Der Flaschenkönig von Övelgönne - Hans-Erhard Henningsen - E-Book

Der Flaschenkönig von Övelgönne E-Book

Hans-Erhard Henningsen

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Beschreibung

Lieber Freund, ich habe viele Dinge, die Du mir vor langen Jahren erzählt hast, in diesem Roman verarbeitet. Wenn dies nur einen einzigen Menschen davon abhält, in schwierigen Situationen seines Lebens zum Alkohol zu greifen um dadurch Probleme zu lösen, dann hat sich dieser Aufwand schon gelohnt. Alkohol ist ein Lösungsmittel, Alkohol löst Besitz und Kontostände auf, er löst Familien und Gesundheit ebenso auf wie Freundschaften und Arbeitsverhältnisse, und er ist in der Lage, auch die stabilsten Fundamente eines Lebens zum Einsturz zu bringen. Alkohol löst viele Dinge, nur eines löst er nicht, er löst keine Probleme.

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M.P. gewidmet, der mir seine Lebensgeschichte anvertraut hat, als seinen Beruf gab er an: »Alkoholiker«

Inhalt:

Die Stadt Hamburg und…

Hermann, der ›Flaschenkönig von Övelgönne‹

Goethe und andere Klassiker

Erika von vor 1930

ein älterer Einkaufswagen und Leergut

der Feuerwehrmann und Rettungsassistent Maik Paulsen

das UKE und einige andere Hamburger Krankenhäuser

die Hubschrauberpiloten der Bundespolizei und der Bundeswehr

ein dänisches Ehepaar aus Brørup in Sønderjylland

zwei Touristen aus Wiesbaden

der Museumshafen in Hamburg-Övelgönne

der Dampfeisbrecher Stettin

ein Notar und sein Klient Bruno O.

die Heilsarmee und die Talstraße auf St. Pauli

die Davidwache – das Polizeikommissariat 15

die Udels

der Kommissar Ewald Rankmann

die POM Schröder und der PHM Mausmann

der Polizeifotograf Sebastian Klose

Ernst Jacobi, den sie ›Brille‹ nennen

das Amtsgericht in Hamburg-Altona

der Amtsrichter Möllgaard und Frau Schulze-Mellerich

der Feuersturm in Hamburg-Hammerbrook

eine Wasserleiche

die Schweinegrippe und die Weltfinanzkrise

Bruno Partuschke

ein Heizerfloh und ein Beschwerdeführer

der Rettungshubschrauber Anneliese und dessen Nachfolger EC 135

ein ganz kleines privates Fischereimuseum

ein norwegischer Aalstecher von 1878

und viele seltsame Gedanken

Inhaltsverzeichnis

Hamburg

Am Hafen

Hermann

Övelgönne, am Museumshafen

Ein Feuerwehrmann

Zur gleichen Zeit im Museumshafen Övelgönne

Das UKE und andere Krankenhäuser

SAR 71: ›Anneliese‹

Es schwimmt auf der Elbe

Im Museumshafen

Hermann

Feuersturm, der 27. Juli 1943

Die Psychiatrie des UKE

Bei einem Notar

Ein großes Haus

St. Pauli, ein Stadtteil der Lebensfreude

Der Brief eines Notars

Die Davidwache, eine Anzeige

Hermann

Ein Heizerfloh

Amputationsverletzung

Ein weißer Bademantel

Im UKE

Alternatives Heizmaterial

In einem Vereinsbüro

Auf einer Bank in Övelgönne

Eine Wasserleiche

Bei Hermann

In der Rechtsmedizin

Den Stier bei den Hörnern packen

In der Davidwache

Spurensicherung

Hermann besucht das Amtsgericht

Eine Krankheit bricht aus

In der Nacht und ein Brief

Ermittlungen, es war ein Unfall

Zum Schluss, dies hat nicht in den Text gepasst

Nachwort

Hamburg

›Der Flaschenkönig von Övelgönne‹ spielt in Hamburg, Hamburg ist eine der schönsten Städte, die es auf der Welt gibt.

Weltbekannt ist diese Hafenstadt an der Elbe durch die Reeperbahn, durch Sankt Pauli, ›Sankt Liederlich‹, wie der Dichter Joachim Ringelnatz diesen Stadtteil der Lebensfreude einmal genannt hat, durch die Landungsbrücken, die Überseebrücke, und durch viele andere Sehenswürdigkeiten mehr.

