Der falsche Rinderhirte in der wilden Puszta - Katharina Kraemer - E-Book

Der falsche Rinderhirte in der wilden Puszta E-Book

Katharina Kraemer

0,0

Beschreibung

Der Rinderhirte ist dir vorzüglich gelungen. Und ordentlich gewürzt ist er. - Ich habe ihn nach Tantes Rezept gemacht. - Wenn du es sagst. Ein bittersüßer Mord mit himmlischen Folgen, eine tiefe Liebe in Paris, wilde Hunde in der Puszta und der Csárdás. Als Bonus gibt es obendrauf die Bauanleitung zum Glücklichsein, denn Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Allen Geschichten gemein ist eines: Ihr Herz schlägt im Karpatenbecken.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 99

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kurzes …

Der Csárdás und die Revolution

Sándors Freund Márkusz Rosenthal

Enescu – Ein Leben für die Geige

Poème Roumain

Der falsche Rinderhirte

Hommage an eine Suppe

Wilde Puszta

Viktors neues Leben

Kazimir – Viktors Freund

Ein Kater mit Verstand

und Kürzeres

Der Csárdás und die Revolution

Sándors Freund

»Márkusz Rosenthal ist tot. Süßer, schwermütiger Geist, in immergrünen, in zum Herzen sprechenden Tönen wird er leben. Für die schönen Lieder hat ihm die Heimat bis jetzt nichts gegeben, jetzt wird er ruhen, als Anerkennung, wofür er sich ermüdet hat.«

Jókai Mórs Worte hallten in Sándor Petöfi nach. Er sah den Trauernden hinterher, die vor der Kälte die Allee der uralten Kastanien entlang flohen, kaum, dass der Sarg hinabgelassen und mit Erde bedeckt war. In Mantel und Hut gekleidet verharrte er an dem mit frischen Blumen und Kränzen geschmückten Grabhügel. Mit der behandschuhten Rechten wischte er eine Träne aus dem Augenwinkel.

»Ein Leben für die Musik, ein Leben für die Geige. Sie wurde dein Bettelstab. Wach auf, alter Musiker, alter Freund, wir trauern achtsam mit deinen Liedern. Du hast gewusst, wo das Herz des Ungarn liegt. Doch das Herz der Ungarn schlägt nicht mehr … Das Beste kommt zum Schluss, sagt man. Dein Lied für die Freiheit wird darüber hinaus bestehen bleiben. Danke, Márkusz Rosenthal.«

Er wand sich ab. Nach ein paar Schritten ließ er sich auf einer verschneiten Bank am Kreuzweg nieder. Mit hochgestelltem Mantelkragen und tief in die Taschen vergrabenen Händen erinnerte er sich der ungezählten Stunden, in denen sie leidenschaftlich über Musik, Literatur und das Leben gestritten hatten. Am Ende musste er seinem alten Freund dennoch oft zustimmen.

Sándor lächelte. »Ja, Onkel Márkusz, Ihr ward ein streitbarer Geist mit Prinzipien. Nur einmal habe ich Euch ausgelassen und fröhlich erlebt wie nie. Und ich sage Euch, mein alter Freund, es hat Eindruck hinterlassen.«

Márkusz hatte einem Treffen auf dem Markt in Baja eingewilligt, ehe er nach Pest aufbrechen wollte. »Auf meine alten Tage brauche ich den Komfort der großen Stadt. Baja war mir lange Heimat und Muse. Doch die guten Jahre sind vorbei«, begründete er seinen Weggang aus der Stadt, in der er die meiste Zeit seines Lebens gewirkt hatte.

Sándor eilte mit wehenden Mantelschößen auf die hagere Statur seines alten Freundes zu, der ungeduldig auf und ab ging.

