ging er ein hohes Risiko ein. Es hatte ihn nie gekümmert, wie Mama oder Papa sein Verhalten aufnahmen. Seit Papa abgelehnt hatte, Alex auf seine Reisen mitzunehmen, hatte Alex sich aus Trotz in dieses zügellose Leben gestürzt. Bisher hatte Papa allerdings nichts unternommen, um Alex von dieser unseligen Leidenschaft abzubringen. Im Gegenteil, er schien Verständnis für ihn zu haben.

Die Finger verschränkt, beobachtete Elina angespannt, wie ihr Bruder flink die Karten austeilte. Hatte er tatsächlich soviel Glück gehabt, wie er behauptete, oder spielte er falsch? Sie hatte schon früh erfahren müssen, dass er sehr geschickt täuschen konnte.

Zwar hatte er, nachdem er zuletzt dabei ertappt worden und von den erzürnten Mitspielern halb tot geschlagen worden war, geschworen, es nie wieder zu tun, und Mama hatte ihm das geglaubt. Elina auch. Doch allein der Gedanke, dass er es versuchen könnte, beunruhigte sie. Deshalb beobachtete sie ihn aufmerksam und war erleichtert, dass er offenbar keine Tricks anwandte.

Aber nach wenigen Runden erkannte sie auch, dass Bonnange kein Gegner für Alex war. Bonnange hatte zu viel Erfahrung. Für jede Runde, die an Alex oder einen der anderen Männer ging, gewann Bonnange zwei oder drei. Alex’ Wut über seine wiederholten Verluste verschlimmerte die Angelegenheit nur noch.

Das Spiel zog sich in die Länge. Obwohl die Fenster der Achterhütte geöffnet waren und eine leichte Brise hereinwehte, fühlte man nur die unbarmherzig herabbrennende Sonne. Elina griff nach einem Taschentuch und wischte sich damit über das Gesicht und den Nacken. Im Nu fühlte sie sich genauso verschwitzt wie zuvor.

Plötzlich, als Elina es am wenigsten erwartete, geschah es. Alex teilte aus. Er war sehr flink, doch sie sah, wie er die Karten hielt, den Zeigefinger oben auf dem Stapel. Sofort wusste sie, dass er von unten her verteilte.

Zuerst wollte sie sich schon umschauen, ob die anderen es auch bemerkt hätten. Doch sie widerstand diesem inneren Bedürfnis und setzte eine ebenso gleichmütige Miene auf wie ihr Bruder, obwohl ihr ganz elend zumute war. Merkte er denn nicht, wie dumm das von ihm war? Wenn er erwischt werden sollte, wäre es vermutlich nicht nur schrecklich peinlich für sie, sondern sogar gefährlich.

Sie musste irgendetwas tun, damit niemandem auffiel, dass er falschspielte. Hastig stand sie auf und ging ungeduldig im Raum auf und ab. Wenn sie die Männer nur ablenken könnte, würde es schon reichen.

»Hören Sie auf, hin und her zu laufen.« Der scharfe Befehl von Bonnange zwang sie, zu ihrem Stuhl zurückzukehren. Inzwischen waren die Karten jedoch verteilt, und keiner hatte etwas gesagt. Am besten ließ sie noch ein bis zwei Runden verstreichen, bevor sie Alex aufforderte, endlich mitzukommen, damit er nicht erneut versuchte, die anderen zu betrügen.

Natürlich gewann Alex die Runde, und die nächste auch. Elina entspannte sich ein wenig und hoffte, dass das Glück ihrem Bruder treu bliebe.

»Hören Sie, Bonnange«, sagte Alex in dem Augenblick, als sie vorschlagen wollte aufzubrechen. »Ich habe das Gefühl, ich habe Glück. Warum erhöhen wir nicht den Einsatz?«

Elina hätte beinahe aufgeschrien. Denn sie erriet sofort die Absicht ihres Bruders. Hatte er denn restlos den Verstand verloren? Merkte er nicht, was für ein Risiko er einging, wenn er wieder falschspielte? Sie hielt den Atem an und hoffte, Bonnange würde seinem Vorschlag nicht zustimmen. Doch der Fremde schaute ihr ins Gesicht und nickte.

Die anderen Männer schienen nicht besonders glücklich über den Vorschlag, erklärten sich aber einverstanden. Vermutlich hofften auch sie, etwas von ihrem verloRenén Geld zurückzugewinnen.

Elina sah zu dem Kreolen und rechnete damit, dass er triumphierend dreinblicken würde. Er musste schließlich längst gemerkt haben, dass die beiden anderen keine ebenbürtigen Gegner für ihn waren. Kühl beobachtete Bonnange, wie Alex die Karten verteilte. Als er ihr dann in die Augen schaute, merkte sie ihm an, dass er einen Verdacht hegte. Ein kalter Schauer rann ihr über den Rücken, und im Flüsterton drängte sie Alex, endlich mit ihr aufzubrechen.

»Noch nicht, Elina«, erwiderte Alex ungehalten. »Aber du kannst dich nützlich machen. Schenk mir doch ein Glas Whisky ein. Die Karaffe steht da drüben. Ich spiele noch einige Runden, und danach gehen wir, das verspreche ich dir.«

Sie wollte sich schon weigern aufzustehen, aber er fragte schon die anderen: »Möchte sonst noch jemand Whisky?« Und als einer der anderen Männer bejahte, warf Alex ihr einen auffordernden Blick zu. Sie mochte kein Aufheben davon machen, um keinerlei Verdacht zu erregen. Steif stand sie auf und schritt zur gegenüberliegenden Seite des Raumes.

Sie hörte, wie die Runde begann und die Männer nacheinander boten. Plötzlich jedoch herrschte Stille. Sie stand mit dem Rücken zum Tisch, als Bonnange das Schweigen brach.

»Ich würde mich an Ihrer Stelle nicht vom Fleck rühren, Wallace«, bemerkte er, und Elina wirbelte herum. Bonnange hielt eine Waffe auf Alex gerichtet.

