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Will Robie und Jessica Reel sind die zwei tödlichsten Auftragskiller der US-Regierung. Während ihrer gefährlichen Missionen in Übersee hält ihnen ein Mann zu Hause den Rücken frei: Blue Man, ihr Führungsoffizier bei der CIA. Als Blue Man im Heimaturlaub spurlos verschwindet, machen Robie und Reel sich sofort auf den Weg nach Colorado. Dort, in dem kleinen Kaff Grand, stoßen sie rasch auf gewaltbereite Hinterwäldler. Im Hintergrund jedoch zieht ein weitaus gefährlicherer Gegner die Strippen, ein Mann, der über Leichen geht, um sein kriminelles Imperium zu schützen. Was als Suche nach ihrem Boss beginnt, wird für Robie und Reel bald zum nackten Kampf ums Überleben ...
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Seitenzahl: 563
Will Robie und Jessica Reel sind die zwei tödlichsten Auftragskiller der US-Regierung. Während ihrer gefährlichen Missionen in Übersee hält ihnen ein Mann zu Hause den Rücken frei: Blue Man, ihr Führungsoffizier bei der CIA. Als Blue Man im Heimaturlaub spurlos verschwindet, machen Robie und Reel sich sofort auf den Weg nach Colorado. Dort, in dem kleinen Kaff Grand, stoßen sie rasch auf gewaltbereite Hinterwäldler. Im Hintergrund jedoch zieht ein weitaus gefährlicherer Gegner die Strippen, ein Mann, der über Leichen geht, um sein kriminelles Imperium zu schützen. Was als Suche nach ihrem Boss beginnt, wird für Robie und Reel bald zum nackten Kampf ums Überleben …
David Baldacci wurde 1960 in Virginia geboren, wo er heute lebt. Er wuchs in Richmond auf. Sein Vater war Mechaniker und später Vorarbeiter bei einer Spedition, seine Mutter Sekretärin bei einer Telefongesellschaft.
Baldacci studierte Politikwissenschaft an der Virginia Commonwealth University (B.A.) und Jura an der University of Virginia. Während des Studiums jobbte er u.a. als Staubsaugerverkäufer, Security-Guard, Konstrukteur und Dampfkesselreiniger. Er praktizierte neun Jahre lang als Anwalt in Washington, D.C., sowohl als Strafverteidiger als auch als Wirtschaftsjurist.
Von David Baldacci wurden bislang 29 Romane in deutscher Sprache veröffentlicht. Seine Werke erschienen auch in Zeitungen und Zeitschriften wie USA Today Magazine und Washington Post (USA), Tatler Magazine und New Statesman (Großbritannien), Panorama (Italien) und Welt am Sonntag (Deutschland). Außerdem hat er verschiedene Drehbücher fürs Fernsehen geschrieben.
David Baldaccis Bücher wurden in 40 Sprachen übersetzt und in mehr als 80 Länder verkauft. Alle Romane von David Baldacci waren nationale und internationale Bestseller. Die Gesamtauflage seiner Romane liegt bei über 110 Millionen Exemplaren.
Neben seiner Arbeit als Schriftsteller engagiert sich Baldacci für eine Reihe karitativer und gesellschaftlicher Institutionen, darunter der National Multiple Sclerosis Society, der Barbara Bush Foundation for Family Literacy, der Virginia Foundation for the Humanities, der America Cancer Society, der Cystic Fibrosis Foundation und der Viriginia Commonwealth University.
David Baldacci ist verheiratet und hat zwei Kinder: Tochter Spencer und Sohn Collin. Er lebt mit seiner Familie in Virginia, nahe Washington, D.C.
DAVID BALDACCI
DER FEIND IM DUNKELN
Thriller
Will Robies fünfter Fall
Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Rainer Schumacher
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Dieser Titel ist auch als Hörbuch erschienen
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»End Game«
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2017 by Columbus Rose, Ltd.
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Wolfgang Neuhaus, Oberhausen
Umschlaggestaltung: U1berlin / Patrizia Di Stefano
Unter Verwendung einer Fotografie von © Arcangel / Nik Keevil
eBook-Produktion: Dörlemann Satz, Lemförde
ISBN 978-3-7325-6324-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Für Bob Holsworth, Mentor und Freund
Als Will Robie aus dem Flugzeugfenster blickte, war ihm bewusst, dass die nächsten vierundzwanzig Stunden die letzten auf Erden für ihn sein konnten.
Aber so war es für ihn an jedem normalen Arbeitstag.
Das Fahrwerk setzte sanft auf der Rollbahn auf. Der Pilot leitete die Schubumkehr ein, und das größte Passagierflugzeug der Welt rollte ans Gate und hielt. Die riesigen Türen öffneten sich, und die Passagiere aus Washington, D. C. strömten ins Terminal 5 des Flughafens von Heathrow.
Der Himmel über London war voller dunkler Wolken, und es regnete in Strömen – ein Wetter, mit dem die Briten bestens vertraut waren.
Robie, der einen marineblauen Zweiteiler und ein maßgeschneidertes weißes Hemd trug, befand sich mitten unter den Hunderten von Fluggästen, die nun von Bord des A380 der British Airways gingen.
Mitten über dem Atlantik war der Flug ziemlich unruhig gewesen, was Robie aber kaum aufgefallen war. Dank seines bequemen Sitzes in der Business Class hatte er fast die ganze Zeit geschlafen.
Robie gelangte zum Zoll, erklärte den Kontrollbeamten, er sei auf Studienreise, und durfte unbehelligt passieren. Da er nur eine kleine Tasche bei sich trug, musste er gar nicht erst zur Gepäckausgabe. Alles, was er brauchte, war bereits in London, denn nichts davon hätte er im Flugzeug transportieren können.
Als Robie den Flughafen verließ, war es halb acht morgens.
Er ließ sich von einem Taxi in die Stadt fahren, was wegen des dichten Verkehrs und des strömenden Regens mehr als eine Stunde dauerte. Schließlich ließ er den Fahrer an einer Adresse unweit der Marylebone Road anhalten und stieg aus.
Seine Unterkunft war ein unscheinbares Reihenhaus nahe der Kreuzung Marylebone und Baker Street. Dort angekommen, tippte Robie eine Zahlenfolge in das elektronische Schloss, und die verstärkte Tür sprang auf. Er sicherte sie von innen und stieg die Treppe hinauf, tauschte Anzug und Hemd gegen legere Kleidung, öffnete einen Wandsafe im Schrank und nahm einen USB-Stick heraus. Normalerweise verwendete die Agency, für die Robie arbeitete, Cloudserver, doch die Chefetage fürchtete sich vor Hackern – eine Angst, die nicht ganz unbegründet war.
Robie holte seinen Laptop aus der Reisetasche und steckte den USB-Stick ein. Dann drückte er ein paar Tasten, und auf dem Display erschien der wahre Grund für seinen Londonbesuch.
Es war ein schreibgeschütztes Dokument, das rein gar nichts mit einer Studienreise zu tun hatte.
Robie nahm die Informationen, die auf dem Bildschirm erschienen, in sich auf. Das Dokument endete mit einer Notiz von Roger Walton, genannt »Blue Man«, Robies direktem Vorgesetztem, wobei Blue Man eine Bezeichnung war, die von Waltons hervorgehobener Position in der Agency herrührte.
Die Notiz, geschrieben vor etwas mehr als einer Woche, war kurz und kam direkt auf den Punkt, typisch für Blue Man:
Ich weiß, es ist kaum zu schaffen, aber Sie machen das schon, denn Sie sind Will Robie. Wir sehen uns, wenn wir beide zurück sind. Und jetzt los!
Die paar Worte sprachen Bände.
Ich bin Will Robie. Ich bin durch die Hölle gegangen und habe überlebt. Ich werde auch das hier überleben.
Und jetzt los!
Als Nächstes löschte Robie den USB-Stick so gründlich, dass nicht einmal die NSA-Spezialisten die Daten hätten wiederherstellen können. Der Löschvorgang war dermaßen gründlich, als hätte Robie den Stick eingeschmolzen. Sämtliche Informationen waren unwiderruflich zerstört und existierten nur noch in Robies Kopf.
Er streckte sich auf dem Bett aus und starrte an die Decke.
Mississippi schien endlos weit weg zu sein.
Sein Vater schien endlos weit weg zu sein.
Alles schien endlos weit weg zu sein.
Er, Will Robie, ging endlich wieder seinem gewohnten Job nach. Er war froh darüber, erleichtert und dankbar, denn der andere Teil seines Lebens war ein Haufen Dreck.
Hör auf mit dem Blödsinn.
Robie schredderte diese Gedanken genauso wie die Daten auf dem USB-Stick und schloss die Augen. Obwohl er sich schon im Flugzeug ausgeruht hatte, brauchte er Schlaf, denn sehr bald schon würde er keine ruhige Minute mehr haben.
Früh am Abend stand er auf und schaute prüfend zum Himmel. Es war noch immer bewölkt, regnete aber nicht mehr. Doch hier in London, das wusste er, konnte sich das jeden Augenblick ändern.
Robie aß in einem Pub in der Nähe und schlenderte über die Bürgersteige, an Dutzenden von Gebäuden und Hunderten von Leuten vorbei, die zum Glück nicht die leiseste Ahnung hatten, dass London möglicherweise ein neuer Anschlag drohte. Hätten sie es gewusst, wäre vermutlich eine Panik ausgebrochen. Und das durfte nicht geschehen. In letzter Zeit hatten die Londoner schon genug heimtückische Terroranschläge überstehen müssen. Das Böse war auf der Westminster und der London Bridge mit Autos in Gruppen ahnungsloser Passanten gerast. Dennoch legte die Bevölkerung eine beneidenswerte Gelassenheit und bewundernswerten Mut an den Tag. Doch jetzt drohte eine Katastrophe vollkommen anderen Ausmaßes, die um jeden Preis verhindert werden musste.