»Guten Abend, Onkel Márkusz. Ich bitte Euch um Entschuldigung für die Verspätung.« Sándor wählte extra die höfliche Anrede, Er wusste um die Konventionen, auf die sein väterlicher Freund bedacht war. »Die Zeiten sind unberechenbar. Es tut mir leid, dass ich Euch warten ließ.«

»Guten Tag, Sándor.« Márkusz Rosenthal reichte dem jungen Freund mit schmalen Lippen die Hand. »Ist schon gut, mein Junge.«

»Wenn Sie erlauben, lade ich Sie zu einem Schoppen ein. Da lässt sich besser reden.« Er war froh, dass ihm Márkusz nicht wirklich gram war.

»Du darfst die Schenke wählen, der Wein geht auf mich.« Ein dünnes Lächeln huschte über Márkusz Rosenthals knochiges Gesicht. Er mochte Sándor wie einen Sohn, obwohl er dessen unstetes Leben nicht guthieß. Immerhin hat er ja jetzt eine Anstellung bei der Zeitung, beruhigte er sich.

Die beiden Männer flanierten an den schmucken Fassaden der Bürgerhäuser vorbei, die den Platz vor dem herrschaftlichen Schloss einrahmten. Gegenüber dümpelten Flöße und Kähne auf dem Kanal, während unzählige Pferdekarren über das Pflaster klapperten. Sie kamen vom nahen Markt. Ein leichter Wind trug wohlfeile Düfte herüber; sie mischten sich mit dem fischig-fauligen Gestank des graubraunen Kanals, der am Platz vorbeiführte.

Sie querten eine mit Blumenkübeln gesäumte steinerne Brücke, die auf eine mit Kastanien und Pappeln bewachsene Insel führte. Sie verband die Stadt mit dem großen Fluss, auf dem Waren aus aller Herren Länder hereinkamen. Musik klang aus Dutzenden Schänken auf die schattige Allee. »Baja ist viel schöner als Pest.« Márkusz seufzte. »Da hat der große Brand nichts ändern können. Bis auf ein paar Viertel ist die Stadt fast wiederhergestellt. Nach dem letzten Feuer bin ich schweren Herzens fortgegangen, doch ich muss sagen, dass es nicht zu meinem Schaden war. Ich kehrte als geachteter Mann der philharmonischen Gesellschaft zurück.« Sándor bemerkte den melancholischen Unterton. Mit einem Seitenblick auf seinen alten Freund stellte er betrübt fest, dass dieser in den letzten Monaten alt geworden war. »Was ist mit Ihnen, Márkusz? Sie sind doch nicht etwa krank?«

»Ich denke, Pest bekommt mir besser. Hier hält mich nichts mehr.« Márkusz Blick verdunkelte sich. Sándor überlegte kurz, ob er überhaupt sein Anliegen vorbringen sollte. Nein, dazu war das alles zu wichtig. Er wollte den Weg hierher nicht umsonst gemacht haben.

»Möchten Sie diese Schenke wählen?«, fragte er mit heiterer Stimme. »Hier lässt sich trefflich reden. Es ist noch nicht so voll, wie in den anderen.«

»Ja gern.« Márkusz nahm seinen Hut ab, bevor sie die einfache Gaststube betraten.

Der Wirt sah ihnen überrascht vom Tresen aus entgegen. Die Oberschicht traf sich eher in den größeren Gasthäusern, mit Ausblick auf die Donau, auf der anderen Seite der Insel. Er brachte zwei Schoppen an den Tisch, von dem aus sie einen guten Blick auf den Kanal und den dahinterliegenden Schlossplatz haben konnten. Márkusz Rosenthal sah mit wachem Blick über sein Glas. »Was willst du mit mir besprechen?«

»Sie wissen doch um den Plan, den Lajós, Jókai und ich ausgearbeitet haben. Wir wollen ihn, sobald der Schnee vergangen ist, auf der Habsburg vorstellen. Diktat, Zensur und Frondienst – das Joch, das sie uns aufgezwungen haben – damit muss Schluss sein!« Sándor schlug bekräftigend mit der Faust auf die Tischplatte, dass der Wirt und auch die anderen Gäste einen Moment aufmerkten.

»Ich weiß, mein junger Freund, ich weiß.« Márkusz legt mahnend seine Hand auf Sándors.