Elina erstarrte vor Schreck. Es war passiert. Alex war ertappt worden.

»Was soll das, Bonnange?«, entgegnete ihr Bruder verächtlich und bewegte leicht die rechte Hand, die er auf dem linken Arm liegen hatte.

»Wenn Sie die Hand nur einen Zentimeter weiter sinken lassen, werden Sie es bedauern«, erklärte Bonnange. »Ich will sehen, was darunter ist. Sofort!«

»Was wollen Sie damit andeuten?«, fragte ihr Bruder. Röte stieg ihm ins Gesicht. Elina sah, wie er die Beine unter dem Tisch anspannte. Ihr wurde übel. Nicht schon wieder dachte sie verzweifelt. O Alex, warum musst du das tun?

»Ich deute gar nichts an«, erwiderte Bonnange kühl. »Ich werde es Ihnen geradeheraus sagen. Bis jetzt habe ich darüber hinweggesehen, dass Sie die Karten von unten ausgeteilt haben, während Ihre Begleiterin uns durch ihr Herumlaufen abgelenkt hat. Aber ich weigere mich, mich noch einmal zum Narren halten zu lassen. Zeigen Sie mir, was Sie unter der Hand haben. Außer Sie wollen wissen, wie das Leben ohne Finger ist.«

Alex drehte seine Hand um, und Elina klopfte das Herz bis zum Hals, als Pik-König und Pik-Dame auf den Tisch fielen.

»Normalerweise mache ich so etwas nicht, Bonnange, ich schwöre es«, stammelte Alex. »Ich habe aus purer Verzweiflung zu diesem verrückten Mittel gegriffen. Ich weiß nicht mal, wie man Karten von unten her austeilt. Ehrlich.«

»Für jemand, der davon keine Ahnung hat, ist es Ihnen aber bestens gelungen, sich drei Asse herauszuangeln«, entgegnete Bonnange schroff.

Alex tat verständnislos, dann zog er die Brauen zusammen. »Ich habe nur zu dieser Maßnahme gegriffen, weil ich dachte, Sie würden auch falschspielen. Denn wie hätten Sie sonst so leicht gewinnen können?«

Elina stöhnte laut auf. Bonnange derartige Vorwürfe zu machen konnte die Sache nur verschlimmern. Sie wusste, dass er nicht betrog. Da sie ihren Vater und Alex oft genug beim Spiel beobachtet hatte, kannte sie die verräterischen Anzeichen. Und bei Bonnange hatte sie nicht eines davon entdecken können.

Sichtlich verwirrt und verunsichert blickten die anderen Männer von Alex zu Bonnange.

»Hören Sie auf, sich wie ein Narr zu benehmen, Wallace«, herrschte Bonnange ihn an. »Wir beide wissen, der einzige Falschspieler im Raum sind Sie. Aber Sie können Ihre Geschichte gern dem Friedensrichter erzählen. Er wird sich sicher amüsieren.«

Dem Friedensrichter! dachte Elina. Das darf nicht passieren. Er wird Alex ins Gefängnis stecken.

Ihre Knie zitterten, als sie an den Tisch trat. »Bitte, Monsieur Bonnange, bringen Sie ihn nicht vor den Friedensrichter«, flehte Elina. Die Stimme versagte ihr fast vor Angst. »Lassen Sie uns gehen. Wir wollen kein Geld.« Sie warf ihrem Bruder einen zurechtweisenden Blick zu. »Und ich versichere Ihnen, mein Bruder wird in Zukunft nicht mehr so dumm sein.«

Bonnange wandte sich von Alex ab und sah sie durchdringend an. Seine Augen funkelten vor Wut, dass ihr Herz zu rasen begann. Seine Gesichtszüge erschienen ihr härter als zuvor.

»Koketterie wird Ihnen wenig helfen, ma petite. Sicher ist Ihnen auch klar, dass das Spiel vorbei ist. Ich mag Betrüger nun einmal nicht. Besonders nicht, wenn sie glauben, dass das schöne Gesicht einer Frau ausreicht, um von Ihrer Unfähigkeit abzulenken.«

Elina fühlte sich gedemütigt, als ihr klar wurde, dass er annahm, sie und Alex hätten vorgehabt, ihn zu täuschen.

»Es ist nicht so, wie Sie denken …«, begann sie.

»Ach ja? War es etwa eine Sinnestäuschung, dass sich diese Karten unter der Hand Ihres Bruders befanden? Entschuldigen Sie, aber Ihre Bemühungen sind vergeblich. Ihre Freunde in Missouri mögen ein solches Verhalten dulden, aber hier in New Orleans reagiert man auf Falschspielen empfindlich.«

Sie warf den anderen Männern einen flehenden Blick zu, da sie nicht wusste, was sie sonst noch vorbringen sollte, damit Bonnange ihren Bruder nicht anzeigte. Aber sie sahen nur angestrengt auf den Tisch. Natürlich dachte sie bitter, die beiden älteren Geschäftsmänner waren auf Erholungsreise und wollten sich in keine Auseinandersetzung hineinziehen lassen. Erneut wandte Elina sich an Bonnange, aber er blickte Alex an.

»Halt dich aus der Sache raus! «, verlangte Alex jetzt von ihr. »Monsieur Bonnange und ich werden das unter uns regeln.«

»Natürlich«, erklärte Bonnange. »Aber was wir zu regeln haben, wird sich vor dem Friedensrichter abspielen.«

Nervös beugte sich ihr Bruder vor. »Warum sollen wir die Angelegenheit nicht unter uns klären? Sie haben mir vorgeworfen, ich hätte falschgespielt, und ich habe Ihnen das gleiche vorgehalten. Wie wäre es, wenn wir unsere Differenzen mit einem Duell begleichen? Gleich morgen am besten.«

Entsetzt schnappte Elina nach Luft. Glaubte Alex etwa, Bonnange würde seinen fadenscheinigen Versuch, der gerechten Strafe zu entkommen, nicht durchschauen?