Deshalb hatten sie Will Robie geschickt.
Robie kehrte zu seinem Reihenhaus zurück und machte ein paar Anrufe über eine sichere Satellitenleitung. So erfuhr er, dass er noch immer grünes Licht hatte. Aber das konnte sich jederzeit ändern, genau wie das Wetter. Es war wie bei einem Fehlstart beim Hundertmeterlauf: Man springt beim Startschuss aus den Blöcken, nur um gleich wieder zurückgepfiffen zu werden. So etwas konnte einen aus der Fassung bringen.
Im Grunde war es ein Wunder, dass Robie noch nicht den Verstand verloren hatte. Aber vielleicht war das ja schon geschehen, er hatte es nur nicht bemerkt.
Zwei Stunden lang saß er am Fenster wie ein Soldat auf Wache. Nichts entging seinen Blicken. Das Haus, in dem er sich aufhielt, war unscheinbar, aber schwer gesichert. Obendrein wurde es rund um die Uhr via Satellit von Augen auf einem anderen Kontinent überwacht.
Doch Robie hatte eine eiserne Regel: Er verließ sich nur auf sich selbst. Schließlich war er es, der ins Gras beißen musste, sollte alles den Bach runtergehen. Wenn Robie ums Leben kam, würden die Augen auf dem anderen Kontinent allenfalls ein Memo bekommen, in dem zu lesen stand, wie ein solcher Fehlschlag beim nächsten Mal vermieden werden konnte. Robie würde es dann nichts mehr nützen.
Inzwischen hatte sich Dunkelheit über London gesenkt.
Robie wartete.
Irgendwann schlug Big Ben zur Mitternacht. Die vertraute Melodie hatte für die meisten Briten etwas Vertrautes, Heimeliges, für Robie jedoch hörte es sich an wie das Bimmeln einer Stechuhr.
Er zog einen maßgeschneiderten schwarzen Motorradanzug an, der aus leichtem, wasserdichtem Material bestand, verließ das Haus durch die Hintertür, öffnete das verschlossene Tor einer Garage im Hinterhof, schwang sich auf die dort abgestellte schwarze Ducati XDiavel und drückte den Starterknopf.
Donnernd erwachte der Motor zum Leben. Robie setzte den Helm auf, trat den Ständer der Maschine weg und drehte am Gas. Die schwere Maschine, deren Motor aus zwölfhundert Kubik mehr als 160 PS schöpfte und bis zu 9500 Umdrehungen pro Minute hochgejagt werden konnte, schoss davon – ein zwanzigtausend Dollar teures Hightech-Bike und für viele Reiche ein Luxusspielzeug.
Für Robie aber war die Maschine in dieser Nacht bloß das Gefährt, das ihn zur Arbeit brachte.
Er fuhr nach Nordwesten.
Die Reifen der Ducati klebten förmlich am Asphalt und schleuderten Regenwasser meterhoch in die Luft, als Robie durch die fast leeren Straßen jagte. Kurz darauf lag sein Ziel vor ihm. Genauer gesagt, sein erstes Ziel in dieser Nacht. Robie donnerte in eine Gasse, machte eine halsbrecherische Vollbremsung und stellte den Motor ab. Behände schwang er sich von der Maschine und öffnete einen Gullydeckel mithilfe eines schweren Werkzeugs, das hinter einem Müllcontainer versteckt gewesen war. Über eine Metallleiter kletterte er in die Tiefe, bis er einen Tunnel erreichte, der unter der Straße verlief.
Die ganze Zeit ließ er den Helm auf – aus einem ganz bestimmten Grund: Der Helm war mit einem Schalter versehen, der das Visier in ein hypermodernes Nachtsichtgerät verwandelte, ähnlich dem, das amerikanische Kampfpiloten benutzten. Als Robie den Schalter betätigte, verstärkte der Helm das Restlicht in dem dunklen Versorgungstunnel, den er hinunterkletterte. Das Licht war so hell, dass Robie sekundenlang geblendet war. Derzeit, das wusste er, arbeiteten Entwicklungslabore an grafenbeschichteten Kontaktlinsen, aber sie waren noch nicht ausgereift genug, um sie einsetzen zu können. Also trug Robie weiter den vergleichsweise klobigen Helm, um im Dunkeln sehen zu können.
Hightech, die nur einem Zweck diente: dem Töten.
Aber es war keineswegs so, als würde die Gegenseite mit alten Revolvern und optischen Geräten aus dem Zweiten Weltkrieg in den Kampf ziehen.
Robie schaute auf die Uhr. Er war eine Minute zu früh, also verlangsamte er seine Schritte. In seinem Job war es niemals gut, wenn man zu früh kam.
Robie war einundvierzig Jahre alt, eins fünfundachtzig groß, achtzig Kilo schwer und topfit, weil sein Job es von ihm verlangte. Seine Kondition war die eines Spitzensportlers, und seine Schmerzschwelle lag so hoch, dass man es kaum messen konnte. Auch das war Teil der Anforderungen. Allerdings hatte Robie die körperlichen und psychischen Grundlagen bereits besessen, als man ihn für diesen Job ausgewählt hatte: Er war sportlich gewesen, intelligent und nahezu furchtlos.
Im Lauf der Jahre hatten sie ihn in einen anderen Menschen verwandelt. Seine fast perfekten Grundvoraussetzungen waren um eine Reihe neuer Fähigkeiten erweitert worden, die die meisten Menschen sich nicht einmal vorstellen, geschweige denn erreichen konnten.
An manchen Tagen konnte selbst Robie nicht erkennen, wo bei ihm die Maschine aufhörte und der Mensch begann – falls das, was in seinem Körper steckte, überhaupt noch menschlich war. In Mississippi, während der dramatischen Geschehnisse um seinen Vater, hatte der Mensch Robie sich noch gezeigt, aber jetzt …
Jetzt war er in den Hintergrund gerückt, vielleicht für immer.
Robies Gesicht war schmal, die Haut wettergegerbt, die Augen scharf und hellwach. Sein Haar trug er kurz, denn er hatte keine Zeit, sich um den Sitz seiner Frisur zu kümmern. Sein Körper war von Narben übersät; jede erzählte die Geschichte eines Ereignisses, das mit dem Tod hätte enden können. Es waren Geschichten, die Robie gern vergessen hätte.
Er ließ den rechten Arm kreisen. Wie neu, ging es ihm mit einem Anflug von Ironie durch den Kopf. Das Narbengewebe war verschwunden, Sehnen und Muskeln geflickt. Zu neunundneunzig Prozent war der Arm so wie früher. Jedenfalls hatten die Ärzte es ihm versichert.
Leider reichten neunundneunzig Prozent in Robies Welt normalerweise nicht, um zu überleben.
Die haben mich wieder hingekriegt. Aber bin ich noch so gut wie früher?
Die Ducati hatte Robie zu Ziel Nummer eins gebracht.
Jetzt lag Ziel Nummer zwei direkt vor ihm.
Mit einem Schlüssel öffnete Robie eine Tür in der Tunnelwand.
Dahinter befand sich ein kleiner Lagerraum, in dem er sich mit Waffen und Schutzkleidung ausrüstete, einschließlich einer hochmodernen, kugelsicheren Weste.
Seine Hauptbewaffnung bestand aus einer HK UMP mit ACP-Munition vom Kaliber .45 in einem 30-Schuss-Magazin. Robie prüfte die beweglichen Teile der Waffe; dann schlang er sie sich um die Schulter. Anschließend steckte er sich zwei Ersatzmagazine in die tiefen Taschen seiner Motorradkluft, die genau für diesen Zweck gedacht waren.
Wenn er den Job nicht mit neunzig Schuss erledigen konnte, verdiente Robie es nach eigener Einschätzung nicht, dass er überlebte. Trotzdem hatte er zwei M11-Pistolen dabei, für den Fall der Fälle, jede mit 10mm-Munition und einem Laserzielgerät unter dem Lauf.
Robie schnallte sich den Pistolengurt um die Hüfte. Die beiden Pistolen trug er links, sodass er sie mit rechts ziehen konnte, sollte es nötig werden. Allerdings konnte er jede Waffe beidhändig führen.
Ein deutsches Kampfmesser vom Typ KM2000 steckte ebenfalls im Gürtel.
Außerdem trug er zwei M84-Blendgranaten in einer Gürteltasche mit sich.
Auf geht’s.
Robie schloss die Tür hinter sich und machte sich auf den Weg.
Ziel Nummer drei war knapp fünfhundert Meter entfernt.
Schon bald würde Will Robie wissen, ob er einen weiteren Sonnenaufgang erlebte oder nicht.
Oxford Circus war eine der belebtesten U-Bahn-Stationen Londons, die sich jedes Jahr einen Wettkampf mit Waterloo und King’s Cross um die Spitze der Fahrgast-Statistik lieferte. Oxford Circus lag in einer besseren Gegend mit trendigen Läden und exklusiven Wohnhäusern. Die Londoner U-Bahn, die Tube, beförderte jedes Jahr fast anderthalb Milliarden Passagiere; gut einhundert Millionen davon kamen durch Oxford Circus.