Mit gedämpfter Stimme fuhr er fort: »Um des lieben Friedens willen muss man Zugeständnisse machen!«

»Der Plan steht.« Die Augen des Jüngeren glühten, seine Stimme senkte sich. »Wir suchen im ganzen Land nach Verbündeten im Kampf um die Freiheit. Es muss gelingen!«

»Das wird kein gutes Ende nehmen.« Márkusz stellte den leeren Kelch nachdrücklich auf die gescheuerte Holzfläche. Seine Stirn zierte eine tiefe, steile Falte.

»Veränderungen finden nicht durch die Schärfe der Klinge und nicht mit einem kleinbürgerlichen Krakeel statt. Das will besser durch Diplomatie erreicht sein. Das kann ich nicht gutheißen.«

»Diplomatie!« Sándors Gesicht lief rot an. »Onkel Márkusz, wir können und wollen uns nicht mehr beugen! Was genug ist, ist genug. Lajos, István und ich ringen nicht für uns, nein, für alle Ungarn. Es muss eine Wende her! Dazu brauchen wir Ihre Hilfe.«

»Ich beteilige mich doch nicht an einem Aufstand des gemeinen Volkes! Ich bin ein Mann von Stand und dazu in Staatsdiensten! Wie stellst du dir das vor, mein Junge?«

Rosenthal hieß nicht alles gut, was die Vorherrschaft der Habsburger mit sich brachte. So war er den Umtrieben der Jugend zwar aufgeschlossen gegenüber, doch offen darüber debattieren lag ihm nicht.

»Wir kämpfen nicht für unsere eigene Freiheit im Reden wie im Handeln. Einzig, was uns fehlt, ist ein eigener Verbunkos, mit dem wir uns Gehör verschaffen können! Und da dachte ich an Euch, den großen Márkusz Rosenthal!« Sándor machte eine Faust. Seine Augen blitzten im Schein des verstaubten Leuchters an der Decke. »Die Soldaten rekrutieren ihre Gefolgsmänner mit einem Verbunkos. Das könnten wir auch, wenn wir ein Lied hätten, das jeder versteht. Sie müssen uns helfen, Onkel Márkusz! Als Freund und als Musiker.«

»Ich kann doch kein Rebellenlied schreiben!« Stirnrunzelnd schüttelte er sein ergrautes Haupt. »Ich bin zu alt für derlei Auseinandersetzungen. Euer Freiheitsdrang offenbart Möglichkeiten, doch seine Gefahren fürchte ich mehr.« Er nahm einen Schluck und sah wortlos zum Fenster hinaus. Es schien, als sei damit für ihn das Thema beendet.

»Onkel Márkusz, bitte! Sie sind ein Mann des Geistes, Sie müssen uns und unsere Sehnsucht doch verstehen. Ich dachte an ein kleines Lied, einen Verbunkos.«

Die Gaslaternen erhellten den Schlossplatz und ihre Lichter tanzten auf den Wellen. Die Stille am Tisch wurde ihm unerträglich. Sándor sah abwartend zu Márkusz, der weiterhin mit gerunzelter Stirn ohne ein Wort zum Fenster hinaussah. »Wenn das herauskommt, kann ich meinen Hut nehmen, Sándor. Aber …«

Márkusz leerte seinen Krug und stellte ihn etwas zu laut auf der Tischplatte ab.

»Ich meine, ich mache mich zum Helfershelfer einer Revolution.«

»Onkel Márkusz, wir wollen etwas bewegen. Das geht nicht ohne Kampf. Bitte, helfen Sie uns.«

»Was heckst du schon wieder aus, Petöfi?« Der Wirt war unbemerkt an ihren Tisch getreten. Márkusz Rosenthal zog die Stirn in Falten. Das fehlte grad noch! Petöfi war es auch sichtlich unangenehm, er drehte das Glas nervös in der Hand, ehe er es dem Wirt hinhielt. »Was geht dich das an, Wirt? Schenk mir einen Wein nach.«

»Wirt, ich verrate es Ihnen.« Márkusz lächelte und legte Sándor seine Rechte auf die Schulter.