Bei Bonnanges verächtlichem Lächeln wurde Elina kalt. »Mich mit Ihnen zu duellieren ist unter meiner Würde. Das Duell ist für ehrenhafte Männer, nicht für Betrüger. Sie haben nicht nur einmal, sondern zweimal falschgespielt, und das legt die Vermutung nahe, dass Sie sich so Ihren Lebensunterhalt verdienen. Es wird Zeit, dass Sie sich den Folgen solchen Handelns stellen.«

Elina verlor jeglichen Mut, als Bonnange aufstand. Die Waffe hatte er immer noch auf ihren Bruder gerichtet.

»Sie haben Angst, mit mir zu kämpfen!«, griff Alex ihn an.

»Sie … Sie wissen, ich würde gewinnen!« Dann sprang er auf und zog seine eigene Waffe. Mit zitternden Händen zielte er auf Bonnange. »Kommen Sie nicht näher, sonst schieße ich! Ja, das tue ich«.

Elina verlor auch den letzten Rest an Hoffnung. Bonnange erfasste heftiger Zorn.

»Bitte …«, flüsterte sie und schluchzte leise auf.

Ihre Stimme lenkte Bonnange einen Moment ab. Langsam wandte er sich ihr zu.

»Ihr Bruder ist ein Narr, Mademoiselle. Ich hoffe, das werden Sie ihm später klarmachen, wenn er in seiner Zelle sitzt. Selbst wenn einer von Ihnen beiden aus diesem Raum entkommt, werde ich ihn finden, und wenn ich dafür sämtliche Spielsalons der Stadt durchkämmen müsste. Aber keiner von Ihnen beiden wird sich der gerechten Strafe entziehen können.«

Elina wusste, dass Alex nicht den Mut hatte, auf Bonnange zu schießen. Offenbar wusste Bonnange das auch, denn er ging auf ihren Bruder zu und entriss ihm die Waffe, ehe Alex imstande war zu reagieren. Dann leerte er das Magazin und warf die Waffe verächtlich auf den Tisch. Wie benommen blickte Alex ihn an.

Bonnange packte Alex am Arm und zog ihn um den Tisch herum. »Sie und ich werden jetzt dem Friedensrichter einen Besuch abstatten«, stieß er gepresst hervor.

Für Elina schien die Zeit stillzustehen. Im Geiste sah sie, wie Alex im Gefängnis saß, während sie sich mittellos und ohne Freunde auf die Suche nach Papa machte, der nicht einmal in dieser Stadt weilen musste.

Das durfte einfach nicht geschehen. Als Bonnange Alex vor sich her zur Tür stieß, schaute Elina sich wie gehetzt um. Ihr Blick fiel auf die Whiskyflasche. Ohne darüber nachzudenken, was sie tat, griff sie nach der Flasche und hastete hinter Bonnange her. Ehe jemand im Raum auch nur etwas sagen konnte, schlug sie ihm die Flasche auf den Kopf. Bonnange sank zu Boden, und die anderen Männer starrten entsetzt auf ihn.

»Lauf, Alex, lauf!«, rief Elina, weil sie fürchtete, Bonnange könnte jeden Moment wieder zu sich kommen und aufstehen.

»Also das …«, begann einer der Männer.

Inzwischen hatte Alex seine Überraschung, dass Bonnange plötzlich bewusstlos auf dem Boden lag, überwunden, entriss ihm die Waffe und richtete sie auf die anderen Spieler.

»Komm, Alex! «, drängte Elina und packte ihn am Arm. »Wir müssen von hier verschwinden!«

So als spürte er ihre Hand auf seinem Arm nicht, stand Alex da und blickte starr auf das Geld, das auf dem Tisch lag. Angstvoll sah Elina auf Bonnange hinunter. Blut rann ihm aus der Kopfwunde, und sofort bereute sie ihre Tat.

»Er ist nicht …«, begann sie und schluckte. »Er ist nicht etwa tot, oder?«

»Natürlich nicht«, entgegnete ihr Bruder scharf.

Sie zwang sich, nicht auf das Blut zu achten, sondern stark zu bleiben. »Dann wird er gleich aufstehen und uns verfolgen, wenn wir nicht sofort von hier verschwinden.«

»Ja«, erwiderte Alex gedankenverloren, und sie merkte, dass er ihr nicht zugehört hatte. Schockiert beobachtete sie, wie Alex die Waffe senkte und das Geld vom Tisch hastig in die mitgebrachte Tasche schob.

»Das können Sie nicht tun, Wallace! «, protestierte einer der Männer.

»Er hat mir mein Geld gestohlen«, erklärte Alex. »Sie haben doch gesehen, wie leicht er fast jede Runde gewonnen hat.«

»Sie waren aber der Einzige, der beim Falschspielen ertappt wurde«, entgegnete der Mann zornig. »Und Sie haben auch während der Reise genug gewonnen. Außerdem gehört ein Teil des Geldes uns …« Der Mann verstummte, als Alex erneut die Waffe hob und sie auf ihn richtete.

»Alex!«, rief Elina. »Tu das nicht! Das ist Diebstahl!«

»Ich weiß schon, was ich mache. Schließlich brauchen wir das Geld!«

»Das ist trotzdem nicht richtig! «, wehrte sie sich und streckte ihre Hand nach seiner Tasche aus.

Grob stieß Alex sie beiseite, und als sie nicht nachgeben wollte, wurde er rot vor Zorn. »Hör auf! «, schrie er sie an und versetzte ihr eine so heftige Ohrfeige, dass sie taumelte. Wie betäubt sah sie ihn an und rieb sich fassungslos die Wange.

Einen Moment lang schien Alex seine Tat zu bedauern. Dann verhärtete sich seine Miene, und er wirbelte erneut zu den Männern herum.