Früher gab es noch die großen Werften, und tausende haben hier jahrzehntelang das Brot für sich und ihre Familien verdient. In der Blütezeit der Werftindustrie waren es rund 20.000 Arbeiter, die jeden Morgen mit den Barkassen zur Howaldt-Werft, zur Deutschen-Werft (fusioniert zu HDW 1968) oder zur Schlieker-Werft und anderen Schiffbauern über die Elbe gesetzt wurden, auch zum Vulcan oder zu Blohm & Voss, ein Begriff, der nicht näher erklärt werden muss, die Bezeichnung B & V spricht für sich selbst.

Viele der Werftarbeiter strömten täglich auch durch den damals noch neuen Elbtunnel, der im Jahre 1911 eröffnet wurde, dazu kamen aber auch noch mindestens 25.000 Hafenarbeiter, die an jedem Arbeitstag auf die andere Seite der Elbe gelangen mussten. Dieser Elbtunnel war zur Zeit seiner Eröffnung ein Jahrhundertbauwerk.

Mehr als vierhundert Meter lang, und mit seiner Sohle mehr als fünfundzwanzig Meter unter dem Wasser der Elbe, war er von etwa 4.400 Arbeitern unter Überdruckatmosphäre erbaut worden. Fünf von ihnen verloren bei dem Bau ihr Leben, 689 überlebten die Taucherkrankheit.

Dieser Doppelrohr-Tunnel unter dem Wasser der Elbe ist einer der ersten Tunnel weltweit, der im Schildvortriebverfahren erbaut wurde.

Eingang zu den Elbtunnel-Fahrkörben auf der St. Pauli-Seite

Die Gorch Fock, 1958 in Hamburg bei Blohm & Voss erbaut

Der damals weltgrößte Dampfer hieß Imperator, aber nicht wie bei Schiffen üblich, die Imperator, sondern der, dies geschah auf Wunsch des Deutschen Kaisers. Das war nur ein Wunsch, aber ein Wunsch seiner Majestät war natürlich Befehl, dem sich selbst der berühmte Reeder Albert Ballin nicht entziehen mochte, daher also der Imperator. Erbaut wurde dieses damals größte Schiff der Welt bei der Hamburger Vulcan Werft, (spätere Schreibweise Vulkan). Die Werft war nach Vulcanus benannt, dem Gott des Feuers und der Schmiedekunst, das Schiff wurde im Jahr 1912 in Dienst gestellt.

Der Imperator, knapp 270 Meter lang

Von den größeren Schiffbau-Betrieben ist Hamburg nur die Werft Blohm & Voss geblieben. Sie ist vom Schiffsneubau zum größten Teil kastriert, aber als hochkompetente Reparaturwerft und zuverlässige Adresse für termintreue Auftragsabwicklung weltweit gefragt, ihr Trockendock ›Elbe 17‹ ist eines der größten in Europa. Als zweites Standbein hat die Werft den Bau von Luxusjachten für Menschen etabliert, denen es auf ein paar Milliönchen mehr oder weniger nicht ankommt, die Zeit der vielen Werftarbeiter ist jedoch endgültig vorbei.

Die U-Bahngleise, die auf dem stählernen Viadukt am Hafenrand liegen, waren früher einmal der berühmte Ring, einst extra erstellt, um täglich zehntausende von Menschen aus den Wohnquartieren der Arbeiter von Stadtteilen wie Barmbek zum Hafen zu transportieren, aber auch das ist vorbei.

Bei den Hamburger Werften liefen berühmte Schiffe vom Stapel. Das geht vom schon genannten Imperator über das Schlachtschiff Bismarck mit dem bekannt tragischen Schicksal, bis hin zum traditionsbeladenen Schulschiff Gorch Fock der Bundesmarine, das hier 1958 erbaut wurde.

Der Hafen ist immer noch ein Touristenmagnet, manche Attraktionen sind geblieben, neue sind hinzu gekommen.

Hafenrundfahrten erfreuen sich seit Jahrzehnten großer Beliebtheit, Attraktionen wie das ›Miniatur Wunderland‹, das ›Internationale Maritime Museum‹ oder die Musicals, ›Das Phantom der Oper‹ und ›Der König der Löwen‹, ziehen seit Jahren die Besucher zu Tausenden an.