Am 7. Juli 2005 war die Tube Ziel eines tückischen Anschlags gewesen. In drei U-Bahn-Zügen hatten sich Terroristen in die Luft gesprengt. Ein vierter Sprengsatz war in einem Bus detoniert. Insgesamt waren 56 Menschen den Anschlägen zum Opfer gefallen.
Die Sprengsätze waren verheerend gewesen, doch bei Weitem nicht so fürchterlich wie das, was der ahnungslosen Stadt dieses Mal drohte.
Im Mittelpunkt der terroristischen Pläne stand eine Kobaltbombe, auch »gesalzene Bombe« genannt – eine thermonukleare Waffe, die darauf abzielte, für einen möglichst starken radioaktiven Fallout zu sorgen und ein großes Areal für mehr als hundert Jahre zu kontaminieren.
Zum Glück war es extrem schwierig, so eine Bombe zu bauen.
Unmöglich war es nicht.
Das bewies allein schon die Tatsache, dass eine solche Bombe sich nun in London befand.
Die Stimme in Robies Helm brachte ihn auf den neuesten Stand der Dinge, während er sich durch den dunklen Tunnel voranbewegte.
Kurz darauf lag sein letztes Ziel unmittelbar vor ihm.
Im Gehen schraubte Robie Schalldämpfer auf die UMP und die beiden M11; dann steckte er die zwei Pistolen wieder unter den Gürtel und berührte seine Brust. Der Hightech-Panzer, der unter dem Motorradanzug steckte, würde ihm heute vielleicht das Leben retten. Seine Oberschenkel waren ebenso geschützt, denn direkt unter den Schilden befanden sich die Hauptschlagadern. Würden sie getroffen, war Robie ein toter Mann.
Vier Menschen hatten ihr Leben dafür gegeben, die Informationen, die zu dem heutigen Einsatz geführt hatten, an die Amerikaner zu übermitteln. Die US-Nachrichtendienste wiederum hatten ihr Wissen mit den Briten geteilt, noch immer die engsten Verbündeten der Vereinigten Staaten. Diesen Informationen zufolge war der in London geplante Anschlag lediglich die Generalprobe für das, was später in den USA geschehen sollte.
Nicht nur Automobilhersteller, auch Terroristen mussten Testfahrten unternehmen, um die letzten Fehlerquellen zu beseitigen.
Und genau so eine Fehlerquelle war der Grund dafür, dass Robie nun durch den dreißig Meter langen, stockdunklen Tunnel kletterte.
Doch sein letztes Ziel war keine weitere Gasse, sondern ein Keller.
Von den vier Personen, die bis jetzt für diesen Einsatz gestorben waren, hatte die dritte ihr Leben dafür gegeben, dass das finale Ziel in dem Gebäude blieb, dem Robie sich nun näherte. Dieses Gebäude stand in einem der Außenbezirke Londons, an einer einsamen Straße, an der sich bescheidene Wohnhäuser reihten. Er war während des Zweiten Weltkrieges als Safehouse für höhere Regierungsmitglieder genutzt worden. Deshalb hatte man damals den Fluchttunnel, in dem Robie nun unterwegs war, und einen Schutzbunker hinzugefügt. In späterer Zeit war im Keller des Gebäudes ein neuer Betonboden gegossen worden; dabei hatte man die Falltür verdeckt.
Und vergessen.
London war eine alte Stadt. Niemand kannte sämtliche Gänge und Tunnel unter ihren Straßen; niemand wusste, wie sie miteinander verbunden waren. So kreuzten sich eine Reihe von Tunneln unter dem Gebäude, das Robies Ziel war, mit einer Betonpipeline. Von dort aus wiederum musste man nur ein kleines Loch in die Wand schlagen, und man landete in einem Lagerraum unter der U-Bahn-Station Oxford Circus.
Genau dort, wo angeblich die Kobaltbombe platziert worden war, die zur Rushhour gezündet werden sollte, wenn mehr als hunderttausend Menschen durch die Station strömten und weitere hunderttausend auf den Straßen darüber unterwegs waren.
Alles in allem würden mehr als zwei Millionen Menschen und über tausend Gebäude von der Explosion betroffen sein. Die Gegend um die Station wäre für mindestens ein, zwei Jahrhunderte unbewohnbar.
Wenn das nur die Generalprobe ist, dachte Robie, wie sieht dann erst die Premierenvorstellung aus?
Die Terrorzelle, die heute Robies Ziel war, wollte den Tunnel zu ihrem Vorteil nutzen. Robie wiederum wollte diesen Vorteil in einen vernichtenden Nachteil für die Terroristen verwandeln. Denn am allerwenigsten wollte er eine Wiederholung des Anschlags auf amerikanischem Boden.
Warum man keine Armee von Polizisten und Spezialkommandos gegen die Terroristen schickte, sondern nur einen Mann, war kompliziert, ließ sich aber in einem leicht verständlichen Wort zusammenfassen:
Panik.
Wenn sich eine Armee in Bewegung setzte, konnte man das nicht geheim halten. Ein einzelner Mann jedoch konnte unbemerkt operieren. Und um zu vermeiden, dass der Plan der Terroristen ans Licht kam und eine Panik bei der Bevölkerung auslöste, hatte man Robie geschickt, um die Terroristen auszuschalten.
Allein.
Natürlich verfügten auch die Briten über Spezialeinsatzkräfte, die diese Mission hätten ausführen können, doch an höchster Stelle war man zu dem Schluss gelangt, dass es besser sei, wenn ein Ausländer für diese Mission verantwortlich zeichnete, falls sie schiefging. Dann konnte man einfach behaupten, nichts damit zu tun zu haben.
Allerdings wurde nichts dem Zufall überlassen. Es gab durchaus eine versteckte Armee, die das Gebäude umstellt hatte. Und sollte Robie scheitern, würde diese Armee losschlagen – Panik hin oder her.
Zu beiden Seiten des Ziels standen Wohnhäuser, deren Bewohner jedoch unter den verschiedensten fadenscheinigen Gründen aufgehalten worden waren, sodass sie an diesem Tag nicht nach Hause kamen; so blieb Robie Zeit genug. Außerdem wollte man auf diese Weise verhindern, dass es die Aktion in die Morgennachrichten schaffte.
Deshalb auch die Schalldämpfer auf Robies Waffen.
Robie stieg die letzten Sprossen zur Falltür hinauf. Obwohl die Personen im Gebäude keine Ahnung hatten, dass ihre Mission aufgeflogen war, hatten sie die üblichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Die Falltür war verschlossen und alarmgesichert. Aber drei unterschiedliche Werkzeuge, die man Robie zur Verfügung gestellt hatte, sorgten dafür, dass weder das Schloss noch die Alarmvorrichtung ein Hindernis für ihn waren.
Robie erhielt eine Nachricht über sein Headset: »V-1.«
Dieses Rufzeichen bedeutete das Gleiche wie in der Fliegerei. Dort hieß »V-1«, dass eine Maschine ihre Startgeschwindigkeit erreicht hatte, sodass es kein Zurück mehr gab.
Robie bestätigte die Meldung und schaltete sein Funkgerät aus. Von nun an würde Schweigen herrschen, bis er oder seine Gegner tot waren. Doch Robies Helm war mit einer Funkkamera ausgestattet, damit seine Leitstelle alles sehen konnten, was auch er sah. Also würden sie Robies Triumph live miterleben – oder seinen Untergang.
Eine der M11-Pistolen in der rechten Hand, öffnete Robie die Falltür und schaute sich um.
Nichts.
Robie kletterte hinauf, schloss die Falltür leise hinter sich und ließ den Blick schweifen.
Der Keller war so, wie man ihn in einem schäbigen Altbau in einer heruntergekommenen Gegend zu sehen erwartete: schmutzig, vergammelt und schimmelig.
Aber da war etwas Interessantes: In einer Ecke stand eine Metallkiste von ungefähr zweieinhalb Metern Länge. Robie schlich zu der Kiste hinüber, kauerte sich hin, zog ein Instrument unter seinem Gürtel hervor und fuhr damit über das Metall. Dann schaute er auf die Anzeige.
Volltreffer.
Das Ding war die Kobaltbombe. Allerdings war sie noch nicht scharf gemacht worden. Das würde erst geschehen, wenn die Terroristen sie unter dem Oxford Circus platziert hatten.
Von nun an, das wusste Robie, musste er ständig zwischen den Terroristen und der Bombe bleiben.
Er steckte die M11 weg, machte die UMP bereit und bewegte sich vorsichtig zu der Holztreppe. Beim Briefing hatte man ihn darauf aufmerksam gemacht, dass die vierte Stufe knarrte, deshalb übersprang er sie.
Im Augenblick befanden sich siebzehn Personen im Gebäude, Robie eingeschlossen.
Sein Ziel war, sechzehn dieser Personen zu töten.
Der Feuerwahlhebel an seiner UMP stand auf zwei Schuss pro Salve. Ein einzige, gut gezielte Kugel reichte, um einen Mann zu töten, doch Robie überließ nichts dem Zufall.
Die Kellertür stand einen Spalt weit offen.
Robie spähte in die Küche.
Am Tisch saßen zwei Männer und tranken Kaffee. Offensichtlich brauchten sie so spät am Abend etwas Anregendes.
Robie schaute auf die Uhr.
Der große Zeiger bewegte sich auf die Zwölf zu.
Vier … drei … zwei …
Im Haus erloschen schlagartig die Lichter. Die Briten hatten den Strom abgestellt.