»Meine Schwester und ich gehen jetzt, verstehen Sie? Und am besten folgen Sie uns nicht.«

Er umklammerte Elinas Arm und stieß sie vor sich her zum Ausgang. Immer noch reichlich benommen, ließ Elina ihn gewähren. Doch an der Tür unternahm sie einen letzten Versuch, ihn von seinem Vorhaben abzubringen.

»Wenn du das Geld hierlässt …«, flüsterte sie.

»Das würde keinen Unterschied machen. Sie würden mich trotzdem ins Gefängnis stecken. Außerdem brauchen wir es. Sonst haben wir keine Chance durchzukommen.«

Sie wusste, dass er recht hatte. Aber es deshalb zu stehlen war nicht richtig. Warum nur fiel ihr keine andere Lösung ein?

Alex zerrte sie so grob in den Flur, dass sie beinahe die Treppe heruntergestürzt wäre. Sie blickte auf das dunkle, stille Deck hinunter, während Alex die Tür hinter sich schloss und den Riegel vorschob, damit ihnen niemand folgen konnte.

»Kommst du jetzt mit?«, raunte er Elina zu, als sie sorgenvoll zurückblickte.

»Ja«, antwortete sie, und ihre Kehle fühlte sich mit einem Mal wie zugeschnürt an. Sie konnte nichts mehr tun. Bonnange würde bald zu sich kommen und sie in dieser Stadt, die ihnen fremd war, verfolgen. Zeit, um mit Alex des Geldes wegen zu streiten, blieb ihr nicht.

Sie hatte Mama versprochen, auf ihren leichtsinnigen Bruder aufzupassen, und jetzt musste sie ihr Versprechen halten. »Ja«, erklärte sie gefasster.

Ohne einen Blick über die Schulter zu werfen, flüchteten sie vom Schiff, eilten in der Dämmerung, die über New Orleans hereingebrochen war, weiter in der Hoffnung, ihr eigentliches Vorhaben ausführen zu können und von Bonnange nicht aufgespürt zu werden.

KAPITEL 2

René Bonnange stöhnte, als er zu sich kam. Warum bloß hatte er das Gefühl, sein Kopf müsse zerbersten? Erst allmählich erkannte er, dass er in einer Kabine des Dampfschiffes auf einer der Kojen lag.

»Er ist aus seiner Ohnmacht erwacht!«, sagte jemand in seiner Nähe, und die Stimme dröhnte in seinem Kopf.

Das Gesicht des Kapitäns, Captain Martin, beugte sich zu ihm hinunter. »Dass Sie verletzt worden sind, tut mir leid, Mr. Bonnange.«

»Was ist denn passiert?«, wollte René ungehalten wissen.

»Miss Wallace hat Ihnen eine Whiskyflasche auf den Kopf geschlagen«, antwortete einer der Männer, mit denen er Karten gespielt hatte, verlegen.

»Verflixt! Und wo ist die kleine Hexe jetzt?«, murmelte René, während ihm die Ereignisse des Nachmittags wieder einfielen.

»Sie und Wallace haben das Schiff verlassen. Das Geld haben sie mitgenommen. Wallace hatte uns auch eingesperrt. Wir wären nicht aus dem Raum gekommen, wenn Captain Martin uns nicht hätte rufen hören.«

Mühsam richtete René sich auf. »Ich werde die beiden aufspüren, und wenn es das Letzte ist, was ich tue«, schwor er.

»Nun, Mr. Bonnange, regen Sie sich nicht so auf.« Captain Martin versuchte, ihn auf die Pritsche hinunterzudrücken, aber als René ihm einen vernichtenden Blick zuwarf, ließ er die Hände sinken. René setzte sich und schwang die Beine über die Kante.

»Wir haben schon jemand zur Gendarmerie geschickt«, fügte Captain Martin hinzu. »Sie werden die beiden sicher finden und ins Gefängnis stecken.«

Ein grimmiges Lächeln huschte über Renés Gesicht. »Vermutlich haben die Ordnungshüter Besseres zu tun, als nach einem Falschspieler und seiner Begleiterin zu suchen. Keine Sorge. Ich werde sie auch selbst aufspüren.«

»Im Augenblick sollten Sie erst einmal einen Arzt konsultieren«, mischte sich der Steward ein. »Sie sind ziemlich hart getroffen worden. Ich habe die Wunde gesäubert und verbunden, aber es sollte ein Doktor danach sehen.«

»Ich weiß Ihre Bemühung zu schätzen. Sie haben jedenfalls mehr getan als andere«, bemerkte René und sah den Mann an, der mit ihm zusammen Karten gespielt hatte.

Der wusste sofort, was ihm vorgeworfen wurde. »Hören Sie, Bonnange, solange Sie die Waffe auf ihn gerichtet hatten, gab es keinen Grund einzugreifen. Und ehe wir etwas unternehmen konnten, hatte die junge Frau schon gehandelt. Wir hätten das nicht von den beiden erwartet. Bis gestern war er ein sehr umgänglicher Spieler. Er hat behauptet, Sie hätten ihn beraubt. Wem sollte ich denn glauben?«

Der Kapitän warf ihm einen empörten und mitleidigen Blick zugleich zu. »Da Mr. Wallace Ihnen Ihr ganzes Geld abgenommen hat, denke ich, ist wohl klar, wem Sie vertraut haben sollten. Die Bonnanges gehören zu den vornehmsten und ältesten Familien in New Orleans. Sicherlich wollen Sie Mr. Bonnange nicht irgendwelcher Vergehen beschuldigen, oder?« Erschrocken schaute der Mann den Kapitän an. »Nein, natürlich nicht«, stammelte er. »Aber sie schienen recht nett zu sein, die beiden Geschwister …«

»Ich frage mich, ob die beiden wirklich verwandt sind«, meinte René trocken.

