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Im Freilichtmuseum Stübing wird eine ermordete Frau aufgefunden - deren Herz verschwunden ist. Die folgende Mordserie bringt Armin Trost auf die blutige Spur legendärer steirischer Gewalttaten. Doch während er die schaurige Vergangenheit aufl eben lassen muss, kämpft er auch um sein eigenes Seelenheil. Wie weit kann ein Ermittler gehen, ohne seine Familie zu verlieren? Und - wie nah sind sich Himmel und Hölle wirklich?
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Seitenzahl: 317
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Robert Preis wurde 1972 in Graz geboren und ist dort aufgewachsen. Nach dem Studium in Wien und einem längeren Auslandsaufenthalt in Kroatien lebt er heute mit seiner Familie wieder in der Nähe seiner Heimatstadt. Er arbeitet als Journalist bei einer Tageszeitung und schrieb zahlreiche Sachbücher und Romane.www.robertpreis.com
Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig. Da sich auf den folgenden Seiten zahlreiche typisch österreichische Ausdrücke befinden, gibt es am Ende des Textes ein Glossar.
© 2015 Emons Verlag GmbH Alle Rechte vorbehalten Umschlagmotiv: Stephan Pelizzari Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch Lektorat: Susanne Bartel eBook-Erstellung: CPI books GmbH, LeckISBN 978-3-86358-895-3 Originalausgabe
Mit Unterstützung durch das Land Steiermark
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FürIngrid und Fritz
Anerkennung ist eine Pflanze, die vorwiegend auf Gräbern wächst.
Nikolaus Lenau(1802–
Prolog
Sommer
Schlimmer als der Tod war nur die Ungewissheit spurlosen Verschwindens.
Johannes Schulmeisters Frau Roswitha stand mit dem Handy in der Hand am Fenster und starrte auf die Schlammschlieren, die der Dauerregen an diesem Sommermorgen über die Straße spülte. Die meisten Menschen der Stadt hatten die Mur noch nie in ihrem Leben so gierig gesehen. Ihr Wasser stand knapp unter der Uferpromenade, die Böschung war weitgehend nicht mehr existent.
In den letzten Tagen hatte sich ein regelrechter Katastrophentourismus entwickelt, denn wie sonst war zu erklären, dass sich auf der Hauptbrücke immer wieder Gruppen von Menschen versammelten, die mit banger Erwartung des unheilvollen Finales der Wetterkapriolen Fotos der braunen Wassermassen schossen?
Das Wetter war sogar auf Facebook das Topthema, und auch die Zeitungen berichteten täglich darüber und suhlten sich in den schlechten Nachrichten. Wetter. Überall nur Wetter. Man sprach darüber, hörte davon, sah und spürte es. Und die Aussichten waren trüb. Der Sommer war keiner. So schlecht wie nie. Kalt. Verregnet. Ein Trauerspiel.
Doch Roswitha Schulmeister kümmerte das alles nicht. Sie starrte zwar wie all die anderen in den Regen, doch sie starrte durch ihn hindurch.
Ihre Gedanken waren noch viel düsterer, als es der düsterste Sommerregen sein konnte.
Ihr Mann hatte nichts von einem nächtlichen Einsatz erwähnt, und doch war er bis zum Morgengrauen nicht heimgekommen. Sie hatte allein gefrühstückt, blickte nun über die Straße hinweg auf die Schrebergärten, von denen sie eine Parzelle mit Holzhütte, Pfirsichbäumen und Erdbeerbeeten gepachtet hatte. Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass etwas passiert war. Sie griff zum Telefon.
Der Regen.
Am anderen Ende der Leitung war Armin Trost. Die Tonlage seiner Stimme hätte nicht besorgter sein können. Auch er hatte keine Ahnung. Ein nächtlicher Einsatz? Nein, sicher nicht.
Natürlich hatte es keinen nächtlichen Einsatz gegeben, und natürlich hatte Johannes Schulmeister auch sonst niemanden, bei oder mit dem er die Nacht verbracht haben könnte. Gewollt hätte er es vielleicht, dass es so jemanden gab, ja. Er war ein alter Sack, der jedem jungen Weibsbild hinterherglotzte wie ein dummer Hund. Alle Männer waren ab einem bestimmten Alter alte glotzende Säcke. Und dumme Hunde.
Aber getan hatte er es sicherlich nicht. Es getan. Mit einer anderen Frau. Dazu kannte Armin Trost den Mann zu lange, dazu hatten sie zu viel gemeinsam erlebt.
Schon als er Roswitha versprach, der Sache auf den Grund zu gehen, wusste Trost, dass etwas passiert sein musste. So etwas wusste er immer gleich. Mit dem ihm eigenen Instinkt. Auch wenn er nicht sagen hätte können, Schulmeister und er seien je Kumpel gewesen. Freunde gar. Aber so etwas? Von heut auf morgen verschwinden? Sein Partner? Nein, das würde er nie tun.