Dank des Restlichtverstärkers in seinem Helm sah Robie deutlich, wie die beiden Männer aufsprangen.
Augenblicke später gingen sie zu Boden, als er sie mit Schüssen aus seiner schallgedämpften UMP niederstreckte.
Zwei weniger.
Blieben vierzehn.
In drei Sekunden war Robie durch die Küche hindurch und im Flur. Ehe er weiter vorrückte, schaltete er die Waffe auf Automatik, weil Menschen nach seiner Erfahrung dazu neigten, in der Dunkelheit enger zusammenzurücken.
Robie sollte recht behalten. Als er sich den schmalen Flur hinunterbewegte, tauchten wie aus dem Nichts drei Bewaffnete vor ihm auf.
Sie eröffneten sofort das Feuer.
Robie drückte den Abzug der UMP. Zwei Sekunden und sechsundzwanzig Kugeln später lagen drei weitere Leichen auf dem Boden des verwahrlosten Hauses. Die ausgeworfenen Patronenhülsen klirrten leise auf dem nackten Beton.
Fünf erledigt.
Blieben elf.
Robie wechselte das Magazin, wirbelte herum und rollte sich nach rechts, als erneut auf ihn gefeuert wurde.
Durch sein Nachtsichtgerät sah er zwei Köpfe.
Er visierte sie an und leerte ein halbes Magazin.
Da waren es nur noch neun.
Zwei weitere Männer erschienen oben an der Treppe und feuerten blindlings auf Robie hinunter.
Noch während er sich in Deckung warf, sah er, dass sie ebenfalls Nachtsichtgeräte trugen. Sein taktischer Vorteil war dahin. Er riss eine Blendgranate vom Gürtel, zog den Stift und schleuderte die Granate in dem Augenblick die Treppe hinauf, als er sich herumwarf.
Sein Helm schützte ihn vor dem grellen Blitz und dem ohrenbetäubenden Knall. Die beiden Männer oben an der Treppe hatten weniger Glück.
Einer fiel die Stufen hinunter.
Ein schneller Schnitt mit dem Kampfmesser den Hals entlang durchtrennte die Halsschlagadern.
Acht zu acht.
Halbzeit.
Robie steckte das Messer weg.
Er sah, wie der andere Mann sich oben an der Treppe mühsam aufrappelte. Er schwankte, war sichtlich benommen. Dann verlor er das Bewusstsein und fiel wieder hin. Das rettete ihm das Leben.
Das und die beiden Männer, die Robie unvermittelt von beiden Seiten attackierten.
Robie zog die M11-Pistolen, zielte in beide Richtungen gleichzeitig und feuerte je zehn Schuss aus jeder Waffe. Dabei schoss er von oben nach unten, von der Brust zu den Beinen, um eine möglichst effektive Todeszone zu erzeugen.
Die Kugeln trafen.
Noch sechs.
Da die Katze nun definitiv aus dem Sack war, feuerte Robie noch einmal sicherheitshalber die Treppe hinauf und leerte dabei den Rest des zweiten Magazins der UMP. Dann lud er die Pistolen nach und stürmte die Stufen hinauf.
Eine von oben gefeuerte Kugel traf ihn in den Bauch.
Die Flüssigpanzerweste, die Robie trug, verhärtete sich im Bruchteil einer Sekunde, fing die Kugel auf und nahm ihr fast die gesamte kinetische Energie. Augenblicke später verlor der Panzer seine Steifheit, sodass Robie sich wieder frei bewegen konnte.
Er hatte keine Ahnung, wer dieses Ding erfunden hatte, aber wenn er das hier überlebte, würde er dem- oder derjenigen einen Drink spendieren.
Mit seiner zweiten Blendgranate trieb Robie den Schützen aus der Deckung. Zuerst schoss er ihm mit der M11 ins Knie, um ihn bewegungsunfähig zu machen, dann erledigte er ihn mit einem Kopfschuss.
Nummer elf.
Noch fünf.
Robie erreichte den oberen Flur, steckte die M11 weg und lud sein letztes Magazin in die UMP.
Genau in diesem Moment wurde er überrumpelt.
Ein Mann sprang ihn an, riss ihn um. Ineinander verkrallt stürzten sie die Treppe hinunter. Der Angreifer stach mit einem Messer nach Robies Oberschenkel, doch wieder verhärtete sich der Flüssigpanzer in Sekundenbruchteilen, und die Klinge ritzte Robie nicht einmal die Haut.
Er packte den Messerarm des Gegners am Handgelenk und drehte sich so, dass der Mann unter ihm war, als sie gemeinsam den Fuß der Treppe erreichten. Der Aufprall machte den Mann zwei Sekunden lang benommen.
Diese Zeitspanne reichte Robie, um den Gegner auszuschalten. Er schlitzte den Mann mit dessen eigenem Messer die Kehle auf. Blut spritzte auf sein Visier.
Zwölf Gegner eliminiert. Blieben noch vier.
Robie schnellte hoch und warf sich zur Seite, als eine Salve aus einer Maschinenpistole von oben auf ihn niederprasselte. Die Kugeln rissen einen Teil des hölzernen Treppengeländers weg und ließen den Putz von der Wand spritzen.
Dank seines Nachtsichtgeräts sah Robie genau, woher die Schüsse kamen. Doch anstatt wieder die Treppe hinauf anzugreifen, wich er nach links aus, wo eine Schräge den Blick von oben nach unten größtenteils verwehrte.
Robie zielte mit der UMP in einem Fünfundvierziggradwinkel nach oben, hielt ein Stück nach links und leerte ein halbes Magazin. Die ACP-Munition durchschlug den billigen Putz, als wäre er Papier. Robie stellte das Feuer ein, wartete, zählte bis drei. Dann beobachtete er, wie der tote Schütze die Treppe hinunterrollte und auf der Leiche des Mannes liegen blieb, dem Robie die Kehle durchgeschnitten hatte.
Robie jagte dem Gegner eine Kugel in die Stirn und stellte sicher, dass er wirklich tot war.
Dreizehn. Noch drei, und er war mit der Bande fertig.
Die restlichen drei waren oben im Haus.
Jetzt wurde es zu einem taktischen Geplänkel, zu einer Schachpartie, allerdings mit Waffen, nicht mit geschnitzten Figuren auf einem Brett.
Der Feind war oben, Robie unten. Wenn er angreifen wollte, musste er durch eine Gasse, durch die der Gegner sein massives Feuer auf ihn konzentrieren konnte. Dann konnte selbst der Hightech-Panzer Robie nicht garantieren, dass er überlebte.
Robie wusste, dass er die größten Chancen hatte, wenn es ihm gelang, die Rollen zu tauschen: er oben, die Gegner unten.
Als er nach links schaute, sah er eine Möglichkeit, wie er dies bewerkstelligen konnte.
Er öffnete das Fenster, kletterte hinaus und ertastete tiefe Fugen in der unebenen Ziegelwand, an denen er sich festhalten konnte. Er hatte Übung darin – bei früheren Missionen war er steile, fast glatte Felswände hinaufgeklettert. Dagegen war das hier ein Kinderspiel.
Das nächste Fenster befand sich direkt über ihm. Da Robie den Grundriss des Hauses kannte, wusste er, wohin ihn diese Öffnung führte. Mit der rechten Hand packte er die Fensterbank, während er mit dem Messer in der Linken das Fenster aufstemmte. Er zog sich hoch, schwang sich hindurch und rollte sich in Deckung.
Nun lag der taktische Vorteil auf Robies Seite.
Entschlossen schnellte er hoch und stürmte in den Flur. Sofort sah er einen der Gegner, der die Treppe hinunterspähte. Dem Mann schien nicht bewusst zu sein, dass sein Rücken ungeschützt war.
Zwei Kugeln zwischen die Schulterblätter beendeten sein Leben.
Noch zwei.
Der nächste Mann kam aus einem Schlafzimmer. Er hielt die gleiche Waffe in der Hand wie Robie.
Damit hieß es: UMP gegen UMP.
Beide Gegner hatten die gleiche Chance.
Nein, nicht ganz. Denn es ging nicht nur um die Hardware. Was wirklich zählte, war die Software. Und die war der Schütze selbst.
Robie warf sich durch eine Tür, als die Mündung der gegnerischen UMP auf ihn gerichtet wurde. Seine eigene Waffe, auf Autofeuer gestellt, hielt er nur mit der Rechten. Der untere Teil des Türrahmens diente ihm als Stütze, denn der Rückstoß einer UMP war nicht gerade angenehm, besonders dann nicht, wenn sie nicht fest in die Schulter gedrückt wurde. So konnte Robie zwar nicht richtig zielen, aber um diesen Mangel auszugleichen, reichte die Zeit nicht.
Beide UMPs feuerten gleichzeitig.
Die Kugeln des Mannes fetzten Polymersplitter aus Robies Waffe, während Robies Geschosse dem Mann den Kopf von den Schultern rissen.
Robie ließ die UMP achtlos fallen. Er hatte keine Munition mehr für diese Waffe.
Blieb nur noch ein letzter Gegner.
Was den betraf, stand Robie eine Überraschung bevor.
Die junge Frau trat aus dem Zimmer in den Flur.
Doch sie hielt keine Waffe in der Hand, jedenfalls keine konventionelle. Ihre Finger umklammerten einen Totmannschalter – in ihrem Fall einen Totfrauschalter –, der mit einer Weste an ihrem Oberkörper verbunden war. Deutlich waren sechs Päckchen Semtex an der Weste zu sehen. Das war mehr als genug, um das Haus zum Einsturz zu bringen, sich selbst und Robie zu töten und vielleicht sogar die Kobaltbombe im Keller so schwer zu beschädigen, dass das gesamte Viertel für die nächsten hundert Jahre verstrahlt wurde.