Foto: IMMH

Das Internationale Maritime Museum Maritime Geschichte auf 12.000 m2 und 9 Decks

Touristen am Hafen…

…Touristen in der Wandelhalle des Hauptbahnhofes

Am Hafen

Die Bark Rickmer Rickmers, Baujahr 1896. Das Schiff hat eine spannende Vergangenheit, es war neben anderen Verwendungen unter dem Namen Sagres 1 auch viele Jahre lang Schulschiff der Marine Portugals

Das Museumsschiff Cap San Diego ist das letzte erhaltene Schiff einer 6-er Serie der Reederei Hamburg-Süd, es wurde 1962 bei der Deutschen Werft in Hamburg als Kühlschiff erbaut, und kann bis in den Maschinenraum hinunter besichtigt werden

In wenigen Jahren wird dieser Perlenkette am Hamburger Hafen mit dem Konzerthaus auf dem Körper des früheren Kaispeichers A ein weiteres Glanzlicht aufgesetzt werden, vorausgesetzt, Politik und Gesellschaft gelingt es, die schon jetzt in schwindelerregende Höhe geschossenen Baukosten zu stemmen, wenn dies gelingt, hat die Hansestadt mit einem Jahrhundertprojekt ein weiteres Wahrzeichen von Weltgeltung.

Wann dieser Musiktempel aber endlich fertig ist, und ein Dirigent in Anwesenheit von politischer, kultureller und vermutlich auch finanzieller Prominenz zum ersten Male den Taktstock erhebt, ist im Sommer 2010 noch völlig offen, die am Rohbau plakatierte Eröffnung in der Spielzeit 2010/2011 fällt jedoch mit Sicherheit in das sprichwörtliche Elbwasser.

Aber Hamburg hat viele Sponsoren, die hanseatisch-großzügig und mit ganz erheblichen Summen aus ihren privaten Schatullen ein vornehmes Mäzenatentum pflegen, vielleicht ist dies auch in diesem Fall die Hilfe, die das Projekt in sicheres Fahrwasser bringen kann.

Hamburg, die Stadt lebt mit und durch den Hafen

Die Elbphilharmonie, irgendwann ein Glanzlicht der Musikkultur

Wenn Besuch von berühmten Kreuzfahrtschiffen angekündigt wird, strömen neben vielen Touristen die maritim begeisterten Hamburger zu Tausenden zu den Landungsbrücken und bejubeln oder bestaunen Queen Mary und Co.

Zu erwähnen sind dann noch die großen Stadtfeste, den Anfang macht in jedem Jahr im Mai der Hafengeburtstag, das größte maritime Fest auf der Welt überhaupt.

Neben anderen Veranstaltungen wie den ›Harley Days‹ oder dem ›Schlager Move‹ gibt es dann noch an drei Terminen im Jahr den Jahrmarkt.

Für dieses Volksfest gibt es in Deutschland viele Bezeichnungen, in München ist es das berühmte Oktoberfest, in Hamburg heißt es je nach Jahreszeit Frühlingsfest, Hummelfest oder Dom.

Zum Hafen muss dann noch hinzugefügt werden, dass ein neuer Stadtteil in die Höhe wächst, ein Quartier der Superlative, angesiedelt zwischen Speichern und Hafenbecken. Dieser Stadtteil trägt bislang den wenig originellen Namen Hafen-City, aber dies kann sich noch ändern, bis der erste Zug der neuen U-Bahnlinie 4 den Betrieb dorthin aufnimmt. Bei der Benennung der S-Bahnlinie zum Flughafen gab es zu Anfang auch Irritationen mit der Airport Bezeichnung, vielleicht bleibt dies den künftigen Bewohnern der Hafen-City erspart.

Hamburger haben ein besonderes Verhältnis zu den Angelsachsen. Eine Anlegestelle ihrer Hafenschiffe nennen sie offiziell ›Docklands‹, Fischereihafen schreiben sie nur verschämt etwas kleiner darunter, und an der einen oder der anderen der vielen Bauhinweistafeln steht nicht, dass hier eine Firma X, Y oder Z ihren Hauptsitz neu erbaut, nein, hier wird ein ›Head Quarter‹ erbaut. Vielleicht muss dies alles so sein, mancher behauptet, dass die Hamburger sich britischer benehmen, als die Freunde von den Inseln selbst.

Vielen Hamburgern, und auch Touristen, ist dies sicher wichtig, aber einem Menschen wird das vermutlich völlig egal sein, dieser Mensch heißt mit Vornamen Hermann, sein Nachname tut nichts zur Sache, aber im Kreise seiner vielen Bekannten nennt man ihn meist nur den ›Flaschenkönig von Övelgönne‹.