»So betrachtet, besonders brüderlich hat er sich nicht verhalten. Er hat ihr eine kräftige Ohrfeige verpasst, als Sie bewusstlos waren. Sein Verhalten schien ihr ganz und gar nicht zu behagen.«

»Die Mademoiselle wollte vermutlich, dass er mich ganz erledigt, nachdem sie mich getroffen hatte«, erwiderte René und rieb sich den dröhnenden Schädel. Aus einem unerklärlichen Grund erzürnte ihn der Gedanke, dass Wallace die junge Frau geschlagen hatte. Doch er schüttelte den Gedanken ab. »Das spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Die beiden sind entkommen. Aber er gehört zu der Sorte, die sich nicht lange von den Spielsalons fern halten können. Zweifellos wird er bald in den Kasinos in der Stadt auftauchen.«

Bonnange stand auf. Der Mann, der mit ihm Karten gespielt hatte und wesentlich kleiner war, wurde sichtlich nervös. »Falls Sie ihn finden und einen Zeugen brauchen, werde ich selbstverständlich gern …«

René ließ ihn nicht ausreden. »Danke, ich werde Ihr freundliches Angebot nicht vergessen«, erklärte er spöttisch.

»Soll ich Sie zu Ihrer Unterkunft bringen, Mr. Bonnange?«, fragte der Kapitän.

»Das ist nicht nötig. Mein Diener erwartet mich an der Anlegestelle. Ich übernachte heute in der Stadt. Schicken Sie die Gendarmerie zu meinem Pied-ä-terre, wenn sie mich sprechen wollen.«

Keiner der Männer regte sich, als René die Kabine verließ. Nach außen hin zeigte er sich gefasst, doch tatsächlich war er äußerst erzürnt. Wie hatte er es nur so weit kommen lassen können? Er hätte beim Aufdecken von Wallaces Betrug vorsichtiger sein sollen.

Doch hätte er nie damit gerechnet, dass die junge Frau sich derart unklug verhalten würde. Dass sie ein solches Risiko eingegangen war, obwohl er eine Waffe gehabt hatte, zeigte, wie verzweifelt sie ihren Begleiter vor dem Gefängnis bewahren wollte. Mon Dieu, sie hat wirklich kräftig zugeschlagen, dachte René und rieb sich erneut den pochenden Kopf.

Sie hatte geglaubt, keine Wahl zu haben. Wallace war erst ausfallend geworden, als René sein Falschspiel aufgedeckt hatte. Dabei hatte er nicht von Anfang an betrogen. Erst dann, als er sich dazu gezwungen sah. Außerdem hatte er seine hübsche Begleiterin benutzt, damit es nicht so auffiel, was er vorhatte. Der Mann hatte offensichtlich Erfahrung, und die junge Frau auch. Sie war in dem Raum hin und her gegangen, als wüsste sie genau Bescheid.

Erneut ärgerte René sich darüber, dass er anfangs wirklich geglaubt hatte, sie sei Wallaces geplagte Schwester. Er hatte sich tatsächlich von ihrem unschuldigen Blick täuschen lassen. Doch trotz seines Zorns vermochte er nicht, ihr hübsches Gesicht, das keine Spur von Falschheit aufwies, zu vergessen. Zweifellos hatte sie jedoch mit ihrem tugendhaften Blick so manchen Kartenspieler irregeführt. Dieses durchtriebene kleine Biest! Hielt sie ihn etwa für so unerfahren, dass er nicht merken würde, wie sie mit ihrem Begleiter zusammenarbeitete?

»Wir werden uns Wiedersehen, süße kleine Hexe«, raunte er dem Gesicht zu, das er im Geiste vor sich sah.

»Du bist wirklich verrückt! «, warf Elina ihrem Bruder vor, als sie im Hotelzimmer waren. Endlich konnte sie ihrer Empörung Luft machen. »Was ist nur los mit dir?« Behutsam betastete sie ihre geschwollene Wange, und ihre Augen funkelten. »Ich kann es nicht begreifen, dass du mich geschlagen hast. Du hättest lieber auf mich hören sollen.«

»Hätte ich auf dich gehört, wären wir jetzt mittellos«, erwiderte Alex gleichmütig.

»Aber die Gendarmerie wäre uns nicht auf den Fersen. Es reicht dir nicht, dass wir wegen deiner Spielleidenschaft unser Haus verloren haben und flüchten mussten. Jetzt bringst du uns in noch größere Schwierigkeiten. Bist du denn nach dem, was Wyatt uns angetan hat, nicht klüger geworden? Nein, natürlich nicht. Du versuchst, einen Mann zu betrügen, der dir überlegen ist. Dann bedrohst du ihn mit einer Waffe und bestiehlst ihn. Hast du nur einen Moment darüber nachgedacht, was du tust?«

Alex reagierte ärgerlich. »Was hätte ich sonst machen sollen? Er hatte unser ganzes Geld.«

»Was du dummerweise an ihn verloren hast.« Erzürnt stampfte sie mit dem Fuß auf. »Begreifst du denn nicht, Alex? Dieser Mann ist Kreole. Er kennt vielleicht unsere Verwandten. Und du hast ihn wütend gemacht. Wenn er uns gefangen nehmen lässt, was er bestimmt tun wird, haben wir in dieser Stadt für immer einen schlechten Ruf.«

»Ich werde mich mit ihm duellieren, um meine Ehre zu verteidigen«, entgegnete Alex abweisend. »Das war ernst gemeint, was ich heute Abend gesagt habe.«

Elina seufzte. »Ja, ja, duellier dich mit ihm. Als ob du einen Kreolen besiegen könntest, der mit dem Degen sicherlich hervorragend umgehen kann. Und welche Ehre willst du damit verteidigen? Du hast ihn doch betrogen und bestohlen.«

»Er hat auch Tricks angewandt«, wehrte Alex ab.