Robie verstand augenblicklich: Die Frau war die letzte Rückversicherung der Terroristen, dass ihr Anschlag Erfolg hatte.
Sie lächelte ihn an.
Robie erwiderte das Lächeln nicht.
Stattdessen schnellte sein Arm vor, und das blutige Kampfmesser sirrte durch die Luft.
Es durchtrennte den Draht, der vom Schalter zur Selbstmordweste führte, und blieb zitternd in der Wand stecken.
Die Frau starrte auf den plötzlich nutzlosen Schalter, dann auf Robie. Sie schrie wütend auf, griff mit der Hand nach der Weste.
Robie wartete nicht, bis die Frau sie beide in die Luft jagte. Er schoss ihr in den Kopf.
Nummer sechzehn.
Auftrag erledigt.
Die Stechuhr lief ab.
Die Sonne ging auf.
Robie atmete durch.
Neunundneunzig Prozent seiner alten Leistungsfähigkeit waren offenbar gut genug.
Alles wurde rasch und effizient gesäubert.
Um das Ganze so geheim wie möglich zu halten, nutzten sie denselben Tunnel, den auch Robie benutzt hatte. Nächste Woche sollte das Haus abgerissen werden, und der Schutt würde für alle Zeiten begraben sein. Dann wurde auch der Tunnel für immer verschlossen. Alle Beschwerden von Anwohnern über Explosionen und Schüsse in jener Nacht würden an die zuständigen Stellen weitergeleitet werden, die jedoch angewiesen waren, sie genauso tief zu begraben wie die Überreste des Hauses.
Den bewusstlosen Überlebenden der Terrorbande belebte man wieder, um ihn später zu verhören, bis er jedes Geheimnis preisgab, das er besaß. Dann würde auch er für immer in den Schatten verschwinden.
Die Kobaltbombe wurde abtransportiert und entschärft. Anschließend würde man sie auseinandernehmen, um herauszufinden, wie die Terrorzelle an diese Waffe gekommen war. Weder Briten noch Amerikaner gaben sich der Illusion hin, dass eine einzelne Terrorzelle über die Mittel verfügte, eine so große Sache aus eigener Kraft durchzuziehen. Das Ganze stank nach staatlichem Rückhalt. Und ob es nun die Russen, Perser oder Nordkoreaner gewesen waren – die westlichen Geheimdienste würden es herausfinden.
Dann kamen die Diplomaten zum Einsatz, um die Lage zu entschärfen.
Sollten sie scheitern, waren die Generäle am Zug.
Aber das wollte niemand.
Als eine britische Spezialeinheit das Haus betreten hatte, hatte Robie seinen Helm abgenommen und saß ruhig und gelassen auf einer Couch im Wohnzimmer.
Das Team nahm sich ausgiebig Zeit, das Blutbad in Augenschein zu nehmen, einschließlich der toten Selbstmordattentäterin. Robie erklärte den Männern, wie er die Frau entwaffnet hatte, was ihm teils verwirrte, teils verwunderte, aber durchweg achtungsvolle Blicke der Briten einbrachte.
Ein gepanzerter Special Agent setzte sich neben Robie und fragte ihn, ob er etwas brauche. Dabei sprach er Robie respektvoll mit »Sir« an.
Robie schüttelte den Kopf. »Nein, alles in Ordnung.«
»In Ordnung ist wohl ein bisschen untertrieben. Sie sind der Beste, den ich je gesehen habe, Sir.«
Robie wusste das Kompliment zu schätzen, doch er hatte das Gebäude ohne einen Hauch von Stolz oder gar Freude verlassen, obwohl er den irren Versuch unterbunden hatte, die Welt aus den Fugen zu heben.
Kurz darauf flog er mit einem Privatjet zurück in die Staaten.
Er rieb sich Bauch und Oberschenkel – die Stellen, an denen die Kugeln und das Messer ihn getroffen hatten. Ohne seinen Wunderpanzer hätten beide Treffer ihn höchstwahrscheinlich ins Jenseits befördert. Das brachte einen schon ins Grübeln.
Robie schloss die Augen und versuchte zu schlafen. Aber während er auf dem Hinflug problemlos hatte einschlafen können, schien es ihm jetzt unmöglich zu sein. Immerhin hatte er in der letzten Nacht sechzehn Menschen liquidiert und wäre selbst um ein Haar getötet worden, mindestens ein halbes Dutzend Mal.
Selbst nach Robies außergewöhnlichen Maßstäben war das kein normaler Arbeitstag.
Er schlug die Augen auf, und seine Gedanken schweiften zurück nach Mississippi, zum Wiedersehen mit seinem Vater. Einem höllischen Wiedersehen. Aber was zählte, war das Ende, und das war deutlich besser gewesen als der Beginn.
Robie und Jessica Reel hatten die Sache gemeinsam ausgekämpft, Seite an Seite.
Seitdem waren fast sechs Monate vergangen. Robie hatte Jessica in dieser Zeit nicht mehr gesehen. Er hatte sie anzurufen versucht, hatte ihr Mails und SMS geschrieben, doch sie hatte nicht darauf reagiert. Jessica arbeitete noch immer für die Agency, das wusste Robie, aber er hatte keine Ahnung, wo und an welcher Stelle. Natürlich hatte er sich danach erkundigt, aber keine Antwort bekommen.
Er musste an Jessicas Worte denken. Nach der Rückkehr aus Cantrell, Robies Heimatstadt, hatte sie zu ihm gesagt: »Du hast mich, ich habe dich. Auch wenn wir manchmal zusammen stürzen, sind wir doch ein unschlagbares Team.«
Es war dieser Gedanke gewesen, der Robie die Reha hatte überstehen lassen.
Doch nach seiner Entlassung war Jessica nicht da gewesen. Keine Anrufe. Keine E-Mails. Nichts.
So viel zu »gemeinsam unschlagbar«.
Anscheinend waren es nur leere Worte gewesen.
Robies Maschine landete in Washington. Er fuhr sofort in sein Apartment, eine unscheinbare Wohnung in einem unscheinbaren Gebäude, nicht weit vom Dupont Circle.
Kaum hatte er die Tür geöffnet, sah er ihn.
Den Briefumschlag, der auf dem Bett lag.
Unbeschriftet.
Als er nach London geflogen war, war der Umschlag noch nicht da gewesen.
Instinktiv zog Robie die Waffe aus dem Schulterholster, griff mit der freien Hand nach dem Umschlag und schüttelte ihn aus.
Ein gefaltetes Blatt Papier fiel heraus.
Robie kannte die Handschrift.
Es waren nur wenige Worte, und doch schnitten sie durch sein Inneres wie das Kampfmesser durch den Hals des Terroristen in London.
Es ist kompliziert.
Aber nicht heute Nacht.
Im Gegenteil, es ist ganz einfach.
Tut mir leid. JR
Robie steckte die Waffe weg, faltete den Brief wieder zusammen und steckte ihn die Tasche.
Dann ging er zum Fenster.
Inzwischen war es dunkel geworden. Regen hatte eingesetzt. Bei dem Wetter hätte er genauso gut in London bleiben können. Doch es war die perfekte Zeit für einen Spaziergang, denn Robie mochte keine Menschenmassen. Außerdem war er im Augenblick nicht in Stimmung für Sonnenschein.
Er ging seine Lieblingsstrecke zur Memorial Bridge. Jenseits davon lag der Nationalfriedhof Arlington, hinter ihm das Lincoln Memorial.
Kurz darauf stand Robie am Brückengeländer und blickte hinunter auf die Wasser des Potomac.
Der Fluss strömte so frei wie Robies Gedanken.
Was hatte Jessica mit »Es ist kompliziert« gemeint? Sie wussten beide, dass in ihrer beider Leben schlichtweg alles kompliziert war.
Was hatte sich zwischen der Zeit in Mississippi und diesem Brief verändert?
Robie schaute sich um.
Als er sich das letzte Mal hier aufgehalten hatte, war Blue Man aus der Dunkelheit getreten und hatte ihm einen dringend benötigten Rat gegeben. Auf Blue Man konnte Robie sich verlassen. Blue Man sagte ihm immer, was er nicht hören wollte, aber hören musste.
Robie zuckte zusammen, als sich wie auf ein Stichwort eine Gestalt aus der Dunkelheit schälte.
Nur war es diesmal nicht Blue Man.
Robie zog die Waffe, richtete sie auf den näherkommenden Schatten.
Die Person blieb stehen.
»Man hat mir gesagt, ich könne Sie hier finden.«
»Wer sind Sie?«, fragte Robie.
Als die Gestalt noch näher kam, fiel das Licht von der Brücke auf sie.
Es war eine Frau.
»Ich kenne Sie.« Robie musterte sie aus zusammengekniffenen Augen.
Die Frau nickte. »Ich arbeite mit Blue Man zusammen.«
»Wo ist er? Warum hat er Sie geschickt?«
»Hat er nicht.«
»Warum nicht?«
»Er konnte nicht.«
»Was soll das heißen?«
»Blue Man wird vermisst.«
Überall war Sand.
Er drang in Mund, Augen, Nase und Lunge.
Vielleicht auch in die Träume der Menschen hier.
Oder, wahrscheinlicher, in ihre Albträume.