»Mein junger Freund möchte ein Gedicht von mir vertont wissen als eine Art Verbunkos. Ich bin unschlüssig, aber was soll ich machen? Ich kann ihm kaum einen Wunsch abschlagen, ich kenne den Jungen schon sein Leben lang.«

Er leerte seinen Schoppen, sah zu Sándor und fuhr dann mit einem geheimnisvollen Glitzern in den Augen fort: »Vielleicht habe ich das richtige Stück für dich!«

»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Onkel Márkusz? Gerade eben noch lehnten Sie ab!«

»Mein junger Freund, ich werde dir erklären, wieso ich dir das Lied jetzt doch geben will.« Schmunzelnd sah Márkusz Rosenthal von Sándor zum Wirt und zurück. Er räusperte und zog ein Stück Papier aus seiner Manteltasche.

»Ich trage es seit Tagen bei mir. Bis heute wusste ich nicht, wozu ich diese Zeilen schrieb. Doch ich glaube, sie passen grad recht zu einem fröhlichen Lied oder zu einem Tanz von mir aus.«

»Ach, das ist interessant! Die Spielmänner müssten jeden Augenblick auftauchen, Herr Rosenthal. Meint Ihr, die können das spielen?« Der Wirt hob aufgeregt die buschigen Augenbrauen. Waren ihm die Zigeuner sonst lästig, aber wenn sie etwas Neues spielten, würde es vielleicht mehr trinkfreudige Männer hereinlocken. Er rieb sich insgeheim die Hände, während er eine Verbeugung andeutete. »Und hier findet dann die Geburtsstunde statt! Das ist mal was!«

In diesem Moment trat eine kleine Gruppe Musiker, begleitet von Zigeunerklängen, in die Gaststube. Der Wirt eilte aufgeregt gestikulierend zu ihnen. Sándor und Márkusz erwiderten freundlich den auf sie gerichteten Blick.

»Wenn das nur ein gutes Ende nimmt«, meinte Márkusz missgestimmt. Schon länger blieb der Erfolg aus, seine Musik trug nicht mehr so recht, da kam ihm diese Aufmerksamkeit recht. »Wir werden es sehen und hören, junger Freund. Ich bin gespannt.«

Die Spielmänner stellten sich auf dem freien Platz zwischen Tresen und Tischen auf und zückten ihre Instrumente. Der Kapellmeister kam auf ihren Tisch zu. »Verehrter Herr Rosenthal, es ist uns eine Ehre, Euer Lied spielen zu dürfen.«

»Mal sehen, was Sie daraus machen.« Márkusz übergab ihm die Noten.

»Ihr bekommt sie gewiss unversehrt zurück, Herr Konzertmeister.«

Sie griffen zu ihren Instrumenten und wenig später füllten die ersten Klänge den Raum. Erst holperig, dann stimmiger fanden die Musiker den Ton.

Ein paar Männer, die das Ganze von ihren Tischen aus beobachtet hatten, erhoben sich und legten plötzlich einander die Hände auf die Schultern. Sie bildeten einen Kreis, der sich um die eigene Achse drehte. Im Gleichtakt schwangen die Füße nach vorn, erst links, dann rechts und wieder links. Sie wirbelten herum und fanden sich erneut zum Kreis zusammen. Die Umstehenden klatschten im Takt der Musik. Als der letzte Ton verklungen war, applaudierten sie den Tänzern.

Der Wirt trat mit zwei Krügen Wein an ihren Tisch. »Zum Wohle, die Herren.«

»Gebt diese Krüge den Musikanten, Wirt, und jedem Tänzer auch einen. Sie haben sich eine Runde wirklich verdient. Die Rechnung geht auf mich.« Márkusz strahlte über das ganze Gesicht. »Die Musik ist wie gemacht zu einem Tanz. Dass ich darauf nicht selbst gekommenbin!«

»Dann habe ich meinen Verbunkos?«

»Ja, Sándor, doch bedenke, es ist ein einfacher Csárdás … ein Wirtshaustanz.«