»Nein, Alex. Das hat er ganz bestimmt nicht. Du gibst immer anderen die Schuld für deine Fehler. Du hast falschgespielt. Das hast du schon einmal getan.« Sie ließ sich aufs Bett fallen, zog die Nadeln aus ihrer Frisur, sodass ihr das Haar in dichten Wellen bis über die Schultern fiel. »Morgen müssen wir vielleicht Papas Familie gegenübertreten. Was werden sie sagen, wenn sie erfahren, dass du ein Betrüger bist? Sie werden zutiefst beschämt sein.«

Ihr Bruder lenkte ein in der Hoffnung, ihr Unmut würde verfliegen. Er setzte sich zu ihr aufs Bett und wollte sie an sich ziehen, doch Elina stieß ihn weg.

»Du hast auch nicht gerade völlig tatenlos zugeschaut«, erinnerte er sie und unterdrückte ein Lächeln. »Du hast ihm kräftig auf den Kopf geschlagen und mir aus der Bedrängnis geholfen, Elina. Das vergesse ich dir nicht.«

Sie erblasste, als er sie an ihre Schandtat erinnerte. »Das habe ich nur in höchster Not getan. Es war schrecklich. Vermutlich hält er uns beide jetzt für Verbrecher.«

»Nun komm schon, Elina«, beschwichtigte Alex sie. »Reg dich nicht darüber auf. Es wird schon gut gehen. Der Mann benutzt sicher auch Tricks und wird es nicht wagen, uns anzuzeigen, weil er befürchten muss, selbst entdeckt zu werden.« »Er hat gedroht, dich vor den Friedensrichter zu bringen«, erinnerte sie ihren Bruder gelassen. »Das klingt für mich nicht so, als hätte er etwas zu befürchten.«

Alex runzelte die Stirn.

»Siehst du, Alex? Du denkst nicht nach. Du handelst einfach, und hinterher müssen andere die Folgen tragen.«

»Erzähl Papa nichts von heute Abend, bitte«, flehte Alex. »Wenn das noch zu allem anderen hinzukommt, wird er wütend werden. Du kennst Papa. Er wird meine Mittel beschränken. Also wenn er es nicht allein herausfindet, sag es ihm bitte nicht.«

Elina war verwundert, dass er glaubte, so leicht davonzukommen. Ruhig fragte sie: »Wenn wir Papa finden, wirst du dann Bonnange aufsuchen und ihm seinen Gewinn zurückgeben?«

Alex war sichtlich schockiert. »Das ist wohl ein Scherz. Ich soll den Mann aufsuchen? Seinen Zorn auf mich ziehen, indem ich ihm das Geld bringe, das eigentlich mir gehört hat? Das ist ja wohl eine verrückte Idee.«

Elina kam ein unangenehmer Gedanke. »Er hat gesagt, du hättest mich benutzt, um von deinem Falschspiel abzulenken. Beim ersten Mal habe ich es getan, weil ich nicht wollte, dass du ertappt wirst. Hast du mich beim zweiten Mal gebeten, dir Whisky einzuschenken, um ihn zu überlisten?«

Unangenehmes Schweigen breitete sich aus, und Elina bemerkte, dass ihr Bruder gekränkt dreinblickte. Das tat er immer, wenn er sich in die Enge gedrängt fühlte.

Achselzuckend meinte er. »Und wenn schon, was ist dabei? Sei nicht so naiv. Manchmal muss ein Mann unangenehme Dinge tun, um für seine Familie zu sorgen.«

»Um für seine Familie zu sorgen?«, brauste sie auf. »Du musst mir jetzt nicht die Schuld dafür zuschieben! Wir hatten genug Geld, als wir von Creve Coeur aufgebrochen sind. Bloß dir reichte es nicht. Du musst ja immer mehr haben.« Wütend sprang Alex auf. »Ja, natürlich. Ich muss mehr haben. Was machen wir, wenn Papa tot ist?«

Seine harten Worte trafen sie wie Peitschenhiebe. »Das ist bestimmt nicht der Fall«, erklärte sie und schluckte. »Irgendetwas hat ihn davon abgehalten, uns zu schreiben. Ich glaube ganz fest, dass er lebt.«

»Du glaubst es! Aber du weißt es nicht. Und wenn er tot ist, bleiben uns nur unsere Großeltern. Was machen wir, wenn sie uns nicht helfen? Wir haben alles verloren.«

Tapfer schaute sie ihn an, obwohl ihr die Stimme fast versagte. »Dann … dann werden wir uns Arbeit suchen, wie andere Leute das auch tun.«

Alex schnaubte verächtlich. »Ha! Und was? Glaubst du, du könntest eine berühmte Malerin werden, und alle würden sich um deine Skizzen reißen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Was verstehst du vom Arbeiten? Natürlich könnte ich dir einen reichen Verehrer suchen.«

Als sie ihn betroffen ansah, fuhr er grausam fort: »Ich bin nicht wie Papa. Ich würde deine Verehrer nicht ablehnen, wie er es getan hat. Der Himmel weiß, warum er keinen akzeptiert hat. Du bist schon zweiundzwanzig! Du hättest längst mit einem der reichen Männer verheiratet sein sollen, die um deine Hand angehalten haben.«

Ihr war klar, dass Alex nur herausfinden wollte, wieviel sie sich von ihm gefallen lassen würde. Dennoch konnte sie ihre Bestürzung nicht vor ihm verbergen. Dass ihr Vater sie nicht hatte verheiraten wollen, hatte sie immer geschmerzt, zumal er ihr dafür keine Erklärung gegeben hatte.

Warum mochte Papa sich so dagegen gewehrt haben, dass sie heiratete und eine Familie gründete? Er hatte sich geweigert, überhaupt mit ihr darüber zu sprechen. Zwar hatte sie sich zu keinem der Verehrer besonders hingezogen gefühlt, doch an dem einen oder anderen hatte sie durchaus Gefallen gefunden. Keiner von ihnen war jedenfalls so abstoßend gewesen, dass Papas merkwürdiges Verhalten gerechtfertigt gewesen wäre.

Ihre Augen funkelten vor Zorn. »Du willst mich doch nicht etwa an den meistbietenden Mann verkaufen, Alex?«, erkundigte sie sich empört.