Der Sand war allgegenwärtig. Man konnte ihm nicht entrinnen.
Durch ihr Scharfschützenzielfernrohr behielt Jessica Reel aus sicherer Entfernung die Gegner im Auge, die sie in wenigen Sekunden töten würde.
Der Irak sah noch genauso aus wie vor zehn Jahren, zumindest in Jessicas Augen. Die Gebäude waren nur noch Trümmerhaufen, und die Menschen hier starben eines gewaltsamen Todes. Armeen versammelten sich und griffen an, und die Terroristen schlugen mit einem Waffenarsenal zurück, das sie entweder gestohlen oder in den unterschiedlichsten Ländern zusammengekauft hatten.
Alles hier war eine einzige Katastrophe, obwohl Politiker in aller Welt versuchten, die Entwicklung des Landes als etwas Positives zu verkaufen oder zumindest anderen die Schuld zu geben, wenn sie damit nicht durchkamen.
Im Augenblick fanden die Kämpfe zu gleichen Teilen in den Städten und in der Wüste statt.
Jessica war nicht sicher, was sie bevorzugte. Stadtgefechte waren komplizierter und potenziell tödlicher. Ein falscher Schritt, und eine Sprengfalle befördert dich in Bruchteilen einer Sekunde ins Jenseits. Oder jemand, den du für einen Freund hältst, steht plötzlich mit einem Sprengstoffgürtel vor dir. Oder ein Kind mit einer Waffe unter dem Hemd fragt dich nach Süßigkeiten, und dir bleibt nur ein Augenblick Zeit, dich zu entscheiden, ob du das Kind abknallst oder nicht.
In der Wüste wiederum war nichts zwischen Freund und Feind außer Sand, vielleicht mal eine Düne oder eine kleine Anhöhe. Jederzeit konnten feindliche Scharfschützen einen erwischen. Das wusste Jessica aus erster Hand, denn es war ihr Metier. Im Augenblick war sie der beste Sniper ihres Landes.
Sie nahm das Zielfernrohr herunter und machte sich ein paar Notizen in ihrem DOPE-Buch, in dem die Daten vorheriger Gefechte verzeichnet waren, dazu Notizen zu jedem einzelnen Schuss, den Jessica bei dem jeweiligen Einsatz abgefeuert hatte. Sämtliche Treffer und alle seltenen Fehlschüsse.
Aus den meisten Fehlschüssen hatte Jessica gelernt.
Sie gehörte zu einem Team von fünfzehn Mann mit allerdings nur zwei Scharfschützen, von denen einer sie selbst war. Außerdem war sie die einzige Frau im Team. Den anderen war es egal, dass Jessica fünftausend Meter in unter achtzehn Minuten laufen konnte oder dass sie mehr als fünfzig Klimmzüge am Reck schaffte, und zweihundert Situps in weniger als vier Minuten. All das verlangten die Marines für die Scharfschützenausbildung. Schon vor Jahren hatte Jessica dort alle Tests bestanden und den Kurs als erste Frau erfolgreich beendet.
Doch ihre Kameraden interessierte nur, dass sie ihren Job erledigen konnte, und der bestand darin, den Abzug zu drücken und jemanden aus dem feindlichen Team zu eliminieren, der Jessica selbst und ihr eigenes Team töten wollte.
Dennoch hatten ein paar der Männer sich anfangs über sie beschwert, besonders die jüngeren, wobei »jünger« bedeutete, dass sie fast noch Teenager waren. Doch als Jessica in den ersten beiden Tagen neun von neun Zielen eliminiert hatte, beschwerte sich niemand mehr. Von diesem Moment an gehörte sie dazu. Einen Sniper, der zuverlässig Feinde ausschalten konnte, die es auf einen abgesehen hatten, wusste jeder gern an seiner Seite.
Jedes Teammitglied hatte nur die Mission im Sinn, nichts anderes. Es gab aber noch ein zweites, unausgesprochenes Ziel, das alle anvisierten und das nicht weniger wichtig war: überleben. Verständlicherweise wollte keiner von ihnen in der Wüste krepieren. Sie alle wollten wieder nach Hause, Jessica eingeschlossen, auch wenn sie kein eigentliches Zuhause hatte, wohin sie hätte zurückkehren können.
Tikrit, Ramadi, Falludscha und schließlich Mossul hatte man dem Feind abgenommen. Allerdings schien es so gut wie unmöglich zu sein, die Situation wirklich zu bereinigen. Die Terroristen hatten alle Zeit der Welt gehabt, in diesen Städten und unter der Bevölkerung zu wüten. Die meisten dieser Orte waren nahezu unbewohnbar, denn es fehlte an so grundlegenden Dingen wie Wasser, Strom oder Kanalisation. Hinzu kam, dass diese Städte noch immer voller Sprengfallen waren.
Doch Jessicas Job war nicht der Wiederaufbau. Ihre Mission bestand darin, so viele Feinde wie möglich zu töten. Nur darauf hatte sie sich zu konzentrieren.
Ihr Team bestand aus Amerikanern, Briten, Franzosen, Australiern und zwei Irakis, die Jessica noch immer unfreundlich anschauten, obwohl beide ihr als Schützen unterlegen waren. Aber vielleicht war das ja der Grund für den Missmut der beiden und nicht, dass Jessica eine Frau war, denn in diesem Teil der Welt disqualifizierte einen das weibliche Geschlecht automatisch für die meisten Berufe, vor allem für Jobs, bei denen man eine Waffe brauchte.
Das Donnern von Mörsern und Granatwerfern ließ den Boden erbeben, vermischt mit dem Krachen von Gewehrfeuer und Sprengfallen, die Unvorsichtige und Unglückliche frühzeitig ins Grab beförderten. Über ihren Köpfen rauschten Flugzeuge dahin, um Luftschläge zu führen. Die USA beherrschten den Himmel.
Jessica war nun schon fast sechs Monate hier. Sie war von einer mächtigen zivilen Agency ausgeliehen, die das Militär unterstützte. Die Mitglieder ihres Teams waren dienstverpflichtet, während Jessica sich freiwillig gemeldet hatte.
Tagsüber betätigte sie sich zumeist als Scharfschützin, es sei denn, eine Mission stand an. Nachts war sie zwar noch immer im Dienst, aber da wechselte sie sich mit einem anderen Sniper ab. Beide waren häufig auch als Beobachter für den jeweils anderen tätig. Manchmal, je nach Situation, arbeiteten sie aber auch solo.
Jessica wusste eines ganz genau: Sie war der tödlichste Kombattant auf dem Schlachtfeld. Bis zu einer Distanz von gut zwölfhundert Metern betrug ihre Quote fast einhundert Prozent. Das wusste natürlich auch die Gegenseite, und das wiederum machte Jessica zum bevorzugten Ziel.
Was, wenn sie in Gefangenschaft geraten sollte?
Sniper hatten keine Gnade zu erwarten, ganz abgesehen davon, dass Jessica obendrein Amerikanerin und eine Frau war. Deshalb hatte sie schon vor langer Zeit beschlossen, sich eher eine Kugel in den Kopf zu jagen, als sich gefangen nehmen zu lassen.
Es wurde Zeit, in Aktion zu treten. Jessica machte ihr Gewehr bereit.
Vor Jahren schon hatte sie gelernt, die Ballistik jeder abgefeuerten Kugel im Vorfeld zu berechnen, wobei Höhe, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Wind ins Kalkül gezogen werden mussten. Vor allem der Wind beeinflusste das Geschoss auf dem Weg zu seinem Ziel. Inzwischen aber, bei Snipersystemen der zweiten und dritten Generation, erledigten Computer diese Berechnungen sehr viel schneller und präziser, als ein Mensch es je könnte. Die Computerisierung hatte auch den Job der Scharfschützen nachhaltig verändert, nicht nur den der Fließbandarbeiter.
Geräte wie ein ballistischer Computer, ein Projektionsfernrohr, ein Digitalkompass und meteorologische Instrumente begleiteten Jessica auf allen ihren Reisen. Sie hatte sogar eine Ballistik-App auf ihrem iPhone. Vor dem Schuss wurden sämtliche Daten in die Optik der Waffe geladen, die doppelt so teuer war wie das eigentliche Gewehr.
In ihrem sandfarbenen Ghillie-Anzug lag Jessica regungslos auf dem Wüstenboden und wartete. Die wichtigste Charaktereigenschaft jedes Snipers war Geduld. Im Einsatz lebte man in seiner eigenen Welt. Man blieb auch dann hellwach, wenn man zu Tode erschöpft war. Und man bewegte sich nicht. Deshalb trug Jessica sogar eine Windel unter der Kleidung, damit sie nicht aufstehen musste, um sich zu erleichtern.
Sie hatte ihre Waffe bereits auf die passende Entfernung eingestellt. Ihr Computer hatte alles berechnet und ein korrektes Fadenkreuz ausgespuckt.
Jessica hielt ihre Waffe stets mit möglichst leichtem Griff. Packte man sie zu fest – im »Todesgriff«, wie die Scharfschützen es nannten –, ermüdeten die Muskeln und verursachten ein leichtes, kaum merkliches Zittern der Gliedmaßen, das kein Scharfschütze hinnehmen konnte. Wenn man sein Ziel verfehlte, weil man zitterte, verschaffte man dem Feind die Zeit für einen Gegenschlag.