Hermann

Wer ist Hermann eigentlich, Hermann, der von den meisten seiner Bekannten oft nur der ›Flaschenkönig von Övelgönne‹ genannt wird?

Hermann ist etwa siebzig Jahre alt, seinen vollständigen Namen kennen auch nicht alle. Er ist groß gewachsen und schlank, schlanker jedenfalls, als seine derbe Kleidung dies vermuten lässt. Er hat seine langen Haare zu einem dünnen Zopf zusammengedreht und mit einem Gummiband fixiert.

Anders als viele seiner Bekannten, die er häufig rund um den Museumshafen in Övelgönne trifft, ist Hermann weder tätoviert, noch trägt er Piercing in irgendeiner Form, nicht einmal ein Ring schmückt die Ohren, die seine etwas zu große Strickmütze daran hindern, ihm über die Augen zu rutschen.

Zwar trägt auch Hermann die Einheitshose der Welt, so nennt er seine Jeans in verwaschenem Blau, aber seine Füße stecken gegen den Trend seiner Mitmenschen im Sommer wie im Winter in Holzschuhen, in richtigen holländischen Holzschuhen. Schuhe, aus einem Stück Pappelholz geschnitzt, die ursprünglich bunte Bemalung ist verblasst und kaum noch erkennbar.

Heute, an einem Vormittag im Juni, ist Hermann früh unterwegs, jetzt im Sommer natürlich noch viel früher als im Winter.

Frühstück verdienen, nennt er das, und er zieht seinen Rhythmus mit großer Disziplin durch. Aufstehen ist morgens um vier Uhr. An jedem Sonnabend und an jedem Sonntag ist er schon um kurz vor fünf Uhr am Hafen. Obgleich der Sonnenaufgang mit den Nebelschleiern über dem Wasser der Elbe unvergleichlich schön ist, hat Hermann für dieses Naturschauspiel keinen Blick übrig, er ist hier um zu arbeiten, wie er sagt, nicht um zu faulenzen.

Der Turm mit dem Pegel bei den Landungsbrücken ist Treffpunkt für viele Nachtschwärmer

Seine Schicht beginnt der große schlanke Mann mit dem Zopf und der Strickmütze immer beim Turm an den Landungsbrücken. Das ist ein Treffpunkt für viele Nachtschwärmer, und die Reeperbahn ist nahe bei, sie hat ihren Namen von der früheren Verwendung, dort wurde Reep geschlagen, es wurde also Tauwerk hergestellt, Tauwerk für den nahen Hafen und seine einst vielen hundert Segelschiffe.

Hier ist besonders an den Wochenenden jede Menge Remmi-Demmi, und wie das heute so ist, wird dabei auch Alkoholisches aus Flaschen konsumiert, was bleibt, ist das Leergut, und darauf hat es Hermann abgesehen.

Keiner der mehr oder weniger angeheiterten Zecher nimmt es in der Nacht auf sich, leere Flaschen einzusammeln, geschweige denn, sie nach Hause zu transportieren. Entweder fliegen sie an die nächste Mauer und bleiben als eine Hand voll Scherben zurück, oder sie landen nach weitem Wurf in der Elbe, ganz frei nach dem Motto, Wer kann weiter als ich?

Aber es bleibt ein Rest, nicht zersplittert, nicht mit einem Platsch im Wasser versunken, und auf diesen Rest hat es Hermann abgesehen, und damit ist er erfolgreich.

Hermanns bester Tag liegt schon einige Zeit zurück, da hat er nach knapp eineinhalb Stunden zweiundsechzig Pfandflaschen in seinem Einkaufwagen, und dann hat er beim Museumshafen in Övelgönne noch eine schwimmende leere Bierkiste aus dem flachen Wasser gefischt, die allein hat fast den Pfandwert von zwei Käsebrötchen.

Dieser Einkaufswagen, in dem Hermann seine Schätze transportiert, hat ihm frühzeitig seinen Beinamen ›Flaschenkönig‹ eingebracht. Der Wagen hatte lange in der Parkplatzecke eines Supermarktes gestanden, kein Kunde benutzte ihn, weil der Wagen angerostet war und eines der Räder schwer drehte. Hermann hatte so lange auf den Marktleiter eingeredet, bis dieser ihm den Wagen schließlich geschenkt hatte, so ist Hermann, er bekommt mit seiner Redekunst fast immer, was er möchte.

Der alte Einkaufswagen rollt wieder einwandfrei, seitdem das störrische Rad einige Tropfen Öl bekommen hat.