»Das wohl nicht. Aber ich habe auch nicht vor, in einem stickigen Büro zu arbeiten.«

Elina atmete einmal tief durch und versuchte, ihren Zorn zu bezähmen. »Ich kann Zeichenunterricht geben, wie ich es in Creve Coeur getan habe«, erwiderte sie und zählte der Reihe nach auf, was noch für sie in Frage käme. »Um die Stelle einer Gouvernante könnte ich mich auch bewerben. Ich scheue mich auch nicht zu nähen oder Wäsche zu waschen, wenn es sein muss. Siehst du, ich schrecke nicht vor harter Arbeit zurück so wie du.«

»Ich schrecke nicht davor zurück«, antwortete Alex kühl. »Solche Plackerei ist einfach unter meiner Würde. Papa hat mich zu einem Gentleman erzogen, nicht zu einem Dienstboten.«

»Ich verstehe«, entgegnete sie im selben Ton. »Betrug beim Kartenspiel ist also eines Gentlemans würdig? Von so einem Gentleman will ich nichts wissen. Für mich ist Falschspiel ein schlimmes Vergehen.«

Alex hob die Hand, als wollte er ihr eine Ohrfeige verpassen.

»Tu es nur«, bemerkte sie leise, aber trotzig. »Schlag mich ruhig. Jetzt, da du dir angewöhnt hast, deine Schwester zu schlagen, kannst du so weitermachen.«

Fluchend wirbelte er herum und hastete zur Tür.

»Wo willst du hin?«, rief sie.

»Von hier weg!«

Wie konnte er sie, nach allem, was passiert war, allein lassen? Sie sprang auf und hielt ihn am Arm zurück. »Du kannst jetzt nicht gehen, Alex! Bonnange lässt uns gewiss suchen. Wenn er nun mit den Ordnungshütern hier erscheint?«

Ihr Bruder bemerkte ihre Besorgnis und sein Zorn schwand. »Heute Abend wird Bonnange vermutlich nichts mehr unternehmen. Dafür wird ihm der Kopf zu wehtun. Falls es mir gelingt, Papa heute Abend zu finden, wird er seinen Einfluss geltend machen, damit Bonnange uns nie wieder belästigt.«

Misstrauisch musterte sie ihren Bruder. »Lass mich mitkommen. Wir können uns zusammen umhören.«

»Sei nicht albern«, entgegnete er jetzt wieder gereizt. »Abends ist es für eine junge Frau in New Orleans zu gefährlich. Ich verspreche dir, nicht zu spielen. Ich werde mich nur bei dem Gasthaus erkundigen, von dem Papa seinen Brief abgeschickt hat. Danach kehre ich wieder zurück.«

Elina musterte ihren Bruder aufmerksam, um herauszufinden, ob er meinte, was er sagte. Sie hegte leichte Zweifel. »Du hast auch sonst schon Dinge versprochen, die du nicht gehalten hast.«

Gleichmütig stimmte er ihr zu.

»Schwör mir, Alex. Schwör mir, dass du nicht spielen wirst.« Seufzend fasste er nach ihren Händen. »In Ordnung, Elina, wenn es dich beruhigt, schwöre ich bei unserer seligen Mama, dass ich heute Abend nicht spielen werde. Bist du jetzt zufrieden?«

Sie nickte, obwohl sie immer noch Bedenken hatte.

»Ich werde schneller zurück sein, als du glaubst«, erklärte er.

Sie seufzte. »Gut. Aber lass die Papiere hier.«

Sie hatten die Heiratsurkunde ihrer Eltern und ihre Geburtsurkunden bei sich, um den Vanniers zu beweisen, dass sie die waren, die zu sein sie Vorgaben. Schließlich hatten die Verwandten ihres Vaters sie noch nie gesehen.

»Die kann ich nicht hierlassen«, protestierte er. »Wenn mich Bonnange nun doch zufällig findet, muss ich doch belegen können, dass ich aus einer einflussreichen Familie stamme. Wie soll ich ihn sonst daran hindern, mich umgehend den Gesetzeshütern auszuliefern?«

Er hatte recht. Dennoch erfasste Elina eine unerklärliche Furcht. »Warte bis morgen«, bat sie ihn. »Dann können wir uns gemeinsam auf den Weg machen.«

»Hör auf, Elina!«, herrschte Alex sie ungeduldig an. »Sei nicht so töricht. Lass mich los, ja? Ich will jetzt gehen. Es ist schon spät. Leg dich schlafen, damit du morgen ausgeruht bist.«

Elina gehorchte und wandte sich ab. Weitere Einwände von ihr würden seine Starrköpfigkeit nur verstärken. »Geh«, sagte sie mehr zu sich selbst. »Geh doch.«

Kaum dass er verschwunden war, warf sie sich quer übers Bett und brach in Tränen aus. Die Ereignisse des Tages hatten sie erschüttert. Begriff Alex denn nicht, wie schrecklich es für sie sein würde, sollte sie auch ihn verlieren? Er mochte leichtsinnig und unvernünftig sein, aber er war immerhin ihr Bruder und im Augenblick der einzige Mensch, der ihr nahe stand.

Sie schluchzte noch ein letztes Mal heftig auf, dann schüttelte sie den Kopf. Sie durfte sich nicht gehen lassen. Um Alex’ willen musste sie stark bleiben.

Langsam stand sie auf und begann, sich auszuziehen. Eine bleierne Müdigkeit befiel sie. Sie musste sich tatsächlich ausruhen. Dankbar schlüpfte sie zwischen die frischen Laken des Bettes.

Doch zuerst vermochte sie nicht einzuschlafen. Ihre Gedanken kreisten immer wieder um die Geschehnisse des Nachmittags. Erneut sah sie im Geiste, wie Bonnange seine Waffe auf Alex gerichtet hatte. Dabei erfasste sie die gleiche panische Angst, die sie verspürt hatte, als Bonnange Alex zur Tür stieß. Entschlossen schüttelte sie diese Erinnerung ab. Doch eines konnte sie nicht vergessen: Bonnanges durchdringenden Blick, nachdem Alex zum ersten Mal falschgespielt hatte.