Deshalb lag Jessicas linker Unterarm gerade am Lauf ihrer Waffe. Bog man den Arm durch, musste man seine Muskeln einsetzen, um das Gewehr zu halten. So aber erledigte die Schwerkraft den Job. Jessicas Zehen waren ausgestreckt; die Füße lagen mit den Seiten flach im Sand. Sie sah aus, als bereite sie sich auf eine Yogaübung vor. Tatsächlich konnte Jessica stundenlang in einer solchen Körperhaltung verharren: Es kostete kaum Energie.
Ihre Hauptwaffe basierte auf der bewährten Remington 700. Jessica hatte sie nur ein wenig modifiziert. Als Ersatzwaffe benutzte sie eine Barrett M82. Für diese Mission jedoch hatte sie ihre Munition gewechselt: von den legendären .332 Lapua-Magnum-Geschossen zu .300 Winchester-Patronen. Der Lauf war nach rechts gezogen, was bedeutete, dass die Kugel ein wenig in diese Richtung zog – ein Phänomen, das man »Spindrift« nannte. Natürlich hatte Jessica den Spindrift mit einberechnet. Außerdem schoss sie auf eine derart große Entfernung, dass sogar die Erdrotation eine Rolle spielte – genauer gesagt, die Corioliskraft. Aber das spielte nur dann eine Rolle, wenn man genau nach Süden oder Norden schoss: Nach Norden weicht die Geschossbahn leicht nach links ab, Richtung Süden nach rechts. Gleicht der Schütze das nicht aus, sorgt die Erddrehung dafür, dass das Ziel sich nicht mehr in der Todeszone befindet. Eine Abweichung von nur einem Millimeter an der Mündung konnte dazu führen, dass man das Ziel um mehr als einen Viertelmeter verfehlte.
Als die Berechnungen bestätigt waren und ihr Beobachter zufrieden nickte, war Jessica schussbereit.
Ihr Finger bewegte sich zum Abzug. Sie drückte stets mit dem weichen Bereich zwischen Fingerspitze und dem ersten Gelenk, denn das war jener Teil des Fingers, der sich am wenigsten zur Seite bewegte.
Jessica drückte den Abzug bis zu dem Punkt, da sie nicht mehr ausatmen und noch nicht wieder einatmen musste. Es war die Atmungsphase, in der die Lungen am ruhigsten waren. Regungsloser konnte der Körper nicht sein. Wenn man einatmete, wanderte die Mündung eine Winzigkeit nach unten; atmete man aus, bewegte sie sich ganz leicht nach oben. Der Sweetspot – der Punkt, auf den jeder Scharfschütze hinarbeitete – lag kurz vor dem Ausatmen und zwischen zwei Herzschlägen.
Jessica hielt einen leichten, stetigen Druck auf den Abzug aufrecht bis hin zum Schuss.
Dann drückte sie auf den Abzug.
Die Kugel jagte aus dem Lauf und war augenblicklich den Gesetzen der Schwerkraft und des Luftwiderstands unterworfen, was zur Folge hatte, dass sie kaum merklich in Richtung Erde fiel. Das Winchester-Geschoss legte dreißig Prozent seiner maximalen Flugdistanz binnen eines Herzschlags zurück. Zwei Drittel des Wegs zum Ziel waren die Auswirkungen des Luftwiderstands minimiert, und die Schwerkraft wurde zum größten Hindernis für einen sauberen Schuss. Deshalb hatte Jessica in einem Winkel gefeuert, als wäre das Ziel zehn Meter groß.
Doch am Ende seiner Flugbahn schlug das Geschoss genau in den Schädel des eins fünfundsiebzig großen Mannes ein, der ahnungslos an einem schlichten Holztisch saß.
Noch bevor der IS-Kommandeur, der den Amerikanern und ihren Verbündeten so viel Kummer bereitet hatte, tot vom Stuhl kippte, hatte Jessicas Zielfernrohr sich nach dem Rückstoß wieder gesenkt, sodass sie das Geschehen durch die Optik hindurch beobachten konnte.
Es war ein perfekter Schuss, der ihr bei einer Übung die höchste Punktzahl eingebracht hätte. Aber das hier war Krieg. Zum Schluss gab es keine Punkte, sondern eine Leiche.
Jessicas Geschoss hatte fast fünfzehnhundert Meter zurückgelegt, etwas weniger als eine Meile. Es war eine fantastische Distanz, reichte aber nicht für die Top Ten unter den Scharfschützen. Im Augenblick lag ein Sniper der Marines, der ein Ziel aus mehr als sechzehnhundert Metern Entfernung getroffen hatte, auf Rang zehn. Die Nummer eins war viele Jahre lang ein Brite gewesen, der zwei Afghanen aus fast zweitausendfünfhundert Metern mit nur einer Kugel ausgeschaltet hatte. Doch vor Kurzem war dieser Rekord von einem Kanadier gebrochen worden, der im Irak einen Gegner aus mehr aus dreitausendfünfhundert Metern Entfernung eliminiert hatte.
Nachdem Jessica den Kommandanten getötet hatte, wurde es interessant.
Nur Sekunden, nachdem der Mann tot auf dem Tisch zusammengebrochen war, rannten seine Kameraden in Deckung, um nicht das gleiche Schicksal wie ihr Kommandeur zu erleiden.
Jessica wurde derweil von ihrem Beobachter weiter mit Daten gefüttert, die sie in ihre Optik lud, und feuerte.
Sechs Schüsse später waren ihre Kugeln fünfmal in die Körper von Gegnern eingedrungen. Das einzige Geschoss, das sein menschliches Ziel verfehlt hatte, war in den Gewehrlauf eines Mannes eingeschlagen. Der Kerl hatte schlichtweg Glück gehabt. Den Bruchteil einer Sekunde, nachdem Jessica geschossen hatte, hatte er aus irgendeinem Grund die Waffe vor die Brust gehoben.
Das war das Hauptproblem bei Schüssen auf große Distanz: Die Ziele mussten stationär bleiben. Wenn sie auch nur einen halben Schritt zur Seite machten, nachdem die Kugel zu ihnen unterwegs war, verfehlte sie ihr Ziel, denn es dauerte ein paar Sekunden bis zum Einschlag. Die Kugel des kanadischen Rekordhalters hatte nicht weniger als zehn Sekunden bis zum Ziel benötigt.
War man jedoch nur hundert Meter vom Feind entfernt, hatte man andere Probleme. Jessica und ihr Team beispielweise hätten sich in diesem Fall einem Gegenangriff stellen müssen, bei dem sie Gefahr liefen, im wahrsten Sinne des Wortes überrannt zu werden. Doch ihr Ziel war fast eine Meile entfernt.
Im Augenblick hatte Jessica ihren Beobachter und vier weitere Soldaten dabei. Das Ziel, das sie attackierten, beherbergte einhundert IS-Kämpfer und eine Ansammlung alter Panzerfahrzeuge.
Fast eine Meile von so einem Gegner entfernt zu sein, verschaffte Jessica und ihren Leuten ein wenig mehr Spielraum. Deshalb blieb ihnen Zeit für eine »Exfiltration«, was eine nette militärische Umschreibung für »Verpissen« war.
Nun, da ihr Job erledigt war, trug Jessica die Daten in ihr DOPE ein und packte die Waffe weg. Sie und ihre Leute fuhren zur Basis zurück – doch nur, um dort zu hören, dass sie in dieser Nacht einen weiteren Einsatz hatten. Sie sollten ein SEAL-Team beim Angriff auf einen Gebäudekomplex unterstützen, von dem es hieß, dass sich die Nummer zwei des IS dort befand, zusammen mit drei Geiseln, eine davon ein US-Marine, der vor zwei Wochen in Gefangenschaft geraten war.
Jessica und ihre Leute nahmen am Briefing teil, packten wieder und zogen los.
Das war der Alltag.
Zumindest hätte es so sein sollen.
Doch eine Nacht wie diese hatte selbst Jessica noch nie erlebt.
SEAL-Teams lebten auf der Überholspur.
Der Stealth-Hubschrauber jagte im Tiefflug über eine Sanddüne hinweg. Dabei waren seine Turbine und der Rotor so leise, wie die moderne Technik es erlaubte.
Zehn Männer von SEAL-Team Six seilten sich ins Innere des Komplexes ab und drangen durch den einzigen Eingang ins Hauptgebäude ein.
Die Länge eines Footballfeldes entfernt verfolgten Jessica, ihr Beobachter und die anderen Mitglieder ihres Teams das Geschehen aufmerksam.
Jessica lag im Sand hinter ihrem Scharfschützengewehr. Das Fernrohr war auf den Hof gerichtet, den Jessica durch eine Öffnung hindurch – dort, wo einst ein Tor gewesen war – einsehen konnte.
Eine Minute später kam die Entwarnung. Die Mission war ein Fehlschlag. Es war niemand im Gebäude.
Jessica und ihre Leute packten gerade ihre Ausrüstung zusammen, um anschließend in zwei wartende Humvees zu steigen, als die beiden Fahrzeuge von Sprenggeschossen getroffen wurden, gefolgt von weiteren Explosionen, als sich die Dämpfe in den durchschossenen Tanks entzündeten.
Im Feuer der Explosionen starben im ersten Humvee der Fahrer und der Soldat neben ihm; im zweiten Fahrzeug verbrannte der Fahrer. Einem Mitglied von Jessicas Team rissen die Explosionen beide Beine ab. Sekunden später war er verblutet.
Jessica und ihr Beobachter rollten sich nach links und richteten ihre Waffen in die Richtung, aus der die Sprenggeschosse gekommen waren, als hinter ihnen eine dritte Explosion krachte, die drei weitere Mitglieder des Teams das Leben kostete.