Hermann schiebt heute am Elbtunneleingang vorbei, er wechselt dort auf die andere Straßenseite.

Hier, an der Küste, wo an jedem Abend und besonders im Sommer an den Wochenenden der Bär los ist, ist sein bevorzugtes Sammelrevier, fast an jeder Mauer steht Leergut herum.

Vor der Fischauktionshalle macht Hermann besonders reiche Beute, er findet neun Bierflaschen, von denen zwei noch nicht geöffnet sind. Anders als man vermuten möchte, leert er den Inhalt an einer Hausmauer, er mag kein Bier. Wenn überhaupt, würde er sich ein Glas Wein gönnen, aber dafür ist sein Budget zu klein, so lässt er es

Auf dieser Flasche liegt leider kein Pfand, das verhindert die ›Schicki-Micki-Lobby‹

Die Fischauktionshalle, über hundert Jahre alt. Der Fischmarkt findet hier im Sommer wie im Winter seit dem Jahr 1703 an jedem Sonntag statt, immer, bei jedem Wetter

Wein, am besten Grauen Burgunder, so wie früher, denkt er flüchtig, aber dann sind die Gedanken auch schon wieder weg, und der lange Mann mit der Strickmütze und dem dünnen Zopf klappert in seinen Holzschuhen die Straße entlang, und sucht mit wachen Augen nach weiterer Beute. Sonntags kann Hermann an dieser Stelle zu seinem Bedauern keine Flaschen ernten, Sonntags ist hier immer Fischmarkt mit vielen tausend Besuchern, dies schon seit weit mehr als dreihundert Jahren, genau seit 1703.

Sektflaschen hätte er in größerer Zahl einsammeln können, aber darauf liegt kein Pfand, ein Umstand, der ihn immer wieder ärgert. ›Schicki-Micki-Lobby‹ nennt er dies im Stillen für sich, aber man muss sich wohl damit abfinden. Endlich ist er in Övelgönne angekommen. Er schiebt seinen Wagen hinüber zu einer Bank, setzt sich, selbst dort findet er heute noch eine leere Flasche.

Övelgönne, am Museumshafen

Seine Lieblingsbank steht direkt neben dem alten Heizkessel vom Schlepper Woltman. Den ausgebauten alten Schiffs-Dampfkessel, Typ: ›Schottischer Marinekessel‹, hat man hier an Land als Blickfang und als Werbeobjekt für den Museumshafen aufgestellt. Hermann macht die Beine lang, streckt die Füße mit den Holzschuhen weit von sich und genießt die frühe Morgensonne, es ist schon herrlich warm.

Övelgönne, der Museumshafen

Ein Blickfang, der alte Heizkessel des Schleppers Woltman, Kesseltyp: ›Schottischer Marinekessel‹, ausgewechselt nach 94 Jahren

Hermanns Lieblingsbank, sogar da findet er heute noch eine Flasche

Hermann schließt die Augen und kramt in Erinnerungen, da fällt ihm ein altes Studentenlied ein, er summt leise die Melodie:

»Ich habe eine Liebste, die ist wunderschön,

sie zeigt mir ihre Äpfelchen, da ist’s um mich geschehen,

doch als mir meine Liebste, der Liebe Frucht gesteht,

da hab ich meinen Hosenlatz…«.

»Verflucht und zugenäht, Hermann, du hier, endlich treffe ich Dich mal«!

Hermann, so angebrüllt, schreckt auf, er hasst eigentlich alles Laute, er verträgt keinen Lärm.

»Ach du, Partuschke, Mensch, schrei doch nicht so laut, man wird ja schwerhörig, komm, setz dich zu mir, genieß die Sonne«.

Er macht Platz, rückt auf der steinernen Bank ein Stück zur Seite.

Da hat der gute Bruno doch genau die richtige Zeile getroffen, als er los brüllte, denkt er noch, und grinsend denkt er zu Ende, ein blindes Huhn trinkt auch mal einen Korn.

»Na, Partuschke, so gut drauf am frühen Morgen, wie geht es Dir, habe dich lange nicht mehr gesehen«?

Bruno Partuschke, der von seinen Bekannten meist nur mit seinem Nachnamen angesprochen wird, lässt sich schnaufend fallen.

»Großartig, großartig geht es mir, ich habe wieder einen Job«, platzt es aus ihm heraus, und dann beginnt er zu erzählen.

Ein Feuerwehrmann