Trost fuhr das ganze Programm auf. Organisiert wie eine Armee rückte die Polizei aus, durchkämmte das Gestrüpp entlang der Mur bis hinunter nach Gössendorf, überschwemmte das Griesviertel mit Razzien. Taucher, Hunde, Hubschrauber, alles, was zur Verfügung stand, musste ran. Sie horchten und lauschten und krochen und stöberten. Allein der Aufwand blieb ohne Erfolg. Von Bezirksinspektor Johannes Schulmeister, dem seit Jahrzehnten verdienten Mitglied des Ermittlungsbereichs LKA1– Leib und Leben–, dem direkten Mitarbeiter des weithin bekannten Chefermittlers Armin Trost, keine Spur. Nach einem Tag nicht. Nach zweien nicht. Auch nicht nach einer Woche. Nach zwei. Drei.
Zu Beginn der immer verzweifelter verlaufenden Suchaktion hatte Trost noch nahezu jeden Abend an Roswitha Schulmeisters Seite verbracht. Trost spendete Trost. Er schwor sich, dass er Himmel und Hölle in Bewegung setzen werde, um Schulmeister zu finden. Die ganze Welt auf den Kopf stellen. Bis der Himmel unter Graz verschwand und die Hölle über der Stadt loderte. Früher würde er nicht aufgeben.
Der Graf
1
Herbst
Der Schuss riss eine solche Kerbe in die Welt, dass jedes Geräusch augenblicklich erstarb. Als würde alles Leben für einen Moment den Atem anhalten.
Doch wichtig war nur, dass das Geschrei der Krähen endlich verstummte. Sie lärmten schon, seit er hier aufgetaucht war. Tyrannisierten die Umgebung.
Eine schwarze Wolke stob auf und zog einige hundert Meter weiter. Da und dort setzten sich die Tiere wieder auf dürre Äste und starrten mit ihren kalten Augen zwischen dem Gelb und Rot des herbstlichen Waldes zu ihm herüber. In ihren Blicken lag weder Furcht noch Schreck. Stattdessen etwas Unerbittliches. Etwas Böses.
Sie sehen aus wie Todesboten, dachte er und schmeckte ein Gefühl– Abscheu.
Der Graf spuckte auf den Boden. Normalerweise tat er das nie, doch jetzt musste er die Mischung aus Ekel und Pulverdampf einfach aus dem Mund bekommen. Mit geschlossenen Lippen tastete seine Zunge die Zahnreihen ab, er inhalierte durch die Nase. Die Luft roch nach feuchtem Morgen. Er hasste Vögel. Und am meisten hasste er die Krähen.
Seinen Namen, »der Graf«, verdankte er dem Umstand, dass er so exakt war. Äußerlich und innerlich, im Denken und seinen Einstellungen. Wie einer von der alten Garde, ein Mann mit scharf duftendem Rasierwasser und penibel gestutztem Oberlippenbart und Koteletten. Ein Mann, der alle zwei Wochen zum Friseur ging und Krawatten nicht nur binden konnte, sondern sie auch trug. Sogar in seiner Freizeit. Zu Hemden mit steifen Krägen und Westen, sobald es kälter wurde. Und sonntags immer einen Anzug, einen Rock, wie man zu sagen pflegte. Eine Ausdrucksweise, die man in der Stadt schon nicht mehr kannte. In Graz. Bei den Schnöseln.
Der Graf lebte in Laufnitzdorf. Im geerbten Haus seiner Eltern in der Nähe der Bierbrauerei, die gerade eröffnet worden war. Es war ein winziges Dorf, eine kleine überschaubare Einheit, so wie er es mochte. Städte wie Frohnleiten oder Bruck an der Mur waren ihm fast schon zu groß, und nach Graz würde er sowieso nie freiwillig fahren.
Er war ein Mann, dem das Regelwerk des Gesetzes in Fleisch und Blut übergegangen war. Einer, der die Regelmäßigkeit des Lebens schätzte. Den Kirchgang am Sonntag, die Bibel auf dem Klo, die »Große Tageszeitung« in der Früh– natürlich als Papierausgabe– und am Postkasten, als Statement gegen den schnelllebigen Rausch der Konsumwelt, das Pickerl »Werbung, nein danke!«.
Sein Regelwerk half ihm durch den Tag. Half ihm dabei, nicht durchzudrehen. Wenn er schon keine Anerkennung von einer Frau, einem Mann oder der Dienststelle erhielt, dann waren die Regeln wenigstens ein kleiner Halt, deren Einhaltung ihn in seinem Tun bestärkte.
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