»Wir stecken in der Scheiße!«, brüllte der Beobachter, als plötzlich auch Schüsse von hinten kamen. »Eine Falle!«
Das wusste Jessica längst. Sie riss ihre Waffe herum, um nach hinten feuern zu können. In diesem Augenblick sah sie, was auf sie und ihre Leute zukam.
»Wir brauchen Luftunterstützung«, rief sie in ihr Headset. »Schnell!«
Es waren drei leicht gepanzerte Toyota-Pick-ups mit etwa fünfundzwanzig Kämpfern auf den Ladeflächen. Ein weiteres Dutzend Bewaffneter lief im Schutz der Fahrzeuge hinterher. Auf die Dächer der Fahrerkabinen waren schwere Maschinengewehre vom Kaliber .50 montiert. Deren Geschosse verwundeten nicht, wenn sie trafen, sie verdampften.
Als ein weiteres Geschoss einschlug, warf Jessica einen hastigen Blick hinter sich. Zwei Leute aus ihrem Team wurden regelrecht zerfetzt; ihre Helme flogen dreißig Meter durch die Luft.
Einer der Toten war der Funker.
Jessica drehte sich zu ihrem Beobachter um. »Gib per Handy unsere Koordinaten durch. Wir brauchen …«
Wieder eröffneten die 50er das Feuer. Der Höllenlärm verschluckte, was Jessica hatte sagen wollen.
Zwei Geschosse trafen den Beobachter. Blut und Hirn spritzten auf Jessicas Kleidung. In hohem Bogen flog der rechte Arm des Mannes durch die Luft und landete im Sand. Nach knapp einer Minute lebten nur noch Jessica und ein anderer Mann, ein Brite namens Hugh Barkley.
Jessica wartete, bis die MGs das Feuer einstellten, um nachzuladen; dann spähte sie durch ihr Visier und drückte dreimal auf den Abzug.
Die IS-Kämpfer, die die MGs bedienten, wurden von Jessicas Kugel getroffen und von den Pick-ups geschleudert.
Drei Männer versuchten, die Plätze der MG-Schützen einzunehmen. Jeder von ihnen bekam eine Winchester-Kugel in den Kopf.
Jetzt änderten die IS-Kämpfer ihre Taktik. Die Pick-ups fuhren Ausweichmanöver, wobei der Führungswagen stets Deckung für die beiden anderen Fahrzeuge bot.
Jessica schnappte sich die Waffe ihres Beobachters. Ohne den Blick von ihren Zielen zu nehmen, lud sie die Munition, die sie als Nächstes einsetzen wollte.
Zielte.
Feuerte.
Das Brandgeschoss schlug in den Tank des Führungsfahrzeugs ein. Den Bruchteil einer Sekunde später entzündete sich das Geschoss – und mit ihm die Treibstoffdämpfe.
Die Wucht der Explosion riss den Toyota vom Boden und schleuderte ihn ein paar Meter in die Höhe, ehe die Schwerkraft wieder das Kommando übernahm. Der Pick-up kippte in der Luft und landete krachend auf dem zweiten Gefährt.
Jessica feuerte ein zweites Brandgeschoss auf Pick-up Nummer drei. Auch hier explodierten die Treibstoffdämpfe, diesmal zusammen mit der 50er-Munition auf der Ladefläche. Das grelle Licht machte die Nacht zum Tag. Leichen, Waffen und Wrackteile wirbelten über den Sand. Einige der Überreste landeten fast eine halbe Meile entfernt.
Als der Rauch sich verzog, sah Jessica keinen lebenden Menschen mehr vor sich. Es gab nur noch Trümmer und verbrannte Leichen.
Doch Jessica hatte keine Gelegenheit, weiter darüber nachzudenken, denn plötzlich kamen Schüsse von hinten. Sie sah, wie Hugh Barkley mit seiner MP5 das Gelände vor sich mit Kugeln beharkte.
Jessica sprintete in die Richtung, platzierte ihre Waffe im Sand, nahm Feuerposition ein, spähte durchs Zielfernrohr und schoss.
Doch trotz ihres Feuers wurde der feindliche Kugelhagel immer dichter.
Dann schlugen um sie herum Granaten ein.
Barkley bewegte sich nach links – ein tödlicher Fehler. Das großkalibrige Geschoss durchschlug seinen Körperpanzer und trat auf der anderen Seite wieder aus. Barkley stöhnte kurz, gab ein gurgelndes Geräusch von sich und fiel mit dem Gesicht in den Sand.
Jetzt war nur noch Jessica übrig.
Sie schaute gerade durch die Visiereinrichtung und suchte nach Zielen, als es aus dem Staub auf sie zukam.
»Scheiße!«
Es war ein M1117 Guardian, ein allradgetriebener Transportpanzer. Der IS hatte ein paar dieser Panzer von der irakischen Armee erbeutet. Das Ding wog fünfzehn Tonnen und war bis zu 100 Stundenkilometer schnell. Bewaffnet war es für gewöhnlich mit einem Granatwerfer, einem schweren Maschinengewehr vom Kaliber .50 und einem zweiten, leichteren MG, alles in einem drehbaren Turm untergebracht.
Jessica wusste auf Anhieb, dass es dieser Panzer gewesen war, der sie und ihre Leute die ganze Zeit beschossen hatte. Als Letzten hatte er Barkley erwischt.
Jessica schnappte sich das andere Gewehr, das sie immer ins Gefecht mitnahm, das Barrett M82. In der Kammer befand sich das stärkste Geschoss, das Jessica zur Verfügung hatte, um das gepanzerte Ungetüm zu bekämpfen. Damit lud sie die M82 jedes Mal, nur für den Notfall – und genau dieser Notfall war nun eingetreten.
Das Geschoss, das Jessica abfeuern würde, hatte den Namen Raufoss Mk211 und wurde in Skandinavien produziert. Seine Wirkung war so verheerend, dass es gemäß den Bestimmungen der Genfer Konvention nicht gegen Menschen eingesetzt werden durfte.
Aber das war Jessica egal. Das Mk211 war ihre letzte Überlebenschance. Sie versuchte gar nicht erst, die Position zu wechseln. Wenn sie aufstand, würden die Terroristen sie mit dem 50er niedermähen – genau wie Barkley. Also blieb sie liegen und rührte sich nicht. Mit ein bisschen Glück würde der Feind sie für tot halten.
Jessica zielte, kontrollierte ihre Atmung und bewegte den Finger langsam zum Abzug. Der M1117 hatte eine starke Panzerung, aber auch die musste regelmäßig gewartet und instand gesetzt werden. Und Jessica war aufgefallen, dass an der vorderen Unterwanne mehrere Panzerplatten fehlten, vermutlich von einer Sprengfalle, in die der Radpanzer geraten war, als er noch in amerikanischen Diensten gestanden hatte.
Aber Jessica zielte nicht auf die beschädigte Unterwanne, sondern auf die Frontscheibe des Transportpanzers. Sie bestand zwar aus mehrschichtigem Panzerglas, aber der Wolframkern des Raufoss konnte auf vierhundert Meter selbst eine zwei Meter dicke Betonwand oder eine Panzerung aus dreißig Zentimeter dickem Stahl durchschlagen. Und der M1117 war wesentlich näher. Außerdem war Glas, selbst Panzerglas, nicht mit Beton oder Stahl zu vergleichen.
»Tu es, Baby, tu es«, murmelte Jessica vor sich hin und drückte den Abzug.
Die Kugel schlug mitten durchs Glas und erledigte im gleichen Sekundenbruchteil ein Besatzungsmitglied des Panzers. Augenblicklich feuerte Jessica zwei Kugeln auf die Unterwanne – dorthin, wo die Panzerplatten fehlten.
Genau wie die Geschosse, mit denen Jessica die Toyotas ausgeschaltet hatte, war auch das Raufoss mit entzündlichem Zirkoniumpulver versehen. Zusätzlich besaß es eine kleine Composit-A-Sprengladung. Mit einem solchen Ungetüm konnte man selbst Flugzeuge und Hubschrauber abschießen oder Schiffe beschädigen.
Und wie sich herausstellte, erst recht einen Panzer vom Typ M1117.
Die Geschosse explodierten. Millisekunden später entzündeten sich der Treibstoff und die Munition im Fahrzeug.
Jessica musste das Gesicht in den Sand drücken, um nicht geblendet zu werden. Brennende Trümmer und Körperteile regneten um sie her zu Boden.
Schließlich sprang sie auf, rannte los und warf sich unter das noch immer brennende Wrack eines Humvees, um sich vor den größeren Trümmerteilen zu schützen.
Nach einer Minute kehrte Stille ein.
Eine weitere Minute verging. Erst dann kroch Jessica unter dem Humvee hervor.
Sie schaute auf die Überreste ihres vernichteten Teams.
Auf die Körperteile der Angreifer.
Auf die brennenden Fahrzeuge.
Sie saß noch immer da, als ein Helikopter über sie hinwegflog und das Terrain ableuchtete.
Als die SEALS sich zu ihr abseilten, beachtete Jessica sie gar nicht, ließ sich beinahe teilnahmslos einen Harnisch umschnallen. Mit einer Seilwinde wurde sie in den Helikopter gehoben.
Eine Minute später war Jessica auf dem Weg zurück zur Basis. In die Sicherheit.
Den ganzen Weg über blieb sie stumm.
»Ich fürchte, wir haben einen Verräter in unseren Reihen.«