Erneut fühlte sie sich beschämt, dass sie an diesem Betrug indirekt beteiligt gewesen war. Aufstöhnend barg sie ihr Gesicht in dem Kissen. Sie hätte ihm eindringlicher erklären sollen, dass es verkehrt war, was er tat. Besser noch, sie hätte ihn daran hindern sollen, auf der Fahrt überhaupt zu spielen.

Aber wie hätte sie das anstellen sollen? Er hörte nicht auf sie, und ihre Beziehung zueinander hatte sich täglich verschlechtert. Allerdings hatte er sie zuvor noch nie geschlagen. Je älter er wurde, desto besessener schien er von dem Gedanken zu werden, auf die einfachste Art zu Geld zu kommen. In solchen Augenblicken scherte er sich um nichts ‒ weder um Ehre, Stolz oder die Familie.

Was sollten sie nur anfangen, wenn sie Papa nicht fanden? Alex würde keine geregelte Arbeit annehmen und es vielleicht sogar ablehnen, dass sie es tat.

Im Stillen tadelte sie sich, dass sie sich über Dinge Gedanken machte, die vermutlich nie eintraten. Morgen wird alles besser aussehen, redete sie sich ein. Wir werden Papa finden, und dann wird alles gut.

Doch die schreckliche Erinnerung an Bonnanges Drohung, die Stadt nach ihnen abzusuchen, verfolgte sie. Noch bevor sie einschlief, glaubte sie, seine tiefe Stimme zu hören.

Alex schritt unbekümmert in das Gasthaus, von dem aus ihr Vater seinen letzten Brief abgeschickt hatte. Nach einem flüchtigen Blick zu dem Mann hinter dem Empfangstresen ging er geradewegs in die Trinkstube. Er setzte sich an einen freien Tisch und bestellte sich ein Glas Wein. Nachdem es ihm gebracht worden war, leerte er es fast in einem Zug und versuchte, die unschöne Szene mit Elina zu vergessen.

Nervös ließ er den Blick durch den Raum schweifen. Es wäre nicht gut, wenn Bonnange ihn entdecken würde. Doch da er niemand sah, der ihn beobachtete, entspannte er sich.

Inzwischen bereute Alex, seine Schwester so schäbig behandelt zu haben. Natürlich hatte sie Grund zur Sorge. Der Vorfall auf dem Schiff war ein einziges Fiasko gewesen. Aber was hätte er tun sollen? Zusehen, wie dieser anmaßende Schurke ihm all das Geld wegnahm, das er sich so mühsam verdient hatte? Bonnange brauchte das Geld nicht. Alex hatte gleich an seiner maßgeschneiderten Kleidung und an seinem Verhalten erkannt, dass der Mann aus vornehmem Hause kam. Zweihundert Dollar konnte er sicher leicht verschmerzen.

Aber Alex brauchte das Geld. Im Gegensatz zu Elina zweifelte er nämlich nicht daran, dass Papa tot war. Nur der Tod konnte ihn daran hindern, nach Hause zurückzukehren. Und jetzt waren er und Elina auf die Gnade einer Familie angewiesen, die sie noch nie gewollt hatte. Alex konnte es sich nicht leisten, etwas von dem Geld zu verlieren, das ihnen eine gewisse Unabhängigkeit bot.

Er würde darauf bestehen, dass die Vanniers ihnen ihren rechtmäßigen Besitz, Papas Anteile, übergaben, und wenn er dafür mit den Vanniers vor die höchsten Gerichte des Landes ziehen müsste. Dabei redete er sich ein, er täte dies alles für Elina. Sie sollte keinen reichen Mann heiraten, wenn sie es nicht wollte.

Jedenfalls würde er zunächst versuchen, etwas über Papa herauszufinden. Wenn er nicht in New Orleans war, wollte Alex für Wyatt und seine blutrünstigen Henker aus St. Louis keine Spur hinterlassen. Wyatt würde vermutlich eine Möglichkeit finden, sie aufzuspüren. Aber das wollte Alex ihm zumindest erschweren.

Rasch winkte er den Kellner zu sich an den Tisch.

»Noch einen Wein, Monsieur?«, fragte der Kellner höflich.

»Nein, im Moment nicht. Aber vielleicht können Sie mir weiterhelfen.« Alex beugte sich vor und drehte den Stiel des Glases zwischen den Fingern. »Ich bin heute erst in New Orleans angekommen. Ich bin geschäftlich hier, aber mein Vater hat mich gebeten, einen alten Freund zu besuchen. Er hat hier im Hotel übernachtet. Könnte ich erfahren, ob er noch hier ist?«

»Un moment«, erwiderte der Kellner. »Ich werde den Besitzer holen.«

Als dieser kam, wiederholte Alex seine Frage. Der Mann blickte nachdenklich drein. »Ich weiß nicht, Monsieur. Möglich ist es. Am besten erinnere ich mich an die Gäste, die hier oft absteigen.«

»Es handelt sich um einen Kreolen. Sein Name ist Vannier. Philippe Vannier. Ich habe gehofft, Sie könnten mir sagen, wo er sich aufhält, falls er das Hotel schon verlassen hat«, erklärte Alex und bemühte sich, nicht zu zeigen, wie sehr er darauf wartete, etwas über seinen Vater zu erfahren.

Im ersten Moment blickte der Hotelchef verwirrt und verlegen drein. »Monsieur Vannier? Ja, den kenne ich. Aber … er hat nie hier übernachtet. Er kam bloß auf einen Drink hierher, mehr nicht. Vielleicht sollten Sie mit seinem Sohn sprechen. Den kenne ich sehr gut. Er kommt ziemlich oft her, wenn er gespielt hat.«